dudamel in der philarmonie

der stravinsky ist frisch und lustig, ich werde den trägen und verschneeregneten dezembertag los beim zuhören. dann schuberts vierte symphonie, nicht seine stärkste, wie der begleiter weiss, ich weiss das nicht und höre sie heute zum ersten mal, dirigiert vom salvadorianer dudamel. sie hört sich frisch und gewaltig an, mit einer spannung und einem fluss, den keiner meiner schubertaufnahmen hat, die ich allerdings selten höre, bei schubert bleibe ich natürlich immer in den kleineren klavierstücken und den liedern hängen, und schu.'s vierte hängt ordentlich hinter der vierten von lvb, die beliebteste zu seinen lebzeiten, wie wikipedia weiss. dudamel spielt sie nach der pause (die man statt in der sektschlange lieber komplett im plattenladen im foyer verbringen sollte, gabs den früher auch schon? erinner ich gar nicht ) und nach einem zweiten stravinskystück, darin ein eher halsbrecherisches flötensolo, der typ mit der goldenen querflöte, wie heisst er gleich? berühmter solist, ach, die lückenhafte bildung immer. er hier! pahud.

beim letzten stück und höhepunkt des abends, bei der vierten von lvb sind orchester und dirigent wie frisch verliebt, alles schwingt und spricht miteinander, im ersten satz das adagio ist wunderschön, zart, verhalten und kompakt, und dann leider schnell vorbei, ein kurzes thema, gleich aufgelöst in den, äh, was immer dann kommt, aber ich trauere ihm ein paar takte lang hinterher. dudamel ist dem orchester immer ein halbe bis ganze sekunde voraus, wir sitzen im h-rang und sehen dem dirigenten ins gesicht, seine locken fliegen, er ist nur zwischen den sätzem kurz ruhig und ausdruckslos im gesicht, sonst sind mimik und bewegung ein fortlaufender kommentar zur musik, er tanzt seinen beethoven. bin gespannt auf die kritiken, das tänzerische mögen bestimmt einige nicht, dudamel hat die 4. schon etwas verwalzert. der begleiter moniert zu leise bläser im dialog streicher/bläser, meint aber, das sei auch eine erfahrungssache, der dirigent ist schliesslich erst zarte 32 jahre alt. hab ich nicht gehört, mich haben dynamik und eleganz umgehauen, aber ich habe bisher auch eher ohren für vokalmusik gehabt, vielleicht noch klavierkonzerte, die grossen orchestersachen brauchen so eine gewisse leere und öffnung, weil sie so raumgreifend daherkommen, da kann ich ja noch reinwachsen. früher war ich viel häufiger in der philarmonie und erinnere mich an diese kleinen aufblinkenden hoffnungen von körper, seele oder geist, es möge jetzt auch mal zu ende gehen mit dem satz, das nachlassenwollen der konzentration, gestern war ich die ganze zeit gebannt dabei. gut, er hat ein schönes gesicht und eine richtige dirigentenhaarpracht, schwarze locken, die er sehr dekorativ und energiereich herumwirbeln lässt, das auch, aber es war wirklich die musik, dudamel hätte gern noch ein oder zwei symphonien draufgeben können. toller abend. es gibt das konzert vom nikolausabend demnächst in der digital concert hall zu sehen, wir waren einen tag später dort.

 

basic skills

die gesellschaft auf einem anderen planeten, die alles mit fein differenzierter musik ausdrückt, das abstraktionsniveau über die jahrtausende verfeinert, eine kultur, die so viele opern hat wie unsere filme, die ohren zentraler als der blick, das leben eine große sinfonie, schönheit ist ein klang. getwittert wird wirklich, in 12 noten oder 3 takten, die helden habe alle das absolute gehör. diskriminiert werden die unmusikalischen,  aktivisten treten dafür ein, dass jede stimme schön ist, nicht nur die voluminösen, umfangreichen volltöner, auch die krächzigen, leisen, unsicheren. das hören von geschichten ist dort weit verbreitet, es gibt hörbücher und lesungen, ein paar aus guter familie können selber lesen, die begabten davon auch schreiben, aber das zählt als eine knopflochblumenwissenschaft. texte zu schreiben lernt nur, wer einen besonderen drang dazu verspürt, literaturgeschichte ist was für spezialisten, grammatik nur für nerds.

gut, die kindererziehung läuft als fuge oder kanon, soweit trägt das bild noch, aber seriously finde ich es traurig, dass in unserer sprachwelt die musikalische erziehung nicht einfach so im schulunterricht mitvermittelt wird. im gymnasium der kinder gibt es 12jährige, die keine noten lesen können, die kids sollen in ihren „keyboardzeiten“ immerhin kurze stücke komponieren, können die dann in der mehrzahl aber nicht aufschreiben, das stört auch keinen weiter. aufnehmen, gut, aber wenn der strom mal ausfällt? bleibt doch nüscht vom menschen, abgesehen von müll und kultur.

ich hab ein bissken klavier gespielt als mädchen und viel gesungen in diversen chören, konnte demnach noten lesen, allerdings weder vom blatt spielen noch sofort fehlerfrei singen, aber ich habe recht genaue vorstellungen von tonverläufen, sagen wirs mal so. sonst nix, keinerlei kenntnisse über tonarten, ihre unterschiede und gemeinsamkeiten, zwischen dur- und mollakkorden konnte ich nicht unterscheiden, vom quintenzirkel hatte ich nichts, nichts und nochmal nichts gehört. meine teilhabe an der musik bis aufs singen eher passiv, aaaber: bei all den angeboten im netz zählt da jetzt keine ausrede mehr, es gibt apps für jeden schritt.

 

IMG_0642nagut, ich übe das notenfinden meistens so:

IMG_0641

viel vergnügen macht zb musicopoulos, weil da viele verschiedene aspekte geübt werden können, vom schlichten notenlesen auf klavier, gitarre, bass oder violine bis zu fragen über ionische, dorische und andere modi, erst kann man die erklärung lesen, leider weiß auf grau, dann gibts testreihen für alle möglichen lernschritte. liefert eine gute grundlage, glaube ich, auf englisch! ich hätte so gern ein paar deutsche sachen für die jungs.

musicopoulos bietet auch einen ear trainer an, das würde ich mir zur abwechslung auch mal für zb reimschemata wünschen. gibts schon, oder?

 

IMG_0644

von octavian bin ich noch ein wenig überfordert, aber ich habs verstanden inzwischen: es zeigt alles zu allen tonarten. schon praktisch, wenn man dann mal soweit ist.

 

IMG_0643

spass haben wir auch mit read rhythm, grad weil man als anfängerin viel mehr im ton drinhängt und der rhythmus schnell mal aus dem blick gerät. die app ist sehr einfach aufgebaut und zeigt erschreckend fein, wann ich im takt bin und wann nicht mehr, und wie wenig genau mein „ungefähr richtig“- gefühl in wahrheit trifft.

 

IMG_0639

sehr schlicht und für diese angenehmen leeräume im kopf kurz vorm einschlafen: note-a-lator, mit übungen zum erkennen von akkorden und tonarten, nebenbei wird das gehör geschult. auch viel basales wissen, ein kenner der materie langweilt sich dort bestimmt schnell, aber ich habe den unterschied zwischen verschiedenen akkordarten (zb dur/moll/vermindert/erweitert) tatsächlich dort hören und nicht nur verstehen gelernt.

(ich kann mir immer noch nicht merken, wo auf dem griffbrett die noten liegen, ich kanns mir mit den fingern erschließen [e-f-g-a- usw.], aber es sitzt noch nicht, wobei, für die e und a – seite schon, merk ich grad beim drübernachdenken, na immerhin, es geht voran. das klavier, mit 9 oder so gelernt, sitzt da bombensicher, ist aber auch viel viel einfacher. nichts geht übers frühe anfangen, im ernst, schulen.)

 

IMG_0638

große freude schöner g auch an der liebevollen app von der deutschen grammophon, die beethovens neunte auseinandernimmt und  kommentiert und dabei vier einspielungen vorstellt, man kann hin-und herspringen und sie direkt vergleichen, sehr großartig, mit komplettmanuskript oder einzelstimmen. ich hätte sowas gern für die großen werke der anderen b’s, bach, brahms, bruckner – die neunte hört ja niemand einfach so. das WO würde ich grad noch mal kaufen, vielleicht von richter, herreweghe und gardiner? die sind halt nicht alle bei der DGG.

ich freu‘ mich über weitere empfehlungen zur vermittlung der grundlagen, für kinder und für mich.

vierzig jahre

„wie man es sich als kind vorstellt“ sagt der gitarrenbauer, als ich ihn nach seinem laden frage, „mit einem schaufenster zur strasse mit gitarren drin.“ meine olle framus wird dieser tage 40, 73K steht auf dem aufkleber im bauch, und K steht als elfter buchstabe für den monat november, sie klingt noch gut, finde ich, voll und warm, sogar fast zu laut für meine abendlichen übungszeiten, und ich hab sie natürlich sehr gerne. ich soll mehr nach vorne spielen, hat mein lehrer gesagt, und dass viele seiner schüler so spielten, bei mir fühlt es sich an wie: erstmal in den eigenen kopf hinein, in jeden akkord, noch nicht in die musik oder den song, noch nicht als melodie. beim mitsingen ist es eher ein hinterhersingen, wann immer halt ein akkord daherkommt. ich werd da langsam ungeduldig nach über 7 monaten unterricht, es ist schwieriger als gedacht, die nervenstränge wachsen sehr, sehr langsam, trotzdem ist dieses körperliche lernen eine hochinteressante erfahrung, dass der körper andere strecken benutzt als der verstand, zbsp. wo lernen über text eher ein umordnen von einrichtung ist, so muss ich bei neuer feinmotorik erst mal die möbel selber bauen, und davor die wälder finden, in denen die bäume dafür stehen. es gab momente, also ein oder zwei, da fühlte ich mich wie frau engl beim tango. zu ungeduldig, meint der vorbildlich geduldige und nur im stillen vermutlich zu tode gelangweilte lehrer.

die framus lag einen tick unter dem neupreis, jedenfalls bei 1:2 umrechnung, sie wurde in bubenreuth hergestellt, die fabrik hat eine spannende geschichte mit einigen aufs und abs, sie gehört seit einem konkurs ende der siebziger der firma warwick, es werden dort immer noch gitarren gebaut. die saitenlage von meiner alten texan ist etwas übertrieben, was ich mehr sehen als erspielen kann bei meinem aufenthalt in den oberen vier bünden, und bundrein ist sie auch nicht ganz. so zum vierzigsten kann ich ihr ja mal einen besuch beim spezialisten gönnen. es geht ihr nicht schlecht bei mir, sie wird jeden tag gespielt, oder fast jeden, aber die wohnung ist im winter zu trocken mit all dem saugenden holzboden, ich werde sie neben einen der nervigen luftbefeuchter stellen, die ich wegen der alten bis sehr alten bücher angeschafft habe, die haben die heißen und feuchten jahre in mailand gut überstanden, sind hier aber oft bis zur brüchigkeit trocken gewesen, ich habe nichts gegen nasse winter –

was ich ei-gent-lich sagen wollte: einen riesen glückwunsch an mein schönes instrument, and thanks for playing along.

 

wiesn

es regnete in strömen. in der sbahn sassen lauter junge frauen im dirndl und jungs in lederhosen, 4 männer aus lettland, in lederhosen, angeregte unterhaltung. 2 mädchen, im dirndl, die sich diese flechtfrisuren flechten, dabei nicht reden, konzentriert. ihre sorgfalt. als ob! auf der wiesn also sehr, sehr viele menschen in tracht, es ist ausserdem alles viermal so gross wie erwartet.

meine riesige verblüffung, als ich auf der wiesn gar kein bier bekomme, weil es bier nur in diesen riesigen hallen gibt, in die man aber nicht reinkommt, gar nicht! ich hatte im zug noch so hin- und herüberlegt, um wieviel ich meinen üblichen halben liter trotz diabetes und vier kindern (ein gastkind war noch dabei) eventuell überschreiten dürfte (um nichts, klar, aber ich nutze die chance für ein paar phantasien, die sofort ins organische abrutschen, wohin soll man denn mehrere liter bier tun an so einem kühlen tag? was haben bayern für blasen?) – kein problem, kein risiko.

skyfall heisst das ding, auf dem die kinder fahren wollen. ich nütze die chance von leichtsinn in gesellschaft meiner kinder und stelle mich mit an, kaufe karten und bereue es ein bisschen, merke dann, das es genau so eine jahrmarktaufregung ist wie ganz früher und kanns voll geniessen, bis ich merke, dass die sitze unterm hintern nur bis zur hälfte der oberschenkel reichen, der rest bein schaukelt frei überm abgrund. „mach die augen zu“ sag ich zu david neben mir, der das mitfahren bereut plötzlich, während der ring nach oben gezogen wird, 80m, so hoch wie ein sequoia, denke ich und schaue auf den jahrmarkt und die stadt, wie immer bin ich zu kontrolliert für angst, gucke aber natürlich nicht senkrecht nach unten, zu irgendwas muss die lebenserfahrung ja gut sein, als der ring oben kurz anhält, denke ich aber doch: notfalls sterben wir zusammen. dann der freie fall, aber der ist zu kurz, um die panik zu überwinden, und die erfahrung zu geniessen, ich merke, wie sich mein gesicht verzieht in etwas, was man auf diesen geisterbahnbildern sehen kann, ich fletsche die zähne und reisse die augen auf, ich kann gar nicht anders, es dauert ewig und ist wirklich, wirklich aufregend. ich denke noch: gleich, gleich bremst das ding, tut es dann auch, sehr sanft, sehr lange paar sekunden, die kurze scham, eine grenzerfahrung auf eine so berechenbare art gemacht zu haben, dann entspannung, weil: es ist so zeitgemäss masslos, so entlarvend grössenwahnsinnig, es umgeht die persona und greift direkt ins ZNS, klar dass es spass bringt. kinder aufgeregt und glûcklich, also weiter!

die achterbahn hab ich dann auch noch mitgemacht, eine mit 5 loopings, das herumwirbeln ist sehr endorphinös und ja, es ist wirklich wie eine komplette liebesgeschichte, nur ohne das ende, man steigt aus, der körper wird glücklich und alles wird leicht ein paar minuten lang. wobei, als die wagen sich in schräglage in diese engen überschläge legen, nochmal und nochmal, da freut man sich schon über die fliehkraft und schickt ein stossgebet an den stahl und die mechanik, für mehr ist keine zeit, aber danach ist immerhin der regen egal. die jungs machen noch haut den lukas und sterneschiessen und kaufen sich zuckermandeln und kleine herzen, ja, gibt es immernoch, ist zeitlos, nein, sie haben den lukas nicht richtig hochgekriegt mit 14 und 15 jahren, waren aber beeindruckt. erinnerungen schaffen, sagt der grosse: „daran werde ich mich erinnern später“, ach, ihr metaboliden.

auf dem langen sbahn- heimweg mit einem alten bayerischen paar in der vierersitzgruppe, er in loden, sie in einem eleganten alten wetterschutz aus irgendwas organischem, david schwärmt von seiner skyfall-erfahrung, die dame lächelt, weil es klar eine erste erfahrung war, die da aus dem kind heraussprudelt, relativ wohlformuliert („dann war ich mir kurz nicht mehr so sicher, aber fürs aussteigen war es zu spät“), während mir von den anden drei jungen die frage nach dem abendessen gestellt wird. „es gibt filet, butterkartoffeln und salat“, sage ich und nutze die chance fûr den satz „aber ihr müsst erst noch mit den hunden raus“. leider hat gregor kurz vorm aussteigen noch den eminem geben müssen, dabei hat elias ihm die schnürsenkel zusammenbinden können, so dass wir die bahn nicht vollkommen souverän verlassen konnten.

(fünf tage krank mit dauerhusten bei sonne, dann gesund und dauerregen, pffff) (die jammerzeilen über krankheit mit alleinerziehen, drei kindern, zwei hunden und zwei katzen lass ich jetzt, weil ihr euch das ja auch vorstellen könnt, #10jahre)

 

I’m a

zwillingsgeburtstag.  ein wunderbarer und sehr entspannter tag, noch keine parties, die machen wir getrennt dieses jahr, weil jeder eine eigene will. zum ersten mal nur 1 kuchen, dafür ein großer. kerzen, ständchen, hund will vom kuchen abhaben. ein abendplan war geplatzt, da habe ich den jungs videos satt angeboten, wir lagen also mit popcorn und chips und bionade/bierchen auf der couch und haben den hobbit und argo geschaut, um halb elf abends davidzwilling noch eine wärmflasche gemacht, weil er nach maulwurfskuchen, knabberkram und einer doppelten lasagna etwas hinüber war. (mother)

gestern kurz mit einem weltbass am tisch gesessen (u.a zorn, coleman, waits, anderson), er wohnt ein paar wochen über mir. was ich denn so tue, fragt er, „I’m a writer“, sage ich, bevor sich der kopf einschalten kann, und ich werde den mann nicht gut genug kennenlernen, um eine berichtigung notwendig werden zu lassen. warum mach ich sowas? ich habe nur ein paar jahre lang mit schreiben geld verdient, hauptsächlich als eisbär, davor und danach bin ich ein paar originellen ideen gefolgt, habe aber auch jede menge schwachsinn gemacht, das meiste eher unspektakulär. (joke)

der große spielt mit der gitarre und tut so, als könne er superschnell spielen. „kann das jemand?“ fragt er mich, ich freue mich und öffne den klassiker, gleich kommt ein freundliches hallo vom spolar plexus, ich erinner mich an das wohnzimmer meiner freundin mitte der achtziger, in dem christian kathrein sass und die stücke einfach so mitspielte. „hört sich echt scheisse an“ sagt der große, ich werfe ihn sofort raus und schicke ihn in sein zimmer. er soll jetzt 10 mal „das ist nicht so mein stil“ schreiben und mir die füsse küssen. kein respekt. i’m a bitch.

gott, ist das großartig, das stück. seit jahren nicht gehört, die songs geistern noch durch ein paar wiedergabelisten, aber sie sind zu sehr an alte zeiten geknüpft, nicht mal negativ, vielfach an menschen, nächte und stimmungen gebunden. neu hören ist eine hohe kunst, dabei geht zuviel verloren, nicht bei dieser platte natürlich, aber. mal auf kassette in einem einem citröen DS am lago, der fahrer auf koks, ich mit einem mailänder auf der rückbank, vielleicht verliebt, vielleicht nicht, der mich nach durchknutschter nacht eh sitzenlassen würde, die sonne ging auf, die musik ging weiter. später einer freundin vorgespielt, die irgendwie zu brav war dafür und es nicht cool genug fand, um es ihr nochmal vorzuspielen. das schwarze plattencover mit rand. habe die cd vor 10 jahren einer familienhelferin geschenkt zum abschied, weil damals, als ich mit den kleinen jungs frisch allein zuhause war, der große immer die kleinen verkloppt hat, teilweise mit kochlöffel, da hab ich beim jugendamt angerufen und nach tips gefragt. eine nette familienhelferin ist dann ein paar mal gekommen und hat mit den kindern gearbeitet, wir waren wechselseitig erstaunt übereinander, die, weil ich sie um rat frage, ich, weil sie so nett war. sie hat sich bei uns ein bisschen gelangweilt, es lief dann irgendwie unter bürgerverständigung, glaube ich. es gab einen schlussbericht mit chefin, noch einer mitarbeiterin, ihr und mir, der zur allseitigen zufriedenheit ausfiel, man, war ich jung damals. 2003. sie war ostlerin, mochte gitarre und kannte kaum internationale musiker.

I’m a blogger.

(morisette-revival-day)

(sie können hier über paypal etwas in die trinkgeldbüchse werfen, wenn sie möchten. das hotel mama hat auch einen wunschzettel. vielen dank dafür!)

handel, projekte, musik.

bei der suche nach einer bespielbaren alten sog. westerngitarre grossen spass. lese mich abends durch gitarristenforen und suche auf ebay und auf seiten mit kleinanzeigen. eine hatte ich schon zuhause, 40 jahre alt, klang super, zuhause habe ich die saiten entfernt (oder sagt man: sie entsaitet?) und dann einen riss entdeckt und innendrin etwas, das wie schimmel aussah. zurückgebracht, ohne saiten, ärger bekommen, ich soll über meinen umgang mit mitmenschen nachdenken. eine nächste ist unterwegs, der verkäufer wortkarg und bildarm im netz, das wird wohl auch eher nüscht, aber ich hab ja zeit und mein jagdfieber ist geweckt.

man ölt gitarrenhälse mit lemon oil, sehr wohlriechend, und sollte sie angenehm temperiert aufbewahren, wie alte bücher, zwischen 45 und 55% luftfeuchtigkeit. ihr holz richtet sich durch das spielen an den klangwellen entlang anders ein, darum verändert sich durchs spielen der klang von vollholz- instrumenten, bei sperrholz nicht, weil es durch die leimschichten unflexibel geworden ist.

oder die geschichten über das beste holz.

natürlich sollte ich lieber alle energie in die pflege des herdfeuers job- und kundensuche investieren, aber das handeln, die ergebnisse, die selbstläuferische realisierbarkeit dieses neuen unterfangens erinnert an das leichte leben und die guten zeiten, zauber im anfang. anders als das herumstochern im dunkeln ohne echo und erfolge.

gestern noch eine führung durch die fabrik der altmeister angesehen, danach fällt es schwer, einen nachbau in betracht zu ziehen, die es in guter qualität zu einem viertel des preises gibt, also nicht für mich, ich brauche ein preiswertes anfängerding, aber so als traumobjekt. diese martins waren schon früher der rolls unter den opels, freund g. hatte eine, sie wurde im koffer transportiert und war perfekt, silbrig, rund, warm. kann aber auch sein, dass das die zeit war, und nicht die gitarre.

try harder

die meisten menschen singen gerne. letzte woche bei einem essen mit guten freunden, der mann des hauses holt nach der nachspeise (applecrumble, danach singt man quasi von alleine) seine gitarre raus, nach ein paar minuten sind wir alle dabei, kinder wie erwachsene, die erwachsenen in den ersten takten leise und vorsichtig, dann vergisst man sich und singt einfach mit. es entspannt und macht ruhig.

jetzt überlege ich, noch mit gitarre anzufangen, obwohl die lagerfeuerjahre mit den kindern eigentlich fast rum sind, also die, wo ich dabei sein darf. weiss jemand, ob man in ein oder zwei jahren auch als erwachsener noch in den fluss kommt? mit ein paar grundlagen, für die klassiker? lohnt sich das? als linkshänderin hätte ich einen startvorteil.

ich habe ja sogar einen strassenmusiksommer gehabt (wenn ich mir die bilder so ansehe: hach ja. schöner sommer war das.) ich kann also noch einen haufen erster strophen. einer hatte früher immer eine gitarre dabei, das lag sicherlich am jahrgang, aber auch an der breiteren musikalischen alphabetisierung in italien, wo jeder ein paar dutzend lieder singen kann, oder konnte, in den endsiebzigern und achtzigern zumindest. wir haben folk gehört, als er mainstream war, wir konnten live at budokan auswendig, die italienischen liedermacher sowieso, ein uferloser schatz.

außerdem ist der gitarrenlehrer vom kind, nun ja, der hat mal für maurenbrecher gespielt, von dem würde ich auch gerne etwas lernen. kind meint allerdings, das wäre extrem peinlich, aber man muss ja nun nicht auf jedes gefühl der gören rücksicht nehmen.

 

lieder singen

Quattro cani per strada
e la strada è già piazza
e la sera è già notte.
Se ci fosse la luna,
se ci fosse la luna si potrebbe cantare.

und wenn schon. der war gut damals. ich sass mit zwanzig auf einem holzboden in deutschland in irgendeiner mehrzweckhalle und dieser liedermacher sang, er hat eine richtige singstimme, nicht wie die anderen, die eher nur kopf und absichten hatten, seine lieder hatten herz und sehr viel musik. ich sass da und fand ihn gut, habe platten gekauft und die songs mit zurückgenommen nach italien, wo ich mit freunden einen sommer lang strassenmusik gemacht habe, wir haben die ganzen cantautori gesungen, lucio dalla und de gregori auch natürlich, de andrè, den alten, vor „creuza de mar“. aber auch gianni morandi und guccini und pfm (die habe ich seit diesen frühen achtzigern bestimmt aus gründen nicht mehr gehört, es gibt sie immer noch, ihre letzten drei platten heißen ulisse, serendipity und dracula, denen kann jetzt auch nichts mehr passieren) und wir spielten die klassiker aus den usa. ich wusste immer nur die ersten paar strophen, aber meine stimme war in ordnung. wir fuhren in einem grünen alten käfer herum und ich war ein bisschen verliebt in den gitarristen, bassist war keiner mit, ich habe noch ein bild von ihm und diesem wagen, aber seinen namen hab ich vergessen leider, paolo vielleicht? paolo war es. wir schliefen in den dünen, wo der appenin flacher wird und die maremma anfängt, gibts da dünen? la spezia und drunter. in einem zelt, es gab wein und pizza, verdient haben wir nicht so viel, aber es ging natürlich sowieso nicht ums geld. es ging um nichts besonderes, um das nächste lied, darum, den wein kühl zu halten, um einen blick, den sommer eben.

(kurzgespräch gestern abend mit jemandem über konstantin wecker, der andere fand den relativ unverzeihlich, aber meine erinnerungen sind gut und hell. sein pathos ist mir damals nicht mal aufgefallen, aber wir liefen ja mit offenen herzen herum, es war okay, wir sangen einfach mit, überhaupt komm ich aus italien, die haben andere sorgen. die tonlage war bisschen zu hoch, männerlieder waren das.)

gefunden: 1977 in bologna, dalla-guccini-vecchioni haben spass.

tomato

heute gospels gehört, auf dem rechner gefunden, tief vergraben, alter kram mit mahalia jackson und ella und so, ich hab das wohl doch nicht mit den LPs zurückgelassen. gehört in den achtzigern bei der tante, bei der alles anders war, die manchmal mitten im satz aufsprang und eine platte auflegte, weil es sein musste, die meine grenzen mit einem lachen aufgelöst hat. es lief immer musik, so kam es mir vor, aber nee: sie haben musik als herz-und-seelen-futter gehört, nicht wie bei uns, wo alles eher in den passenden schubladen blieb oder als brücke in die sentimentalität diente, also schlager, klassik war hochkultur und lief nur sonntags. ich war vor jahren noch sicher, sascha lobo hätte sich nach diesem berühmten lobo hier benannt, der jahrelang bei uns zuhause herumstand. bei der tante gab es einen querschnitt durch r&b, blues, liedermacher, kraut und rüben, gerne laut, gerne mit herumgespringe, gerne auch mal beatles, darum singe ich immer mit, wenn meine jungs morgens yellow submarine brüllen. die alten sachen liefen heute beim kochen und haben mich sofort wieder in dieses kleine wohnzimmer gebracht, wo gegackert und getanzt wurde, immerhin synchron mit dem universum, und wo herumblödeln und mitschmettern in ordnung ging. die songs kommen mir deswegen nie alt oder gar altbacken vor, es ist einfach musik, die immer funktioniert. heute kam dann beim essen let’s call the whole thing off, die jungs haben ihn natürlich noch nie gehört – allein das ist schon schräg, oder? ist auch wurscht, ob der song jetzt 47 oder 75 jahre alt ist, überlebt hat er auf jeden fall alles. mit dem bass-einsatz flogen die köpfe hoch und keiner blieb still sitzen. made my day.

„sag mal, auf was für einem konzert warst du mit elias neulich? ach prince! david garrett war ja auch da, du das war toll, mit orchester, der spielt ja so großartig, das glaubst du gar nicht, das hab ich gesehen zufällig. das ist ja ein toller musiker. und mit prince, damals als die shermans noch da gewohnt haben, also bevor die nach amerika zurückgezogen sind, die waren bei den baptisten, und die baptisten hatten so einen gebetsraum, einen recreationroom, im – wie heißt das noch, was war noch die großmutter, wart mal, im diakonissenhaus war das. weil die kirche, das ist alles privat in amerika, und wenn die kirchenmitglieder geburtstag haben, werden die persönlich aufgerufen, und wenn jemand hilfe braucht, dann wird dem geholfen, und da machen immer alle mit. die shermans hatten mich mitgenommen an dem tag, und prince kam da hin, der war wohl grad in hamburg, und da wurde mir der vorgestellt, ich hab noch gesagt, was für ein prinz? du, der war nett. die baptisten haben immer einen chor und jim war da natürlich auch drin, und der prince hat da bei dem gottesdienst auch mitgesungen.“

die tante ursel, eine sehr energiereiche lieblingstante kurz vor ihrem 75., erzählt aus dem fernen jahr 1998.

lamentela

also, der TANGO, wie konnte ich nur ohne? wißt ihr, was man alles tanzen kann, sicher in der musik und in armen, und dann den rücken heben in den freiraum hinein, ein ganz klein wenig, eigentlich nur in gedanken, aber der mann bekommt es mit und gibt mich frei in diese kleine mitte, immer ein volt vor dem takt, ta-ta-ta-ta läuft man übers parkett, die ganzen vielen schritte werden geradeaus hineingetanzt in die milonga, lauter glatte schnörkel, oder auch spöttische, du willst uns schnell, milonga, morgens um 3? ha, da hält mich die hand im rücken, ein lachen, paar synkopen ganz still stehen, in spannung und mit heißem atem, die einspielung unterlaufen, aber nur kurz, obwohl ich immer gar nicht weiß, ab wo es schritte sind, also nicht mehr hand oder rücken oder so, der übergang intention in bewegung ist ein nervending der körper untereinand.

atmen und gehen, mehr ist das nicht mit dem tango, der ist eine sprache eben, und man kann sie tanzen, der mann wiegt seine arme manchmal ganz ein bisschen, das ist ein metawiegen, ein kommentar, und und genialerweise kann man die augen zumachen dabei.

sie tanzen anders heute, sagt mein tänzer, den ich auch seit 7 jahren nicht gesehen habe, schau sie dir an, sie schwitzen, es ist immer noch ein dritter dabei, ein zuschauer, und richtig fliegen die beine der damen hoch um ihre knie herum, es sieht aus wie der bewegungswirbel im comic, das mag ich nicht mehr so, sagt er, ich will die frau spüren beim tanzen, und das ist natürlich auch scharmant, weil das gewirbel, also das krieg ich nun wirklich nicht hin so aus dem nichts.

(die begeisterung noch tatsächlich aufgeschrieben und nicht nur gedacht, jetzt grad nur das betrunkene rausgestrichen, aber es ist natürlich wie jeder gute zustand eine ja/nein-geschichte, schwörst beschreibbar. man steckt in einer ganz mühelosen dynamik, die einen musikalischen Raum durchmessen kann, wortwörtlich, mit schritten, und ihn dabei vollkommen erfasst. das ist, wie man sich vielleicht vorstellen kann, eigentlich ist das glück.)