50-60kg

im letzten sommer unter den überwiegend schlanken bis mageren italienerinnen meines alters am strand zum ersten mal seit meinen frühen zwanzigern unpassend gefühlt, anders. habe so ein blaues langes leinenkleid für den strand, es fühlte sich nicht mehr elegant und luftig an, sondern raumgreifend bis enorm vor all den t-shirts und engen kleidchen um mich herum. es begann mit einem blick: als jemand einen witz über eine cicciotella machte, sah die freundin mich kurz entschuldigend an, an diesem blick hab ich mich zum ersten mal mit ihren augen gesehen, sie, die man mit drei händen umfassen kann, und war erschrocken. die wertenden kriterien in meiner körperwahrnehmung betrafen in den letzten 30 jahren nur änderbares, friseur ja/nein, nägel manikürt oder nicht, kleidung passend/unpassend oder schön/langweilig. die schönheit es körpers war gegessen sozusagen. mit diesem blick war sie wieder im raum, als dichotomie, ich wurde auffällig, die kategorie ‚gewicht‘ kam damit über mich wie eine mückenplage oder ein quallenkontakt. aus dem nichts. ich hab dann noch am meer drauf geachtet, wie bewußt das thema gehandhabt wird, wie öffentlich es ist (gar nicht), es läuft so mit, das wahren der jugendlichen fasson ist wie das atmen und schlafen, selbstverständlich und leise,  es bedarf keiner kommentare, ist längst verinnerlicht worden, bis der letzte rest appetit weg ist, niemand isst noch etwas, salat und dietcoke füllen die mahlzeiten. ob der körper dadurch dauernd anwesend wird? oder verschwindet er hinter seiner symbolhaftigkeit als erotisches objekt? vielleicht so, wie mein blutzuckerspiegel in meinem bewußtsein herumlungert, ein meßsystem, vor dem ich jede empfindung abgleiche, unterhalb des bewusstseins. der zu dünne körper ist in seinen bedürfnissen zum verstummen gebracht, als symbol spürbar wie eine art halo über dem körper aus fleisch und blut. wie ein geschmeide von bulgari. wie konnte mir das jahrelang nicht auffallen? freundin erzählte gestern davon, wie dünn die frauen überall sind, wie üppige büffets bei veranstaltungen unangetastet stehenbleiben, wie sie nur salate essen, nur noch trinken tun sie, aber weniger als die männer, die darin maßlos werden können. die statur vermittelt vielleicht so eine diffuse zugehörigeit zu denen, die dazu gehören, völlig unberührt von feministischen und historischen diskursen und realitäten. je wichtiger und größer diese frauen beruflich sind, desto kleiner und harmloser sollte ihr körper aussehen, wie eine entschuldigung (das ist ein gemeiner gedanke aus dem sommer, in dem der text entstand, weiß ich, und vermutlich nicht frei von neid). mir ist das in meiner auch beruflichen abgeschiedenheit gar nicht aufgefallen, auch weil mein körper fast immer das ganze ich ist, mit entspannten 70kg, und ich schon ewigkeiten an keinem rennen mehr teilnehme.

es ist anders, es gibt wirklich diese menge an dünnen frauen, erst meine eigene normalgewichtige körperlichkeit bringt mich zum lästern, oder? „bei datingbörsen heißt ’normal‘ immer ‚fett'“, sagte mir neulich jemand. dann lach ich drüber, elegant verschiebt sich mein innerer bewertungsapparat wieder weg vom kriterium wenig gewicht auf die art schönheit, die ich selber sein kann. mein diabetes läßt mich ja eh in einem zahlenkäfig leben, das sollte genügen. maybe baby!

(die frauen nehmen die männliche sehnsucht nach der schmalen maid auf sich, als wäre es nichts, jahrelang, und werden dann irgendwann alte mädchen in einem kosmos traurig trinkender alter männer.)

das urteil trägt man trotzdem herum, es ist ein binärer code, das |false| macht unsichtbar fürs gesellschaftliche begehren (den leise anerkennend nickenden neid), oder für die immaginäre nebenei-selbstbestätigung im schaufenster, das reicht ja schon als stein im schuh. vielleicht nicht fürs sexuelle, but who am I. dünnes eis. es ist müßig, diese kriterien zu kritisieren, sie unterliegen keiner bewußten entscheidung.

die ewige aufgabe der normalen frauen, nicht um schönheit zu trauern. schöner gesagt: Wo mehr ist, muss ich womöglich mehr lieben.

verrückt. (brauche mal wieder ein paar nächte, glaub ich)

edit: grad noch ein strandfoto vom letzten sommer gesucht. auf allen waren gleichviel runde wie eckige frauen zu sehen. wahrheit oder pflicht?

kw 43

ein paar tage weggefahren, die jungs alleine gelassen. es war für keinen von uns der rede wert, das ist mir auch erst aufgefallen, als ich schon weg war. das schwierigste war die liste mit den hunde-pflichten, nach ein bisschen aber ich mach immer und stimmt gar nicht wurde das blatt akzeptiert und an den kühlschrank gehängt. wenn du immer so einen kram kaufst, müssen sie gar nicht kochen, sagt der große zum vorrat an maultaschen, tiefkühlpizzen und pestogläsern. er hat recht, und er hat nicht „wir“ gesagt. er sieht sich als auserzogen.

in italien erst einen anderen leihwagen als den gewünschten fiat 500 angeboten bekommen, einen schwarzen bmw 118 mit steptronic. begeistert eingestiegen, nach 30 minuten mit sehr angeschlagener ehre aufgegeben: ich verstehe ihn nicht. die automatik konnte ich nicht fahren (in den usa damals das automatikfahren auf der strecke vom parkplatz zum ausgang des parkhauses gelernt, problemlos), bin wie armin müller stahl seinerzeit durch nyc mit quietschenden irgendwassen (bremse? reifen? motor?) durchs parkhaus gehoppelt. ging nicht. drei sixtmitarbeiter davor im gespräch darüber, wie man ihn wohl ankriegt und die schaltung von p auf d umstellt. übel, übel. dann weiter mit dem kleinen 500er, ein vergnügen.*

von haustür zu haustür 6 einhalb stunden gebraucht, mit direktflug wärs in 4 stunden zu schaffen, ökologisch ein riesenschwachsinn, erholungstechnisch sehr effektiv. sinnvoll ab vielleicht 4 freien tagen, finanziell sinnvoll ab zwei wochen, wie gehabt.

der gefürchtete rückfall in die ansia der kindertage, weil ich alleine mit muttern dort war, ist fast ganz ausgeblieben, ich habe das haus inzwischen recht gut mit neuen erinnerungen überschrieben. flashback nur bei unterzuckerungen, da rutscht die decke vom gerippe. vatergrab besucht, friedhof war gut besucht, es war das wochenende vor allerheiligen, da schauen die überlebenden nach dem rechten.

rückflug am sturmtag mit verspätungen, in malpensa und frankfurt gewartet, das warten genossen. ich mag auch den gegensatz zwischen shoppingmall mit lauter kram, den unsereins höchstens mit ruhe und nach entscheidungen kaufen würde, und den rastlosen reisenden. in einem laden eine bestickte stola für 700€ bewundert, da hätte man ein haus drumrum bauen können, so schön war sie.

an halloween hat niemand geklingelt, aber die schale mit süßigkeiten war nach anderthalb tagen trotzdem leer. da sind sie zuverlässig.

*irgendwo gelesen, dass manche autos beim gas wegnehmen von alleine bremsen – so hat es sich angefühlt. ( ich hatte ein so außergewöhnliches gefühl von totaler machtlosigkeit in diesem cockpit)

die werte bin ich: diabetes, internet

es gibt gute und schlechte zahlen. ob mein diabetes gut oder schlecht läuft, sagen die zahlen, und wer sich etwas auskennt, kann leicht herauslesen, wie es mir insgesamt grade geht, ob er mir verantwortung für gute oder schlechte zahlen zuweist, hängt von seinem fachwissen und seiner persönlichkeit ab, die zahlen sind bei aller klarheit interpretierbar in ihrer gewichtung. wer sie kennt, kann urteile fällen, er kann sich an prognosen versuchen, wenn er einer versicherung angehört, mein arbeitgeber ist oder mein liebster. es sind also sehr private daten. will ich die teilen?

den sicherheitsaspekt vergesse ich gern bei den neuen, großartigen apps und geräten, die mein leben sehr erleichtern. das blutfreie meßsystem libre zum beispiel speichert alle meine unglaublich detaillierten daten (alle paar minuten ein meßwert) „auf sicheren servern im eu-raum„, wenn ich nicht sehr aufpasse und zb den rechner aus dem internet nehme, bevor ich das lesegerät auslese, um zugriff auf die schönen bunten pdfs zu haben, die meine daten präsentieren und mir beim auswerten helfen. außer dem mitgelieferten meßgerät der firma können die werte auch mit nfc-fähigen handys ausgelesen werden. dazu gibt es apps, eine vom hersteller, ein paar andere aus der comunity. ein paar leute haben mit einer sony smartwatch und einem androidhandy ein warnsystem gebaut, das mich oder meine lieben bei gefährlichen entgleisungen weckt oder anklingelt. ein beliebtes programm dafür ist der von eltern entwickelte nightscout, an den die lese-apps wie glimp, librelink oder libre alarm die meßwerte des blutzuckersensors schicken, sie werden dort gespeichert und es wird alarm geschlagen, oder ein anderes handy angerufen, das dann alarm schlägt. phantastisches system, aber, wie der hersteller selber sagt: die macher versuchen es nicht einmal, den amerikanischen hipaa compliance regeln (es geht da um die sicherheit medizinischer daten) gerecht zu werden.

das vom hersteller entwickelte librelink hat ein allerliebstes chaos als datensicherheit – sie geben an, die daten, also die meßergebnisse, würden von einer externen firma verarbeitet, von libreview, meine daten unterlägen dann anderen (other) privacy policies, die mir bei der registrierung vorgelegt würden. bei der anmeldung unterscheiden sich die agbs je nach land, deutschland kann man nicht auswählen, in den agb steht aber, bei nutzung in D würden meine daten nur entindividualisiert, anonymisiert und nochwas weitergegeben, aber ich kann mir das schlecht vorstellen. zumindest die zeitlinie muss ja gewahrt bleiben, um die daten nutzen zu können. und sind nicht die zahlen selber das individuellste an der sache?

vielleicht sollte man die daten lieber selber entindividualisiert und anonymisiert dort abliefern, aber es fühlt sich nach reiner ablenkung an, bin ich doch immer noch erkennbar in diesen daten, sie sind das wesentliche, egal wie namenlos sie daherkommen, mein organismus ist auch in den reinen zahlen wiedererkennbar, er ist einzigartig. oder ist das albern? es ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß. mein unbehagen ist sehr deutlich, ich würde wirklich gern gefragt werden und mich entscheiden können. zumindest hätte ich gerne persönlichen trost oder gute tips nach schlechten tagen, denn die werte genügen, um einen tag als guten oder schlechten erkennen zu lassen, es geht kaum persönlicher. zumindest eine weniger selbstverständlche verwurstung in der statistik hätte ich gerne.

alternativen gibt es meines wissens keine, nur sehr aufwändige. wer macht sich schon die mühe und meldet sich dauernd neu über proxys an? binichzufaulzu. bei glimp (auch eine lese-app) stehen zum datenschutz nur generika, es wird mir auch nicht klar, ob es im text nur um die anmeldedaten oder die fortlaufend gelieferten medizinischen daten geht. aber es soll nix an dritte gehen und nix außer landes (italien), das genügt mir eigentlich auch, das ist mehr als beim rest.

am wochenende habe ich auf facebook gelesen, dass ein samsung gerät und so ein google-dingens unbemerkt alles aufzeichnen und an den werbemarkt weiterverscherbeln. das ist mit absicht böse und nicht aus versehen, aber wenn all diese höchst intimen (intim i.s. von auch aus der mit scham verbundenen privatsphäre stammend, streits, klos, sex, trashtv) daten schon käuflich sind, ohne das mir das klar und deutlich erklärt wird, auf was ich da verzichte, welches recht habe ich dann auf die privacy meiner entindividualisierten körperdaten? nochmal: das gibt es nicht. mein körper ist teil des unteilbaren individuums. der namen ist bei diesen werten nicht so relevant, kein hauptkriterium. und sollen die geklauten oder gesammelten einzeldaten dann nich wieder zu einer person zusammengesetzt werden, soll sie nicht erkennbar werden, zumindest im bereich konsum, dem einzig relevanten für den markt? ist der kenntliche bereich nicht bloss abhängig von den algorithmen und ebenfalls beliebig verschiebbar, wie ein suchscheinwerfer? der namen des individuums ist da bloss so ein altmodisches totem, der interessiert die sammler nicht. kann der ganze kram nicht einfach fachgerecht superverschlüsselt werden und feierabend? verstehe ich nicht.

es ist ja nicht einfach irgendein backend, es ist mein leben.

wie johnny neulich schrieb: ich zahle lieber mit geld als mit meinen daten, danke.

 

Schreibakt inhibited

Die Kammer ist so unaufgeräumt, sagte der Große neulich.  Kein Wunder, es liegen dort vier Iso-Matten und eine fünfte zur Reserve, 3 1/2 Schlafsäcke, ein oder zwei Zelte, diverse Toaster, Gummistiefel und Winterschuhe, Flossen und Schlittschuhe, Bettwäsche für ein  Familienfest, sämtliche Reisetaschen, all mein Werkzeug samt Maschinen, Zubehör diverser abgelegter Sportarten – mit anderen Worten notwendiges Material für ein Familienleben. Wenn ein paar weniger hier wohnen, kann ich im Prinzip wieder eine Speisekammer darin unterbringen.

Das war nur ein Versuch. Meine Schreibzeit ist immer abends kurz vorm einschlafen, und seit mein iPad hinüber ist, müsste ich dazu noch einmal an den Schreibtisch zurück, woran mich abends die Schwerkraft effektiv hindert. Das hier ist alles ins Handy diktiert, es funktioniert theoretisch wunderbar, es fehlt aber sehr die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben. Ich müsste hier sozusagen druckreif diktieren, bei Formbriefen kein Problem, aber beim entspannten ins Blaue schreiben, zurückgehen, löschen, umstellen ist das zweigleisige, das mechanische Tippen und das Worte suchen und finden im Hirn schlecht übersetzbar ins reine Sprechen. Außerdem müsste ich dabei auf die Kleinschreibung verzichten, die mir doch am Herzen liegt.

zeige postyogal meinen wert der pessimistischen („mit 60 sind die alle in der dialyse“) ärztin im kreis, obwohl es sie nicht interessiert und ich es gar nicht will- alte konditionierte compliance, als ob ich den bösen blick von aussen vermissen würde, seitdem alle immer so freundlich sind. wie die gut antrainierten muster so vor sich hinlaufen, parallel und unbemerkt, nur unter einsatz des bewusstseins aufzuhalten.

lost sheep

rückzahlbare unfallversicherung für die kids läuft bis zum ende des 17. lebensjahres, den betrag bekommen wir aber erst ende des 19. lebensjahres ausbezahlt, versicherung läuft aber nicht weiter – wtf? sie behalten die summe einfach, um ein bisschen spass damit zu haben. ich soll der allianz so einen kram unterschrieben haben? genauso ernüchtert bin ich vom brief einer privaten rentenversicherung, die mir pro monat eine rente von euro 22 pro eingezahlte 10.000 € garantiert.

leerstellen

ob sich die leute wohl mehr an das erinnern, was man geschafft hat, oder mehr an das, was nicht gelungen ist? ob es neben den eigentlichen themen, neben der ausgelebten persönlichkeit nicht noch etwas verborgenes gibt, wie ein mitlaufender streunender hund, der immer noch futter bekommen hat, wenn keiner hinsieht, obwohl eigentlich kein platz für ihn da war.

wie sehr filtert meine wahrnehmung das selbstbild des anderen? vielleicht gehört zum abschiednehmen auch dazu, den anderen so zu erinnern, wie er sein wollte, im besten licht. den toten als vollendet begreifen, in jedem sinn.

(die freundschaft als erinnerung, es ist ja keine beziehung mehr möglich, es wird zum selbstgespräch)

.

doc buelle lebt nicht mehr. anfang november ist er verstorben, in seiner wohnung in wuppertal, genaueres weiß ich noch nicht. ich vermisse ihn, seinen ungeheuren lebens- und liebeshunger, seine intelligenz, seinen stil. die tiefe sensibilität. er war bestimmt, wie eine freundin sagte, ein wirklich guter arzt, er ging den dingen auf den grund, mit oft schonungsloser ehrlichkeit, sich selber und anderen gegenüber. seine wunderbaren komplimente. jorge raimond bülle, du wirst mir fehlen, und deinen freunden und frauen auch.

che la terra ti sia lieve, lieber freund.

kw 29

freude über die tapeten an den wänden der motels bei supernatural, eins pro episode. ich will nicht wissen, warum ich mir das angucke.

am zeugnistag ruft der vater an und erkundigt sich. gespräche, bei denen die kinder fast nichts sagen, weil er die meiste zeit redet. „ja“, „nein“.

letzte gitarrenstunde. wird mir fehlen. die grundlagen reichen, um allein weiterzumachen, sonst war ja nichts, rien de rien.

lieder schreiben.

manhattan geguckt, über den letzen konflikt gefreut, bei dem gut und böse nicht zuzuordnen waren, der film hat sich auch nicht entscheiden müssen. sie haben diskutiert und nicht geschossen, eine wohltat, wobei dann am ende natürlich eine atombombe fällt und alle gesprächskultur ad absurdum führt.

die zigarette danach.

 

 

unhappy victories

in der nyt einen sehr gut geschriebenen langen artikel über eine klage gegen die firma dupont gelesen, die den stoff pfoa (eine art schmiermittel, ua für die herstellung von teflon-beschichtungen verwendet, ähnlich wie bpa, soweit ich das verstanden habe) ungefiltert in die umwelt entsorgt hat, obwohl der konzern genau über seine hohe giftigkeit bescheid wusste, und zwar aus eigenen studien. liest sich wie ein roman, und die sache ist nur aufgrund eines aus einer mischung aus überheblichkeit und mangelndem durchblick verursachten fehlers des unternehmens zur klage gekommen. unglaubliche und sehr, sehr finstere folgen der gier.

(habe eine teflonpfanne mal im ofen vergessen, als der an war, den gestank haben wir tagelang nicht wegbekommen, seitdem nur noch unbeschichtete pfannen, zum leidwesen der spiegeleifans im haus. man entkommt diesem zeug aber nichtmal als vollöko auf dem land.)

 

x ist eitel*

wie eine übermäßige ausgabe sowohl belohnung als auch last sein kann, setzen sie einfach ihren eigenen kaufbaren herzenswunsch ein, etwas nicht lebensnotwendiges, das auch einfacher möglich wäre, und nehmen weiterhin an, das geld dafür sei da, aber nicht leicht wiederverdienbar, ein polster für waschmaschinen oder autoreparaturen, sowas.

einerseits gönne ich mir etwas, erfülle mir einen wunsch, werde mich jeden tag daran erfreuen, andererseits verdienen solche fixierungen eine portion mißtrauen, weil die differenz zwischen ausreichend („läuft“) und übertrieben („wow“)  so sehr mit bedürfnissen gefüllt ist, die mehr in der beziehung zur welt als der zur sache ihr zuhause haben. ich habe ein paar solcher wünsche, z.bsp. nach einem neuen rad. ich habe ja eins, es ist 18 20 jahre alt und die gänge springen, aber es fährt und fährt, bergauf und bergab, aber so ein neues, mit heilem lack, trommelbremsen und rund laufender mechanik? ich besitze sogar ein zweitrad von bianchi, das fährt auch, ein klares flanierrad ohne platz für einkaufstüten – allerdings ist es quasi osmotisch in den besitz des großen sohnes übergegangen, steht in seinem zimmer und wird von ihm betreut.

sonst habe ich solche fragen beim kauf teurer appleprodukte, wo es andere für ein drittel gibt, die auch funktionieren, nee, ist vielleicht kein gutes beispiel, weil bei apple der irrationale anteil am wert deutlich höher ist, vielleicht besser: eine leica, wenn es auch eine fuji täte – ich meine also dinge, die nur ich nutze, die in preiswerter (alles drin, in dem wort) version ihre funktion genauso erfüllen, wo also eine freude am luxus teil des begehrens ist, wo allein das wahrnehmen der unterschiede in der leistung schon wieder eine nur den spezialisten und ästheten mögliche form der distinkion erfordert. gildet nicht für apple, für alle android-geräte bin ich inzwischen zu blöd, habs versucht.

oder eine feine gitarre von martin, auch so ein irrationaler wunsch, obwohl ich noch kaum spielen kann, bestimmt mag ich die firma schon wegen ihres namens, er hat den vollen, warmen und bisschen traurigen klang vergangener lieben, beide martins konnte ich weder kaufen, noch spielen oder gar behalten.

aber ist das nicht auch ein entwicklungstillstand, abhängig sein von zukunftsangst, bleibe ich nicht stecken in so einem blöden protestantismus, die nachhaltigkeit immer, das sicherheitsdenken, soll ich nicht doch mal einfach kapital raushauen, kopfüber ins wertesystem eintauchen und mich wärmen lassen von nutzloser nicht vollständig nutzbarer verschwendung? überlege ich grad. ich möchte im grunde wissen, ob es einen tragfähigen grund für luxus gibt – oder nur im sinne einer verschwendung als feier der vergänglichkeit, als potlatsch? luxus als schönheitsreserve, das ist auch ein feiner grund, wir lieben schönheit, in jeder form, und den überfluss als freiheit von notwendiger mühsal. die selbstbestätigung durch schöne dinge, überhaupt die möglichkeit, etwas schönem nahe zu sein, gern auch in demut, oder was immer eben übrigbleibt nach einem leben im leben. das ist mehr als genug, aber.

zumindest bei rädern, gitarren und kameras ist der hohe preis im handwerk und materialien nachvollziehbar, zu sagen wir mal zwei dritteln? das letzte drittel ist irrational und prestige, weiß ich aber nicht genau, mehr oder weniger je nach gewinnmarge. man kann ja sicherlich schon das profitstreben selber als im kern irrational verstehen. bei apple, nunja, man erkennt sie noch, die magie.

vielleicht löst sich auch der wunsch im zuge des nachdenkens darüber in luft auf, und der damit stillbare mangel (an luxus, nicht an rädern) ebenfalls, er ist ja vielleicht einfach aus anderen bereichen herübergeschwappt, bis dann der ganze herzenswunsch als verschiebung sozusagen durchsichtig wird und eh nicht ganz erfüllbar, und der bedarf dann pragmatisch mit etwas preiswertem gestillt wird, wenn es notwendig wird, und keinen tag früher. die mühe, symbolische mit reellen werten zu vergleichen

auch blöd. ohne glamour.

luxus, darauf wird es hinauslaufen, muss man sich leisten können, ohne der ausgabe mehr als ein paar tränen nachzuweinen, und luxus beginnt dort, wo der wert nicht mehr nur aus der sache oder dem nutzwert erklärbar ist, bei armen menschen ein bisschen früher als bei den reichen.

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*alter text vom april ’14, wieder rausgekramt, denn inzwischen habe ich so eine supergitarre, ich hab sie nicht geklaut und nicht geschenkt gekriegt, sagen wirs mal so. und ja, ich erfreue mich jeden tag daran, nein, ich spiele sie nicht jeden tag, ich könnte sie wieder verkaufen, und das geld sinnvollem, wie anwälten oder nachilfelehrern für die jungs oder einem loverboy für mich. über den umgang mit dieser gitarre bin ich mir nicht im klaren, ich sollte sie verkaufen, will es aber nicht, da gilt der text oben noch, herz gegen den rest. ich kann ja stattdessen im notfall erstmal den füller verkaufen, aber das bringt auch wieder ärger. das alte fahrrad fahre ich aber immer noch, bergab und bergauf.

 

o2: can’t do

verstehe eigentlich nicht, warum o2 sich auf so eine großveranstaltung wie das lollapalooza nicht irgendwie vorbereiten kann. gibt es keine mobilen sendemasten oder so etwas? die netzabdeckung war nicht nur schlecht, sie war einfach gar nicht vorhanden. kein anruf möglich, 11 stunden lang, wie in einem betonbunker unter der erde, kein netz sowieso, gerade wenn man mit kindern unterwegs ist vollkommen inakzeptabel. auch sms waren kaum zu versenden, man musste wie früher mit der antenne in der hand über das gelände laufen, das glück hat dann für vielleicht eine sms genügt, gleichzeitig kommen die von den kindern vor stunden geschickten nachrichten geballt an, eine minute später heisst es wieder: zustellung nicht möglich. wirklich eine zumutung, dann sieht man neben sich im grössten gedränge vor der seeed-bühne die menschen stehen, die (wohl mit einer telekom-anbindung) munter und lebhaft nachrichten verschicken und selfies hochladen.

(mit den netzanbietern ist es halt klar eine zwei-oder dreiklassengesellschaft, ich kann mir vier telekomverträge für mich und die jungs schlicht nicht leisten, das ärgert mich schon lange – wobei vielleicht die preisdifferenz geringer ist als die der qualität.)

ferienkinder

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die ersten ferienwochen ohne richtigen plan für die kinder, der grosse ist als teamer mit der kirche unterwegs, die zwillis sind bei mir. sie sind beide mitten in der pubertät, mal hormonell verstrahlt, mal hungrig, kindlich oder obercool, und hopsen im lauf eines einzigen tages munter durch die unterschiedlichsten stadien. der unbeirrbare ist grad unsicher, der stillere hat den ersehnten wachstumsschub und triumphiert, beide kennen einander so nicht und gehen jetzt bei konflikten das gesamte arsenal durch. ich will zuerst beides auffangen, merke schnell, dass man reisende nicht aufhalten kann und versuche dann, pathetic wie ein unparteiischer boxtrainer, den jeweils schwächeren zu moderieren, den stärkeren auszuzählen, oder umgekehrt? laufe also immer rund um den ring herum.

um sie von den handys und rechnern fernzuhalten, hab ich ganz altmodisch ein paar kleine blöcke lindenholz und 5 kg ton gekauft und hingestellt, dabei dummerweise nach der ersten stunde einen kommentar abgegeben bzw. ein werk des unsicheren nicht erkannt, worauf er es sofort selber auch nicht mehr gelungen fand und wieder zerstört hat. frau fragmente, mit der ich ein paar sehr schöne stunden verbringen durfte, hat das sofort richtig als eine self-fullfilling prophecy eingeordnet, kenn ich ja auch von mir selber.

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ich bin eher in worten als taten zuhause und erkläre bisschen viel, obwohl mir das selbst erfahren selber so gefehlt hat als kind. sammle noch ideen für die zwillis, etwas mit verantwortung vielleicht, abenteuer, chancen also, hab aber grad nix auf lager, und auf die vielen workshops für sommerferienkinder haben sie leider keine lust. nicht genug nerven hab ich fürs klappe halten, bis die ideen sprießen, denke ich, und ärgere mich auch darüber, nicht einfach entspannt dem kind zu vertrauen, das natürlich all das schon hinbekommen wird, trotz den absehbaren querschüssen. erkläre also dem unsicheren, dass ihm jetzt eben die welt näherkommt und mitwertet über noten, freundinnen, peergroups, dass ihn normale kritiken, so etwas wie spontane unmutssäußerungen, wenn schon wieder ein glas runterfällt, grade treffen, weil er verunsichert ist, dass es sich wieder ändern wird, ein übergang ist zum größerwerden (das hören sie immer so gern), dass es halt schwerer ist, in der welt gut zu sein, als daheim bei muttern, das die welt anderen kriterien gehorcht, von denen können dir viele total egal sein, denke ich, sag ich aber nicht, grad in diesen jahren kann ich manchmal nicht einschätzen, wie weit sie schon abstrahieren können, die armen, mit so einer redemutter.

die hoffnung, dass die kids allgemein unkomplizerter sind als ich, stabil, nicht nur resilient wie die mama.

die verschiebung, wenn das aussen wichtiger wird, wie der eine zwilling davon profitiert, der andere drunter leidet, wie sich also mal wieder das verhältnis umkehrt, wie sie sich voneinander lösen im familiensystem und alleiner sind mit ihrem wesen. (dieser satz hätte eigentlch genügt, als posting, aber ich wollte mal wieder mehr schreiben.)

nach dem essen hören sie mit den handyspielen wieder auf und einer baut sich stundenlang, bis elf nachts, etwas aus dem holz: eine handyhalterung.