10. november 2022

möchte eigentlich wieder mehr bloggen. bei twitter ist das vertraute gefühl weg, es ist vom medium zum thema gerutscht, das stört den fluss. es wirkt nicht durchdacht, was dort geschieht, haken, keine haken, drohungen, den haken jederzeit wegnehmen zu können, das ist sehr kindergarten. als erwachsene möchte ich da eher vermitteln als einfach mitmachen. es scheint, als ob die app mit großen schritten von innen dekonstruiert wird, ein akt der sabotage durch den neuen chef, der offensichtlich niemandem rechenschaft schuldig ist. sehr rätselhaft. bei mastodon fehlt mir noch meine timeline, ich muss da viel mehr zeit investieren, die ich grad nicht habe. und beim namen kommt immer noch die assoziation zur mastopathie, sollte die app einfach in „mammut“ umbenennen, da erinnere ich mich dann an die eine folge northern exposure, in der joel ein tauendes mammut entdeckt, das dann von einem bewohner aufgegessen wird, weil gut gelagertes steak. und an das mammut in new york.

anstrengende woche bis jetzt, für jeden dieser tage möchte ich einen komplett im dämmerschlaf verbringen, ohne news, ohne anfragen, ohne kontakt. nix gelesen, das neue buch für die lesegruppe noch nicht mal gekauft. keine lust zu kochen, aber es sind hühnersuppentage. ein besuch hat wieder abgesagt, das erleichtert mich, dabei unter jedem tag die organische freude, am leben zu sein, und die trauer über die, die es nicht mehr sind, mit beidem laufen wir tagaus, tagein, und spüren es in jedem schritt. den nanowrimo hab ich verpasst, das wollte ich unbedingt mal versucht haben. vielleicht gibt es das auch mit shuffle-version, jeder schreibt jeden tag an einem anderen roman mit? oder nur romananfänge, goncourt hatte da mal was. ich weiß auch nicht. ratlosigkeit. freude über die kids mit ihren projekten, mit dem g. über kontinente sein anschreiben für eine praktikumsbewerbung gegengelesen, via chat und mails. meine generation ist ja noch dankbar für diese kommunikationsformen, für die jugend sind sie selbstverständlich. darum tut es mir um twitter leid, es gab vorher nix dergleichen, meine erlebnisse sind deshalb eng mit der app verbunden, der zauber der ubiquität und der gleichzeitigkeit von allen überall. zutiefst demokratisch. 20:45, fühle mich wie 23 uhr mindestens, spüre aber die wachheit im resthirn, die mich erst viel später wird einschlafen lassen, nur meine füße sind müde.

da sein

habe ein lieblingsfoto, unter den vielleicht fünfen, die ich von ihm habe, irgendwo in meinen drei kisten. gestern angefangen zu suchen, dabei alle schönen bilder von freunden, bekannten, den söhnen, mir selber rausgefischt, auf einen stapel gelegt. das sind die bilder, die meine erinnerung formen, die behalte ich irgendwie im kopf, so ein ach, das! -pling beim durchblättern, ein wiedererkennen beim suchen, eine schon oft gelegte spur. der rest sind sonnenuntergänge. die lasse ich in der kiste und werde sie vermutlich nicht mehr so oft ansehen. und dann schickt mir der große heut abend ein foto, „schau mal, ich habe auch ein bild von martin“, und es ist genau dieses gesuchte bild, auf einer meiner parties geschossen, er mit drei anderen freunden, alle aneinandergelehnt auf meinem ollen ikeasitzkissen, gelöst und lustig.

es sind so ca 250 fotos, die mein leben bis jetzt ausmachen, fast alle vor der digitalen wende, danach gibt es kaum noch bilder von mir, tant pis, früher war ich schöner. für die habe ich ein kleines blätteralbum „mit säurefreier folie“ gekauft. vielleicht schaue ich dann häufiger rein. meine hochzeit war auch dabei, martin war mein trauzeuge, das hatte ich ganz vergessen, muss so eine last minute-spontanaktion gewesen sein. alle männer sind dabei, alte freunde, alle toten, auch fotos meiner eltern, mit diesem strahlen der achtzigerjahre. ich kenne seine neue partnerin nicht, sein bruder kennt mich nicht, die wege sind gekappt, martin ist tot, ich hoffe, jemand teilt mir trotzdem irgendwie seinen beerdigungstermin (ein wort wie eine dampfwalze, alles platt, alles hin) mit, damit ich entscheiden kann. werde noch eine weile fassungslos bleiben, da hülfe ein gemeinsamer abschied. was für ein scheißtag. meine söhne sind liebevoll und sagen, ich könne mich jederzeit melden, meine freundin kommt, ich rauche und trinke und rede, als wäre er noch da. so wird das ab jetzt sein, alle freunde und kollegen reden über ihn, viele verschiedene geschichten, verschiedene menschen, überall irgendwas von ihm, nie mehr alles, wir haben paar fotos in einem haufen anderer bilder, geschichten, alle mit genausoviel von uns wie vom anderen. so ist das eben, mehr bleibt nicht. außer seiner kunst, die aber mit dem aspekt der vergänglichkeit immer gespielt hat, er hat oft dinge wie alte paletten oder leere wasserbecher oder in der stadt gesammelte holzabfälle zu großen kunstwerken verarbeitet, zu dingen, die aber weiterhin im fluss sind, wieder abgebaut werden, entsorgt oder recycelt werden können. zum kotzen ist das. es ist so absurd, ich hätte ihn sowieso vielleicht erst in monaten gesehen und es wäre völlig okay gewesen, vor ein paar tagen hatte ich beim heimradeln ein paar sekunden lang so bilder von ein paar episoden mit oder über ihn im kopf, wie polaroids. ich denke, das hirn ist ein kaleidoskop, mit einem netzwerk an assoziationen, die als background durch den tag begleiten, bestimmt vergessen wir die meisten, erinnern nur die, die durch solche tragödien bedeutung erlangen. es war kein zeichen, ausrufezeichen, sowas gibt es nicht. ach, ach. ich will intensität, leben, unmittelbarkeit, ich will gegenwart, es ist alles so schnell vorbei, unfassbar schnell. ich will sowas nicht einfach verarbeiten, er soll noch einmal einfach da sein mit all seiner bemerkenswerten lebensenergie, wie damals, als wir alle den selben raum belebt haben, in gesprächen, ausgehen, sachen machen, biere trinken, und das trennende in ferner zukunft lag. diese zeiten sind lange vorbei, und jetzt kommen sie auch nicht wieder. das ist ja auch okay, wir haben kinder, die sind erwachsen, wir werden älter wie unsere freunde und reden über die alten zeiten, nur gelegentlich, es gibt ja noch viel gegenwart, es ist also eigentlich alles gut, nur wenn einer viel zu früh stirbt, dann nicht. was hat er geackert gegen den tod! ich hoffe, es hat genützt, ich hoffe, er hatte nicht so viel angst.

dieses posting fühlt sich an wie redundantes und gleichzeitig zu privates gerede, herumstochern in der wunde, er hätte nichts damit anfangen können. aber er ist weg und ich bin noch da. immer diese intensiven gefühle, die haben mir noch nirgendwo geholfen! bin auch ein bisschen betrunken, der wein muss ja weg, und früher hätten wir sowas auch alle gebloggt.

puh.

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martin k. ist gestorben. ich weiß nicht woran, will es gar nicht wissen. kann nicht googlen. eine freundin hat es mir gesagt, es ist wohl grade passiert. er war so eine ungelebte, oder nur kurz gelebte geschichte, als wir mal beide frei waren, einer von denen, mit denen ich gewollt hätte, davor waren wir jahrzehntelang gute freunde, seit einem spanischkurs damals, in den achtzigern an der fu. ein arbeitstier, mit einem riesigen kunstwillen, und es musste kunst sein, nicht nur architektur, er hat raumfordernde, große dinge gebaut und gedacht, ich konnte nächtelang atemlos mit ihm über kunst und die welt reden, das gespräch ging immer weiter und weiter. sein vater ist mit mitte vierzig auf einem ausflug gestorben, herzinfarkt, darum ist er marathon gelaufen, rad gefahren, es ging immer um strecke, ankommen, dinge einfach tun. ich weiß noch, wie er 1998 vor meiner tür stand, herumhopsend, ich kriege ein baby! rufend, und ich ihm sagen konnte: ich auch! unsere ersten sind 6 wochen auseinander, die zweiten ähnlich. er fand es immer traurig, dass ich meinen akademischen weg so hab versanden lassen, hat es nicht verstanden, ich konnte es schlecht erklären, so frei von ehrgeiz, wie ich nun mal bin. ich hatte vor ein paar monaten einmal angst um ihn und hab ihm geschrieben, er solle gut auf sich aufpassen und sich checken lassen. macht er, hat er geantwortet, und dass wir uns mal wieder sehen sollten. das geht nun nie, niemals wieder, mir macht das angst, die lange zeit, in der das nie wieder gehen wird. da sitz ich dann und schaufele worte in die welt, weil es irgendwas ist, was in der welt ist, wo er es nicht mehr ist. ich hatte ihn sehr gern. unfassbar. mein tiefstes mitgefühl an folke, c. und j. es tut mir wahnsinnig leid. möge die erde, möge alles dir leicht sein, lieber martin.

zeit, allein

neue zeiteinheit für spätnachmittage: 1 wärmflasche. wollte das eigentlich auf mastodon posten, aber die instanz oder die app hängt, und während ich warte, blogge ich schnell. weiß nicht, ob mastodon erfolg haben wird, ich glaube, die likes und zahlen sind zu wichtig für große user, und unsere ganzen großartig diversifizierten timelines sind nicht transferierbar. twitter ist das erste, was ich morgens aufmache, vor der nyt und dem feedreader. mastodon social geht grade seit minuten nicht auf, es ist 19:45, da sind halt alle im netz- morgens habe ich diese minuten nicht und wäre schon wieder auf twitter. würde t vermissen, andererseits fand ich ja auch facebook mal cool. sowas vergeht.

neulich mit einer freundin ausgewesen, die so nebenbei erwähnt hat, dass sie nie allein ist und nie allein war. ich kann mir das nicht mal vorstellen, glaube, dass sich beim älterwerden die paar jahre wg in der jugend, die 7 jahre ehe und 20 jahre kindererziehung zunehmend wie eine episode anfühlen werden. sehen sie mich eine hand heben, um die jahrzehnte allein zu zählen, die übrigbleiben, wenn ich die jahre in familien abziehe, und sie wieder sinken lasse: es sind nur 10 jahre. es fühlt sich soviel mehr an, dass ich das alleinleben jetzt doch nicht mehr für gesund und eben meins halte. ei der daus, da zwickt die laus. wir sind natürlich alle allein, immer, vielleicht ist es das.

ich habe eine retirement-countdown app, die schon auf 8 jahre x monate runter ist. ich schaue nur alle paar wochen mal rein, selten genug, um mich zu freuen. habe dabei keine vorhaben oder sowas, das geld wird eh kaum reichen, eher die hoffnung, dass mein prokrastinieren ans geldarbeiten gebunden ist, und ich dann freier und unbekümmerter planen kann, womit ich mich beschäftige.

20:17, jetzt lädt mastodon endlich. ich habe dort 70 follower und folge 93 leuten, auf twitter folge ich 499 und habe 341 follower. freue mich über jeden.

8./9. oktober 2022

mittags mit beiden zwillis schön gegessen, zum abschied für den g.-zwilling, der für 3-4 monate in chile sein wird. es gibt ein brathuhn nach wunsch, die beiden kaspern und machen krach, singen am klavier, beharken sich ein bisschen, plaudern ein bisschen. der d.-zwilling hat was anderes vor und geht irgendwann, ich steige mit dem g. um 16 uhr ins auto. 50min, meldet der navi, lenkt uns dann aber in neukölln ins nirgendwo, über einspurige kleine seitenstrassen durch nie gesehende industrieviertel, baustellen, schließlich doch auf die autobahn, die richtige auffahrt sah aus wie so eine baustellenausfahrt auf der autobahn, mit absperrungen, unbefestigten rändern etc., hab ich übersehen, dann 5km umweg, um wieder in die richtige richtung zu kommen. auf den letzten km zum BER starkregen, konnte die strassenschilder nicht sehen, auf denen in gefühlter 12er-größe „terminal 1-2“ stand, in weiß auf beige, oder nur so ein winziges 30x30cm flugzeugbild, oben auf ein anderes strassenschild draufmontiert. als berlinprofi richtig gefahren, 90 minuten gebraucht. kein problem, weil früh genug losgefahren, aber zum ersten mal seit langem lust verspürt, berlin zu verlassen, das ganze chaos, die egalness bei allem, vielleicht ist es irgendwann auch mal gut im sinn von: genug.

den großen g. noch beim check-in begleitet, dann vorm gebäude verabschiedet. regen war vorbei, statt dessen ein riesiger, breiter regenbogen senkrecht im horizont, hammerbild, bisschen sehr regenbogenbrücke. war die ganze zeit unglaublich gestresst, gemerkt, bei der weltlage darf nichts mehr dazu kommen, sonst bin ich überm rand. in dieser wackligen stimmung war es schwer, den regen und den regenbogen nur als naturschauspiel zu betrachten. kenne das von mir nicht. auf der fahrt ohne konkreten grund echte panikmomente verspürt, dem sohn nicht gezeigt, aber das gespräch war eher konversation als vertrautes geplauder, er hats natürlich mitbekommen. außerdem hab ich auf dem abschiedsselfie mit sohn petersilie in den zähnen, vom lunch, und sehe ein bisschen so aus, als würde ich grad bei 100km/h in den gegenwind gucken. sohn sieht natürlich blendend aus.

(ausfahrt vom ber auf die autobahn, 7.10.2022)

parkticket für eine stunde 6 minuten am flughafen war 24€, kein widerspruch möglich, ohne zahlen geht die schranke nicht auf. was für arschlöcher es ist ein wirklich mieser move. nie wieder fahre ich da hin, das kann keiner wollen, da hin zu fahren.

jetzt sonntag allein, der untermieter ist auch nicht da, sohn noch in der luft kurz vor bogota, von wo er dann nach ein paar stunden nach santiago fliegen wird. auf der flighttracker-app den moment der erkenntnis gehabt, als ich vom flieger des sohnes aufzoome zu allen anderen fliegern, es sind sehr, sehr viele.

betreibe ruhefindung wie früher, als die kids noch hier wohnten, so haben sich die letzten tage angefühlt, dauernd war irgendwas, dauernd kochen, räumen, dabei zentrale lebensthemen besprechen, dazu sensor wechseln, weil der alte nicht verlängerbar, in der pumpe gewechselte batterie noch mal wechseln, weil die neue schon leer war, also hohe werte, plus aufregung, also nochmal höhere werte. ich hab keine ahnung, wie ich das jahrelang alles gemacht habe. andrerseits ist es leben, full immersion, ich glaube, nur die lage ist der eine tropfen zu viel.

nachmittags mit freundinnen ins cafe da nonna oder so, am friedhof in der greifswalder, sehr schön und lauschig, draussen sitzen geht noch. wir reden uns kurz fest über den krieg und die welt, schaffen aber ganz knapp die kurve ins sonntägliche. spaziergang nach hause durch die plötzlich sehr herbstliche stadt, die bäume alle schon tiefgelb, das ging unglaublich schnell, war es nicht grad noch hochsommer?

*

20 uhr, sohn angekommen, nach 24h reise einmal um die welt. er schickt pics aus dem flugzeug, links ozean, rechts berge, und ein selfie. freude. sein gepäck ist scheints woanders, ich hoffe, er kriegt es irgendwie zurück, sonst muss er sich halt was neues kaufen, handy, rechner und dokumente hatte er am leib und in so einem stoffbeutel, oh jugend. trinke einen whisky auf sein wohl und manövrier mich in die nachtruhe.

wunsch

mein wunschkandidat für ein date steht jetzt fest: paar jahre älter, größer als ich, belesen, gepflegt, mit sich im reinen, im letzten jahr mindestens einmal im theater und im museum gewesen, lustig, verunsicherbar. erwachsene kinder, ein hund. ich kann es gar nicht fassen, dass erwachsene männer, die aussehen wie ende 60+, immer noch hauptsächlich sex haben wollen auf datingapps, mich interessiert sex gar nicht mehr so sehr. ich werde mit keinem mehr schlafen, in den ich nicht zumindest kurz mal verliebt bin. das ist das schwierigste kriterium, ich war seit jahren nicht mehr verliebt und kann inzwischen nicht mal mehr mein beuteschema genau beschreiben. es hat sich weiterentwickelt, während es bei den männern mit 25 stehenbleibt, attraktiv finde ich diese ganzen alten knacker aber auch nicht, ich hoffe, beim treffen ändert sich da was, erotik entsteht inzwischen im gespräch, mit charme, witz, interesse, sowas, mehr haben wir ja nicht mehr. das aussehen ist da keine besonders relevante eigenschaft. wichtiger ist, dass sie einen netten hund haben.

na, ich glaube, das wird nüscht.

einer neulich, der mich angeschrieben hat, dann hab ich paar tage nicht geantwortet, weil ich anderweitig beschäftigt war, er: „wenn du nicht sofort antwortest, wirst du geblockt“ – ich so: „hm?“, konnte ich ihm aber nicht mehr schreiben, weil schon geblockt. jedenfalls vorgenommen, mindestens 5 leute anzuschreiben, bevor ich es wieder aufgebe.

außerdem gestern und heute ca. 30 mal neue kennwörter eingegeben, für einen einzigen account, dauernd, das gefühl, ich habe 20 mail-apps, die alle dreimal ein neues kennwort bestätigt haben wollen, das ist doch steinzeit alles! jetzt gespannt, was beim neuen handyvertrag noch alles schief gehen wird. da die karte per post kommen wird, sehe ich eh schwarz, die kommt frühestens in ein paar wochen an. außerdem das freie lange wochenende mit einem magendarm-virus verbracht, immer noch schummerig.

der g.-zwilling macht seine grandtour-reise ab samstag, ich hoffe, er kommt noch los vorm atomkrieg. innere unruhe, dann wieder momente in dieser zweidrittel-herbstgemütlichkeit, ein drittel mit körper und welt beschäftigt auf eine unfruchtbare weise, inzwischen erfordert das rationalisieren doch einiges an gestrampel. das wasser wird tiefer. zweidrittel kocht kürbissuppe, räumt auf, telefoniert mit den jungs und plant aperitive mit freundinnen, schaut serien, topft orchideen um. normalität, feines porzellan, mit vorsicht behandeln, vorm wind sichern.

die fahne aus haaren, die lili golestan, eine iranische übersetzerin und künstlerin, nach dem tod von mahsa amiri auf insta gepostet hat, ein wirklich großartiges bild (die google-übersetzung ihres kommentars dazu sagt „bild nach einem design von edith von quint“, aber die finde ich nicht). gestern und heute ist der aufstand gegen den islamismus im iran auf gegenwehr gestoßen, das militär hat die uni in teheran umzingelt und nimmt menschen mit, viele tote. heute im tsp keine erwähnung davon, vielleicht, weil es um frauen geht? in der repubblica immerhin ein bericht über eine italienerin, die mit zu den verhafteten gehört.

nervendes, teil 1-3

wochenende. samstag 10 uhr, fühlt sich wie 9 uhr an, vabbeh, immerhin. ich habe heute gute laune, genieße den tag, freue mich auf den spaziergang nachher, will noch in den baumarkt, dann noch muttern versorgen, das wetter ist gut. frisur hält.

drei sorgentöpfe im regal, im ersten ist die weltlage, die ist ja wirklich besorgniserregend, das sickert so in den psychischen untergrund, es ist anstrengend, nichts ausrichten zu können dagegen und einfacher, alles zu verdrängen. der krieg hat einen despoten, dessen handlungen nicht vorhersehbar sind, aber beim klimawandel gibt es haufenweise möglichkeiten, die aus reinstem egoismus und aus profitgier nicht umgesetzt werden. es ist schwer, das mitanzusehen, nichts tun zu können, altruismus sollte vorgelebt werden, und es gäbe ja sogar eigennützige motive dafür, es geht ja um die zukunft von allen, auch um die der politiker und konzernchefs. wie albern sich so ein satz anfühlt, er ist so naiv in seiner selbstverständlichkeit, und macht nur fassungslos. ich lande bei diesen themen beim stoizismus (frierst du halt nicht nur im sommer, sondern auch im winter) und beim hedonismus (gegenwart genießen, sie kommt nicht wieder), verspüre aber einen gewissen stress.

beim diabetes war ich auch ein bisschen doomscrolling. ein anruf bei abbott hat nach zähem weiterfragen ergeben, dass der libre 2 allerhöchstens bis ende des jahres verfügbar bleibt, danach „muss er vom markt“, abbott ist in einen umfangreichen patentstreit mit dem konkurrenten dexcom verstrickt. der neue libre 3 sensor ist unhackbar, habe also einen termin gemacht für einen wechsel zu dexcom, obwohl deren nächster sensor eventuell auch so dicht sein wird. neue anforderungen durch die zulassungsbehörde in den usa bezgl. der cybersecurity ermöglichen den herstellern, jede offene stelle zu schließen, als nutzerin habe ich damit keine möglichkeit mehr, meine daten selber zu verarbeiten oder sie zu nutzen und bin auf die oft miesen programme der hersteller angewiesen. die werte sind dann schwer zu exportieren, zu vergleichen, nach eigenen kriterien zu durchsuchen, dem arzt vorzuzeigen etc. pp. hier mit mehr hintergrund ausgeführt. hoffnung gibt die bemerkung des autors, dass unhackbar für leute gilt, die aus finanziellen motiven hacken, die also aufgeben, wenn der aufwand nicht lohnt. beim loopen sind es existentielle und sehr persönliche interessen, da fällt das dranbleiben leichter. und dass die großen firmen, nach einer erfolgten zulassung durch die fda (food and drug administration), eventuelle lücken nicht mehr nachkorrigieren, weil sie kein finanzielles risiko bedeuten.

die looperei ist sicher die zukunft der t1-diabetes-therapie, inzwischen gibt es neben den selbstgemachten allgorithmen auch welche von der industrie, hier stellt jemand alle im letzten jahr angekündigten oder verfügbaren systeme vor. die meisten sind proprietär und kosten geld, dh. ich müsste dann ein bestimmtes insulin oder eine bestimmte insulinpumpe nutzen oder zb. 80 pfund mtl. dafür zahlen. damit steigt dann auch das interesse der firmen, den nutzern ihre zahlen nicht zur verfügung zu stellen. alles wird zu geld gemacht. man sollte in den louvre gehen und alle kunst verschenken, oder nee, die ganzen vorstände sollten etwas kulturell wertvolles herstellen und verschenken, und schauen, wie sich das anfühlt, oder jemanden glücklich machen, ohne etwas dafür zu erwarten oder zu verlangen, klar gibt es eine wasserscheide zwischen beruf und privatleben, aber bei einer krankheit gibt es diese trennung ja auch nicht. und danach sollten sie eine weile für die luft bezahlen müssen, die sie atmen, wobei das bestimmt auf lange sicht nur zu einer atemsteuer führen wird, so wie die welt grade läuft. love is the answer, ihr idioten bei lilly, die insulin in den usa unbezahlbar machen.

ich wünschte, ich könnte hacken.

außerdem noch genervt über das tarifrecht, aber mit weniger impetus, weil ich ja schließlich ein anderes leben hätte führen können. trotzdem ärgert es mich, wenn in anderen bundesländern monatliche zulagen durchgesetzt werden, dazu zusätzliche freie tage, und in berlin nichts davon ankommt. dabei fehlen deutschlandweit über 230.000 pädagogische fachkräfte, in berlin 7000, also weitaus mehr als menschen in kneipen oder flughäfen. das wird sich auch nicht ändern, niemand möchte einen so anstrengenden job für so wenig geld machen, aber berlin ist wohl wirklich pleite, wenn es nicht um flughäfen oder so geht.

so, husch husch ins körbchen, ihr nerven, auf zur ohne-hunde-runde.

der kleine kern

meine mutter ist 88 geworden, nein: wir haben ihren 88. geburtstag gefeiert, der g.- zwilling war auch dabei. nach dem essen haben wir alte fotoalben angesehen und per WA herumgeschickt, zur freude der anderen beiden jungs. sie wirkt viel leichter als früher, als könnte ein windhauch sie umwerfen, sie bewegt sich sehr langsam und traut dem boden nicht mehr. sie nimmt ihren körper als unzuverlässig wahr und klagt über die vielen stellen, die nicht mehr richtig gut werden, immer noch mit einer kindlichen empörung. sie geht vor ihrem geburtstag zum friseur und lässt ihr haar nachfärben und „legen“, in schönen grossen wellen um ihren kopf. ich möchte immer, dass sie sich mehr bewegt, ihren rollator nutzt, spazierengeht, übungen macht, aber sie will sich gar nicht mehr bewegen, es ist so schon alles abenteuer genug. ich denke, sie klagt zuviel, statt ihr leben zu geniessen, fokussiert nur auf die schlimmen folgen des alterns, statt für ihr relativ gutes befinden dankbar zu sein, sie relativiert nichts mehr, ihre wahrnehmung schließt sich um sie selber. meine andauernden ermutigungen zum weiterkommen, mehr kondition, mehr unternehmen, dabei will sie das alles nicht mehr. es soll nur nichts weh tun.

wie ich das alles sehe und verstehe und trotzdem manchmal, so zwischen außen und innen, im vorbewussten raum, immer noch ein kleiner wunsch nach mehr da ist, zu leise für eine sehnsucht, zu müde, weil die zeit ja vergeht und nichts wiederkommt. wie ihr gelegentliches „toll, wie du das alles machst“ bei mir kaum ankommt, weil ich mehr möchte, von anfang an, und wie dieser wunsch auch nur noch eine matte ungefähre erinnerung ist. ich will gar nicht mehr alles, will nicht erkannt werden, verstanden, mit all meinen lebensbedingungen, nicht ihr ganzes herz, die wege sind getrennt. das leben ist weitergegangen, wir tragen unsere ziernarben mit stolz.

kw dazu: genug kann nie genügen, schon schweigen ist betrug.

ich hoffe, ich bin meinen kindern gewachsen, aber es fühlt sich eigentlich danach an. alles gut. yeah pathos.

26./27. mai 2022

fühle mich älter als je. paar baustellen kann ich, muss ich bearbeiten, hoffe, mir fällt ein weg dazu ein. war etwas verpeilt in den letzten tagen, dabei zu oft einfach in so einer art lebens-lampenfieber verstrickt, obwohl es gar keine bühne war. nein, noch vermisse ich die berufliche selbständigkeit nicht wirklich.

über freunde nachgedacht, ich hätte soviele, sagt eine freundin, dabei sind die, mit denen ich ohne scheu über alles rede, an einer bis anderthalb händen abzuzählen. die alten leute im umfeld beklagen, nein, eigentlich erzählen sie es eher, dass sie gar keine freunde mehr hätten, aber das liegt auch daran, dass sich im alter der kreis um die menschen immer mehr schließt, der radius kleiner wird, vielleicht auch die bedürfnisse, es bleiben partner und familie. man verliert sich aus den augen über die jahre, mir sind besonders die männlichen freunde aus dem fokus gerutscht, weiß nicht, woran das liegt. sind männer in job und partnerschaften anders eingebunden als frauen, oder machen sie dann eben alles in der partnerschaft? das sind bestimmt nur klischees, warum sollte es einen unterschied geben in der art, wie männer und frauen freundschaft leben? nee, da hat eine stimmung meine wahrnehmung beeinflusst. unsere wohnorte und tagesabläufe dividieren sich einfach mit den jahren auseinander, anders als früher bin ich weniger initiativ beim ausgehen und planen, und ich bleibe wirklich sehr gern zuhause. und die müdigkeit immer. kommt eins zum anderen. hmm. beim gestrigen herumbloggen meldet sich dann eine freundin per wa, und wir verbringen den rest des nachmittages zusammen. point taken, vorgenommen, mich bei den männern mal wieder zu melden. bei den freundinnen stört das nichtsehen ja gar nicht weiter, wir sind sofort wieder da, wo wir letztes mal aufgehört haben, ich hoffe, das ist bei den verloren gegangenenen männern genauso.

in den corona-jahren habe ich mit einigen freundinnen fast täglich hunderunden gemacht, dabei über alles geredet, ohne emma brauche ich etwas wie einen grund, einen anlassgeber, einen anzünder fürs spazierengehen, ich werde eben ohnehundrunden machen, fernziel flaneuse.

es ist in meinem alter schon fast eine gute nachricht, wenn es nicht so viel neues zu erzählen gibt.

anderes thema: ich war vor jahren mal mit frau modeste ein kleid kaufen, auf dem rückweg sind wir mit f. an einem legoladen vorbeigekommen und hineingegangen. dort hatte ich die normalen gefühle zwischen sentimentalität und „alles so schön bunt hier“, die man in einem legoladen als mutter großer kinder eben hat, bis ich den aston martin dort stehen sah. schon nach sekunden kippte das erstaunen in habenwollen um, sofort selber mit der nase dran geklebt, wie früher die kinder. die weihnachtsabende, wo ich neben den kids auf dem boden gesessen habe, in einer flut an legosteinen, mithelfen wollte, aber nicht durfte („nein, mama!“). das war nicht wirklich schlimm, mit den star-wars-themen konnte ich sowieso nie was anfangen, aber ich hab die kids ein bisschen beneidet. auf die idee, mir lego für mich selber zu kaufen, bin ich vorher nie gekommen, das wäre albern gewesen und ein bisschen peinlich. aber jetzt war etwas anders, ich habe die bondfilme gesehen und würde sehr gerne mal in einem aston martin herumfahren, ich war zielgruppe.

schon 2019 war jeder 10. kunde ein erwachsener, inzwischen sind es sicher mehr, die objekte sind durchdacht, die autos haben eine lenkung und bewegliche teile, man kann beleuchtung nachkaufen, es sind oft lizenzprodukte, die den originalen so ähnlich wie möglich sind, mit mehr als 1000 teilen, und sie besetzen anders als etwa ein großpuzzle nach dem fertigstellen keinen ganzen tisch, sondern werden zu kompakten 3d-staubfängern, die in ein regal passen. das angebot ist überschaubar, schöne autos, ein paar berühmte bauwerke, alles international bekannte sehenswürdigkeiten, filmprops wie der wagen aus ghostbusters, der wird in wechselnden ausführungen schon seit 2015 oder so angeboten. auch die titanic ist im programm unsinkbar, sie taucht jedes jahr mit größerer teileanzahl wieder auf. der db5 sollte damals 150€ kosten, mehr als das kleid, ich habe ihn nicht mitgenommen, wohl aber ein kleineres automodell, „für die jungs“, weil der damm zwischen spielzeug und erwachsenenzeug mit einem mal weg war. ich habe das auto dann selber aufgebaut, die söhne haben aber zu weihnachten noch jeder eins bekommen, es gab keine beschwerden, und sie haben sie beim auszug mitgenommen. ab und zu nehme ich mein auto auseinander und baue es wieder zusammen. seitdem schaue ich gelegentlich mal nach, es gibt inzwischen eine ganze welt dafür, der markt hat übernommen, die objekte sind teuer, es gibt knappheit, spekulation und sammler, und haufenweise eher junge männer, die auf youtube mit großer begeisterung über ihr lego reden.

dieses bauen nach anleitung ist natürlich ein bisschen malen nach zahlen, es gibt aber auch ai weiwei, der mit lego richtige kunst macht, wie mir frau seubert gestern beim spaziergang erzählt hat. sie konnte die arbeiten beim galerienrundgang sehen. also auf, von den vorgaben freiwerden, einfach dinge bauen, wie ganz früher. wenn man sich die neue titanic gönnt, hat man dafür über 9000 teile zur verfügung.

13. mai 2022

letzter tag meiner ersten frühdienstwoche. ich komme immer nur 5 minuten zu spät und muss dann eben schneller aufschließen, wecker klingelt früh genug für einen kaffee im bett, es ist ja schon hell und also machbar. hab mich über den frühen feierabend gefreut, ihn aber gar nicht richtig nutzen können, weil ich ziemlich ko war. abends um 21 uhr sind die tage dann vorbei. ich kann die frühdienste auch tauschen, sie sind relativ beliebt, bin noch unentschlossen.

gestern nachmittag dann noch emmas asche abgeholt. die streubox ist etwa so groß wie diese 1l-trinkflaschen, die es grad überall gibt. das tierkrematorium ist ein paar kilometer vor berlin, in einer schleife aus abfahrten und auffahrten auf die a10, ein relativ eleganter kleiner neubau mit dem schornstein, den ich nicht ansehen mag. das gebäude ist autobahnumtost. innen viel glas, beton, schwarzweißdrucke von steinen, eine freitreppe, es sieht aus, als hätte es preise gewinnen können. an einem tisch im empfangsraum sitzt ein paar und spricht mit einem mitarbeiter, der dann mit einem kleinem hundekorb weggeht, das tier darin in eine decke gewickelt. es gibt eine auffällig schön gestaltete kleine wiese neben dem gebäude, mit einem teich, schilfgras, blumen, erst auf dem heimweg fällt mir ein, dass das wohl die blumenwiese ist, wo man die asche seines tieres verstreuen (lassen) kann. der mitarbeiter sagt mir, nach dem bezahlen, ich solle ihm folgen, ich wundere mich, dass er mir die box nicht einfach über den tresen reicht, aber durch einen gang kommen wir in einen kleinen raum, wo die box auf einem tischchen steht, mit einer brennenden kerze und einer schmuckkarte. daneben ist ein sofa, ich kann da bleiben, „solange wie sie es brauchen, rufen sie mich dann einfach“. ich danke und sage, ich würde sowieso schon heulen, ich würde jetzt lieber gehen. ich bekomme die eingewickelte box in einer kleinen tragetasche mit. ich hab das krematorium eigentlich nur ausgewählt, weil es das preiswerteste war, aber die freundlichkeit und der respekt der mitarbeiter vor der trauer der tierbesitzer ist wirklich wohltuend. überall standen boxen mit taschentüchern. es hätte sogar die möglichkeit gegeben, vor der kremierung in einem raum von ihr abschied zu nehmen, aber das hab ich ja schon in der klinik gemacht. ich habe mich (natürlich) für eine einzeleinäscherung entschieden, es ist ein vertrauensvorschuss, wenn man nicht dabei ist, aber das gehört zum gehenlassen, denke ich. ich bekomme als sicherheit einen stein mit einer nummer, der liegt mit in der box, habe das prinzip aber nicht verstanden. es kostet 318 euro, soviel in etwa habe ich damals bei jack auch bezahlt. ich denke darüber nach, ob das heizkosten sind, oder gebühren, oder ob das eben der preis ist, den so etwas kostet. es ist ein drittel teurer als die einäscherung eines menschen.

ich wollte die asche eigentlich auf einer wiese im umfeld verstreuen, aber eins der kinder wünscht sich die ostsee, damit sie wirklich frei sein kann und nicht im abwasser berlins landet. ich wundere mich die ganze zeit darüber, wie wenig zugriff mein verstand auf die trauer hat, wie viel anwesenheit emma noch in meinem kopf hat, wie schwer mein bewusstsein seele und körper des hundes voneinander trennen kann, ein hund kommuniziert ja mit dem ganzen körper, alles an ihm ist irgendwie sprache, ok nee, aber doch beziehung und kommunikation. mein kopf denkt sie noch dauernd mit, die beziehung läuft halt ins leere, füllt vielleicht jetzt meinen umgang mit der asche, weil es ja sonst keinen ort mehr für sie gibt.

auf der rückfahrt vom krematorium gleich noch das auto gewaschen und die meisten hundehaare rausgesaugt.

eine liebe freundin, die seit einiger zeit sterbeamme ist, hat von einer aus den staaten kommenden art der kompostierung gesprochen. der körper wird mit einer art kompost-trigger innerhalb von vier wochen zu guter erde (es gibt dabei auch methoden, die sich eher brutal und bisschen mafiaesk lesen, sehr gruselig), anders als, wie sie es beschrieb, die särge im berliner lehmboden, die ewig lang dort liegen, ohne dass sie wieder zu dem staub werden können, aus dem wir alle sind, mensch und tier.

(ich habe über die lebendige emma weniger geschrieben als über die tote. fühlt sich doof an, aber ich muss halt wohin damit. sie war in den letzten 10 jahren meistens dabei, bis auf die stunden im job, seit 5 monaten. das alleinsein hat ihr glaube ich nicht gut getan.)

1. mai 22

schön war, dass der d.-zwilling gekommen ist und ganz wunderbar präsent war. wir haben zusammen ihren schlafplatz aufgeräumt, ich habe alle decken und liegekissen weggeworfen und gestaubsaugt, das restliche futter geht an hundemenschen aus der nachbarschaft. die wohnung wirkt tot und unecht, wie eine filmkulisse, das viele hundebemerken beim rumlaufen läuft auch ohne hund weiter, es ist dann ein rucksack, d.-zwillings bein, nur unterm tisch ist es ein nichts. darum musste ich alles gleich wegräumen, glaube ich. das schlechte gewissen geht langsam, auch durch liebe und kluge sätze von freundinnen. so intensiv brennende schuldgefühle sind ja meistens nach ein paar tagen verstoffwechselt, inzwischen ist es mehr trauer, sie nicht mehr gesehen zu haben, als es ihr so schlecht ging, als schlechtes gewissen. nicht bei ihr gewesen zu sein.

geärgert über eine freundin, die mich in langen vorwurfsvollen sätzen zum unterschreiben offener briefe bringen will, „du hast drei söhne“, mit sätzen wie „das müsst ihr euch bitte schön klar machen, wenn ihr von demokratie redet“, obwohl ich ihr gesagt habe, dass mein hund gestorben ist. hab um unterlassung gebeten, dann gemerkt, dass sie wirklich unbezwingbare panik vor einem nuklearschlag hat. ich war zu angeschlagen, um mich ganz zu entziehen, mit anderen freundinnen geredet, gemerkt, wir haben keine klare meinung und finden es schwierig, eine zu haben. putin ist einerseits, laut der appeasement-befürworterin, rational und wohlüberlegt in seinen schritten, wurde von der ukraine eingeladen, was die presse nicht mehr sagen dürfte, das sei wie in den dreissiger jahren (da bin ich ausgestiegen aus der argumentation), andererseits ist er laut waffenbefürwortern ein kriegsherr ohne skrupel und mit unbegrenztem revisionistischem größenwahn. in der repubblica haben sie einen ausschnitt aus einem russischen sender verlinkt, wo so ein rechtskonservatives oder rechtsextremes duma-mitglied zeigt, wie london und berlin in 3 minuten („206 sekunden!“) dem erdboden gleichgemacht werden können, er freut sich anscheinend darauf. das ist finstere propaganda, oder schon hetze, finde aber die idee beunruhigend, dass putin selber der eigenen kriegstreiberei nicht widerstehen kann, weil sie ihn stark scheinen lässt. dass ihm menschenschicksale egal sind, beweist er ja seit jahren. verstehe die aggressivität gegenüber den waffengegnern nicht, finde sie unangemessen angesichts des pulverfasses, auf dem wir sitzen, und dann geht es immer weiter mit „ja, natürlich gibt es die gefahr eines atomkrieges, aber …“ wie sind wir so schnell von „er wird schon nicht angreifen“ zu so einem satz gekommen? wolfgang müller argumentiert für die lieferung schwerer waffen, die begründung dafür steht und fällt mit seiner annahme, putin würde halb oder ganz europa bekriegen wollen, also auch polen, finnland und deutschland, in so einem now or never-duktus. der text macht angst.

ich bin froh, dass ich nichts entscheiden muss, würde mich glaube ich viel um klassische hinterzimmer-diplomatie bemühen, um herauszubekommen, wo es sollbruchstellen gibt bei p. ich kann verstehen, dass meinung haben und verkünden wenigstens etwas ist, angesichts der allgemeinen hilflosigkeit, es ist aber nicht meins. der d.-zwilling hat erzählt, wie durch das kleine dorf in sachsen, wo er grade als bufdi eingesetzt wird, lange panzerbrigaden durchgerollt sind, auf dem weg nach polen, auch aus dem rheinland gibt es solche berichte. es wird ja nicht nichts getan, ausrufezeichen. ich habe auch etwas getan, einen zu schweren notfallkoffer gepackt, voll ohne ein einziges kleidungsstück (diabetes etc.). ich will das alles nicht.

es ist viel zu viel kartenleserei. ja, ich habe drei kinder, und an schwachen tagen wie heute bin ich froh, dass keines in berlin wohnt. es ist aber auch der zweite tag ohne hunderunden, die viel zum runterkommen und sammeln beitragen. das internet ist grade kein guter ort.

(geht gleich wieder, sorry.)

wie sie immer kurz freude gezeigt hat, schon wenn ich einfach nur an ihr vorbeigegangen bin, die ohren gingen hoch, zwei halbe schläge mit dem schwanz, dann war sie wieder entspannt. ich kann ihr fehlen fast sehen, sowie man ja manchmal für musik bilder im kopf hat. sie fehlt überall.

immer, wenn ich geniest habe, hat sie einmal gebellt und ist dann zu mir gesaust, um mich mit der nase anzustupsen, ich hab keine erinnerung daran, wann und wie dieses verhalten entstanden ist, war es ihres oder hab ich mal was falsch verknüpft?

die stadt war gestern wahnsinnig voll, also lokale, die bürgersteige, viel zuviele menschen auf einmal. heut früh beim bäcker hatte nur ich eine maske. meine masken sind alle, auf arbeit bekommen wir jetzt auch keine mehr, ich muss also nachkaufen, tests auch. wieder alles beim einzelnen, als wäre die pandemie vorbei, so absurd.

null und nichts über 1. mai-demos gelesen oder lesen wollen, zum ersten mal seit 1987, das mach ich gleich noch, zur aufheiterung.

24. april 2022

der unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten cello ist wirklich überraschend. beim ersten höre ich die suite und mag die wärme und den klang des instruments, freue mich über die melodie. beim zweiten ist sofort alles anders, jeder ton ist klarer, genauer, hat mehr tiefe und raum, ist viel komplexer, dabei ganz leicht und fein, eine ganze dimension kommt dazu, das instrument hat eine eigene stimme, die alles zusammenhält, sich nicht aufdrängt, aber ich höre sie und habe respekt. dieses gefühl werde ich nicht mehr vergessen. alles stimmt, alles fügt sich, so soll es sich auch im leben anfühlen, wenn etwas wirklich gut ist, ein klares erkennen (das ist es).

bin grad erkältet, habe bei andauernd negativem schnelltest absurd hohe blutzuckerwerte, brauche fast dreimal soviel insulin wie sonst. das passiert eigentlich nie. das fatale hinterhersein bei stoffwechsellagen. frust, weil es auch mit den tollen systemen nicht besser wird, es geht halt mit meinem körper nicht. meine ärztin ist da stellvertretend für die medizin bei all meinen fragen oder vermutungen nur so „ja, das kann natürlich mal sein“, liefert immer nur freundliche antiklimax. vielleicht komme ich langsam ins leibärztïn-alter (das gendern liest sich hier aber doch verwirrend, ich sehs ja ein) und brauche jemanden, der alle meine werte, vitamine, hormonlagen in beziehung zum diabetes kann und zu allem eine idee hat, wie das internet.

balkon in betrieb genommen beim fertiglesen des lesegruppen-buches, anything is possible von elizabeth strout, sehr besonders. immer wieder bücher, auf die ich nie gekommen wäre, das ist mit das schönste an diesen treffen, wobei ich ehrlich gesagt immer noch kaum lese. ob die lesezeit vorbei ist? wie ist das passiert? ich habe keine disziplin und heutzutage bräuchte ich welche, gegen netflix und co., früher war das lesen der einzige ausweg.

zwischendrin behaglichkeit wg dem ´job, der so sinnvoll ist, dem regelmässigen lohn, dem alltag mit seiner struktur. wie ich morgens früh mit emma die erste runde drehe, auf dem heimweg vom job beim rewe einkaufe, dafür eine schöne radtasche gekauft habe, am samstag putze, abends erschöpft bin. dann fällt mir der krieg wieder ein, dauernd, ist das normal?

die zwillis sind 21 geworden, bis jetzt sind diese 21 jahre viel länger bei ihnen als bei mir. die kids haben mich beweglich gehalten, dafür musste ich gar nichts tun und habe mich daran gewöhnt, aber ich war natürlich jung. trotzdem nehme ich meine nachlassende kraft bis jetzt als persönliches manko wahr, nicht als normale alterserscheinung. neulich einem älteren elternteil gesagt, 60 sei das neue 40, aber das ist natürlich blödsinn, das altern beginnt unabänderlich mit anfang 50, vorher sind es eher nuancen, danach wird alles graduell immer nur schwieriger. also vom körper wegdenken, im kopf beweglich bleiben, mich an erfahrung und selbsterkenntnis und whatnot freuen, geht alles, aber als frau gibt es einfach eine dramatische zusatzdimension, grade als single. ich hab mich dran gewöhnt, im spiegel sehe ich mein altern noch nicht so, ich habe auch okaye gene, nur wenn ich gelegentlich bei heller sonne aus der nähe im handybildschirm gespiegelt werde: senkrechte falten an den lippen, wtf., und die vielen feinen linien, trotz hohem lichtschutzfaktor in den letzten jahren. es ist ein fortdauernder prozess, es wird nicht wieder weggehen, das stört mich gar nicht so, aber bis jetzt ist es auch noch ein akt der entfremdung, weil das selbstbild langsamer altert, oder anders, eben kumulativ und nicht destruktiv. jedes bild mit falten ist ein weiteres in der langen reihe aus eigen- und fremdwahrnehmungen, mit und ohne foto, und irgendwann sind es dann mehr alte als junge. wie schnell die zeit wirklich vergeht, sehe ich am hellgrauen haaransatz an den schläfen, der andauernd wieder da ist, dabei hab ich doch grade noch … keine ahnung, ob mein haar ohne nachfärben ganz oder nur teilweise grau wäre, auf den gefühlt intensiven verjüngungseffekt mag ich noch nicht verzichten. erwarte dann schockaltern ab 60 oder 65 oder so, aber die grenze wird sich bestimmt weiter magisch nach hinten verschieben, wenn ich, wenn wir dann noch da sind.

meine mutter, mit 87, über ihre freundin, 85: die ist viel jünger als ich.

(ich-sattes laber-rhabarbern, bitte um vergebung. im kopf durch den krieg so einen grundton von alles ist eitel, dann plappere ich eben ein wenig.)

24. februar 22

am tag des angriffs zum ersten mal seit langem richtig belastet gewesen. ich habe das gefühl nicht identifizieren können, weil es so allumfassend war, als hätte sich alles verändert, und ich kann nicht erkennen, was und wie und warum. erst am nachmittag habe ich aufgehört, mich dagegen wehren zu wollen mit den für mich sonst nur knapp über der bewusstseinsschwelle ablaufenden rückgriffen auf meine resilienz, das ist sonst so einfach wie anlehnen an eine wand. es hat nicht funktioniert.

und schon zwei tage später ist es normalität, mit freunden das erste thema im gespräch, und dann kommen andere, nur das licht ist ein bisschen raus aus allem, und es ist nicht mehr so leicht, einfach im moment zu sein, was eigentlich eine meiner grundbegabungen ist. ich versuche, mich zu belesen und meine normalität zu schützen, indem ich eine haltung entwickele, ich setze die diffuse angst vor krieg in aktivitäten um, vorratskäufe, auto volltanken. ich kann drüber lachen.

(der gedanke, dass so ein mit liebe und arbeit und glück und alles in allem mit einem irrem aufwand zum laufen gebrachtes leben so zerstört werden kann, mutwillig, teilnahmslos, bösartig, macht wütend und fassungslos. wegen nichts, wegen territorialismus.)

die menschen in der ukraine, alle noch im umbruch zwischen normalität und schrecken, die bilder sind schwer auszuhalten. sie scheinen mir näher als die anderen kriegsopfer, die schon lange, länger, seit immer so leben, aber es gilt ja für jeden einzelnen.

kw 4-5/22

immer noch ärgere ich mich über die höchste betriebskostennachzahlung meines lebens, ausschließlich für wasser, das in berlin besonders teuer ist. vor zwei jahren wurden in die wohnungen des hauses wasserzähler eingebaut, vorher haben wir das irgendwie pauschal bezahlt. jetzt musste ich für 3 personen 800€ wasser nachzahlen, was mir immer noch unfassbar viel vorkommt. in berlin kostet der kubikmeter inclusive abwasser und aufbereitung und regenwasser ca. 5€ pro m3, fast doppelt soviel wie in anderen bundesländern. in zukunft werden die energiepreise einen immer höheren anteil an den lebenskosten haben, da muss ich mich irgendwie drauf einstellen, ich jedenfalls werde nur noch duschen.

im lesekreis großartiges buch gelesen, girl, woman, other von bernardine evaristo. 12 frauen, erzählt über die verbindungen, kontakte und beziehungen, die sie miteinander haben, über generationen und länder, auch über konflikte und krisen hinweg. die nähe zwischen müttern und töchtern hält viele dieser geschichten zusammen, das hat mich dann fast aufgeregt, weil es zu schön ist, sind doch heutzutage viele mutter-tochter-bindungen eher durch entfremdung und desinteresse gekennzeichnet. bei evaristo sind alle diese tollen frauen irgendwie vernetzt, wissen voneinander, so wie wir von unseren freundinnen wissen, was sie machen, mit wem sie zusammen sind, wieviele kinder sie haben und so weiter. ich habe wesentlich mehr freundinnen als freunde, muss mal nachdenken, wann sich das so entwickelt hat.

habe zu spät mit dem lesen angefangen, wie immer, aber bin dann so durch die 500 seiten durchgeflogen, mühelos. sehr besonderes buch.

eine geschichte beendet, die mich durch die letzten monate begleitet hat. es fühlte sich nicht mehr richtig an, wenn ich alleine war, war er weg, es war zuwenig für die nähe, die dann ja doch teil des geschichtendingens ist. liegt vielleicht auch am onlinedaten, wo die gefühle ja nicht voraussetzung des treffens sind, sondern im besten fall daraus entstehen. aber nach wieviel zeit? tagen, wochen, monaten? ich habe mein herz aus den augen verloren dabei, das hat sich zurückgezogen und einfach nichts mehr gesagt, nicht ja und eben auch nicht nein.

viel in meiner wohnung, schon wg corona, aber auch, weil ich nach dem job nicht mehr viel machen möchte. angenehme selbstgenügsamkeit entwickelt, auch wenn sich dabei ein bisschen alles nur noch im kreis ums bekannte dreht. halt, nee, das liegt am tiefen winter, am dunklen februar, an den ewigen nasskalten paargradfuffzig, die hier den tag füllen, und dann der großen, alles haltenden, alles still machenden dunkelheit, die immer noch den halben nachmittag vertilgt. blabla. winter total satt habe ich.

in den letzten monaten eher unabsichtlich meine ernährung auf kohlehydratarm umgestellt, weil ich trotz tollster algorhythmen meine postprandialen berg- und talfahrten nicht in den griff bekommen habe. die habe ich natürlich trotzdem noch, weil ich immer mal wieder so einen heisshunger auf eine gute butterstulle bekomme, aber eben nicht mehr täglich. seitdem fast 5kg abgenommen, fast beängstigend, aber ich fahre jetzt auch täglich mit dem rad zur arbeit und laufe dort 4-6000 schritte am tag, das kommt ja noch dazu. jetzt bisschen sorge, dass ich zur ziege mutiere, die polster überall sind ja weichzeichner im alter.

gestern einen totalen freudeflash gehabt, als an einer ampel plötzlich der d.-zwilling im auto neben meinem saß, sehr unmittelbar und überwältigend. das war wirklich schön.