musik jwd in spandau

heute spielt glen hansard am anderen ende der stadt. ich weiss noch, wie überrascht ich über den film im kino war,  er hat mich damals auf eine sehr schöne weise geerdet, und ich habe erst beim zweiten sehen verstanden, was mich daran melancholisch macht: ich vermisse dieses, jawaseigentlich, dieses sich näherkommen in den zwischenräumen, geschichten, die nicht immer auf beziehungen oder dramen hinauslaufen, nichtmal auf sex, wo zwei leute einfach gern zeit miteinander verbringen und in diesem atemzug vor der entscheidung stehenbleiben, vor dem ja, der umarmung, dem chaos, dem möglichen alles oder nichts. es soll wohl genauso ein musik-  wie ein liebesfilm sein, die songs haben einen tick mehr gefühl und hingabe als alles, was man sehen kann im bild, mehr körper. es hat mich an früher erinnert, als das häufig so war, das nicht weitermüssen und mal eine nacht zu fuss durchlaufen, in geschichten, die einfach wieder aufhören, weil es nicht hat sollen sein oder weil der tag anfängt, und trotzdem fehlt nichts, denn es ist immer noch zeit.

falling slowly hiess das stück von den beiden, das sofort diese paar tiefen saiten anschlägt,  ist schon eher dick aufgetragen, aber manchmal … ich kann das lied gar nicht hören manchmal. mit der frau aus dem film, marketa irglova, hat der sänger jahre zusammengearbeitet, der soundtrack stammt auch von ihnen beiden. ich gehe nicht mehr selbstverständlich auf solche konzerte, weil ich mich schlecht wehren kann gegen musik, aber der mann soll gut sein, heisst es.

jetzt hätte ich heute doch zeit und es gibt vielleicht noch karten, aber es soll regnen – ich könnte auch zuhaus bleiben und das F üben, dann kann ich den heulersong irgendwann mal selber spielen – wieder eine frage, die sich früher nie gestellt hätte, weil freiluftkonzert immer besser war als fast alles andere.

… und dann bekomme ich über facebook eine karte für herrn hansard und wunderbare gesellschaft fürs konzert geschenkt. lucky me & summertime & berlin. falls er den song oben singt, werde ich trotzdem heulen.

gewitter

sie kamen fast täglich herunter, sie können der hitze tatsächlich etwas anhaben für ein paar stunden, sie füllen den raum bis zum horizont und ändern alles für eine weile, vor und in der nacht. wenn es dunkel wird, wenn die mücken rauskommen und die grillen, dann zieht es sich einfach zu, es gibt ein grummeln und nervöses wetterleuchten davor und eine träge anspannung im herzen.

wenn man auf dem balkon steht, ist der ganze see und die berge bis zum horizont ein einziges riesiges spielfeld für wolken und wetter, sie sind nicht schnell, sie haben keine eile, es ist kein kampf, es ist eine eroberung, es wird passieren. diese eigentümliche ruhe, wenn alles klar ist, die menschen stellen sich unter, das auto lieber in die garage, könnte hagel geben wie gestern, emma will auf den schoss.

die luft wird tiefgrün, ein weiches, elektrisches grün, dass es vielleicht nur im menschenblick gibt, wer weiss das schon, es wirkt wie für uns gemacht, man möchte sich einkleiden darin, es singt just for once, I want to make you mine, dann kommen böen auf, wir verlieren die kontrolle und die großen bäume legen sich quer, die liegstühle fliegen herum, wer jetzt rausgehen will, um laut zu brüllen, ist willkommen, man hört es nicht lange, aber das gewitter ist noch nicht da,  es ist nur zu spät, um wegzulaufen.

der himmel ist tiefgrün und bewegt sich schnell, die blitze kommen von weit und sind gewaltig, scharf und genau gezeichnet, drumherum flackert es minutenlang, der see wird dunkel und trüb, wie ein samttuch, nichts entkommt, man will ihn anfassen, aus sicherem abstand. das unwetter  kommt näher wie eine wand, in ein paar langen atemzügen ist es um uns rum und man sieht gar nix mehr, der see verschwindet, ist hinter der  schweren luft nicht mehr zu sehen,  der regen klatscht in großen strömen herunter und macht alles nass und glänzend, das große rauschen ist um uns wie ein kokon, dann kommen diese irren donnerschläge, mit denen man irgendwie nie rechnet, obwohl schon die blitze laut zischend runterkommen, es donnert, als würde jetzt gleich ein monsterjumbo die schallmauer durchbrechen, direkt über dem kamin, und alle, alle haben kurz angst, dass ihnen der himmel auf den kopf fällt und ich kriege immer eine gänsehaut, weil die welt so groß ist und der mensch so klein. dann wird es langsam wieder ruhiger, man kann kurz rausgehen, der regen ist kühl und frisch auf der haut, die luft nicht mehr stickig, ich kann mich ins bett legen, paar kinder und einen hund auf dem bauch (immer) und dem regen zuhören, der die ganze nacht weiterrauscht, bis ich eingeschlafen bin.

und am nächsten morgen ist immer nix gewesen.

(dabei war es wie bei erhardt, wirklich. )

 

ankleiden, weitergehen

zu voller kleiderschrank.  ich weiß nicht, ob die alten sachen noch funktionieren, ob ihr subtext mir noch gehorcht, beim anprobieren ist alles fremd,  ich möchte asphaltgrau oder kobaltblau tragen, knielang, schmal, ich möchte nur sichtbar sein, wenn ich sprechen will, ich möchte sein wie die nächste ebene, jemand, der erst nicht gesehen, dann aber erkannt wird, dem man dann zuhört, das shifting alle paar jahre, wenn körper, alter, kleidung nicht mehr zueinander passen, wie ich dann immer am liebsten nur männerklamotten tragen möchte, jeans, hemden, verwaschene t-shirts, chucks, ein zwei wertvolle schmuckstücke.

wie ein kleid immer verweis auf den körper als frauenkörper ist.

vor ein paar jahren auf einer fahrt ins grüne hatte ich mal keine lust darauf, mit den freunden nackt draussen zu duschen, nicht aus scham, sondern weil es doof ist, wenn der einzige blick auf den körper ein nicht ganz unvoyeuristischer oder, von den frauen, ein vergleichender blick ist. keine liebe, baby.

warum mir das heut einfällt: weil ich frau kittys kleid wunderbar zeitlos schön finde und weil frau engl heut eins trägt.

 

 

jolie

der mai schaffts immer wieder, alles scheint sich zu fügen, wie lauter wasserläufe bergab in einem größeren zusammenkommen, schau hin, sag ich mir, und freu mich am kleinsten großartigen detail, es ist sehr zentrierend, wenn lauter nebensächlicheiten als sinnhaft zusammenkommen, dinge gut werden, lauter kleines stimmige muster bildet, obwohl das große sich nicht groß verändert hat, aber ich schau mich dann an und denke nu, einfach mitlaufen lassen, bestimmt nur ein kleiner tritt, dann bin ich auch wieder im fluss. sehen lernen. es gibt diese ein, zwei momente am tag, wo das leben schmeckt wie himbeertorte plus abendsonne plus kindergackern. bestimmt die unlängst explodierte grüne magie hier am platz. (dazu: alter gute laune song)

schaum

ich möchte morgen etwas vollkommen neues anfangen, weil man nicht nur länder, sondern auch tätigkeiten durchreisen sollte, mal hier, mal da, mal wunderbar. mit neuen menschen, in die mein leben auf magische weise wunderbar hineinpasst, als wären wir füreinander gedacht.

ärgerlich darüber, das ich im geldjahrhundert geboren wurde, aber hätte ja schlimmer kommen können.

schöne erinnerung an den einen mann auf dem raucherbalkon bei einer party, der meine plauderfrage, ob die brennende kippe bei minusgraden beim runterfallen wohl bis unten glühen würde, auf das volllständigste beantworten konnte und sich als überwacher von brennkesseln herausstellte, ein fachmann für glut. er hatte bilder von den anlagen auf seinem handy.

 

mal wieder schwimmen gehen

ach lass den sommer mal wieder etwas eigenes werden, bisschen größer, bisschen tiefer, näher am staub, als wärs nicht schlimm, auf die nase zu fallen, als wäre nie was passiert. manchmal kann ich sehen, wie schnell das leben läuft, immer weiter, und wir sind könig und können kurz stehenbleiben, sonne im gesicht, für einen blick, der alles trifft und versteht, was man verstehen soll, und sonst nichts, weil da ist auch nichts, mein lieber schwan. und dann der nächste schritt, der nächste tanz, in&out of the blue.

try harder

die meisten menschen singen gerne. letzte woche bei einem essen mit guten freunden, der mann des hauses holt nach der nachspeise (applecrumble, danach singt man quasi von alleine) seine gitarre raus, nach ein paar minuten sind wir alle dabei, kinder wie erwachsene, die erwachsenen in den ersten takten leise und vorsichtig, dann vergisst man sich und singt einfach mit. es entspannt und macht ruhig.

jetzt überlege ich, noch mit gitarre anzufangen, obwohl die lagerfeuerjahre mit den kindern eigentlich fast rum sind, also die, wo ich dabei sein darf. weiss jemand, ob man in ein oder zwei jahren auch als erwachsener noch in den fluss kommt? mit ein paar grundlagen, für die klassiker? lohnt sich das? als linkshänderin hätte ich einen startvorteil.

ich habe ja sogar einen strassenmusiksommer gehabt (wenn ich mir die bilder so ansehe: hach ja. schöner sommer war das.) ich kann also noch einen haufen erster strophen. einer hatte früher immer eine gitarre dabei, das lag sicherlich am jahrgang, aber auch an der breiteren musikalischen alphabetisierung in italien, wo jeder ein paar dutzend lieder singen kann, oder konnte, in den endsiebzigern und achtzigern zumindest. wir haben folk gehört, als er mainstream war, wir konnten live at budokan auswendig, die italienischen liedermacher sowieso, ein uferloser schatz.

außerdem ist der gitarrenlehrer vom kind, nun ja, der hat mal für maurenbrecher gespielt, von dem würde ich auch gerne etwas lernen. kind meint allerdings, das wäre extrem peinlich, aber man muss ja nun nicht auf jedes gefühl der gören rücksicht nehmen.

 

jazz im garten

grade häufiger das köln concert, wie alle paar jahre. dabei frühlingsgefühle, das jazzfest zu mauerzeiten irgendwo bei der neuen nationalgalerie, obwohl jarrett da nie gespielt hat, oder doch? aber es gab einen steinway, ich hab mir immer vorgestellt, dass der kurz rübergerollt werden könnte von der philarmonie, aber die haben wahrscheinlich keine samsonite-rollen an den füssen. man konnte bei ticketmangel oben auf der mauer sitzen und in den hofgarten runterschauen, wo die konzerte stattfanden, das dabeisein irgendwie genauso wichtig wie die musik und die interessanten jungen männer mit ihrem doofen ernst, das leise mitwippen der kenner, wie dann immer mal wieder nur noch musik da war, und sonst nichts, keine stadt, keine leute, nur die magie. ich hab dringend was gesucht im jazz und dachte immer, es liegt an mir, wenn ich es nicht richtig finden kann, dann hab ichs verstanden und mich am weg gefreut.

ein freund von mir hat seiner umschwärmten jedenfalls kurz vor, aber gerad noch zu weihnachten die von jarrett eingespielten händelsuiten geschenkt, davor gab es nur ganz kleine sachen, das reduzierte alphabet von halbsätzen, gesten, die berühung zum abschied, diese schritte ins offene, bei denen man den fuss noch nicht aufsetzt. weil ihn die musik so an sie erinnert hat, die leichtigkeit und eleganz, das bischen verspielte, und wie sich im spiel immer wieder etwas unerwartetes auftut, das alte und neue an den einspielungen. sie hat ihn nicht erhört, das mag am altersunterschied gelegen haben, ab plus 25 hilft auch das gesehen werden nicht mehr, macht mich fast traurig eigentlich.

aber seitdem höre ich den wieder und freue mich dran, nur den händel kenne ich immer noch gar nicht.

same old, some new

ein kaffeenachmittag, bei dem sich alles abspielt, die ganze  vieljährige beziehungsgeschichte. kann man sie erzählen mit einem nachmittag? nein. die ganzen baustellen liegen nicht offen. die narben unterscheiden sich nicht mehr von den muskeln, die alles im lot halten. lächeln, bitte.

wenn innen- und aussenleben inzwischen zwei verschiedene länder sind mit verschiedenen sprachen, oder hast du gar kein innenleben? was du redest, hat kein herz, aber keine sorge, du merkst das gar nicht. verliere ich meins, wenn ich es nicht reden lasse? es wird dann halt zurechtgestutzt auf das kommunizierbare, in minimalen möglichen gesten.

(wie die intelligenz in den kinderaugen aufblitzt, wenn sie irgendwo dahinterkommen und sich darüber freuen, wie durchlässig sie noch sind, wie sauber und unzerbröselt die energiebahnen laufen, wenn nichts über neurotische umleitungen muss. wie sie kommen und sich ankuscheln und dabei versuchen, das ipad für ein paar spielchen zu klauen, ich sage dann „vergiss es“ und sie lachen und versuchen es ein paar minuten später nochmal, dann gibt es wieder fragen über autos der zukunft, fahrradfahren bei eis&schnee, vokabellernen in anderthalb minuten, während der dritte heimlich tv guckt, bis ich „ausmachen!“ rüberrufe. das innenleben kommt mal ans licht, mal nicht, es fluktuiert mit den themen, es wirkt nicht so, als ob angst oder not da eine rolle spielen würden.)

imago

gestern abend auf der bbc-app eine doku über die mappa mundi von hereford gesehen, die karte aus dem 13. jh, eine mittelalterliche kombination aus abbild, weltentwurf und mythisch-religiöser inszenierung von geschichte. kannte ich die karte schon? nein. ein passendes hä?-geschenk für die jungs gefunden, sie bekommen ein plakat und dürfen rätseln. gleich bereut, dass ich den großen doch nicht auf ein humanistisches gym geschickt habe, latein ist ja wirklich einfacher als französisch.

ich habe eine grosse schwäche für karten. für wertvolle habe ich keinen platz, aber alle reisen stehen hier noch im regal, und natürlich der falkplan „mit allen grenzübergängen“. mein vater hat unsere familie einmal bis zu mercator zurückverfolgt, 16 jh., aber ich habe die aufzeichnungen nie gefunden und halte die geschichte inzwischen für einen familiären mythos, es gibt auch nur einen geografen in der familie.

aber die alten, zerfledderten, mit bleistiftzeichen, bei denen ich noch die kühlerhaube darunter sehen kann, wo wir sie raufgelegt hatten beim x-ten verfahren in frankreich, die  spanienkarten zerrissen, weil ich sie im offenen käfercabrio liegen hatte, und mein gott, was habe ich mich gern verfahren in meinem leben. wenn jetzt das navi ausfällt, fluche ich laut und drücke drauf herum und bin auf unangenehme weise verloren, aber mit einer karte weiss man ja noch ungefähr, wo man grade langfährt, dann anhalten, karte auseinanderfalten, konzentrieren, suchen, mit durchatmen verbunden, während einen das navi-neu-laden erstmal wieder wegholt vom reisen.

 

s***l

die winterstiefel, die ich haben wollte, habe ich über google bei einem holländischen onlineladen gefunden, als restpaar sehr herabgesetzt. es gab keinen hinweis darauf, dass sie auch ins ausland liefern, deshalb habe ich eine mail hingeschickt, die sofort, noch am sonntag, beantwortet wurde. keine automatische antwort, sondern eine persönliche und gutgelaunte, die schreiberin hat dann nachgesehen, ob es die schuhe noch gibt, hat sie mir reserviert und gestern kamen sie an, mit handschriftlichem adressaufkleber, wie für ein glas selbstgemachte marmelade. die eigentümerin ist auch kinderbuchillustratorin, wenn ich das holländische richtig errate (es wirkt immer so charmant, wo das deutsch eher hart und krächzig klingt). i’m intrigued,  und ich mag den ins netz gezogenen kleinen laden um die ecke, wo man noch ein bisschen mit der inhaberin plaudern kann. ich wünsche ihr erfolg, aber nicht zuviel erfolg  – möge ihr zeit bleiben für etiketten und anderes.

(der nachteil beim schuhkauf in  virtuellen läden: man wird nachher zugespamt mit werbebildchen der gesuchten schuhmarke, auf jeder besuchten öffentlichen seite. das aufwändige säubern der cookies ist ein ärgernis, das man bei der zeitersparnis durch den online-kauf mit einplanen muss, wie die schnaken bei dämmerung fallen sie über meinen browser her. die schuhfirma erscheint mir jetzt als weltherrscher, da ich sie über- und überall vorfinde. stalkertum ist eine belästigung, tatsächlich finde ich diese werbe-programmierer vor allem unerzogen, aber hey, ich weiss, ich weiss. und meine illusion, ich hätte einen zumindest eigenartigen geschmack, hat sich  auch restlos erledigt.)

herr x geht weiter

(bild gehandyknipst auf der abc 2012, künstler)

es gibt da wen, der mir aufgefallen ist, ist das nicht nett? er ist groß und vollbärtig und sein haar ist leicht zerzaust, auf eine nicht-hipster-art. ich begegne ihm immer beim joggen, und zwar auf dem heimweg, wenn es mit der coolness vorbei ist. er grüsst mich inzwischen, wahrscheinlich kennt er meine doppelgängerin hier im bezirk, die mir zum verwechseln ähnlich sieht, also für männeraugen: braune haare und brille. ich könnte ein taschentuch fallenlassen! habe aber kein sauberes mehr nach dem laufen. elegant stolpern? ihn nach dem weg fragen, oder ist charmantes fake-unwissen nicht mehr in? ach ach, wenn ich ihn mir aus der nähe ansehen kann, wird mir sein zartes alter und sein ehering auffallen höchstwahrscheinlich.