glühwein an jeder strassenecke. ich war eigentlich für morgen abend mit einer freundin verabredet, auch einen zu trinken, schon zur feier des wahlsiegs (wir hofften, t. hätte es bis dahin aufgegeben), aber auch zur feier einer erledigten aufgabe, die für mich morgen noch ansteht und mir angst macht. die glühwein-idee ist großartig, strassenverkauf, bisschen guter verdienst für die geplagten gastronomen, denn glühwein ist ja leider meistens ein rechtes gesöff, das ohne viel aufwand erzeugt werden kann. aber die leute stellen sich dann mit ihren glühweinbechern alle zusammen in die nähe der ausschankstellen, meistens an die nächste strassenecke, wo sie dann in pulks von 10-15 leuten beisammen stehen, plaudern, trinken, lachen, wie auf einem sommerfest im garten. ohne masken. so merkwürdig.
es ist anders als es im sommer war, wo man sich mal zu zweit mit abstand vor eine kneipe setzen konnte, es ist neu und also mit hipnessversprechen (wie heißt das heute? trend erscheint so lahm), es scheint halbwegs okay, weil draußen, der schutz der gruppe ist gegenwärtiger als die vage angst, sich anzustecken, und weil niemand die abstände kontrolliert, kann die freundesgruppe gegen den rest der welt zusammen sein, das zusammensein wirkt nach den monaten der isolation bestimmt schon drogenartig intensiv. das glück der gruppe. ich finds interessant, und schade, weil ich so den verabredeten glühwein mit freundin nicht trinken gehen kann.
the expanse angefangen. tolle effekte, wunderbar und selbstverständlich divers, sehr viele tolle starke frauen. in der zukunft werden ein paar planeten und ein asteroidengürtel von menschen bevölkert, diese kolonien werden selbständig und geraten in konflikt um ressourcen. die serie zeigt figuren, die sich zwischen diesen parteien hin und herbewegen, es gibt für den zuschauer keinen eindeutig guten oder bösen, jede partie hat gute gründe, das fand ich wirklich fascinating. es gibt bisher, staffel 2 bin ich, es sind 5 inzwischen, eigentlich nur eine lange reihe von konflikten zwischen allen parteien, intrigen, machtkämpfe, wobei diese intrigen und manipulationen oft wie eine dramaturgische abkürzung wirken, um den konflikt eben filmisch voranzutreiben, und dabei trotzdem die menschheit als eigentlich friedliebend darstellen zu können, also der böse einzelne vs. den am frieden als systemerhalt interessierten regierungen. der entwurf dieses systems ist toll gemacht, die un als weltregierung, die erde total überbevölkert und größtenteils im elend lebend, die regierung als netzwerk von privilegierten, das ist irgendwie glaubwürdig. so könnte es werden.
die plots wirken ein bisschen wie eine verfilmung eines geschichtsbuches, in dem die nicht kriegerischen aspekte des lebens nicht vorkommen müssen. musste an „der große krieg“ von herfried münkler denken, in dem mit bewundernswerter unermüdbarkeit die strategien auf die einzelnen entscheidungen heruntergebrochen und dann detailliert erzählt werden, in all ihrer komplexität, die ja oft nicht mehr als reine gleichzeitigkeit ist.
hier herfried münkler zum thema gesellschaft nach corona, auch interessant.
(zufällige seite aufgeschlagen, sehr schön ein zitat von moltke: „Ein feindliches Holland im Rücken könnte bei dem Vormarsch des deutschen Heeres nach Westen von verhängnisvollen Folgen sein, besonders dann, wenn England die Verletzung der belgischen Neutralität als Vorwand nehmen sollte, an dem Krieg gegen uns teilzunehmen. Bleibt Holland neutral, so sichert es uns damit den Rücken, denn England wird die holländische Neutralität nicht seinerseits verletzen können, wenn es uns wegen unserer Verletzung der belgischen Neutralität den Krieg erklärt.“ [S. 89], es geht um den schlieffenplan.)
the expanse wirkt authentisch, es gibt kein beamen und keine lichtgeschwindigkeit (zumindest in staffel 2 noch nicht), und die einzige außerirdische lebensform tritt nicht in beziehung zur menschheit, sondern dient im drehbuch eher als projektion, ist wie eine wesenswerdung (richtiges wort fehlt mir grade) der hoffnung an gewissenlose unbesiegbarkeit. die auseinandersetzung der figuren mit einer solchen waffe könnte interessanter sein, wenn es nicht immer nur um nationalität bzw. zugehörigkeit und um persönliche rachebedürfnisse ginge, ein paar anspruchsvolle ethische debatten würde ich gerne mal gut verfilmt sehen. aber das ist in der wirklichkeit bestimmt genauso, die diskussionen über best. waffen finden alle innerhalb des militärs statt, stimmen von außerhalb sind ja nicht kriegsrelevant. in expanse wirken die argumente gegen den einsatz einer außerirdischen lebensform als waffe deswegen alle ein bisschen flowerpower -mässig, die figuren, die sie äußern, bleiben seltsam farblos, weil sie keine argumente bringen dürfen, so dass ihre haltung als gesetzt erscheint, und von außerhalb des politischen systems kommt (eine pastorin glaube ich), zumindest außerhalb der politischen intrige (ein etwas farbloser guter regierungschef), weil, klar, es eben eine scifi-serie ist, und da soll ja dauernd gekämpft werden.
so ähnlich stelle ich mir die welt im spiel eve vor, darum interessiert es mich nicht.
eine serie, deren gewalt ich gut aushalte. nachteil ist der ewige konflikt, den ich als wenig befriedigend und ein bisschen langweilig empfinde, dauernd kämpfe, dauernd weltuntergang, wenig humor, wenig spielerei, wenig neugierde, keine utopie. ein bisschen utopie braucht eine gute scifi-serie. hatte in staffel zwei deswegen erstmal keine lust mehr, mal schauen, wann ich weitergucke.