letzte mail von gestern: ihre wunschreise

ein anruf des exmannes, seine stimme registriere ich noch vor den inhalten, ohje, er ist erkältet. nee, magendarm? irgendwas sehr schlimmes, die stimme ist tonlos und gepresst, nein, er hat eine zentnerlast zu tragen. wegen mittwoch, sagt er, das ist der vatertag in der woche, ich denke, ach du scheiße ja, was? also da sei diese nahe verwandte von ihr, die – und dann folgt eine ausführliche schilderung einer schlimmen lage, du weißt ja noch gar nicht alles, sagt er, ja, denke ich, nein danke, echt, ein teil von ihm ist sehr gestresst, ob er weiß, welcher teil das ist? frag ich mich beim zuhören, was will er mir sagen, soll ich das immer noch wissen wollen, oder willst du, dass dir einfach jemand zuhört, wie du dich kümmern musst, weil du so integriert bist in die neue familie, aber jedenfalls der mittwoch gehe gar nicht, oder, fragt er sie, es sei doch der mittwoch, ja, höre ich sie im hintergrund sagen.

es ist so ein jammer, wenn man soviel weiß über einen menschen, und es nützt einem nix mehr, also man kann es nicht mehr nutzen, es dient nur noch dieser einzigen erkenntnis: ich weiß.

danach das abendprogramm, auf das ich mich total sehr gefreut hatte, endlich the real dan gucken! auf den warte ich schon ne lange weile, ich liebe ja romantische komödien. und aber nun war es für mich dann ein totaler scheißfamilienfilm, amerikanischer happy-family-mist hoch drei, inclusive musik und pancakes, nicht auszuhalten, außer ein paar wahren sätzen, aber die kriegt man ja in jedem film unter, und die binoche war auch schon mal jünger.

jetzt bin ich genervt und will mein weblog total ändern, weil echt, was soll das öffentliche gepupse bloss? for whom? für lauter andere gestörte mit auch irgendeinem gelegentlichen mangel, für leute wie ich und du, mit momenten, schon klar. aber was hab ich davon? bin ich nicht genauso wie mein ex, der mir geschichten erzählt, weil er was will von mir, und das publikum hört nur die anderen geschichten, die er nicht erzählt?

und dann hat jemand einen blogtext von mir auf einen teppich gedruckt, zum drüberlaufen, außerdem noch schallschluckend und schmutzfänger, das sollte zu denken geben.

aber sonst gehts super, ohne scheiss, alles in ordnung hier. kraft und eleganz sind wieder da, die launischen kleinen diven. die schlechte laune ist schon wieder vorbei, ans posting verfüttert, den film guck ich mir morgen nochmal ohne whisky an, oder übermorgen statt kino, aber dieser text hier steht dann womöglich noch, echt, mit so einem befindlichkeitsblog gibt es leicht peinliche situationen immer. mit einem richtigen weblog, einem journalisten- oder aphorismenblog mit kontrollierbarer selbstdarstellung hat man so probleme nicht. aber es macht auch mehr arbeit, hoffe ich.

neues schuljahr 2008/9

heute bisschen wie: kampfbereit sein, die konzentration vor dem start, auch wenn die basis arg mürbe ist in diesem jahr. ab morgen haben dann OMG alle kinder ein instrument und einen sportverein an der backe, endlich, nach tw jahrelangem warten auf wartelisten, die warteliste im kinderbereich ist ein tanz auf dem möbiusband hier im viertel, kein ende in sicht. also: klavier immerhin schon seit 3 jahren bei davidzwilling, unglaublich, war mir gar nicht aufgefallen, gregorzwilling möchte klarinette lernen, was ich so rätselhaft wie großartig finde, aber er muss noch auf seine neuen zähne warten und darf bis dahin schlagzeugen, elias wird rockstar mit e-gitarre, sowieso. beim flauen gefühl ob dem hol+bringescheiss, der mich erwartet, dann der trost: nur noch zweidrei jahre, dann gehen die alleine alle, und ich wunder mich. diese chauffeur-zeiten sind nämlich auch immer sehr schöne momente, in denen es eine 1 zu1- beziehung zwischen den kindern und mir gibt, sonst ist es immer 1 zu 3, das ist vor allem ein geschenk, gell? jupp.

beim sport beherbergt uns SG rotation, das ist ein schöner antigentrifizierungsname, sag ich mir immer, wenn ich die jungs mit meinem schwarzen gentrimobil (ⓒ bov, oder? gibts das als aufkleber?) zum hockey oder fussball kutschiere, wir sind ja immer alles gleichzeitg, dagegen und drin, und ohne auto schaff ich den zeitplan nicht immer, 16:15 klavier für den einen zwilling, und dann 16:30 fussball für den anderen, dann zurück, klavierkind abholen, dann eis essen, dann den fussballer abholen, mit dem fahrrad, weil dann zeit da ist, und hoffen, dass der große nicht nur age of empires spielt in der zeit. alles in allem wäre nur beamen eine hilfe.

(ich tu das für mich grade, karten auf den tisch, neue ordner, wo sind die jungs jetzt, wo wollen sie hin in diesem jahr, wo sind lücken, was kann wegfallen, wenn es zu viel wird, wie anstrengend wird die vierte klasse, die zweite bei den zwillingen ist ja nicht so wild, aber der große wird arbeiten müssen dieses jahr, was ich mir alles vornehme, die taschen aufräumen, jeden tag die aufgaben checken, den tag durchsprechen, die freundschaften der kinder fördern und das netz pflegen, für reichlich freie langeweile- und spielzeit sorgen bei den jungs, die rituale schön laufen lassen, c’mon, kein wunder, dass ich gestresst bin. jetzt werde ich duschen, dann einen fetten cheeseburger essen gehen, dann pediküre, heute nur noch äh, namen vergessen, ja: hedonismus)

nach langem hin- und her wird es jetzt wahrscheinlich ein kurzhaar collie werden, weil die retriever-würfe schon alle verkauft sind und der kurs im november beginnen wird. ich hatte mich ja sofort in die border collies verguckt, die als die intelligentesten hunde gelten, aber wohl einen außerordentlichen hunger auf beschäftigung verspüren, dem mit reiner nasenarbeit nicht beizukommen ist – und hier im hotel sind ja schon 3 jungens zuhause, deren betreuungsbedarf auch nicht von schlechten eltern ist. australian shepherds sind auch geeignet, haben aber wieder ausgeprägte hüteeigenschaften, also hunger auf abenteuer, sollen aber weniger gescheit sein und darob genügsamer, who knows. ein lebewesen auszusuchen, nur weil es weniger intelligent als ein anderes ist, aber genauso gut aussieht – das klappt ja auch im wahren leben eher selten, und dies hier soll ja eine lebenslange beziehung werden, für das neue familienmitglied. so hunde mit langem fell und runden köpfen finde ich eigentlich bisschen schöner als die langnasen – aber wesen und temperament sind ja wohl wichtiger als schnöde äußerlichkeiten. seufz, immer diese entscheidungen. überall entscheidungen. kann ein welpe vom himmel fallen, bitte?

auf der piste

der weg in den herbst führt mitten durch schokolade. die letzten tage ohne die kinder waren voll mit aufsteigenden schmutzigen blasen, die ich nicht haben wollte, die in die nächsten monate aber nicht mehr hineinpassen werden, trauer, müdigkeit, mürber grauer kram, den man einbauen sollen könnte müssen wird in den hektischen alltag, bisschen heiße wut über meinen ort in der geschichte, ein nichtort, den ich nicht mag grade, es ist ein platz der reaktion und organisation, in dem jeder morgen mit himbeermarmelade mit einem großen weggucken bezahlt werden muss, in dem es keine blicke gibt und kein schweigen und eigentlich auch kein erkennen, ach, da könnte man ja auch rauchen wieder, oder nicht, denke ich, aber es schmeckt nicht mehr richtig, und das ärgert mich, alles mehrschichtig und übertüncht, und dieses diamantharte winzige jetzt, das wie ein käfer auf dem rücken liegt und kräfte saugt, zu nichts nutze, immer schon vorbei, vertan, und (…)

nichts passiert von alleine, glauben sie mir das mal so, und außerdem zahlt man für jede erbse, und der gewinn hängt am horizont, far away, hauptsache woanders und nicht hier, und andere leute beschreiben ihn, natürlich freu ich mich dann zb über herbstmelancholie bald in den ganzen weblogs, die sätze mit blättern und kühle und dem gekippten licht, aber es ist so vollkommen egal hier, wieviel kälter der herbst wird, ich fürchte die tage nur in ihrer nackten zeitqualität, ihrer fülle an minuten und gnadenlosen linearität, die kinderlogistik, die unsicherheiten bei jobs und menschen, die müdigkeit, das verdammte alleinsein, die ganze verantwortung im umgang mit den söhnen, das ewige immer zuhören und verstehen, jede regung muss man verstehen immer, obwohl man ja so manchmal doch lieber laut schreien, aber wozu, und die irre rezeptionsfläche, die ich bieten muss, die tonnen bedürfnisse, in denen meine nicht sichtbar sein werden, in die ich meine einmimetisieren werde, eine gute pasta, heyklar, sowas reicht mir, ein whísky, ein text, ein abend mit freunden, mehr brauch ich nicht, es hat 10 tage gedauert, um das ans licht zu lassen (naja und eine kleine unterzuckerung, die macht auch immer durchlässig), jetzt sitz ich hier und muss den scheiß auch noch feiern, finally me, bevor das wieder wegrutscht, in freundliches auskommen, in gespräche über dinge, witze und oddio, dabei geht es um (…)

option 1

in letzter zeit ein paar mal anderen und über diesen umweg auch mir meinen merkwürdigen status versucht zu erklären: in einer affäre, aber trotzdem noch operativer single. mir selber scheinen ganz pragmatisch die lebensumstände von größerer relevanz als die gefühlslage, die genauer zu ergründen kaum lohnt bei dieser abmachung, ja aber ist es denn eine abmachung, das bis-hier-und-nicht-weiter, oder doch einfach die erkenntnis, dass diese art liebe nicht reicht für diese art leben, eine ins faktische versteckte einsicht? oder wächst liebe erst gar nicht, wenn die überzeugung so fest ist, es gäbe keinen platz für sie?– es glatt auslaufen lassen, keine widerhaken ausfahren, den herzenshunger auf die beziehung unberührt lassen, der ist nicht gemeint hier, und trotzdem schmeckt es großartig. aber die gefühle! sagen die freunde, ich könnte das nicht, wie soll das gehen, du wirst dich verlieben! nein, sage ich, oder ja, warum auch nicht, es gibt seit dem aufkommen der liebesheirat so eine romantische vergötterung der liebe als einer himmelsmacht, vor der man sich immer gleich platt auf den boden werfen muss, dabei hat sie doch ohne die elemente dauer, alltag und gegenseitigkeit kaum verankerungen im realen. sie geht wieder weg.
das herz schwankt kurz und man schließt die augen, weil das gesicht des anderen plötzlich präsent scheint, mit der wärme und der nähe und mit diesem blick, ja, es wird blaue flecken geben, vielleicht auch größere. ich habe sowieso klarere erinnerungen an den umgang mit liebeskummer als an den mit der liebe, sie sind abrufbarer und haben einen rezeptregister eingebaut, whisky, schokolade, freundinnen, neue männer.und dann sagt der teil von mir, den ich als schöner und stärker imaginiere: ja, aber es hat funktioniert! die maschine ist aus, die immer die projektionen macht, der mann ist bald weg und du glaubst ihm, dass er das will. es könnte klappen. über die keimende melancholie total erleichtert sein, sonst wäre diese effizienz doch erschreckend. (neulich eine alleinerziehende mutter auf dem schulweg, als ich ihre organisation bewundere: „ja aber will ich das später sagen von meinem leben: es war gut organisiert?“)
verdacht: mit traumwandlerischer sicherheit von eigenen bedürfnissen absehen, weil sie einem so unrealisierbar scheinen, aufgegeben haben, erleichtert sein darüber, dass das kämpfen nicht lohnt. ich kenne diesen blinkenden funken auf der rückseite der logistik genau: die angst, das es doch nur darum gehen könnte, nicht genug geliebt zu werden. die unruhe, ob man selber noch so richtig lieben kann, ob man nicht doch wie früher sich werfen sollte in die unvernunft, ohne seil und notfalls ohne den anderen. ob man liebe noch übersetzen kann in den alltag. mit dem blinken prima leben können, es für menschlich und nicht für neurotisch halten. überhaupt eigentlich ein prima leben haben.
aber.

 

Kommentare:

kittykoma – 12. April, 23:22
mit der liebe und der nähe der kinder liebt es sich unabhängiger. das macht stark, aber es ist irgendwann vorbei, wenn die kinder aus dem haus sind. die gefahr besteht, dann plötzlich ganz verletzbar zu sein.

Casino – 13. April, 09:16
das stimmt! noch nie so drüber gedacht, dank. dann hab ich noch 10 jahre spielwiese, das wäre doch schön. und so als coole fuffzigerin ist dann hoffentlich die hornhaut perfektioniert und der bedarf sublimiert, es gibt dann bestimmt auch weniger gelegenheiten für diese art von verletzungen – man könnte dann kurze fast weiße haare tragen, wieder rauchen, yoga machen und ein flacheres auto fahren als jetzt.

slowtiger (Gast) – 13. April, 21:34
In 10 Jahren kannst du dann diesen coolen Filmemacher besuchen, der dir immer Spaghetti kochen will.

Casino – 14. April, 08:13
Gut, er hat ein Date.

jorge (Gast) – 14. April, 17:43

alles kommt zu der, die warten kann

@casino: ich kann dir versichern, dass coole fünfzigjährige zwar tatsächlich oft graue kurzhaarfrisuren tragen und u.U. etwas flachere autos bewegen und über etwas mehr freiraum, als mit 30, verfügen – die idee, dass dann hornhaut auf der seele und die sublimierung von bedürfnissen angesagt sind, kann ich aus eigener lebenserfahrung absolut nicht bestätigen … wait and see 😉

es wird allerdings auch nicht leichter, die liebe und die tatsache, dass man sich doch immer wieder platt auf den boden wirft.
no fear – vernunft ist wichtig, aber es ist auch noch niemand an einem aufschluchzen gestorben.
jede liebe zählt.

Casino – 15. April, 06:47
oh mann. ich hatte echt gehofft, dass es irgendwann mal aufhört. in meinem alter sollten leute angekommen sein und nicht mehr so auf der suche. (sorry. aber danke für dein kompliment)

kid37 – 15. April, 10:04
(Manchmal denke ich, der Glaube ans „Ankommen“ ist wie „Hoffnung“ nur eine weitere Plage aus Pandoras Büchse.)

jorge (Gast) – 15. April, 17:49
@kid: genau das glaube ich inzwischen auch

jorge (Gast) – 14. April, 23:12
ach ja, auch beim fünften durchlesen wieder erkannt, wie ehrlich du bist in der selbstanalyse und im niederschreiben der gefühle und fakten, so präzise.
du schreibst so gut und so berührend, darf ich doch sagen, oder?

 

 

Blogs und so

Absolut privat!?: Vom Tagebuch zum Weblog

Ausstellungseröffnung morgen in Berlin, im Museum für Kommunikation in der Leipziger. Was, schon morgen? Ja doch, und ich freue mich auch auf Kid und Gaga, die gehen nämlich auch hin. In diesen Zeiten, in denen alles immerzu verschwinden tut, haben die Kuratoren ein paar Texte aus dem Internet ausgedruckt, so dass man sie anfassen könnte wie ein Tagebuch.

Hier im Hotel Mama hätte ein auch räumlich existentes Tagebuch keine Chance, ich würde es verlieren unter all den Dingen, die genauso wichtig sind. Ich bin dem Internet dankbar, dass es nur als Benutzeroberfläche daherkommt, und dabei so klein und unverlierbar bleibt, das ist doch fast das zweittollste neben seiner Unendlichkeit. Wir werden natürlich hingehen, ich hoffe, die haben mein Teppichstück auch mit.

Es geht den Kuratorinnen bei ihrem Projekt um „die spezifische Form selbstbezogener Kommunikation als einer alltäglichen Kulturpraxis“ – wobei mich die Einflüsse der Öffentlichkeit auf die Form viel mehr interessieren würden, so als Bloggerin, Fragen der Verfremdung oder Anpassung, die Schneisen für Stil, grad bei den Weblogs mit privaten Inhalten. Ich weiß es nämlich selber nicht, warum diese Inhalte sich so wenig grenzverletzend anfühlen, glaube schon an die subliminale (Fischwort) Anwesenheit gewisser kompensatorischer Bedürfnisse, es gibt sonst keinen Grund für die Öffentlichkeit, und lande dabei immer wieder beim großartigen Herrn Sennett, denke aber auch, dass die Grenze zum Privaten sich seit den Sechzigern zum Glück sowieso verschoben hat, auch ohne pathogene Entwicklungen. Diese persönlichen Inhalte gehen ja auch nicht verloren im Öffentlichen Raum, sondern werden dort beantwortet, gespiegelt und benutzt, meinetwegen erst in der Privatsphäre des Lesers, also im Projektionsraum des Blogschreibenden. Aber es ist keine Entblössung, und ich begreife das als Fortschritt, dass man über manche Gefühle, Liebesunfälle oder nebensächliche Empfindungen schreiben kann, weil jeder sie kennt von sich selber, weil sie immer dann, wenn man nicht grade arbeitet oder schläft, so einen großen Raum im Kopf ausfüllen, weil sie der unverkäufliche und unökonomisierbare Teil der Person sind, den es zu verteidigen gilt. Ja, Empfindungen! Das klingt irgendwie noch seltsamer als Befindlichkeiten, und ich schreibe die auch lieber auf, als sie zu erzählen, weil sie ja tatsächlich nicht wichtig sind, sie sind ziellos mit vielleicht einem Erkenntnisgewinn, wenn man mal einen richtig guten Tag hat, und es gibt ja auch soviel Platz hier im Netz. Da ist eine angenehme Interesselosigkeit bei der Bloggerei, was soll denn auch passieren? Es soll bitte gar nichts passieren, es ist alles schon passiert, es soll nur jemand lesen.

Im alten Sinn privat ist vielleicht nur noch das klare Ja oder Nein von Körper, Geist und Herz, die Namen, die unreflektierten Gefühle, durch die Formulierung und das Versprachlichen werden die sozialisiert und irgendwie auch entkernt, und das kleine Ich bleibt ungenannt und unbeschrieben hinterm warmen Ofen, aber hey, vielleicht sind wir tatsächlich Narzissten auf dem Rückzug ins Glück (so ähnlich bei Sennett), und es sollte mir Sorgen machen, dass wir keinem was tun dabei.

Kann aber auch wirklich sein, dass ich da noch ein bisschen drüber nachdenken sollte, ich muss nämlich eigentlich, well, zu spät, schon eins.

(die ausstellung war september 2008)

… (vom alten blog)

morning has broken

Der Wunsch, im Leben der Kinder ca. 3 Jahre einfach überspringen zu dürfen. Argh! Dann ist beim Großen schon Pubertät, das wird richtig die Hölle, wenn das so weitergeht. Oder wenigstens ein Jahr überspringen! Die gehen doch immer so schnell vorbei, da könnte man doch, seufz, jeder Morgen ist ein Zeitloch hier. Mann. Keine Lust mehr. Es gibt ja so Momente im Alltag, mit denen man trotz aller Mühen nie so richtig warm wird, hier im Hotel ist es der Morgen mit Schule. Aufwachen mitten in dunkler Nacht wegen diesem beknackten deutschen Morgenstund-Wahn geht irgendwie noch, mit Freundlicheit und Frühstück locke ich die Monster in die Küche, aber das ist auch das letzte Glatte an sonem Morgen.

Danach nutzen sie jede semantische und grammatikalische Möglichkeit, ein „Nein!“ unterzubringen, die denkbar ist, gerade sind es Strumpfhosen (die habe ich aufgegeben), 2 Schichten Kleidung (nicht aufgegeben), Zähneputzen etc. Beim mehrschichtigen Eintüten vor dem Verlassen des Hauses führe ich nur noch interne Strichlisten weiter: das dritte Paar Handschuhe verloren, pro Kind, doch, Du machst deine Jacke zu, doch, Du benutzt die alten uncoolen Fäustlinge, wenn die coolen Handschuhe mit Druck und Fingern schon wieder weg sind, nein, Du kannst jetzt nicht mehr spielen, nein, Du kannst heute nicht ohne Helm fahren, nein, ich habe Deinen Hausschlüssel nicht.

Jaja, die Ansätze: alles vorbereiten, die Wäsche, die Mitteilungshefte am Abend vorher, natürlich mache ich das, die Schulbrote am Abend vorher, nein, igitt, das schmeckt doch nicht. Aber manchmal klappt es nicht, gestern war ein Topf angebrannt und ein Schuh musste repariert werden, dann ist neben dem Üblichen Küche/Bad-Aufräumen mein gefühltes notwendiges Abendpensum irgendwie durch, jaja, so geht das nicht, selbst schuld, im Leben ist ja absolut überhaupt nichts so sicher wie die Konsequenzen des eigenen Handelns, und das macht mir Angst, weil auch die Erziehungsfehler ihre Folgen schon in sich tragen, als Wurzel oder Blüte, um mal zu romantisieren.

Verantwortung ist eine bescheuerte und dämliche Crux. Auf dem Heimweg von der Schule, als es hell wurde und besser und ich die Sueddeutsche (hihi, sonst immer nur als www. … .de vor Augen, ich denke die nicht mal mehr mit Umlaut) gekauft habe, weil sie mich ablenkt, kurz gedacht:

(Vergessen, was ich gedacht habe.)

Jedenfalls bleibt man als noch angemüdete Erwachsene immer an den Situationen hängen, die es ja nie sind, das sind nur die Wellenkämme, die brechen (Autsch. Egal: Das brauche ich gerade.) und der Blick auf das Große Ganze ist frustrierend, weil es nur als Spielwiese des eigenen Mangels daherkommt so morgens.

Veröffentlichen? Klar doch.

… (vom alten blog)

eine stimme im flur, dann zwei, dann drei, mama, ich hab ANGST vor dem gewitter, soviel blitze, dann alle kinder hier, aber wovon sind sie denn wach geworden, ich rede so leise wie die blitze es auch sind von der reihenfolge dieser nacht, keine ahnung, ob es tatsächlich noch donnern wird, manchmal bleibt sowas ja auch hängen auf halber strecke. wir liegen alle vier in der hitze herum und gucken durch die fensterbeklebung ins geflacker draussen. als es dann donnert, sind alle kinder hellwach und erzählen reihum von all den ängsten, die sie haben, von räubern erzählt der große, jede nacht hat er angst, aber er reißt sich am riemen, sagt das kind morgens um halb 2, und ich erzähle ihm irgendwas von der autonomie der angst, die von woanders kommen kann und dann eine gestalt annimmt und darin gut leben kann, er sagt schäfrig ja, mama und dann schlafen alle wieder ein, nachdem sie das gewitter eine weile lang froh beschnattert haben, während es noch donnert. (Erlaube Trost, thx spalanzani)

Leben, Tod, und der Weg drumrum

Schulkind Elias neulich: Die Sonne explodiert auch mal und dann irgendwann wird sie ein schwarzes Loch mit Anziehung, man sieht das nicht und kommt nie mehr raus.
David: Ja, aber früher war das Loch zu, und Luft war drin.
Elias: Aber dann ist es für immer offen und verschluckt alles, auch die Luft.
David (bricht in Tränen aus): Ich will nicht sterben, ich will nie sterben.

Sehr lang gebraucht, um ihn zu trösten, vor allem wegen meiner Aussage, dass jeder mal sterben wird. Sind halt immer nur ein paar Sätze zwischen seiner Angst und dem Schluss meiner Rede …und dann erst, viel später, wirst du irgendwann sterben (David, Wallace/Gromit-erprobt: Ich erfinde eine Hose, in der man nicht sterben muss.)

Dann, heut abend, bei Lektüre eines der mitgebrachten Bücher (Bibelgeschichten in der Malerei, oder so, Kunstgeschichte für Kinder): Gott ist aber schon alt.
Ich: Äh, ja.
David: Und die Bilder sind auch schon alt.
Ich: Ja, über 400 Jahre alt.
David: Dann stirbt Gott nie?
Ich denke Mönsch, wat kaufste auch so Bücher und weiß nicht weiter.
Elias: Ja, der lebt ewig, aber nur, wenn du an ihn glaubst.
David: Ich werde Gott, wenn ich groß bin.
Gregor: Ich auch.
Elias: Ich werde Bauarbeiter.

Also, das wird noch heiter.

10 Sekunden

Er hat 10 Sekunden gedauert, dieser Unfall, der wie alle dramatischen Unfälle aus dem Nichts kam, unerwartet und mitten in der Nacht. Diese langen Sekunden habe ich noch im Kopf wie zehn runde Glasmurmeln, klar und unzerkratzbar. Davor war lange nichts, oder etwas vollkommen anderes, eine intensive Stunde allein voller Wünschen und Fragen. Ist der Mann richtig? Ist ers nicht, kriegt man das noch hin, was da schiefläuft, wie kann man das steuern, das wilde Leben? Ich lag schon eine Weile in meinem Bett und war, das stimmt, voller Zweifel. Er grub mir durch den Magen und schraubte am Solar Plexus herum, der Zweifel, das kennt man ja vielleicht: Nächtliches Grübeln.

Der Mann, mit dem ich seit anderthalb Jahren was hatte, schmiss in einem anderen Raum noch ein paar Bier und kam dann schließlich zu mir ins Zimmer. Er legte sich neben mich aufs Bett, es war unsere letzte Nacht, bevor sein Urlaub enden würde. Die Stimmung war nicht gut, ich wollte nicht reden mit ihm und stellte mich schlafend, weil es nichts zu sagen gab, und es erstaunt mich selber, dass ich das rechtfertigen möchte, meine Verstellung, aber das hab ich auch gelernt inzwischen: Es gibt Lügen und Lügen, und es gibt die Wahrheit. Der Mann stellte sich aufs Bett, in ganzer Größe, das fand ich irgendwie rührend, so kindlich. Er hob die Decke an die Brust und legte sich mitsamt Decke vorsichtig hin. Nach 5 Minuten schlug er langsam die Decke wieder zurück, hob leise die Beine aus dem Bett und stand leise wieder auf. Er ging zu Tür. Ich guckte und wunderte mich, was tut er da? Er ging nicht auf die Toilette, er ging ins Nachbarzimmer, in dem meine drei Söhne schliefen, er ging ganz leise, er stieß an kein Möbel, in der absoluten Stille dieser Augustnacht. Sekunden später hörte ich 3 laute, kräftige klatschende Schläge, tack-tack-tack, nichtmal eine Sekunde dazwischen, und mein größerer Sohn, damals 5, began laut und angstvoll zu schreien. Ich war in Sekunden im Kinderzimmer, in dem eine Lampe brannte, damit die Kinder keine Angst haben in der Nacht. Der Mann stand keuchend und von meinem schnellen Auftauchen vollkommen überrascht vorm Bett des Sohnes, er kam mir riesig vor, ich schrie ihn an: Hör auf, hör sofort auf! Er, atemlos und mit einem schnellen Keuchen, wie nach einem Dauerlauf, das ich wie den Klang der Schläge niemals vergessen werde: Hey, hey, was soll das, was redest du da?

Ich habe mein Kind getröstet, er hat noch eine Weile geschrien, so ein stumpfes gepresstes Schreien ohne Vokale, er ist nicht richtig wach geworden, und wenn er richtig wach geworden wäre, und wenn er sich erinnert hätte, dann hätte ich den Mann anzeigen können. Was tust du hier, hab ich gefragt. Noch immer keuchend kam die Lüge, nach einem kurzen Stottern, aber ohne Zögern, er muss das schon oft so gemacht haben:

Er habe Weinen gehört, er habe mich nicht wecken wollen, er sei rüber gegangen, um nachzusehen.

Das waren meine 10 Sekunden, mehr ist nicht passiert, aber das ist passiert. Drei Schläge, eine Lüge. Es gibt ja Beziehungen, die mit mehr Ballast überleben, oder nicht? Ich brauchte drei volle Tage, um die absolute Unrettbarkeit dieser Liebe zu aktzeptieren, das mag lang erscheinen, es scheint mir jetzt selber lang. Alles andere waren die Kreise auf dem Wasser mit dem Stein drin.

Auch das er mir solche Angst gemacht hat, dieser Mann. In der Nacht nach den Sekunden dachte ich, der ist gefährlich, du must Zeit gewinnen bis zur Klärung, der ist schon am Rand. Ich habe mich dann ganz kurz wieder neben ihn gelegt, aber ich habe mich so gefürchtet, ich dachte in meinem pechschwarzen Schock tatsächlich: Der bringt uns vielleicht um, der ist ein Unbekannter, verhalte dich ganz ruhig. Dann bin ich zurück ins Kinderzimmer, habe mich zu meinem Sohn ins Bett gelegt, ich wollte wach bleiben, aufpassen, ich war verzweifelt, weil ich keinen Schlüssel finden konnte für die Kinderzimmertür, ich hatte echte Angst. Die längste Nacht war das.

Wie ich dem immer geglaubt habe, wenn er mit großer Lässigkeit auf die Kinderklagen Mama, der tut uns weh reagiert hat, jaja, das hätten die Kinder seiner Exxen auch immer gesagt, das sei halt so bei neuen Männern. Und ich habe ihm geglaubt, und damit muss man jetzt halt leben, überhaupt ist ja nur mir und meinen Kindern dieser Unfall passiert, dem Mann ist nichts passiert, gar nichts, vielleicht eine Ziernarbe, ein Strich auf seinem Bierdeckel. Wir waren mal Opfer, meine Kinder und ich, und weil es eine so kurze Opferzeit war, und solche Sachen eben einfach passieren, sind wir still geblieben, und nur weil ich diese Geschichte nicht ganz vergessen kann, habe ich sie hier aufgeschrieben.