wüst den unentrinnbaren antwortautomaten beschimpfen, wenn man beim kino anruft, um nach einer liegengebliebenen kinderjacke zu fragen. wütend den auflegen-knopf drücken. nochmal anrufen, weiter fluchen. nochmal anrufen, versuchen, 500 plätze zu reservieren, „sie wollen _zwei_ plätze reservieren?“. versuchen, sich an biblische schimpfwörter zu erinnern, und nicht immer nur dio cane. vom fluchen ins verfluchen rutschen, den schuldigen und die folgenden generationen. (in welchem buch gab es nochmal einen nörgel-telefonservice? ein nicht so tolles von lethem, oder?).

der große liegt auf dem sofa und ruft: ich will lernen! (einschulung ins gymnasium erst um 11 uhr)

dem großen und einem zwilling zuhören, wie sie nebeneinander auf dem bett sitzen und sich alles über den ersten schultag erzählen, ganz ruhig und neugierig. heut morgen bei der einschulung in der aula des c.v.o. so einen sehr deutlichen übergang gespürt, hierhin hast du ihn gebracht, jetzt muss er allein weiter, sowas in der art. hatte ich eigentlich schon bei der ersten einschulung, da kannte ich natürlich das berliner schulsystem noch nicht, das so sehr auf die mitarbeit der eltern baut. ob es diesmal genauso wird?

auf dem heimweg gehen wir beim friseur vorbei, er lässt sich die haare ultrakurz schneiden, von sehr lang, ohne jedes federlesen.

two to go.

wow. endlich mad men geguckt. reduziert die hausbar. das zeitaroma ist etwas ermüdend, die gegenstände der fünfziger/sechziger finde ich gilb und bedrückend, vor allem, weil die berliner trödelläden so voll davon sind, diese lampen, die aus dem braun tapezierten wohnzimer einer alten frau oder eines alten mannes kommen, dieses unfreie design mit der plüschigkeit der fünfziger, auf dem weg, aber noch in der seltsam-phase. don draper aber ist absolut hinreissend, schön, smart, unglücklich, eine sehr anziehende figur. am allerspannendsten aber finde ich natürlich die frauenbilder – die männer sind genau so geschrieben, wie man sie erwartet, eigentlich nie überraschend, aber die frauen bieten, besonders die figur der peggy olson, noch entwicklungsmöglichkeiten und geben anlass zur hoffnung. ich war überrascht von all den aggressiven und selbstbewussten damen in drapers bett, die ich eher in den späten als in den frühen sechzigern erwartet hätte, aber vielleicht waren die amis da schneller.

man sollte die serie erst nach 17:00 gucken, wenn das trinken in ordnung geht.

traurig, glücklich, betrunken. freunde gesehen, und wiedergesehen, umarmt worden, selber umarmt, geweint und gelacht. auch deswegen hingeflogen, weil ich am sonntag hier vorm blog sass und mir kommentare gewünscht hatte, irgendwelche, darum geht es bei trauer, dazu sind beerdigungen da: gemeinsam verabschieden, „commiato“, und trauern, mit freunden, die ihre geschichten mit g. erzählen, gemeinsam essen und trinken, all that stuff. und es war falsch, den kram ins netz zu stellen, das netz sind die paar hundert leser seit vorgestern, die nichts sagen und nur als zahl existieren, aus gründen, die mich nichtmal was angehen. gemerkt, dass sich grad was verändert in meinem umgang mit dem netz.

vorletzte woche war guido noch lebendig, seine letzte sms ist vom donnerstag, mit der nachricht über den rückfall. am freitag war ich bei ihm, ich bin am tag der rückreise nach d mit kindern und gepäck nochmal im krankenhaus vorbeigefahren, weil die sache mich ganz dizzy gemacht hat, ich wollte abschied nehmen von ihm, und dann war es natürlich nur gerede, ein paar sätze mit „nächstes jahr“, auguri, magari vengo in ottobre, die kinder aufgereit am bettende, ein viererzimmer. aber auch eine umarmung, ich trau mich keine feste, weil er so schmal geworden war. beim rausgehen hab ich mich zweimal umgedreht, er sass da, kein lächeln, ich auch keins. kurzer blick noch, dann bin ich raus, der schnelle film darunter, das nienienie und das immer, meins und seins, auf dem weg zum fahrstuhl, die kinder schon vorausgelaufen in den kiosk unten, aber ich wusste natürlich nicht, ob er wirklich stirbt, es ist dann auch so eine aufregung dabei, wenn man selber so lebendig ist, es kann doch nicht wirklich sein, oder? vielleicht geht alles gut, er wird noch eine chemo bekommen, das hirn hofft stupide und lebendig vor sich hin, wie ein plappern, und füllt die leere, aber ich hab schon gewusst, dass ich ihn nicht mehr wiedersehen werde. war ein gut gekühltes faktenwissen. in der letzten woche immer mal wieder das letzte umdrehen noch an der tür bereut, weil es so nach abschied aussah, und er hat von plänen gesprochen, vom „leben mit der krankheit“, ich wollte nichts falsch machen. macht man nicht, weiß ich, gibt kein richtig oder falsch bei sowas, ist ja jetzt sowieso erledigt. ich weiß auch gar nicht, wieviel er wusste von seinem tod. nichts! von seinem sterben, meine ich. er war kein googler. sie spüren das, sagt die ärztin. aber so schnell?

er hat früher auf papier immer ornamente mehr gekritzelt als gezeichnet, am telefon oder auf briefen, weiß ich gar nicht mehr, bassetti hat früher solche dichten und feinen muster verwendet. ich bin dieses jahr, auch wegen der aufploppenden erinnerung an diese zeichnungen, auf dem weg ins krankenhaus bei einem bassetti-outlet vorbeigefahren, in einer neonbelichteten lagerhalle neben der strasse, aber heute sind die stoffe dort viel einfacher bedruckt, die alten lilien, blumen und strukturen wie vergröbert. meine 40 jahre alten plaids gehen auseinander, ich habe also trotzdem viel mitgenommen, aber es ist mehr schatten als bild – stimmt das? nein, es stimmt nicht. ich stand vor den übervollen regalen und fand nichts. die erinnerung an guidos kritzeleien ist nicht mehr verfügbar und die kritzeleien auch nicht. sie waren ein bisschen wie dieses schrankpapier.

v., mit dem ich über guido rede, erzählt von einem anderen krebskranken, der sei so gelassen, „ich mache meine geschäfte, der tod macht seine geschäfte“.

die todesangst von davidzwilling: angst vor verlassenheit und vorm verlassenwerden, mangel an bedingungsloser sicherheit. bei kindern sind diese großen gefühle viel näher am ich als an leben und tod.

während draussen der regen unablässig niederrauscht, liege ich im haus und habe zuwenig bücher mitgebracht. meine mutter hat mir martenstein geschenkt, signiert mit „martenstein“, ich hielt den immer für mehr dem schein als dem sein zugewandt, habe aber hier außer den wallaces, christies, upfields und o’donnells nur bücher über troja und die griechen, also eben nun gut, und habe dann bei jedem text irgendwo kichern müssen, weil der mann immer mit soviel schwung den faden verliert und woanders weitermacht, als wär nix passiert, und das erinnert mich schon an mein leben. ich mag jetzt martenstein.

die regenwolken hängen tief, 18°c, wir haben den monte rosa erst ein paar mal sehen können. aber auch, wenn sie tief hängen, ist darüber noch ein bergpanorama und ein himmel und darunter der große, tiefe see, und aus dem sonnenbad-alter bin ich eh raus. die kinder im segelkurs abgegeben, im centrovela hinter der bar, da gibt es noch einen versteckten kleinen bootshafen mit diesen hölzernen schwimmstegen, die trotz wechselnder wasserstände benutzbar sind. ich gucke mir die eltern an, die ihre kinder bringen, sie haben allesamt ein feines irgendwas, vielleicht ist einfach die kleidungswahl konservativer, die männer in dunkelblauen oder braunen pullovern über kurzen chinos und hemden, barfuss in ledermokassins, sommerfreizeit, die frauen gebügelt und geschmückt wie immer, ich merke, wie außergewöhnlich das berliner umfeld ist.

am ersten tag sind die jungs ein paar mal gekentert, ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll, aber es hat ihre laune nicht verdorben, sie finden es cool. elias trägt neue wasserschuhe und hat so ein sportbrillenband zum festziehen, er ist groß und sieht sehr nach teenager aus. die jungs sind aufgeregt und freuen sich, ich freue mich auch auf die stunden alleine ohne kinderbetreuung. immer noch bisschen bauchschmerzen beim gedanken an das loch, das diese 870 euro ins budget reißen. ich nehme mir mal wieder so im hinterkopf vor, mehr geld zu verdienen, so wie man sich vornimmt, die abstellkammer mal aufzuräumen, gerne geld bis zur sorglosigkeit, aber es gibt keine realistische möglichkeit dazu, und so denke ich wieder an was anderes und widme mich der frage, welchen modesty-blaise -band ich als nächstes lesen soll.

gregor sportet 101 mückenstiche und einen dicken husten nach der ferienwoche, david 41. ihre füße sahen aus, als würden sie seit jahren auf der strasse leben, sie fanden die woche okay, aber nicht so toll wie sonst, weil das wetter so schlecht war und sie im zelt untergebracht waren, „aber unseres wurde zum glück nicht so überschwemmt“.

beim abholen kommen lauter jungen und mädchen auf elias zu, um sich mit umarmung von ihm zu verabschieden, vorher kannte er nur ein paar von ihnen, ich denke an das nächste schuljahr mit lauter unbekannten kindern und freue mich.

den ganzen abend kommen geschichten und abenteuer ans licht, bis 22 uhr kommen die jungs immer mal wieder aus ihren betten zu mir rüber, weil ihnen noch was einfällt. bin sehr froh, das sie wieder hier sind, meine mäuse.

erster ferientag, großes ausatmen. im kopf noch am tag danach die erinnerung an den sehr leckeren weißen chateau haut-pasquet, den wir in fridas schwester getrunken haben, und den es lustigerweise in meinem seit 20 jahren liebsten weinladen gibt, der wein & glas compagnie im fernen charlottenburg. da bin ich schon mit dem käfercabrio hingefahren, aber vielleicht bringe ich da nur zwei schöne erinnerungen durcheinander. dort kostet eine flasche soviel wie in fridas schwester ein glas, ein lohnender ausflug also.

langsam runterkommen, der moduswechsel. im kopf lauter auseinanderfliegende einzelteile, ich muss die reise nach italien noch planen und kriege null struktur in die vorbereitungen. andrerseits genügt es völlig, alles nötige mitzunehmen.

nachmittag mit glam auf dem großartigen schlachtensee, voll sommerferienmäßig, das tiefgrünste wasser der welt. instanturlaub total, glam rudert, ich paddele, aber ich arbeite dran.

die mitlaufende sorge um die abwesenden kinder abstellen, ich will immerzu anrufen und der diakonin sagen, sie möge heute besonders gut auf gregor aufpassen, den wilden. ist aber wohl normal.

blumengießen noch schnell organisiert, 2 tage vor abfahrt. die nachbarin fährt an dem tag weg, an dem wir wiederkommen, dann gieße ich ihre blumen. als wärs von langer hand geplant.

noch schnell neues öl und neue bremsflüssigkeit (alpen!) beim autohändler. ich kriege straßenbahntickes geschenkt und eine autowäsche, „aber gerne“, hoffe, ich finde die werkstatt wieder beim abholen nachher. bin beim hinbringen ein paar mal großflächig am autohaus vorbei, dabei hat es riesige markenschilder an der strasse aufgebaut. es ist in weissensee, wo ich immer sofort jede orientierung verliere, ich muss da im ernst auf den sonnenstand gucken, um über die richtung zu entscheiden, trotz stadtplan. ist eine mit mir unverbundene gegend wohl, da werde ich niemals hinziehen.

einen tag in andauernder unterzuckerung verbracht, immer ins angetrunkene herabgedimmt, im job sprachlos und auf redundanz beschränkt, jetzt mit dem tag etwas überfordert, aber es ist alles gut, ich funktioniere auch im blindflug.

schön wäre ein leben, in dem fast nichts zu tun ist, wo man drei jahre hat für ein buch, einen tag für einen satz, ein leben für ein kind. ein souveränes vergessen der endlichkeit.

bin frei vom horror vacui.

wie immer sind am ende des schuljahres die kräfte futsch, die müdigkeit sitzt tief in den knochen, nichts geht mehr von alleine, die haut wird sehr dünn. nur noch eine mit schulabschlüssen, irgendwelchen picknicks, bei denen man immer, immer alles essen selber mitbringen muss, elternkram, elternabenden vollkommen vollgestopfte woche. reicht denn nicht EIN fest zum abschied pro klasse? ich mag ja die anderen eltern, aber ich muss echt nicht mit jedem feiern. und muss ein kind wirklich in der schule übernachten dürfen, nach einer abschlussfahrt am mittwoch und einer abschlussparty am freitag? soll ich deswegen auf mein letztes kinderfreies wochenende für 6 wochen verzichten? ich denk dann immer, die anderen eltern haben nur ein kind und sind sehr deutlich nicht alleine mit dem einen kind. es ist schule, keine familie, dieses brimborium ist nicht nachvollziehbar, und niemand, niemand wird einen tag davon vermissen. (müde, müde, müde)