monbijoupark sonntags

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der runde alte mann im cremefarbenen sommeranzug, schwärzeste haare, seidene weste, helle schuhe, der sich immer blutjunge anfängerinnen in sehr kurzen röcken sucht, und sie im wohlfühlmodus über die tanzfläche schiebt, in ganz kleinen schritten, mit vielen effektvollen pausen. die mädels kichern, er lächelt mit halbgeschlossenen lidern in sich hinein und sie lehnen ihre köpfe an seine wange. das ganz schmale paar mit superelastischen körpern, die sich wie zwei verzwirbelte korkenzieher die ganze zeit umeinander drehen, sie legt ihren dicken zopf dabei von einer schulter auf die andere, je nach ihrer blickrichtung, als sei das nötig. die frischlinge, die noch an der grammatik arbeiten und jeden schritt einzeln entscheiden müssen.

den ganzen abend getanzt, halb werde ich aufgefordert, halb frage ich, am liebsten natürlich die großen, soliden männer. der eine, der nach ein paar umdrehungen meine hand an seine warme brust legt, bis ich ihn besser spüre und die augen schließen kann bei der milonga, der andere, der mehr auf abstand bleibt, aber mit der musik auf eine sommersekunde genauso umgeht wie ich. die engsten tangos mit einer frau, einen kopf kleiner als ich, ganz innig mit ein paar unsicherheiten in der führung, bei mir oder bei ihr. sie tun mir alle auch ein bisschen leid, weil ihre füße manchmal unter meinen sind, ich weiß ja nicht mehr, wie tanzbar ich noch bin nach all den jahren, aber sie sagen nicht nein (das gefährliche alter der dankbarkeit). man tanzt auch ein stück mit sich selber, der tango ein gespräch zwischen vergangenheit und dem jetzt, zwischen wünschen und möglichkeiten, das kurze stoppen in der synkope, unter spannung gehalten werden, das loslassen in den nächsten takt.

ich weiß nie, was mein tänzer will vom tango. will er eine form? ist die interpretation eines stückes etwas, das auf ein ende hinausläuft, muss jeder neue tango richtig getanzt werden, oder ist die musik die chance, das fortlaufende innere gespräch mit dem anderen, mit der frau und dem mann mal anders auszuleben? es ist ja anders als beim text oder beim schreiben, wo wort und ding oder sinn und form zueinanderwollen und dann so bleiben dürfen, hier gibt es drei elemente, ich, du, der tango, und die gehen sehr schnell einfach weiter. dazu das freundliche blinzeln vom eros, wenn man dabei die hand auf einer starken schulter liegen hat und sein arm dich kurz näher heranholt – kann man nicht ersetzen. vergess ich immer. die musikbegabten, die etwas wollen von den stücken, dann der mojo, wenn nichts dazwischenpasst für dreieinhalb minuten. beim tanzen denkt dann so aus dem off: isses ein jurist, oder ein florist, ein lehrer? ein künstler, ein fliesenleger, ein lobbyist? und du fragst nicht nach, weil für das, was ihr da miteinander habt, nur diese eine offene stelle wichtig ist, die sie alle haben, offenheit für die 7/8 und die solos und das rauschen der nacht. meine hoffnung, dass es den männern auch so geht und mehr mitschwingt als nur die pragmatische entscheidung, sport, frauen und gefüllte abende unter einen hut zu bekommen. ich weiß es aber nicht, es ist ja auch totally wurscht, und die musik geht halt immer weiter, ich darf sogar den letzten tango noch mitnehmen, mit meinem lieblingstänzer an dem abend, sein hemd immer noch frisch und weiß.

so wenig, so viel, genug. heimradeln, wie die nacht dann frischer wird und ich abgekühlt zu haus ankomme – hmm, ich weiß grad auch nicht mehr genau, wie ich all das vergessen konnte. heut laufe ich die ersten stunden des tages wie ein betrunkener seemann, aber hey, vielleicht doch mal ein paar einzelstunden zum aufpolieren?

kw junihälfte

kaum ist es mal ein bisschen sommerlich, schon gibt es hitzefrei und man kommt zu gar nix mit drei jungs im haus. mahne ich ruhe an, heißt es: warum hast du dann überhaupt kinder gekriegt? dann singe ich ihnen ein lied von liebe, und keiner hört mehr zu, ausser dem postmann, der grad ein paket bringt, auf dem „haribo“ steht, er sagt: naja, hier haben sie schon wieder gummibärchen. (ich bestelle haribo colorado in 3kg – paketen gegen unterzuckerungen und darf die nicht gut verstecken, weil ich sie sonst im notfall selber nicht mehr finde. die jungs sind gnadenlos damit.)

eigentlich wollte ich rockstars machen, oder kleine feenkinder, oder lausbuben mit borte oder sowas. alexanders, ann-sophies und maries, wo seid ihr?

die chance auf lange fingernägel zum gitarrespielen sinkt um die hälfte mit jedem kind mehr, und ich habe richtig immer ca. zweieinhalb lange nägel an den händen. plus haushalt. darum sowenig gitarristinnen?

die schlechte laune, wenn kleid und haar am körper kleben, obwohl man doch im süden aufgewachsen ist und hitze gewöhnt, und der andere völlig entspannt mit freundlichem lächeln fragt, ob er das fenster öffnen soll, außerdem portemonnaie nicht mit im supermarkt, auf der gev klassenlehrer von kind 1 lautstark mit elternteil verwechselt, beim überholen eines exmannes auf dem rad fast ins gleis gefahren, unschick gebremst. nur sowas heute. so mal unter uns euphemistinnen: deutliches undankbares mittelalt-gefühl. meine zähne werden ausbleichen wie knochen in der wüste, wenn ich weiter alles mit humor nehmen muss.

was ich später nicht vermissen werde: kabel, besonders die mit proprietären enden.

keine lust, nach dem tag noch zu kochen. macht euch brote, sage ich. „mama, die eltern meiner freunde machen ihnen sogar mittagessen, und die sind auch alleinstehend, teilweise.“ („teilweise“: wortwahl liegt am gymnasium) ich: „na dann zieh doch zu denen“ er: „mach ich vielleicht.“ kein respekt mehr vor stullen, die jugend.

(leicht verkatert)

der sechziger-typ im porsche aus dubai, der mich auf okc anschreibt, ich sage ihm nein, ich suche wen in der stadt, er: ich kann in ein paar stunden bei dir sein, „if all goes really well“. die kinder so: yeah.

 

80

den beiden schwestern beim schnellen herumhopsen durch uralte döntjes zugehört („doch, das weiß ich noch genau, da war ich doch schon acht“), eine heute achtzig geworden, eine im nächsten jahr, kaffee, kuchen und blumen, am wochenende kommen die anderen frauen der familie dazu. die zahl ist bemerkenswert, sie waren 11 und 10 bei kriegsende, ihre kindheit war satt an geschichten und menschen, vater konditor mit eigenem café, vielen gesellen und lehrlingen und kellnern, einer backstube im haus, mit eigenen schweinen im hof. der vater hatte außerdem noch seidenraupen dort, eine passion, die privat geblieben ist und von der es wenig anekdoten gibt, sie überlebt seit jahrzehnten hartnäckig im nebensatz, „er hatte da ja auch seine seidenraupen“. die schwester erzählt von ihrer arbeitszeit 1956-57 in bayern, mit anfang zwanzig, wie sie wandern gingen an den wochenenden und bei plötzlichem schneefall in einer almhütte unterkamen, „die stand da so, da haben wir dann übernachtet, vier männer, drei frauen, du, gefroren hat keiner.“

heute einem eichhörnchen beim überleben zugeguckt (über SZ), dann nochmal einer krähe beim bespieltwerden, zufrieden. die selbstverständliche antwort auf alles tierische ist ja, ohne zweifel oder umwege, rührung oder andere gefühle sind schon wieder entfremdung, nur bei capybaras nicht.

gregorzwilling, der seine 4 jahre alte schwester am telefon beruhigt, die angst vor ihrem ersten flug hat, „beim starten hast du so einen druck im rücken, aber der geht vorbei, du musst einfach aus dem fenster gucken.“

alle jungs singen abends vor sich hin, jeder ein eigenes lied, der einzige moment, an dem ich wahnsinnig gern richtig ausfallend werden würde, dieses spezielle genervtheit, nach der etwas besser sofort aufhören sollte. auf mein ruhe! höre ich dann: „schulz“ „schulz“ „schulz“, und bleibe allein im gelächter mit dieser sehnsucht nach ruhe im hirn, ohne kids, ohne tinnitus, ohne pegel.

 

B

Foto

berlin ist wunderbar. es ist sehr groß, und bei der partydichte zum sommeranfang fallen einige davon gelegentlich auf ein und denselben abend, so dass man beim partyhoppping zeit finden muss, sich auf andere gäste, andere musik und andere nachspeisen einzustellen. gestern aber genügte der abstand zwischen beiden parties nicht mal, um wieder zu atem zu kommen, vier stöcke runter, vier stöcke rauf, dazwischen nur ein paar meter. die gäste lagen weiter auseinander als die parties, die einen kenn ich von ganz früher, die anderen sind die neuen freunde der letzten paar jahre, bei ihnen bin ich zuhause, beim glam in der hollywoodschaukel, zwischen modeste und lucky.

um drei zuhause, zuviel kippen geschnorrt, nicht gesungen, aber auch nicht getanzt. heute mit dem besuch aus wien dann noch ein stück von der sternfahrt mitgefahren, leider ohne avus und ohne die kinder, aber auch so aufregend, ampelfrei vom westkreuz bis fast zum brandenburger tor, das überraschendste dabei ist die ruhe, man hört nur das rauschen und sirren der räder auf dem asphalt, und das geplauder der radler. vor der oper dann plötzlich kein durchkommen, herr barenboim steht dort auf einem großen podest und spielt mit dem kompletten orchester der staatsoper, wir hören noch die letzten takte von sacre du printemps unter heller frühsommersonne, was ich weiß, weil ich es gegoogelt habe, radeln weiter, nehmen noch einen frozen yogurt und legen eine pause ein, bevor wir heute abend wieder in die nacht gehen bei einem konzert im grünen salon, andreas albrecht stellt dort seine neue cd vor. jetzt ist es nachmittag und die sonne glitzert in den bäumen, gemerkt: die ganzen sommer davor sind heut auch zu sehen, wie flußkiesel durch den boden eines dicken marmeladenglases.

 

mit musike

den ganzen nachmittag gibt es hier musik, ein alter freund und eine nachbarin nutzen mein klavier für eine probe, sie suchen neues material für ein projekt und proben sich durch ein große auswahl chansons und alter lieder, sechziger aufwärts. die unvergleichliche art, mit der gespielte und gut gesungene musik den raum füllt, es ist wirklich eine gegenwart. stelle mir vor, ich sitze in einem alten café, fast alleine, ein pianist spielt stücke aus seiner jugend, einen tick zu langsam, der kaffee wird kalt, während die sonnenstreifen übers parkett wandern und die gedanken verloren gehen, du weißt, es ist einer von den dreihundert tagen, an denen gar nichts passieren wird, und ganz langsam kommt die musik in deine wahrnehmung, höflich und wohlgestalt wie ein gentleman alter schule, mit ihren geschichten und den alten melodien, und alles hat seine ordnung, wie es ist. der hund gähnt.

suche einen zwilling, der eigentlich vokabeln lernen soll, finde ihn mit hoch erhobenem hammer in der hand auf dem bett des grossen bruders, vollkommen selbstvergessen, wir gucken uns an, wie in zeitlupe fällt der hammer auf den lack des möbels und schlägt tiefe kerben, unaufhaltbar, als wär genau dieser schlag seit urzeiten festgeschrieben.

netzhemd und backenborste, die menschheit ist voller wunder, auch wenn man sie schon kennt. bei bärten ist das ende offen.

 

and again:

du sollst nachts auf abebooks keine bücher kaufen, du sollst nachts auf abebooks keine bücher kaufen, du sollst nachts auf abebooks keine bücher kaufen, auch und besonders dann nicht, wenn es sich um eine signierte numerierte vorzugsausgabe vor der eigentlichen erstausgabe eines weitläufigen und ein bisschen verschrobenen monumentalromans von einem inzwischen nicht nur toten, sondern auch fast vergessenen autoren handelt. im schuber. auch nicht, wenn der dollar grad so steht. undund.

contest

der eine zwilling flucht mittellaut vor sich hin, seine stimme gewinnt langsam an tonlage und rhythmus, er gerät ins singen, 4/4 auf der drei, der andre zwilling, der beschimpfte, singt nach einer weile „halt dein maul, halt dein maul, halt dein maul“, 3/4 auf der eins, über einen quartakkord. der moment, wenn sie beide das ein, zwei minuten lang vor sich hin machen, und es gut klingt: pure magic.

 

rückwege

what a day, versucht, es an den kindern auszulassen, aber deren laune ist unkaputtbar. sie zum einkaufen, lernen und mit dem hund raus geschickt, sie: okay mama. bz über 400, daher! nadel war rausgerutscht. kann ich nix für, leg mich also aufs bett mit whisky und kippe, kriege ärger mit der familie, werfe notfallkippen weg. fange mich wieder, gemerkt, dass mich die kinder manchmal genauso halten wie ich sie, gefreut. zum denken zu gaga, liegengeblieben. ggü fängt jemand mit posaune an, er trifft die töne, nicht in der gewollten reihenfolge, aber man erkennt die gute absicht.

dann moment der klarsicht, als ein kumpel der zwillis anruft, sich zum fussball verabreden will und im nebensatz erzählt, ein kind aus seiner parallelklasse habe sich erhängt, und es fühlt sich falsch an, dass in einem nichtigen zusammenhang zu erwähnen, denn es ist eine unfassbare tragödie. die jungs sagen nichts dazu, fragen sich kurz, ob erhängen wehtut, und bedauern die eltern, dann sind sie wieder abgelenkt, aber das thema will über den tag immer wieder an die oberfläche kommen, beim abendessen sage ich also die üblichen 5 cent zum thema suizid, obwohl mein gehirn immer noch sehr matschig ist und ich lieber gar nicht reden würde. dass der entschluss vielleicht spontan kam, dass der junge vielleicht von vielen blöden sachen so angeschlagen war, dass er dem entschluss nachgegeben hat, dass er den tod eventuell noch nicht begriffen hat, ihn nicht ernst genug genommen hat, aber das niemand das jemals erfahren wird, was wirklich in ihm vorgegangen ist, denn er ist jetzt tot und kommt nicht mehr zurück, der grosse guckt kurz gen himmel, er hat ein feines pathos-sensorium. dann gehe ich aufs eis und sage ihnen, das viele menschen in ihrem leben mal selbstmordgedanken haben können, das solche momente vorbeigehen, dass es notfallnummern gibt im notfall, dass die dinge ein paar tage oder stunden später fast immer anders aussehen werden, dass auch ein bisschen anders schon genügen kann, um es nicht zu tun. das ein spaziergang immer hilft. und sie sollen nachfragen, wenn jemand lange still oder komisch drauf ist oder ihnen sachen schenkt. es gibt immer einen ausweg, und wenn du alleine keinen mehr findest, dann geh zu jemand anderem damit – die art lebenserfahrung, die nicht mal mehr komplizierte sätze benötigt. es geht ja nur darum, dass sie sich innerlich schon mal positioniert haben, darüber nachgedacht haben, damit die situationen, wenn sie denn passieren, nicht nur neuland sind, sondern sie etwas daraus wiedererkennen können.

das viele schlimme vielleicht.

es ist wirklich bitter, sie sind zu jung für solche geschichten, sie müssen nicht alles schon erfahren haben, es ist blöd genug, davon zu wissen. die jungs unterbrechen mich nicht wie sonst bei meinen erziehungsvorträgen, mir scheint, sie sind weniger spöttisch und nicht so cool und unterbrechen mich nicht nur nicht sofort, sondern gar nicht. ich fasse mich kurz, dann reden wir über anderes. der angerufene zwilling bleibt auffällig in meiner nähe und ist stiller als sonst, der grosse hat jetzt mit dem hornby angefangen, long way down, das hatte ich ihm nach seiner begeisterung für das krebs-buch vorgeschlagen, weil da die helden mal überleben. passt perfekt und wirkt sicher besser als meine reden.

kitchensurfing

„du wirst bekocht“ stand in der einladung, und die bitte, einen guten wein mitzubringen. zuhause bei der kekstesterin habe ich mich dann nicht nur über die anderen gäste gefreut, sondern auch auf das sehr, sehr große und dunkelrot-saftige stück entrecôte vom irischen rind, dass da auf ihrem küchenbrett lag, untern den händen eines freundlichen koches, den ich nicht kannte, ein weiterer gast, dachte ich, der das kochen übernehmen würde. gutes fleisch, mit feinen, weißen fettadern, der koch säbelte mit einem großen messer dicke streifen davon ab. hmmm. es sah nach einem richtigen essen aus, eine tüte carnaroli-reis lag auch auf dem tisch, fleisch und risotto = mindestens zwei gänge, das gildet in meinen unverwöhnten kreisen schon als eher ernstgemeintes dinner. mit koch sieben menschen in der wohnung, aber nur 6 plätze am tisch gedeckt? aber ja doch: kitchensurfing heißt das projekt für gastgeber, die sich mit ihren gästen den ganzen abend amüsieren wollen, ohne dafür in ein restaurant zu bitten oder die freunde die ganze zeit neben sich in der küche an der backe zu haben. der koch kommt zu ihnen nach hause, mit zutaten und fehlenden pfannen oder küchengeräten (ich hab zum beispiel nix, um irgendetwas zu flambieren, ich bin aber auch um fonduegeschirr, spargeltöpfe und pfannkuchengeräte herumgekommen, weil ich jahreland immer dieselbe zeitung abonniert habe), er hat einen plan, ein menue und viel spass an dem, was er tut. wir bekamen ein excellentes essen serviert, thomas hat jeden gang kurz erklärt, und ist dann bei einsetzendem aah- und ooh- lauten wieder in der küche verschwunden, um den nächsten gang vorzubereiten. es war so lecker, zwischenzeitlich wollte ich kurz den koch heiraten, aber der ist natürlich an seine küche vergeben.

unser menue, nur um mal einen eindruck zu vermitteln:

Kräuterblattsalat
mit Zuckerschoten, Schluppen und Crostini mit Erbse und Ziegenkäse
Spargel-Limettenrisotto
Geeiste Melonensuppe mit rosa Beeren
Tranchen vom Entrecôte mit grüner Sauce und Pilzmix
Avocado Creme Brûlee

die küche sah danach aus, als wäre zuletzt eine putzfrau dringewesen. sehr, sehr feine idee alles. es gibt menues für viele anlässe (muttertag!)

 

happy endings

your mind has walked into
my kiss as a stranger 
into the streets and colours of a town —

ende vom ersten anfang. bah, denkt man, schade, und glaubt einfach die geschichte, das hilft so beim storifien des eigenen lebens. es werden, beschließe ich grade, lauter schöne geschichten in diesem jahr. jeder mann ist einzigartig, die nähe immer auch geschenk, jede begegnung bleibt ein abenteuer, jeder kuss ist genug für ein lied, jede nacht ein meer an kleinen jetzts (konzentrier dich, baby, schau nochmal hin, mach einen rausch aus all der haut). nicht eine in einer reihe sein, und wenn, war es meine reihe und ich hab sie getanzt – nee, ich weiß schon, lass mal, die kleine naivität mag ich ganz gern, ich finde ja sogar abgeklärtheit unmutig – but well, yes, that was that.

(zitat oben: cummings, aus ähm, schau ich noch nach)

 

kw mai

ausflug am ersten mai ohne ein einziges kind, keins hatte lust, alle woanders, mit freunden, deren kinder auch alle unterwegs sind, das unrenovierte schloß petzow am schwielowsee angeschaut, tief verwunschen, das parkett trüb, die türkisgrüne samttapete am boden, die hoffenster nur angelehnt, eine riesige linde im innenhof, unter der wir alle sitzen werden in 20 jahren, um uns unsere geschichten zu erzählen. fast unbemerkt hat die phase begonnen, in der die kinder eigene wege gehen, wie sich dann das familienbild plötzlich verändert und öffnet zu einem rahmen, der anders zusammenhält. anderes zusammenhält? beides. die jungs genießen es, entscheiden zu können, die grenzen werden neu gesteckt – aufräumen nach wie vor, mitkommen nicht immer, das austesten der grenzen läuft im gespräch und in der diskussion, dabei müssen wir lernen, das überzeugt werden nicht mit aufgeben identisch ist.

(sitzt man dann und salbadert so herum in friedlicher maientrunkenheit, dabei knallen schon wieder die türen, aber es gab diesen moment, in dem alles glatt war, grad eben noch)

heilandkirche

auf einem der pfeiler am eingang zur heilandkirche in sacrow steht zu unserer überraschung das hohelied, 1 cor 13, gut lesbar, der bau ist ja grad mal 170 jahre alt. sich vorstellen, wie ein paar meter von diesem text enfernt 40+ jahre lang die mauer stand, natürlich ist der brief älter als diktaturen und steht fester in der zeit als die moderne, er stört ja auch nicht weiter, aber selbst diese verspielte und romantische kleine kirche in 1a-lage kann ihn nicht kleiner machen, er setzt sich mühelos  in beziehung. … und hätte der liebe nicht, so wäre ich nichts steht da, zeitlos auf eine übersehene weise.

unter blühendem flieder zurück zum auto, der park funktioniert mit seinen wiesen und sichtachsen wunderbar, lammfromm nehmen wir emma an die leine und unterhalten uns über die kirschblüte, die kinder, das leben, als flaneure, spaziergänger mit allem im rücken, das biedere als entspannung. it works. wir werden alle älter.

new songs

laura marling entdeckt. die stücke eigentlich zu ruhig für den kraftvollen frühling grad, aber sie hat es, ich weiss nicht was, etwas leichtfüßiges in ihren linien, einen tick sexy heiserkeit in den tiefen stellen, so souverän wie leise. wenn man ihr eine zeitlang zuhört, klingt alles, wovon sie singt, wie zum ersten mal auf der welt, wie gerade erst entdeckt, trotz hammondorgel. ein kritiker sagte zum titel ihrer cd „Once I Was an Eagle“: „… and maybe she still is“ – vielleicht sollte sie noch ein bisschen wütender werden. „once is enough to brake you“, singt sie, texte von mittzwanzigerinnen, man will lachen und ihr sagen: nicht doch, tod oder krankheit brechen dich, vielleicht noch armut, alles andere ist bewohnbar. was soll man schon tun? nicht zurückschauen, nicht zählen, die metaphern zurücklassen, es sind nur ein paar nerven mit geschichten im system, die kannst du vergessen wie eine nicht gesprochene sprache, das wären so meine lyrics. aber sie ist gut und macht neugierig, also die einzelnen stücke mehr als alle hintereinander weg.

 

sachen, die verschwinden

das spurlose verschwinden von dingen, als ob ihre existenz beendet wurde, kein molekül bleibt übrig, erinnerung nur ans objekt, nicht an eine verbindung zwischen dem gegenstand und einem ort oder einer zeit. weg. die verunsicherung, wenn ich mich einfach nicht erinnern kann, aber so ein phantomgefühl dafür habe, als ob ich das loch im gedächtnis spüren kann, ohne zugriffmöglichkeit. bei anderen dingen ist einfach nichts da, keine verankerung im gehirn. für immer weg sind die sachen nur, wenn selbst ein ausgesetzter finderlohn keinen erfolg bringt. bleibt ein merkwürdiges, befremdliches geheimnis mit kleiner unsicherheit über die konsistenz von materie. der gedanke an stille diebe, ob es einen kleptomanischen minizweig auch in gesunden persönlichkeiten gibt, in einem verborgenen winkel? hat vielleicht eins der kinder einen ort tief unterm bett, wo diese schätze lagern? oder mein hund? wer weiß, das unerklärliche daran nervt am meisten, dann lieber schräge geschichten. vielleicht können gefühle auch so, von einer sekunde auf die andere? (buch, uhr, ring in den letzten paar wochen)

kaltstart?

menschen in beziehungen, darf ich um eure geschichten bitten?

wann habt ihr euch verliebt? eher in den ersten minuten oder sekunden, oder erst im laufe des kennenlernens? ist es  nach der ersten nacht passiert oder in den wochen danach? war es von anfang an anders zwischen euch, oder ist das andere langsam lauter geworden wie so ein basso continuo, den man erstmal nicht wahrnimmt und dann in jedem atemzug spüren kann? erinnert ihr den moment noch, in dem sich das gewisse etwas zwischen euch gezeigt hat und ans licht kommen wollte, und was war es davor?

ich frage aus neugierde, bei mir war es bisher fast immer sofort, manchmal sogar auf den ersten blick. auf der einen seite ist mir da das risiko zu hoch inzwischen, ich bin deutlich broken hearted, auf der anderen ist es zuwenig planbar, es passiert viel zu selten oder beim falschen. bei meiner suche begegenen mir bislang erstaunlich viele okaye bis tolle männer, kluge, freundliche typen, die mitten im leben stehen. vielleicht ginge es ja auch erstmal ohne große gefühle? und ohne diesen besonderen funken, der die dinge zum leuchten bringt – hmm. wüsste ich gerne.

(abt. luxussorgen)