herr x geht weiter

(bild gehandyknipst auf der abc 2012, künstler)

es gibt da wen, der mir aufgefallen ist, ist das nicht nett? er ist groß und vollbärtig und sein haar ist leicht zerzaust, auf eine nicht-hipster-art. ich begegne ihm immer beim joggen, und zwar auf dem heimweg, wenn es mit der coolness vorbei ist. er grüsst mich inzwischen, wahrscheinlich kennt er meine doppelgängerin hier im bezirk, die mir zum verwechseln ähnlich sieht, also für männeraugen: braune haare und brille. ich könnte ein taschentuch fallenlassen! habe aber kein sauberes mehr nach dem laufen. elegant stolpern? ihn nach dem weg fragen, oder ist charmantes fake-unwissen nicht mehr in? ach ach, wenn ich ihn mir aus der nähe ansehen kann, wird mir sein zartes alter und sein ehering auffallen höchstwahrscheinlich.

 

alle 4 jahre gucke ich west wing

bevor ich allzu spontan die staffeln 1-7 von west wing auf deutsch runterlade, für die jungs in ein paar jahren, weil es die grad für 69€ auf itunes gibt – schaue ich nochmal kurz in meine dvds auf englisch, dachte ich. dann kommt „this is bad on so many levels“ und ich bin wieder am haken.

bei der cd war es auch so, dass ich nach ein paar jahren die eine oder andere platte neu nachgekauft habe. ich habe schon filme als daten nachgekauft, weil ich sie nur auf video hatte, cannery row zum beispiel, den ich den kindern im hotelbett in san francisco gezeigt habe, bevor wir nach monterey weitergefahren sind. jetzt erscheint es mir noch ein bisschen dämlicher, digital zu digital? die kleine, sich altmodisch und albern anfühlende empörung darüber, dass der erwerb so einfach und schwellenfrei möglich ist, andererseits habe ich diverse laufwerke voll mit literatur von autoren, die seit >70 jahren tot sind. ich fand die zeit sehr gut angelegt, die ich fürs hingehen, suchen, entscheiden und bezahlen und nach hause schleppen kultureller erzegnisse angesetzt habe, ich finde es blöd, dass ich diese zeit jetzt mit anderen dingen füllen muss, die ungleich sinnloser sein werden. egal was der zeitökonom dazu zu meinen glaubt. effizienz sollte ein schimpfwort sein, eine beleidigung und reduktion von lebensqualität auf ein reproduzierbares und übersetzbares mass, das außer einem mass eben NICHTS ist. es sind natürlich keine vollen laufwerke. die bindung an diese e-bücher  ist ein bisschen arm an biographischen ornamenten, die gründe für diesen oder jenen kauf liegen viel häufiger im zufälligen, kaum geschichten darüber, wie, wann oder warum ich sie gekauft habe, wobei nein, das stimmt auch nicht ganz, „capital“ hab ich im california zephyr gelesen, mit blick auf rockies und so weiter, das weiß ich schon noch. trotzdem habe ich vieles nur deshalb geladen, (ich wollte erst schreiben: wurde vieles nur deshalb geladen, weil es sich so passiv anfühlt, die ausblendung privater gründe im zuge der welteroberung der werbewirtschaft) weil ich im schwung auch die nächsten autoren im alphabet noch angeklickt habe, und weil natürlich die römische geschichte in jeder lebenslage ein guter begleiter ist.

 

wie spät ist es

ehrlichgesagt weiss ich es auch nicht. plötzlich will nichts mehr reden, ich atme aus, das licht wird schräg mit dieser blendenden tiefstehenden wintersonne, schöne eindrücke, 1000mal gesehen, ich sehe die langeweile, ich begrüße sie freundlich wie den ersten yogitee des jahres, hello again, und habe meine sonnenbrille immer dabei. zeitung lesen, aufräumen, schränke leeren, wie eine vorbereitung. ich versuche jeden tag, ein paar dinge zu erreichen, aber die sind meistens schon woanders und kennen mich gar nicht, also denke ich über meine pflanzen nach oder über den total ungezogenen hund einer freundin. nichts geht tiefer, vor allem meine sätze bleiben weit über dem horizont und vermeiden relevanz. nur oberfläche geht, nach jedem dritten gedanken kommt eine wand und es wird dunkel, ich drehe ab und bleibe im licht, es stört mich nicht mal, die welt hier oben ist ja groß genug. da ist was untergetaucht und nicht mehr erreichbar, aber ich esse dann einfach ein stück schokolade und habe es schon vergessen, was da war.

sternennacht

wie die jahre von einem abfallen und irrelevant werden im hunger auf haut. ich bin nicht rüber gegangen über den hof, um ihn zu fragen, ob ich mich dazulegen darf für eine weile, obwohl das so verlockend einfach gewesen wäre, so easybeasy wie die eine hand, die beim umarmen zugreifen und festhalten und die sache in bewegung bringen könnte. ich musste das hirn erst anwerfen, mich an die entschlüsse erinnern (keine körbe mehr abholen und nicht mehr so albern initiativ sein) und daran, dass die geschichten geschrieben sind und es keine freiräume und möglichkeiten mehr gibt. und das jetzt nach einem wimpernschlag vorbei ist, egal wie klar und hell es sein mag.

 

im ernst, wird das leben so einfacher oder komplizierter? ich weiss es nicht.

 

a walk

wie ich heute auf dem balkon stehe, dösig von der sonne, und unten auf dem platz steht dieser mann in weißem hemd, der sich eine kippe anzündet, stehenbleibt, ein bisschen guckt, mit der hand auf dem rücken über den bürgersteig spaziert, eine demonstration des nur vorübergehenden müßiggangs, im unterschied zu allen anderen, die wochenende haben und im schlüpper auf dem balkon liegen. ich rufe den hund, ziehe schuhe an und gehe auch nach unten. eine ecke weiter spielt ein mann kiss von prince, mit mikro und e- gitarre, ich kenne ihn, ein vater, mager und gross und immer ein wenig düster, er strahlt zurück beim singen, aber ich lege keine münze auf den haufen, weil ich bin eigentlich innerlich noch zu hause und nicht im großstadtmodus. ein paar leute und ein teenie im rollstuhl sitzen dahinter, der mann mit der kippe steht auf der anderen strassenseite vorm liebling, hört zu und raucht, ich beneide ihn, ich liebe pausen, die sind so vollkommen richtig, so durch und durch in ordnung, ich laufe mit emma einmal um den platz herum und denke, dass der mann bestimmt weg ist inzwischen, aber nein, er steht da noch, auf einer anderen strassenseite, genau dort, wo ich vorbeigehen kann. er steht vorne am bürgersteig, er blickt nach vorne, ich spreche ihn an und bitte ihn um eine zigarette und bekomme sie. er gibt mir auch sein feuerzeug, „wenn es noch geht“ sagt er, aber es brennt hell und klar, ich kann das waschmittel von seinem hemd riechen, frisch und nach sommerwiese.

stumme fische

auf dem datingportal hängt es etwas, weil die jungs nicht antworten, meistens sind sie höflich genug für eine antwort auf die erste mail, verstummen dann aber sofort, wenn ich weiterschreibe, liegt auch daran, dass es wenig männer meines alters gibt, die frauen bis zu meinem alter suchen, von bis geht die alterspannbreite, und sie suchen 5 jahre um ihre untere grenze herum. die zahl meiner kinder werde ich in zukunft besser auch erst beim treffen nennen, beim alter vielleicht ein paar jahre rausnehmen? ich laufe wohl außer konkurrenz, was kinderzahl, alter, alterung, gesundheit und lebensmittelpunkt angeht und werde ein bisschen ungeduldig.

blablubb.

das leben mit seinem ansprüchen und dem alltag ist für so einen singlemann komplex genug, denke, ich, darum wird die frauensuche so einfach wie möglich gestaltet. weil jemand wie ich da rausfällt, muss ich mir eine andere möglichkeit suchen, hat jemand vorschläge? bin ungeduldig.

glaubt mir das nie, wenn ich sage, ich brauche das alles nicht, die liebe und die haut.

 

einfach weitergehen heute nacht, die musik suchen gehen, den weg nach spandau, immer weiter, hier ein bier, ein paar sätze unterwegs, bis es stiller wird und alles gesagt ist und die bürgersteige leer werden.

(auf dem heimweg in einer kneipe versackt, ganz alleine, die mädels verabschiedet, an meiner haustür vorbei einfach weitergelaufen in die nächste eckkneipengegend, kinder zuhause, hund dabei, rum getrunken, eine kippe geschnorrt, leute geguckt, sie sahen unaufgeregt aus, die frauen geschminkt, die männer mit breitem oberkörper, linoleumboden in brauntönen und internet für 1,50 pro stunde. es ist noch platz an der theke, noch einen rum? die alarmglocken klingeln leise, aber ich lauf weiter aus dem herzschlag des viertels heraus, in die obi- und strauss-innovation-gegend, wo die kneipen neonröhren im fenster haben. sich mal richtig besaufen, ohne drama, aus albernen gründen, das wegräumen von gegenargumenten, alle langweilig, aufstehn, wach sein morgen, bei der guten laune der kinder mithalten können, den vormittag nutzen, und du hast auch eigentlich gar kein trinkerherz. storkower strasse, halb zwei, alles zu. ich ruf ne taxe. aber ich hätte, ich hätte auch bis nach weissensee weitermachen können.)

just music

manchmal bin ich ratlos vor unserer fähigkeit zur liebe, all diese nervenbahnen und sinne dafür, ein ganzes orchester, das immer nur proben und nie spielen darf, es wird gelegentlich gebucht, aber dann wieder ausgeladen, oder es kommt keiner, oder es gibt das konzerthaus gar nicht, nicht mal die stadt, und so wird es über die jahre ein bisschen sonderbar und taucht gelegentlich in vollem ornat in einer dorfdisco auf, wo eine olle jukebox genügt hätte, oder es wendet sich unbekannten finnischen komponisten zu, obwohl es jederzeit mahler spielen könnte. vieleicht konvertiert es auch in toto zum elektronischen minimalismus. der dirigent sitzt dann nach den heimfahrten noch eine weile in seiner bahnhofskneipe und hält reden.

also es war deutlich mehr was für die eltern, so als bühnen-ergebnis, wurde aber von meiner liebsten annette, die auch eins der sogenannten labore betreut hat, darüber aufgeklärt, dass der akademie-gedanke eine der hauptsachen bei der winterakademie ist, inzwischen ein absouluter renner bei den akademischen mittelstands-eltern. es gibt zuwenig solcher projekte in der stadt, eigentlich nur die leute vom gripstheater – und eben die winterakademie. hmhmmm dachte ich mir so als reines publikum. kleine grundschulkinder rennen mit goldfolie bekleidet über die bühne der parkaue und brüllen immer gold! gold!, sehr sweet. dann am ende noch ein absolut professionelles puppentheater, auf den punkt, musik stimmt, ton stimmt, die texte sind in ordnung, habe leider nur 5 von den insgesamt 10 stücken sehen können. in einem ein junge, typ adrian brody mit 10, der ein totales leichen- und weltungergangspanorama erzählt hat, sehr zielstrebig, auf einem overhead-projektor, die figuren waren ernie und bert nach arbeit im atommüll oder so, am ende waren alle tot. ich hätte ihn sofort adoptiert, den lütten, das stück war wirklich eigen.

das konzept geld ist ja erstmal total überzeugend und notwendig so als kinderthema. ich werde nächstes jahr meine kinder auf jeden fall auch dort unterbringen wollen, das thema soll netzwerk sein, aber ich weiß nicht genau, weswegen. akademie! bildung, sicher, es sind brave und behütete kinder, die dort auf der bühne stehen, was ist mit den anderen, den kreuzberger und neuköllner kids, die niemand ins theater trägt? es geht halt nicht immer alles. annette hat einen debattierklub mit deutlich pubertierenden auf die beine gestellt, neben mir im publikum der mann von der theaterzeitung, oder was macht er inzwischen? auch ein freund, der bei den „und wofür sind sie?“- fragen immer für den fortschritt und das wachstum gestimmt hat, die kinder waren für die beständigkeit und das bewahren der werte so als weltrettungsgedanke, sollen sie auch, einer muss ja die welt retten. das essen war ausgezeichnet, alles bio, bionade war auch als sponsor dabei, die kinder haben mich gerührt natürlich, stimmbruch! mein gott. meine sind ja auch so, gute absichten, wir sind so als eltern ja randvoll mit guten absichten für unsere kinder, aber ein bisschen neben der realität ist es schon, oder nicht?

nachher bei minus 10 grad mit der freundin über die verschneite frankfurter allee nach hause radeln, plaudern, um 10 uhr abends, wir retten auch eine welt, zumindest die berliner projektewelt, und uns selber, thats something, wie ich zu oft denke in letzter zeit.

2011

I’m doing it wrong,
And singing along

es ist ja so, dass man mit einem leben wie meinem die suche nur deutlicher sehen kann, ich bin die frage, immer neu gestellt, und wer bist du? will ich fragen, und dann ist wieder was dazwischengekommen. ich hänge mir einen orden um, perlen und givenchy, was sonst, weil ich noch unterwegs bin, weil ich die blessings counten kann, wann immer alles andere zu leise wird.

das jahr hat diesmal nicht nur 12 monate, es hat zwei freunde auf einem friedhof in caldè, norditalien, die haben meine zeitrechnung verformt und verbeult, andererseits, wie schön das zählen der monate ist, august, september, oktober, was für ein makelloser ablauf.

ich war dienstleistung in diesem jahr, habe nicht für mich gearbeitet und nichts produziert, es war sehr anders, ein geschützter raum, es hat mir den rücken freigehalten. aber für was, werden sie fragen? für die kinder, das leben, für das granulat mit den vitaminen und den versprechen und den möglichkeiten. für jede menge gutes essen.

ich habe einen hund bekommen, sie ist sehr, sehr hinreißend und kriegt im allgemeinen mehr telefonnummern als ich, wenn wir unterwegs sind. sie ist ein warmes neues familienzentrum, wie schon mit jack sind wir vollständiger auf eine schöne, runde art.

ich wollte dieses jahr einen reisepartner finden fürs nächste, ich hatte auch einen, aber der ist im november wieder abgesprungen, mal gucken, ob mir noch jemand begegnet – der platz ist zu haben, freunde. den rest der vorhaben hab ich erledigt, bescheidenheit ist alles, obwohl mir das langsam extrem auf die nerven geht, seien wir mal größenwahnsinnig, wann sonst? – keinen text verkauft, ich hatte keine zeit, einen zu schreiben, nix außer blogtexten dieses jahr, und die meisten davon muss ich auch kein zweites mal lesen, well –

2011 war ich unglaubliche 8 jahre lang alleinerziehend, niemals hätte ich damit gerechnet damals. die letzten beiden jahre gefühlt komplett alleine, gerade sind wir wieder auf einem jedes-2.-wochenende-rhythmus, der vater und ich, das ist ein lifesaver. ich werde in ein paar jahren sagen können: ich hab meine drei söhne alleine großgezogen, und das ist nur ein kleines bisschen übertrieben. es wird langsam besser und ich frage mich an diesen jahresendabenden, die langsamer und größer sind als alle anderen im jahr – nee, ich frage nichts, es gibt nichts zu fragen. es ist, wie es ist. ich habe mich daran gewöhnt und gucke nicht mehr hoch, also ohne drama, man hat halt immer was in den händen. (ich werde weitsichtig, das finde ich wirklich lästig.) ich war nicht perfekt, aber die jungs sind bis jetzt in ordnung soweit. thats something.

summa: ein echtes jahr, ein lebensjahr. fürs nächste: wieder ein paar abenteuer, irgendwas neues, weniger existentielle herausforderungen. ich wünsche mir mehr magie – ich hätte da noch einen termin in 3 wochen, zwischen 14 und 15 uhr? 2011 gab es engel, ich hab endlich gelernt, sie zu sehen. der bindestrich ist das zeichen des jahres. bmi 21,5, hba1c war scheisse, aber ich bin auf sehr gutem weg. immer noch lagavulin, der am morgen danach noch da ist. mehr liebe, but hell, who am I. kultur! mit den jungs. mehr vertrauen in mich, mehr blindheit bei fehlern. mehr zeit mit freunden, mehr musik.

aber jetzt schnell weiter ins neue, und nicht umdrehen.

termin verschmissen, eine änderung vergessen, die leute rufen an und erzählen, dass sie warten, und wie lange. jetzt in jacke zuhause, der nächste termin ist erst um 4, totaler ärger über meine unkonzentriertheiten, immer dieses woanderssein, nur wo, fragt man sich, im raum, im jetzt, frei von zielen. (ich mag das nicht an diesen diffusen wurschtelphasen, diese große ungebundenheit, mir ist dann immer so frei, ich muss gar nichts. knackige erinnerung ans konzentrierte, triebhafte arbeiten, den flow, die autobahn.)