lost & found in space

samstag früh merkwürdig gefühlt, so ein sirren in allen zellen, tinnitus laut, ein großer bewegungsunwillen, die energie zieht sich zurück wie schneckenaugen, wenn sie angefragt wird, alles will zurück in die schale. ich bin total ko nach den letzten tagen arbeit, das beunruhigt mich etwas, soll es doch noch eine weile damit weitergehen. leichtes muskelziehen nach dem yoga, immer wenn ich die augen schließe, will der ganze körper hinterher in die warme dunkelheit, wird schwer, wegsinken in einen tiefen schlaf, eine verlässliche umarmung. aufgerafft, die planung für ein familienfest im frühsommer vorangebracht, dabei gemerkt, dass ich nicht mehr fit bin im kommunizieren. habe in den chatapps den gruppennamen „einladung zum 90.“ vergeben, und 5 sekunden später schrieb jemand aus der gruppe: danke, wann feiern wir denn, und wo? in meiner generation konnte man nachrichten vorm absenden fertig schreiben. bisschen die briefpost vermisst und genervt gewesen. dann mit dem rad zum markt- und mit dem auto zum großeinkauf, sofort danach aufs bett gefallen, leckeren kram gegessen, einen zweistündigen dokumentarfilm über ds9 entdeckt, von 2018, ein indiegogo-projekt von ira steven behr, einem der produzenten des franchises. fast die ganze crew samt schreibern ist dabei, rene auberjonois ist auch noch an bord, er ist im dezember 2019 gestorben. wachgeblieben. jetzt ist der samstag schon wieder fast durch und ich bin kaum erholt, der tag ist so durchgerauscht. kopf immernoch leer. oder werde ich krank? das altwerden, freunde, ist nicht ohne, und ihr könnt es nicht aufhalten. da denke ich grade mehr drüber nach, wie wir alle, wenn ich so herumlese.

montag nachmittags ein bisschen herumgelaufen, luft frisch, himmel aprilartig, es bleibt deutlich länger hell inzwischen, dann zum lesen in ein cafe gesetzt, also erstmal davor, weil alles voll war, im wintermantel kein problem, das gefühl der freien zeit einsickern lassen, es ist völlig anders als ein sonntagnachmittag im kaffee. beim spazierengehen durchs viertel noch einige andere mittelalte frauen wie mich gesehen, alle allein vor caffees, naja, vielleicht wollen die rauchen? kleiner feiner faden melancholie. vor ein lieblingscafe hingesetzt, dass ich ganz gern mag. eine lange schlange zum buchladen an der anderen ecke beim kleiner werden beobachtet, es gab eine signierstunde, kenne weder autorin noch ihre bücher. ein paar minuten später kam frau seubert vorbei, sie war zufällig dort mit einer freundin verabredet, wir haben uns unterhalten, bis es dunkel wurde, das war richtig schöne serendipity.

abends gleich wieder nach signierten büchern herumgesucht, eventuell auf chinesich, weil why not (weil du es nicht lesen kannst, echt. habe einen archipel gulag auf russisch geerbt, der steht im regal, den werde ich glaube ich auch nicht mehr los.) etwas gefunden, nicht gekauft, weil ich weiß, dass meine regale voll sind, die wohnung ehrlich gesagt auch, und wenn ich mal nicht mehr bin, wer soll das alles entsorgen? das geld lieber ins depot gepackt, da ist es besser aufgehoben.

be: sterben lieben kämpfen

das stück gestern hat funktioniert, aber nicht ganz. ross hat ein paar wesentliche momente auf die bühne gebracht, hat dabei den buchtext verwendet, ihn den personen in den mund gelegt, es war gleichzeitig zeigen und reden über, das gezeigte dabei immer ein stückweit radikaler und realistischer als das im text wiedergegebene, wie ein kommentar eines therapeuten, der die verletzungen benennt und ernstnimmt, sie aus der erlebten normalität als traumatisch herauslöst. der ich-erzähler der romane war als karl ove himself auf der bühne (gabriel schneider), mir war sein tonfall auf der bühne oft zu deklamatorisch- bühnenartig, zu sehr sein-oder-nicht-sein, ich hab das intime, persönliche, private reden der hauptfigur vermisst, das hat mich ja so in den bann gezogen bei den büchern.

[nachtrag: einen tag später scheint mir dieser teil von schneiders darstellung passend, zum unbedingten kunstwillen des autors, zu den charaktereigenschaften, die mehr in der person des autors liegen als im autofiktionalen subjekt der bücher.]

ich mochte als dramaturgische idee besonders die ewige gegenwart des vaters (paul herwig), der lebendig und tot die ganze zeit mit auf der bühne war, so wie er im 1. band das bewusstsein und die selbstwahrnehmung des autors geprägt hat. sehr schön dargestellt auch die kinder knausgårds, kleine lebende objekte, die herumgereicht werden und nicht als personen wahrgenommen werden, na gut, ich löse, vielleicht wollt ihr gar nicht hingehen: es sind kleine töpfchen mit pflanzen. linda (kathleen morgeneyer), die erste frau von knausgård, bleibt am anfang eher farblos, entprechend ihrer darstellung im buch, wird erst lebendig, als sie die bipolare störung ausagieren darf. die rolle von frauen, kindern in den büchern und in der wahrnehmung von knausgård ist nicht so zentral, das wird angesprochen, es gibt zuwenige frauen, lässt ross jemanden sagen (vergessen, wen), dann ein paar zitate des inhalts, dass es nur männliche große autoren gäbe, es seien keine frauen darunter, und beim zuhören denkt man so yo, das ist wirklich nicht okay, aber so what, das problem wird ausgesprochen, es kann nicht mal eben gelöst werden.

das bühnenbild war toll, lauter unterschiedliche ebenen auf so podesten mit wohnungsteilen, bibliothek ganz hinten und etwas höher, allem entrückt, nur vom autor benutzt, weder frau noch vater haben es betreten, mit lampe, schreibtisch, sehr wohnlich und autorenhaft, vorne eine küche mit becken, schränken und waschmaschine (ross‘ inszenierung des macbeth 2008 in der volksbühne hatte auch mehrere waschmaschinen auf der bühne), auf einem anderen podest ein sofa, dazwischen der esstisch, ganz vorne eine toilette fast auf der bühne, die benutzt wird natürlich.

am ende noch ein nicht passendes zitat aus hitlers mein kampf, vorgelesen von einer figur, die so etwas wie das chorische element oder die auktoriale stimme darstellt, dem „master of ceremony“ (cynthia micas), aus dem 6. band der reihe, in dem ein themenfaden sich an der nationalsozialistischen vergangenheit des vater abarbeitet. diese passagen wirkten aufgepropft und waren dramaturgisch nicht nachvollziehbar, war doch alles im stück bisher als reflektion, tagebuchstimme, durch die wahrnehmung knausgårds gefiltert, und jetzt diese direkte rede, wie ein holzhammer. hitler war auch ein mensch, sagt der vater, erzählt es der autor, da gingen einige aus dem publikum, wir fanden es unpassend und nicht nachvollziehbar, als kontrast hat die knausgård-figur dann noch die todesfuge vorgelesen, in gänze. well.

fand den abend eigentlich gelungen, mit ein paar abstrichen, finde es total irre, so ein projekt zu realisieren, mochte das bühnenbild und die regieeinfälle. würde mich interessieren, ob das publikum mehrheitlich die romane gelesen hat oder nicht.

im stück wurde knausgård unterschiedlich ausgesprochen, ich kann mir vorstellen, dass es absicht war, weil viele, vielleicht die meisten, den namen zwar gelesen, aber niemals von norwegern ausgesprochen gehört haben, und weil die beziehung zu diesen büchern und darüber zum autor so sehr persönlich ist, weiß nicht, wie es euch geht, aber ich hab den namen häufiger metonymisch für die romane verwendet, den knausgård lesen, mal wieder knausgård lesen etc. ich hab selber erst gestern gelernt, dass es eigentlich knæʉsˌgɔːɾ heißen sollte. werde versuchen, mich umzugewöhnen.

kw 11

gehe heute ins be, yana ross inszeniert knausgård, sterben lieben kämpfen. habe bisher kein stück von ihr gesehen, es wird höchste zeit, sie macht internationales theater, davon gibt es sehr, sehr wenig, bleiben doch theaterregisseur*innen mitsamt ruf und ruhm meistens innerhalb ihres sprachraumes. ihren macbeth an der volksbühne 2008 hätte ich sehen können. wollte diese woche knausgård lesen, um wieder in diesen raum zu kommen, der sich damals beim lesen wie ein zuhause angefühlt hat, als eines von nur ganz wenigen büchern/autor*innen über die jahre, bolaño war es vor knausgård zuletzt, zur zeit könnte es auster werden, aber ich kann grad nur sehr schlecht lesen, meine aufmerksamkeit ist ein löchriger flickenteppich. habe meinen sterben-band wohl dem großen geliehen, der ihn zu meiner freude sehr gern gelesen hat. jetzt digital nachgekauft, es genossen, in den arbeitspausen sofort wieder im text drin zu sein. gehe erfreulicherweise mit frau gedankenträger, deren blog mich ja damals auf knausgård gebracht hat.

war bei der lesung von k. im haus der berliner festpiele, 2015, damals las er aus „träumen“, wenn ich das richtig erinnere, und hab danach sehr, sehr lange in der schlange zum signieren gestanden, der mann hat mir leid getan, ist aber sehr diszipliniert sitzen geblieben und hat ein erkennbares kürzel im buch hinterlassen, mit datum und stadt. darüber nachgedacht, warum eine signatur so einen unterschied macht, sie ändert nichts am text, aber irgendwie hat der/die autor*in mir das buch dann persönlich übergeben, nee, ist präsenter im text? auch nicht. die signatur öffnet auch keine türen, so steht die dicke signierte erstausgabe von the tunnel immer noch größtenteils ungelesen im regal, weil die hauptfigur so eine unangenehme person ist. als leserin bleibe ich auch bei signierten büchern eine von vielen, aber das buch ist eins von wenigen, die der/die autor*in persönlich authentizitiert hat.

habe im letzten jahr zu meinem erstaunen damit angefangen, mir fan-utensilien zu kaufen, ein kostüm, für die faschingsfeste im job (sonst gibt sowas nicht in meinem umfeld, habe aber gemerkt, ich habe spass daran), war dieses jahr ein science officer aus dem ds9-universum, trug einen overall mit reissverschluss hinten, sehr lästig, dazu einen schicken comunicator, aber auf die perrücken/kontaklinsen-kombi habe ich verzichtet, weil wir ja mit sehr kleinen kindern gefeiert haben. ein oder zwei eltern haben es erkannt, immerhin, immerhin. jetzt grade einen thermos-becher mit defiant-aufkleber, genau wie die in der serie verwendeten. ich verstehe meinen spass daran selber nicht genau, warum will ich da was manifestes im haus haben, zum anfassen, ist das eine steigerung der weltflucht, indem ich mir echte teile des fluchthafens ins haus hole? ein zusammenbringen der welten? etwas in die realität holen, mich auch im alltag daran erinnern/erfreuen. es ist ähnlich wie mit den signierten büchern.

zum cosplay bin ich aber noch nicht bereit, weiß auch nicht, ob ich zu einer convention fahren würde, nicht alleine, glaube ich, mit freund*innen sofort. wobei, „im letzten jahr“ stimmt nicht, ich habe mal ein von darren e. burrows (alias ed chigliak) verziertes solides taschenmesser gekauft, ich glaube, nicht über etsy. weil frau ja, wie gibbs es sagt, immer ein messer dabei haben sollte. ich werde für solche postings die kategorie peinliches hinzufügen, falls mir kein freundlicheres wort dafür einfällt. mit zunehmendem alter sollte immer mehr platz für solche albernheiten sein.

11. februar 2024

gestern abend um 23 uhr rief der gregor-zwilling an und bat um eine pin zum filmegucken, er war beim david-zwilling in halle zu besuch und die beiden haben auf prime die eine folge einer serie entdeckt, die vor 15, 16 (18, es sind 18 jahre, schluck.) jahren einem zwilling angst gemacht hat. wir haben das dann gestern per watchparty spontan zusammen geguckt, das war ein sehr schöner familienmoment.

heute nach der wahl, bei der kaum jemand da war, noch mit einer freundin im bodemuseum getroffen, um screen von polyviou anzuschauen, auf lucy raven in der neuen nationalgalerie hatten wir auch lust, aber es ist weiter weg und bei nieselregen etc.pp. wege zur kunst. die freundin ist kunsthistorikerin und wusste überall etwas zu sagen, es ist schön, so mit offenen augen durchs bodemuseum zu laufen und dabei zu plaudern, dafür ist so ein verregneter sonntag grade richtig. die video-arbeit von polyviou war virtuell gut eingebunden in die räumlichkeiten, es gab auf einer vielleicht 2x2m großen leinwand bilder, filme, animationen mit textzeilen darunter, kirche, kunst, geschichte und weg in den untergang, passt vor allem zu den vielen christlichen skulpturen, reliefs, großartigen holzarbeiten der sammlung. die picassos haben wir nicht gesehen, davon habe ich erst nachher gelesen, müssen wir halt nochmal hin. american cheesecake und kakao im cafe mit dem weiten blick in die große kuppelhalle, davor noch paar bücher gekauft (ich weiß! ich weiß es ja.), die dann in die regenhose gewickelt und so trocken im fahrradkorb nach hause bekommen.

heute wieder drastische klimanews, vielleicht kann ich meine neuen viel zu dicken norwegerpullis ja doch noch mal tragen.

mit dem ausmisten begonnen, dinge umgeräumt, unter anderem steht jetzt so ein legoobjekt in einem bücherregal, habe es vor wochen gebaut und noch nicht wieder auseinandergenommen, weil ich immer noch spass am anblick habe. überlegt, ob ich das so einem date zeigen würde, andererseits gehen die letzten dates irgendwie automatisch davon aus, dass die party in ihren wohnungen stattfindet. wir haben uns mit ende 50/anfang 60 halt alle eingerichtet in unseren leben, ich kann mir gar nicht vorstellen, bei einem anderen einzuziehen zb, wenn es dann mal zu einer intensiveren beziehung kommen würde. home = castle.

multitudes*

diese woche 2 streiktage gehabt, einen halben mit sehr vielen leuten auf einer demo der gewerkschaften verbracht, lange mit kolleg*innen durch die kälte gelaufen. jetzt gab es wohl gestern doch noch das erste angebot von arbeitgeberseite, heute ist letzter verhandlungstg, ich rechne mit nur symbolischen gaben, aber es ist schon besser als vor einer wand zu stehen und dort herumzudemonstrieren. bei mir überraschend ein schönes gefühl in der menge, eine gute masse, keine indifferente, die gemeinsamkeiten größer als die unterschiede. wie früher bei den demos der 80er, als vielleicht die projektionen noch einen größeren anteil in der selbstwahrnehmung hatten. mir haben diese tage geholfen beim ankommen im beruf, ich kann inzwischen mit gewissem selbstverständnis sagen, was ich mache im leben und fühle mich ggü all meinen freund*innen mit karrieren und jobs in chefetagen, unis und kliniken nicht mehr so anders.

edit: es gibt eine tarifeinigung, ich hoffe, die gilt diesmal auch für den tv-l in berlin.

in den letzten beiden wochen am freitag nach feierabend vor eine synagoge gefahren, um dort als eine art mahnwache zu stehen für die menschen, die am freitag nach sonnenuntergang den sabbat beginnen wollen. wenigstens irgendetwas tun können. im oktober hatte es dort einen brandanschlag gegeben, vor dem eingang ist ein großes areal abgesperrt, fast eine hausbreite. die gemeinde stellt für uns kekse und tee bereit, rabbi dovid roberts kommt nach dem gottesdienst zu den menschen und bedankt sich, meine freundin und ich haben einen kloss im hals. unfassbar alles, und ich zögere, als nichtjüdin shabbat shalom zu wünschen, weil ich das noch nie gemacht habe, trotz lebensalter und agnostizismus. es wurde zeit. die hoffnung, dass der anschlag ein einmaliger akt irgendwelcher idioten gewesen sein möge, aber man weiß es nicht, man weiß es nicht. eher nicht. kommt doch am sonntag zur demo gegen antisemitismus.

wie das online-daten die wesentlichen elemente der debütantenbälle des 19. jh wiederaufnimmt, der große marktplatz, jeder sein eigener ball, die sichtbaren und unsichtbaren fäden, an denen wir alle hängen. am hilfreichsten die äußerung einer therapeutin zu einer freundin: darauf achten, ob der mensch einem gut tut, und ob es ihm wichtig ist, wie es mir geht mit ihm. ob er fragen stellt und zuhört. und dann ist es doch nur wieder olle magie.

adventszeit ist dieses jahr unruhiger als sonst, es ist zuviel bewegung überall, zum jahresende vermisse ich die bücher, die ich nicht gelesen habe, es sind zuviele. wieder mehr ins theater gegangen, dabei die schaubühne komplett ignoriert, weil sie mir zu weit weg ist. bequemer geworden, müder gewesen. einmal oper. paar gute konzerte. keinmal getanzt, nur paarmal ein bisschen gewippt, das ist verrückt, ich werde das noch nachholen müssen. zuwenig sex, aber es war schön. okayes jahr für mich, aber die welt macht mir zum ersten mal seit teenagerjahren (atomkrieg) richtig angst, mit dem klimawandel an platz eins und dem ganzen rest danach. ignorance wäre bliss.

*auch dieses jahr wieder ein ein lieblingssong.

9. dezember 22

fürs nächste jähr mehr literatur vorgenommen. ich lese kaum noch, ich glaube, weil ich so wenig mitbekomme, was es an büchern grade gibt, worüber gesprochen wird. die auswahl fällt mir schwer, weil ich nicht 50 bücher pro jahr lesen möchte, lesen kann, zu müde und kaputt abends, sondern vielleicht 5 bis 12. in den buchläden gibt es die tische, bestimmt nach verkaufszahlen oder neuigkeiten ausgewählt, in der presse gibt es die kritik, aber ich finde immer weniger davon. literaturblogs sind der neue weg, vielseitig, überraschend, frei, sehr ergiebig, es gibt viele davon, im gründe sollte ich ein gut besprochenes werk lesen um herauszufinden, ob die kritik meinen Geschmack trifft. heute über twitter ein Interview mit italienischen Kritikern gefunden, die eine neue kulturzeitschrift im netz gründen wollen. der macher beklagt die sinkende qualität der literaturkritik in der (italienischen) presse, es ginge dabei oft nur um leseerfahrungen, er vermisst „intellektuelle aufrichtigkeit, mutige und analytische genauigkeit„. interessant fand ich seinen anspruch, die kritik solle aus den büchern das herausholen, was nicht einmal der/die autor*in dort vermuten würde, das finde ich eigentlich etwas schwierig, da geht es doch um dekonstruktion des literarischen schaffens, ein nackig machen verborgener absichten, diese anmutung von allwissenheit ist mir meistens zu viel. das ist doch ein akademischer ansatz, gehört diese art von kritik nicht an die uni? lieber respekt vor den autor*innen und vor mir als leserin, die einen eigenen weg finden möchte. trotzdem interessantes projekt, werde es lesen.

es wird jedenfalls überall viel zu viel besprochen. könnt ihr etwas empfehlen, werte leserschaft? letteratura hat oft (übersetzte) italienische literatur, der kaffeehaussitzer ist wohl auch eine gute adresse.

wenn ich einmal im jahr nach italien fahre, gehe ich immer in den hervorragend sortierten buchladen bei uns im ort und frage die inhaberin, was sie empfielt, kaufe dann meistens den neuen carofiglio und das buch, das den Premio Strega gewonnen oder fast gewonnen hat, und ein von ihr empfohlenes, in dem ich mich festlesen konnte. es sind immer nur drei italienische romane pro jahr, obwohl es in berlin sehr schöne italienische buchläden gibt. ich hab natürlich auch einfach keinen platz mehr für neue bücher, jedes davon landet auf einem stapel, die regale sind alle voll. sinnvoll wäre es, sich für ein buch zu entscheiden, es dann aus der bibliothek auszuleihen, aber das sind schon wieder zuviele schritte für jemanden wie mich, schade, am see gibt es auch eine moderne und relativ gute bibliothek. bei deutschen büchern habe ich noch kein so hilfreiches (wenn auch natürlich beliebiges) kriterium gefunden, bisher drangen interessante titel immer irgendwie zu mir durch, durch netz, presse, twitter, freund*innen, aber es gefällt mir fast nichts davon wirklich gut. ich brauche dringend neue lieblingsbücher, im ernst, ich bin dazu übergegangen, kochbücher zu verschenken, das kann so nicht weitergehen. sollte vielleicht mal darüber nachdenken, was mir gefällt. mich dabei ertappt, den söhnen schon wieder klassiker zu weihnachten schenken zu wollen. letztes oder vorletztes jahr waren es gesamtausgaben von ein paar deutschen dichter*innen, heine, rilke, celan, bachmann, die einfach jeder im regal haben sollte. so könnte ich weitermachen, etwas neues und einen klassiker, grundwortschatz und freispiel. (ich hoffe, wirklich, die jungs lesen mein blog weiterhin nicht.)

es geht aufwärts, brauche nur noch nachts schmerzmittel und bin wieder in der welt. das wirklich luxuriöse am angestelltenjob mit krankschreiben ist dieses sich nicht zusammenreissen müssen, nicht trotzdem alles schaffen wollen, nicht mit brummendem schädel und wackligen gliedern am schreibtisch sitzen und irgendwas fertig kriegen müssen, egal wie. wobei ich ehrlich gesagt als selbstständige fast nie krank war, weil kein kontakt mit kranken, anders als jetzt, wo ich permanent kleine umgeimpfte schniefnasen auf dem arm habe, dafür ist es mir im letzten jahr eigentlich ganz gut ergangen, toi toi toi. immer noch kein corona, viermal geimpft, aber ich rechne wöchentlich damit.

ein nachbar will das ganze wunderbare grünzeug, dass die hofwände bedeckt, abreissen, weil ihn das frühmorgendliche gezwitscher am schlaf hindert. unfassbar, oder? da gibt es schon so eine oase, ein geschenk inmitten der großstadt, und nein, es muss weichen, weil es einen einzelnen menschen stört. er hat jetzt um seinen balkon herum alles abgerissen, wo er dran gekommen ist. so viel zerstörungswut. macht mich wirklich traurig.

28. november 22

wie ein trottel von der arbeit wieder nach hause gefahren, weil noch zu krank. jetzt dauernd alte bilder im kopf, höre aber auch alte musik, bach kantaten, das duett aus bwv 21, das ist natürlich harter tobak. lieber einfach alte playlists, aber es hülft nix, ich finde die trauer angemessen, die welt soll anhalten, wenn so ein mensch stirbt. dass ich mich damit unangemessen fühle, liegt am europäischen umgang mit trauer, der beherrscht und im rahmen stattzufinden hat, und der rahmen für gute freunde+ ist einfach unbeschrieben.

dieser tod hat mich weich gemacht, ich höre wieder musik, merke ich grad, wie sonst nicht mehr so oft, bin wieder an dem teil dran, der sich nicht verändert, der nicht altert, der keine wege gefunden hat, der fassungslos ist wie am ersten tag vor der irren landschaft des lebens, mit all den geschichten, gefühlen, wahrnehmungen, das ganze sensorium, dass wir auf halbtot stellen, als wär das normal.

jetzt sophie hunger, headlights, von ihr lief auch ein song auf der trauerfeier, neben hero von bowie.

jedenfalls.

ab jetzt weihnachtsplanung, dabei kommt eine frage auf: d.-zwilling studiert ja jetzt neuerdings biologie, ich will ihm zu weihnachten einen standard-ziegel schenken, wie den anderen beiden zu ihren jeweiligen fächern. weiß eine*r unter meinen leser*innen zufällig, was da grad das beste ist? es sollte eine inclusive e-version enthalten.

kw 4-5/22

immer noch ärgere ich mich über die höchste betriebskostennachzahlung meines lebens, ausschließlich für wasser, das in berlin besonders teuer ist. vor zwei jahren wurden in die wohnungen des hauses wasserzähler eingebaut, vorher haben wir das irgendwie pauschal bezahlt. jetzt musste ich für 3 personen 800€ wasser nachzahlen, was mir immer noch unfassbar viel vorkommt. in berlin kostet der kubikmeter inclusive abwasser und aufbereitung und regenwasser ca. 5€ pro m3, fast doppelt soviel wie in anderen bundesländern. in zukunft werden die energiepreise einen immer höheren anteil an den lebenskosten haben, da muss ich mich irgendwie drauf einstellen, ich jedenfalls werde nur noch duschen.

im lesekreis großartiges buch gelesen, girl, woman, other von bernardine evaristo. 12 frauen, erzählt über die verbindungen, kontakte und beziehungen, die sie miteinander haben, über generationen und länder, auch über konflikte und krisen hinweg. die nähe zwischen müttern und töchtern hält viele dieser geschichten zusammen, das hat mich dann fast aufgeregt, weil es zu schön ist, sind doch heutzutage viele mutter-tochter-bindungen eher durch entfremdung und desinteresse gekennzeichnet. bei evaristo sind alle diese tollen frauen irgendwie vernetzt, wissen voneinander, so wie wir von unseren freundinnen wissen, was sie machen, mit wem sie zusammen sind, wieviele kinder sie haben und so weiter. ich habe wesentlich mehr freundinnen als freunde, muss mal nachdenken, wann sich das so entwickelt hat.

habe zu spät mit dem lesen angefangen, wie immer, aber bin dann so durch die 500 seiten durchgeflogen, mühelos. sehr besonderes buch.

eine geschichte beendet, die mich durch die letzten monate begleitet hat. es fühlte sich nicht mehr richtig an, wenn ich alleine war, war er weg, es war zuwenig für die nähe, die dann ja doch teil des geschichtendingens ist. liegt vielleicht auch am onlinedaten, wo die gefühle ja nicht voraussetzung des treffens sind, sondern im besten fall daraus entstehen. aber nach wieviel zeit? tagen, wochen, monaten? ich habe mein herz aus den augen verloren dabei, das hat sich zurückgezogen und einfach nichts mehr gesagt, nicht ja und eben auch nicht nein.

viel in meiner wohnung, schon wg corona, aber auch, weil ich nach dem job nicht mehr viel machen möchte. angenehme selbstgenügsamkeit entwickelt, auch wenn sich dabei ein bisschen alles nur noch im kreis ums bekannte dreht. halt, nee, das liegt am tiefen winter, am dunklen februar, an den ewigen nasskalten paargradfuffzig, die hier den tag füllen, und dann der großen, alles haltenden, alles still machenden dunkelheit, die immer noch den halben nachmittag vertilgt. blabla. winter total satt habe ich.

in den letzten monaten eher unabsichtlich meine ernährung auf kohlehydratarm umgestellt, weil ich trotz tollster algorhythmen meine postprandialen berg- und talfahrten nicht in den griff bekommen habe. die habe ich natürlich trotzdem noch, weil ich immer mal wieder so einen heisshunger auf eine gute butterstulle bekomme, aber eben nicht mehr täglich. seitdem fast 5kg abgenommen, fast beängstigend, aber ich fahre jetzt auch täglich mit dem rad zur arbeit und laufe dort 4-6000 schritte am tag, das kommt ja noch dazu. jetzt bisschen sorge, dass ich zur ziege mutiere, die polster überall sind ja weichzeichner im alter.

gestern einen totalen freudeflash gehabt, als an einer ampel plötzlich der d.-zwilling im auto neben meinem saß, sehr unmittelbar und überwältigend. das war wirklich schön.

<3 bibs und abos

wollte gestern diesen text über den b***-redakteur im spiegel lesen, bin aber nicht über die paywall gekommen, die zahlung des probeabos ging auch nicht, also aufgegeben. dass diese zeitungen keine mikropayments hinkriegen! selbst die taz schafft das. diese angebote sind sowas von vorgestrig, ich möchte in spiegel, zeit und tagesspiegel herumschmökern, ohne mir 3 abos leisten zu müssen. mir fehlt eine plattform, die zugang zu allen für einen betrag unter meinetwegen 20€ anbietet, oder gibts das schon?* bis dahin lese ich eben nur die nyt (12€ mtl.) und die repubblica (6€ mtl.). ich lese sowieso nicht mehr so datumsgebunden, sondern nach anderen kriterien, bei der nyt zb über deren app zuerst die „most popular“-artikel, nach dem ersten bleibe ich vielleicht ein bisschen beim thema und klicke auf die vorgeschlagenen texte dazu, oder ich schaue auf die anderen tageshits, oder ich vertiefe ein thema und gucke bei science oder politics oder books, bis mir langweilig wird oder ich los muss. die titelseite habe ich bis dahin noch kein mal gesehen, schaue meistens irgendwann im lauf des tages mal drauf, aber das ist nicht zentral. niemand braucht online eine ganze tageszeitung, das ist bedauerlich, aber man könnte den leser ja auch leiten und ihm etwas anbieten, die vorteile beim netzlesen ausbauen, statt wie der olle august immer nur die ganze zeitungsrolle zu schwingen, alles oder nichts! nimm es oder lass es! das gibts vielleicht noch bei beziehungen, bei freundschaften ist es schon divers, die freundin fürs theater, den freund für die kunst, fürs spazierengehen, fürs reden über kinder, oder über bücher, oder. wobei halt, die nyt liebe ich wirklich wie keine sonst! das ist mehr beziehung als freundschaft. die lassen mich sein, und ich habe da auch noch ein extra abos für rezepte abgeschlossen, das rätsel-abo trau ich mir noch nicht zu, aber es ist alles bezahlbar und nachvollziehbar. ich glaube, die einzigen, die sich in deutschland für die vorlieben der leserin interessieren, sind die cookiehändler.

*edit: gibt es. der bibliotheken-zugang bietet viel mehr als erwartet, auch der spiegel-text ist über die genios-suchseite zu finden. mit dem pressreader, auch da kann man sich mit der berliner bibliothekskarte anmelden, gibt es zeitschriften und zeitungen aus der ganzen welt zu lesen. für 10€ im jahr. sehr tolles angebot.

eine freundin erzählte mir dann, dass man in berlin über die seite der öffentlichen (berliner) bibliotheken auch zugang zu einigen zeitschriften erhält, unter anderem dem spiegel. ich dachte prima, da wolltest du doch eh mal wieder hin, seit diesem offenen brief von einem haufen schriftsteller*innen, in dem zumindest missverständlich gegen bibliotheken gewettert wurde. stadtbibliothekskarte nicht mehr gefunden. online anmeldung versucht, das ging aber ohne die ausweisnummer nicht, ich solle zu meiner bibliothek gehen. googeln ergab, dass die längst geschlossen worden ist, genau wie die schöne kinderbibliothek hier in meinem kiez, bei der ich mit den jungs früher so oft war, es scheint, in berlin muss keiner gegen die bibliotheken argumentieren, die sterben auch von alleine aus. also habe ich heute eine hunderunde zur nächsten öffentlichen bib gemacht. sie hatten mich im rechner, weil ich ihnen seit anno tobak noch ein paar euro schuldig war, sonst wäre der account geschlossen worden, wie mir die mitarbeiterin sagte, und ich durfte mir eine neue karte in meiner lieblingsfarbe aussuchen, sehr erfreulich. eine schöne, große, luftige bibliothek, am wasserturmplatz, gehen sie da ruhig mal hin. sie haben auch ein blog. beim rundgang ein buch vom letzten jahr gefunden, von dem ich erstaunlicherweise nichts mitbekommen habe, obwohl es in meinem lieblingsverlag erschienen ist. gleich ausgeliehen, mit bisschen schlechtem gewissen, das ich ohne diese schräge fair-lesen-aktion nie gehabt hätte, weil bibliotheken eins der wichtigsten kulturellen angebote überhaupt sind, echt, was ist mit den leuten? aber ich hätte es eh nicht gekauft, es ist zu dick, ich hab keinen platz mehr für dicke bücher, und so wie ich es verstanden habe, sind die bibs keine konkurrenz zum privatkäufer, sondern teil des marktes. ich weiß nicht, ob dieses buch in der bibliothek außer mir noch andere leute vom kaufen abgehalten hat, es gibt leider keine tabelle mit vorherigen ausleihen mehr hinten drin, wie früher. ohne bibliothek hätte ich das buch wahrscheinlich nur an- und nicht richtig gelesen, mal schauen, ob ich ein buch mit leihfrist schneller lesen werde als die anderen drei auf dem nachtisch, sonst hat nur das teilgelesene auf dem reader noch eine deadline (lesegruppentermin), also hmm.

buch von maria popova, gefunden in der bibliothek

ein buch gefunden, dass mir ohne twitter gar nicht aufgefallen wäre, aber nicht ausgeliehen.

wie sich zeigt, ist der aktuelle spiegel noch nicht über die vöbb -seite verfügbar, mal schauen, ob mich das thema nächste woche noch interessiert, könnte sein, dass nicht. jedenfalls hatten die beiden toptwitterthemen einen positiven einfluss auf meine tagesgestaltung. netz wirkt.

der rest ist musik

neulich beim lcb-fest die freude über diese art von berlin verspürt, mit büchern, menschen, zuhören und reden, sehen und gesehen werden. der herbst bleibt hoffentlich weiterhin so offen, der ganze kulturelle alltag hat wahnsinnig gefehlt im viel zu langen letzten jahr, in dem man sich so von spaziergang zu spaziergang schleppt, und am ende nicht mal mehr über kultur redet, also wir nicht, die anderen bestimmt alle, aber wir eher nicht, es gab höchstens mal ein oder zwei empfehlungen, aber alles für sachen aus dem vorletzten jahrhundert.

zur ersten lesung nach corona bin ich ende august mit einer freundin ins pfefferwerk gegangen und habe manfred maurenbrecher und jim rakete zugehört, wie sie sich döntjes aus den achtzigern erzählen und maurenbrechers neues buch „der rest ist mut“ vorstellen, „übers liedermachen in den achtzigern“. die beiden sind sich im studio bei maurenbrechers erster plattenaufnahme über den weg gelaufen, beide in den ersten jahren eines lebens mit, von und für die musik, jeder auf eigenen wegen ins große netzwerk. maurenbrecher hat nach seiner promotion gemerkt, dass er doch eher auf die bühne gehört, hat lieder geschrieben und sich eine band gesucht. ich weiß nicht, ob das früher einfacher oder schwieriger war, es liest sich so, als hätte der wunsch schon fast gereicht, und das einfach machen, dann kennt der den, und die passenden leute finden sich auf parties, bei konzerten, in studios und an den vielen orten, die berlin dafür bietet, zumindest in den achtzigern geboten hat. aber es hilft sicher, so genuin dafür begabt zu sein.

mochte es, wie bei dem ganzen wilden leben mit tourneen und tv-auftritten und wirklich sehr vielen leuten, von denen man manche sogar noch kennt, es ist ja auch erst 40 jahre her, 40 kleine glitzernde perlen in der lebenskette, wir legen sie uns einfach mehrfach um den hals, das war gefühlt gestern – also: wie im buch ganz viel ruhe bleibt, um zb über die liebe zu schreiben, ganz zurückhaltend, und wie sie ihren weg in manche lieder gefunden hat. hab gern über die entstehung einzelner lieder gelesen, herr maurenbrecher hat sie mal allein, mal mit anderen geschrieben, ein geben und nehmen, finde es faszinierend, wie selbstverständlich das bei einem klingt, der eben zuhause ist im liedermachen. und wie es von den einfällen dann weitergeht in die konzentration und sorgfalt beim zuendeschreiben.

das ganze buch liest sich sehr organisch, wie mitgeschrieben, als würde es gerade jetzt geschehen, oder grade erst gestern, jede seite neu, bei jedem konzert ist wieder alles offen, ob es gelingt, ob die leute es mögen und sich freuen, oder ob nur ein paar kommen, und wie sich über serendipity und andauerndes musikmachen und -schreiben ein richtiges lebenswerk entwickelt.

beim lesen ist die freude darüber spürbar, es ist außerdem ein sehr kluges und freundliches buch geworden, auf eine altmodische art freundlich. die achtziger wirken darin wie ein abgeschlossener kosmos, in dem die mauer noch für immer stand, bis zu dem moment, wo sie eben nicht mehr stand, dann hört das buch auch auf, obwohl ich grad so schön drin war in den geschichten übers musikmachen. gern gelesen.