alle kleinen, fast alle großen kinder sind mitgekommen, am samstag hängen 5 von 11 in einem riesigen kirschbaum und ernten. ein haufen freunde und bekannte, fast alle mit kindern, die kinder kennen sich von klein auf. seit vielen jahren fahren wir gelegentlich mal weg für ein wochenende, diesmal in ein kleines altes haus an der grenze zu polen, man kann über die felder die grenzanlagen sehen, schon das wort grenzanlage spult die zeit zurück, aber es ist ein eu-land und der bäcker hinter der grenze hat auch am sonntag offen.

das haus hat ein reetdach, ich sehe immer wieder hin, dann erkenne ich auch an anderen stellen liebe und zeit, das vor jahren erneuerte dach auf der scheune, der brunnendeckel, die findlinge um die feuerstelle. es hängen dicke bleche außen an den fensterläden, wegen der nahen grenze, denke ich müde im vorurteil, wegen der marodierenden jugendlichen, erzählt der hausherr später, weil es das dorf nicht mehr gibt, in dem das haus stand.

ein großes grundstück, die jungens ziehen mit schubkarren in die umgebung zur holzsuche, es gibt eine sauna im nebengebäude und eine dusche im garten. die gäste dürfen überall schlafen, auch im kleinen haus, aber ich habe mein altes zelt dabei, das ist eigentlich nicht mehr so meins, aber es ist nett antigentrifizierung, ich kann sowieso überall schlafen. nachts die anderen am feuer noch hören, wie sie weiter reden und herumkaspern, während man wegdöst, es ist picture perfect, obwohl ich angeknackst bin durch fabios tod, es macht mich stiller und weicher, das fällt den kindern auf („mama, bist du unterzuckert?“). ich rede nicht drüber, obwohl g. auch mit einem moped kommt. ich könnte, aber ich vermute so eine übereinkunft, die dicken klopperthemen in berlin zu lassen, also die themen mit einem ungleichgewicht zwischen sprecher und hörer, zwischen dem junimond und dem ende aller dinge.

morgens wirkt das zelt nicht mehr so kuschelig, sondern total sottosopra, die isomatten verquer, die schlafsäcke auch, das kinderchaos und die mutterhorizontale passen nicht gut, aber ich lass dann los, dreh mich um und gucke in den blauen himmel, die kinder schon unterwegs und verschwunden, ich liege noch herum und gucke ins gras auf augenhöhe. ab halb neun tapern die anderen herum, teilweise nackicht, stellen die tische und stühle auf die wiese, große tafel im morgenlicht, nahtlos passen idyll und mein frühstück ineinander, wir sind viele, über 20 leute, es gibt genug espresso.

ich hab gar nicht soviel zu erzählen vom wochenende, aber ich habe den kindern heut aus protest das essenkochen verweigert, aus so einem ihr nicht-ich auch nicht-ding heraus. hat meine mutter nie gemacht. gregorzwilling hat richtig gebrüllt vor empörung, dabei hab ich gedacht: das kommt jetzt auch, dass meine kleinen zwillis wütend werden und mich anschreien, wie ich sie manchmal anschreie, es kommt ja alles, alles zu einem zurück, pause, blödsinn, das meiste geht und kommt nie wieder, oder nicht? jetzt hat elias für alle stullen gemacht, die kinder haben mir ausführlich und begründet ihr missfallen an meiner reaktion dargestellt, ich hab es ihnen erklärt, sie haben „ach so“ und „verstehe ich“ gesagt. david hat sich aufgebaut und gesagt: „du darfst deine kinder nicht verhungern lassen, eine mutter tut so etwas nicht, das ist unmenschlich“ dann musste er lachen und ich habe ihn ermahnt, nicht zu schauspielrn, sondern mir wirklich zu sagen, was er denkt. er: „ich fand das total doof.“ gregor sagt, er will jetzt besser gehorchen, beim rausgehen kam noch: „kann aber sein, dass ich das wieder vergesse“. gemerkt, kein essen ist eine unangemessene strafe. kann sein, dass ich das wieder vergesse.

darum hatte ich nix zu tun über den abend. beim hintippen gemerkt, man kann wirklich lange texte über nichts schreiben, wenn man nicht aufpasst.

ob bücher aus langeweile entstehen? so einer tieferen langeweile mit sich selber? wie in den royal-tenenbaums alle ein buch geschrieben haben.

man könnte ein buch machen über jedes wochenende, über das nebensächliche an schönheit, das funktionieren von gemeinschaft oder freundschaft oder alleinsein, das wahnsinnig wenige, dass wir wissen von anderen, die vielfingrige vielgestalt an informationen die man mit augen und verstand so sammelt über den tag, natürlich weiß man alles wesentliche, zumindest mit dem herzen, vor allem weil diese leute sich selber sind, aber was ist mit dem sex, oder die ganze geschichte so eines alten hofes in der uckermark, war das ein bruch zwischen bauern- und ferienhaus, ist alles danach das andere, oder ruht das haus immer noch in sich, jetzt mit reetdach, ist etwas dazugekommen oder wurde etwas weggenommen – mal für jemanden aufgeschrieben, der nicht dabei war oder niemals dabei war.

man kann sich seinen eigenen long tail ins weblog posten. oder: man kann sich einen long tail ins eigene weblog posten?

ist nicht die morgenröte auch immer vielfingrig? die dämmerung umhüllt ja eher ganz behutsam.

jedenfalls: biere im dunkeln, die schmutzigen füße, plaudern am feuer, noch ein bier, manchmal singt einer ein paar takte, die gespräche wandern, es gibt schokolade, das holz wird knapp.

ein wunderbarer tag auf dem see mit auf der flotte der könige vom schlachtensee, my, sind diese männer cool, trotz des intensiven tages, den meine jungs grade hatten mit gestreite und eben kindsein. jetzt zu müde, um die genitive noch zu umgehen, der genitiv ist das „und dann und dann“ der kinder, aber der montag trägt mich gut auch durch des dienstags mühe, heute ein nicht wacher doofer tag, müde, unfit im job, der blick aufs aufgedröselte des lebens, und dass kind x schon wieder kein instrument geübt hat, meine schuld, neee: verantwortung, gut, das ändert jetzt natürlich alles. man, müde. grade gehen, lippenstift benutzen, in den neuen tag gehen als wärs der erste, ein hochlied singen, notfalls auf makeup. chanel!

bei kaisers gab es hühnerfilet, 0,69 € für einhundert gramm. die sofortige reaktion ist körperlich, ekel, und dann unglauben, weil sonst fast nichts so billig ist im supermarkt, kurz danach an der kasse des bioladens dann die anderen schmerzen, als ich 18€ für ca. 600gr brustfilet vom biohuhn zahlen muss. fleisch geht halt immer nur mit unwohlsein. (nope, ich will keine vegetarierin werden)

im morgenlicht nach hause radeln, die luft ist frisch und grade nicht zu kühl auf der haut, die stadt leer. glams parties sind wunderbar, seine ganzen menschen, schaukeln, weißwein und geschichten, gegacker und eine kaninchendecke, und da war noch was mit einer wassermelone und vodka in diffusion oder so. endlich frau fragmente umarmt, ein paar mal, meine ich zu erinnern, große freude. frau ruhepuls kennengelernt und ihr zugehört, geraucht, getrunken, ein sehr feiner ort, diese terrasse da in kreuzberg.

und dann wunder ich mich über andauernde hohe werte in den abendstunden, die ich mit allem möglichen zu erklären versucht habe, von komplizierten multikausalen geschichten bis hin zu spontanen änderungen der essenverarbeitung im körper – und dann waren es einfache 4 stunden komplett ohne basalinsulin. ich hatte meine pumpe bei den letzten änderungen nicht richtig durchprogrammiert. herr, wirf hirn.

Zwischendrin der Stress mit der Alleinerziehen-Logistik.

Der Hockeyverein vom Davidzwilling hat zwei wöchentliche Trainingstermine, beide ein paar S-Bahn-Stationen weiter weg, beide gehen bis 19:30 abends. Der Heimweg dauert 30 Minuten, dann ist es 20:00 und ich habe noch nicht mal gekocht – also vorkochen zwischen dem Hinbringen, da bin ich um kurz nach 18 Uhr wieder da, und ihn abholen, da müßte ich um 19 Uhr los – doch, das geht schon, aber die anderen beiden sind dann sich selbst überlassen.

(Das zwickt noch manchmal: Es gibt fast nur Väter bei der Abholung. Mütter bringen, Väter holen, Mütter arbeiten weniger, Väter länger, Mütter kochen und packen die Beutel, Väter fachsimpeln mit den Trainern. Ich dagegen, muss kochen UND abholen. UND ich arbeite weniger. Die Summe an unds ist mein Leben. Nenn mich Undine. Und nicht mal flirten kann man mit den Abhol-Vätern, die sind alle vergeben.)

Und es ist nur Logistikscheisse, kein entspannter Alltag mehr, Gregor hat auch zweimal bis 19 Uhr Turnen, fährt aber schon allein bzw mit anderen Eltern mit, was beim Hockey nicht klappt – die darüber schwebende Frage ist die nach dem Anspruch an mich selber und an die Kinder. Ich möchte ihnen das klassische Mindestangebot bieten, Instrument und Sport, bei drei Kindern mit verschiedenen Gemütern und Vorlieben bedeutet das schon einen Aufwand. Die Tage sind zerstückelt, jeder Tag ist anders, wegen den Außenterminen wird der häusliche Alltag vernachlässigt, also die Hausaufgabenbetreuung läuft manchmal nur über Handy, kaum Zeit für spielen und rumblödeln und Eisessen, die Übezeiten für die Instrumente und Vokabeln werden vergessen oder gekürzt, noch kurz vorm -oder nach dem Abendessen, die gemeinsamen Zeiten sind oft mit Blick auf die Uhr und ein bisschen hektisch.

Aber die Jungs machen Sport, können Noten, kennen Musik und sind körperlich ausgelastet und und … die Vorteile sind auch nicht zu verachten. Ist der entspannte innerfamiliäre Nachmittag wichtiger als die Erlebnisse beim Sporteln und die Erfahrungen beim Klavierunterricht? Es tut den Kindern sicher gut, wenn das nur-Mutter-Programm (auch mal gestresste, genervte und natürlich un-ge-rechte Mutter) durchmischt wird mit anderen erwachsenen Trainern.

Beim durchlesen: zumindest das Kochen kann gelegentlich wegfallen. Man könnte auch mal aufs klassische deutsche Abendbrot mit Stullen und Gürkchen ausweichen! Oder auf den Falafel-Imbiss gegenüber, auf Tiefkühlpizzen oder die Bioburger an der Ecke – kostet jeweils zwischen 12 und 20 Euro und wäre so grade noch drin 2mal die Woche.

Hmm.

als der dritte schnupfen in folge hochgeht, mit vier kurzen runden gesunden tagen dazwischen, kriege ich einen echten wutanfall, tobe und schimpfe. niesanfall mit zwei schweren einkaufstaschen, zu hohe schuhe für das grausliche berliner pflaster, zuhause geben die kinder mit gutem grund kontra und werden gehört natürlich. nebenbei immer japan im kopf und in den gliedern, wie schon das ganze wochenende lang, es legt sich um die brust.

kochen muss trotzdem. der nächste mann kann sein wie er will, aber kochen muss er können, mein beziehungsideal grad: jemand der sagt, leg dich hin, ich mach das heute, hühnerfrikassee? aber gern, willst du einen tee vielleicht? nee, ich hab schon eingekauft.

und dann schmeckt es auch noch. heute aus lauter biosachen ein wunderbares hühnerdings gekocht, total genervt nebenher, aber egal: gelungen, lecker, reicht für morgen nach der schule auch noch.

japan als riesenelefant im raum. elias erzählt, seine mathelehrerin hätte nur ein paar sätze dazu sagen wollen, dann habe jemand eine frage gestellt, dann hätten sie die ganze stunde nur darüber geredet. alles wirkt schal und transparent vor der katastrophe.

das plutonium hat dabei die hässlichste fratze, die menschenleben der japanischen entscheider und verdränger und politiker und überhaupt aller werden staub und nichts und nochmal nichts, bevor das gift wieder raus ist aus der welt. gäbe es einen gott, er dürfte verschnupft sein angesichts solcher missachtung der schöpfung. die banalität der gründe, profit und energie vorher, danach eine welle, die einen dieseltank mitreisst.

die kinder tanzen und hopsen ein lied, bei dem alle körperteile geschüttelt werden, gackernd, einer mit darth-vader-maske auf. die heiligkeit, nee, die magische unversehrtheit, nee, auch nicht, die schönheit von kinderkörpern, wie unverletzbar körper sein sollten.

als elias neugeboren war, wie ich nichtmal die autoabgase an seine lungen lassen wollte, der kaum bremsbare schutzimpuls, wie ich große strassen gemieden hab, wie nötig und unerfüllbar dieser wunsch ist, wie man seufzt und dann in die küche geht, um aufzuräumen.

sagt mal, wisst ihr eigentlich noch genau, mit wem ihr mal und mit wem nicht? gibt es menschen, bei denen es einen kleinen bereich des zweifelns gibt, oder wo man vielleicht was verwechselt oder vergessen haben könnte, oder solche mit fließenden übergängen?

etliche schulen für den großen angesehen. bewerbungen geschrieben, umformuliert, neu geschrieben, verworfen, noch einmal neu geschrieben. die erste wahl hat bereits eine ablehnung geschickt, auf die anderen warte ich jetzt mit gewissen fatalismus.

einer der zwillis soll auch schon aufs gymnasium – zwei standen zur auswahl. beide nehmen ihn nur, wenn IHR gymnasium als erste wahl und nicht als zweite wahl auf dem anmeldezettel steht, auf dem es zwei zeilen gibt, erste und zweite schule der wahl. man soll den zettel bei einer schule abgeben, die reicht ihn dann bei nichtannahme weiter an die zweite schule der wahl, so stehts auf der anmeldung. jetzt wollen beide schulen die originalanmeldung, der tonfall dabei: beleidigt. beide schulen geben überhaupt keine garantie, dass sie das kind aufnehmen werden.

ich werde tippex kaufen gehen, mir die originalanmeldung von schule a wiedergeben lassen mit der begründung, dass – weiß jemand einen guten grund? (schule a kann die beiden durchschläge behalten, das reicht ja wohl) – und bei schule b auch eine anmeldung mit erstwunsch abgeben.

gewisse aggressionen sind nicht zu leugnen, sagen wirs mal vorsichtig und indirekt. in italien konnte man bestechen, das war wesentlich einfacher.

gut angezogene menschen in der tram morgens, die sehe ich ja sonst nie. männern im montgomery vertraue ich generell und sofort, ich würde mit ihnen mitgehen und dabei ein bisschen über dieses und jenes plaudern, sie sind nachdenklich und auf eine entspannte art altmodisch, es ist männerkleidung, nichts für jungs.

momenter schöner schaffenseuphorie, das und das und das auch noch, und abends ne party. kann die 20 minuten fango-packung kaum liegenbleiben und werde hibbelig an den füßen. kinder beschweren sich, ich werfe ideen ab, keine aufregenden, nur die üblichen, aber sie wollen etwas anders, etwas ganz anderes, sie wollen grundlegende drei-gänge-menues, wann immer es beliebt, sie wollen schönes wetter und brot und spiele. zu den brownies kommt der große wieder aus dem zimmer gekrochen, nimmt ein paar, sagt „mmmmh“, und ich sage nichts.