Unbenannt

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morgens lege ich die zarte halskette um, die mir die liebe freundin zum geburtstag geschenkt hat und nehme mir vor, sie bald mal wieder anzurufen. ein paar stunden später ruft sie an und fragt nach der neuen telefonnummer von astrid, die vor jahren nach hamburg gezogen ist. ich schicke den beiden astrids, die mein mailprogramm kennt, eine nachricht. eine ist die schwester eines anderen guten freundes, stellt sich raus, die andere antwortet auch sofort und erzählt, sie sei heute auf mein blog geraten (ein freundlicher mensch hatte mich bei twitter verlinkt), habe mich im impressum erkannt und wollte sich eh wieder melden. zufall und absicht fein verwoben, sehr elegante verknüpfungen, fein wie das halskettchen. nach dem sport dann noch einen rotwein angeboten bekommen von meinen nachbarn, während unsere hunde miteinander spielen, und eine zigarette drehen können, beim reden darüber, was die welt zusammenhält.

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the affair

the affair, auf amazon prime. nur so zum abhaken mal reingesehen, hängengeblieben, teils wegen dem hunk-faktor von dominic west, der hat so einen archetypisch kräftigen männerkörper, und man darf ihn sehr oft unangezogen sehen, aber vor allem wegen der überraschenden spannung. das es eine affäre geben wird, verrät schon der titel, auch die protagonisten sind schnell klar, aber die affäre bleibt sehr eindeutig vermeidbar, in jedem einzelnen kleinen schritt haben sich mann und frau dazu entschlossen, die grenzen eine nach der anderen zu überschreiten. beide figuren reden später davon, dass es einfach so passiert ist, aber in der serie kann man schön beobachten, wie viele entscheidungen tatsächlich fallen müssen, bis zwei im bett landen.

richtig aufregend ist die idee, alles aus zwei perspektiven zu erzählen, ihrer und seiner. wir sehen zwei geschichten, die oft nur den rahmen gemeinsam haben, in schwerpunkt und dramaturgie vollkommen verschieden funktionieren, die figuren entwickeln sich also im je eigenen rhythmus, weil da ja auch zwei biographien miteinander verwoben werden. erinnert sehr an meine eigene scheidung, wo mein erleben oft nix mit dem des exmannes zu tun hatte. hier werden beide versionen gleichberechtigt nacheinander erzählt, das macht die erzählung sehr dicht und authentisch.

ich mochte auch die intensität, die fassunglosigkeit der beiden liebenden, wenn sie sich dann wirklich mal begegnen in der annäherung, großartigst geschauspielert, wie die beiden sich in der folge aus all ihren zusammenhängen reißen lassen, fast wie auf autopilot, und schon ein bisschen murphys law. er sucht sex, auch weil 'nur sex' nicht seinen ganzen lebensentwurf bedroht, sie sucht im sex sich selber, weil sie nach einem schicksalsschlag nur mit dem körper noch fühlen kann, beide verfehlen sich grandios in ihren bedürfnissen und merken das natürlich nicht. schön, wie diese art deal funktioniert, solang sie einfach anarchisch liebe machen, klug geschrieben und gespielt, wie sie in der zweiten staffel vom alltag einholt werden. sehr tolle serie über, ja was? über die ehe, glaube ich. die struktur der nähe, den gesellschaftlichen umgang damit. gibt auch mord und totschlag, drogen und all sowas, viele sexszenen, auf die ich am ende keine lust mehr hatte, spielt im großartigen montauk, wo ich auch gern mal einen liebhaber hätte. wärmst empfohlen.

 

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entlieben, mäandernd

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frau fragmente hat einen sehr schönen text übers entlieben geschrieben, und da fühle ich mich irgendwie auch als profi, hab ich mich doch genauso oft ent- wie verliebt, ungefähr alle zwei bis drei jahre.

erlebe mich nach dem entlieben nicht wie ein neues selbst, eher wie in einer vorübergehenden verhärtung des jetzigen, weil ich die gefühle ein paar monate lang intensiv verdrängen und nicht zulassen darf, ich muss sie richtig austreten wie einen funken, es sind ja immer großartige und strahlend sichere gefühle, ein mächtiges ist so. nach der trauer kann ich dann wieder aufmachen und bin mir wieder näher.

fragmente schreibt: „Die Hoffnung ist die zerstörerischte Kraft überhaupt“, das ist ein bitterer satz, aber der moment der klarheit kommt leichter und schneller mit den jahren, man erkennt das alte im neuen und kann schneller darauf reagieren, obwohl, manchmal wünsche ich mir einen modus, der das kämpfen ermöglicht, gegen die erfahrung und das offensichtliche, alles setzen, nicht nur leise für sich, sondern offen und für den anderen, tun, was man kann, weil jede liebe schutz verdient? wäre das freiheit oder masochismus? da bin ich mir auch noch nicht so sicher, praktiziere aber den kontaktabbruch, als sichersten weg. wir waren ja auch beim entlieben, das beginnt erst am ende der strategien.

ich erinnere es als wirkliche arbeit, erleichtert durch das bei fragmente erwähnte abflauen des oxytocins (wenn es nur oxytocin ist, war es keine liebe),  die entmutigung, wenn mal wieder klar ist, dass es nix wird, weil man ja eine body&soul-sicherheit („ja. alles.“) wegdenken muss, die so real ist wie der tag, besonders in der endorphinösen phase, über die ich leider nie hinausgekommen bin in den letzten 12 jahren. immer als kalten entzug erlebt, mit der liebe geht ja auch die intensität der wahrnehmung, dieser unverschließbare zugang zur welt. den abschied von vornerein als unvermeidbaren und ebenso vergänglichen teil des abenteuers begriffen.

es gibt schönere bilder für die liebe, sie drängen selbst in einen versuch übers entlieben. love is.

es gehört dazu, wenn es mich mal wieder erwischt, plane ich das entlieben im kräftehaushalt von anfang an mit ein, wird es gehen, hast du genug ressourcen, geht das noch einmal? lohnt die liebe das erwachen, ist es das wert? hast du zeit dafür grade? es ist ein zu erwartender preis, den man für ein paar tolle wochen oder monate zahlen wird, ich möchte heute keine meiner lieben missen (gut: fast keine), ich erinnere die magie und nicht den kummer danach. die praxis verhilft einem zu einem zustand, der erst nach dem dritten oder vierten korb möglich wird: entspannte freiheit im und von dem mangel, er wird zum blinden fleck, mit dem ein gutes leben möglich ist. darauf kann man sich verlassen auch im entlieben, es gibt andere dinge, kinder, freunde, bücher, arbeit. musik.

und die so bezaubernde wie nagende erkenntnis, dass jede liebe bleibt, einen fußabdruck hinterlässt, den man auch nach jahren noch wiedererkennt. mein pathostroll dazu: dein zertrampeltes herz!

wäre neugierig darauf, wie es sich das selbstfahrende entlieben anfühlt, ohne ein nein als auslöser, in einer langjährigen beziehung, als normalen prozess ohne trennung. ich stelle es mir wie ein verebben auf normalnull vor. ändert sich so eine liebe nicht sowieso alle paar jahre (oder jahrzehnte, how should i know), und man muss seine neue form im alltag erkennen, würdigen und feiern, als bewussten erkenntnisprozeß? bei dem dann die gefühle magischerweise auch ohne rausch überleben, in anderer form.

also yeah, wie immer: still not saved. won’t happen.

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and if you listen very hard

wir sassen zu viert oder fünft im dunkeln, natürlich um ein feuer, es war zwischen zehn und elf uhr abends, es gab damals in den achtzigern keinen hinweis darauf, wie schwer es einmal sein würde, die einzigartigkeit solcher abende über die nächsten dreissig jahre zu retten. mit der liebe geht das leichter, bei den guten geschichten bleibt das besondere im zentrum der erinnerung, der moment dieses einen kusses, die sekunden davor und danach, nicht die dutzend clichees und tausend filme und die milliarden anderen küsse auf der welt (es gibt natürlich keine milliarden lagerfeuer mit teenies drumrum, sollte es aber.) guido hatte damals wie immer die gitarre, musik flog ihm zu, er spielte auch noch klavier und querflöte (jethro tull), schrieb lieder und war vollkommen zuhause, wenn er spielte. wir hatten kastanien im feuer, es war also schon herbst, redeten, rauchten, sangen oder schwiegen und machten witze. das alter, wo man noch aufgehoben im moment ist, in den minuten vor und nach dem jetzt, mit allen sinnen die blicke spürt, die nacht, die fragen, die hoffnung, ob da nicht etwas möglich sein könnte bei dem einen ihm, der dabei war, ausnahmsweise, weil er sonst mit einer anderen clique unterwegs war, und wie zum teufel ich es schaffen könnte, näher an ihm dran zu sitzen, während das feuer langsam runterbrannte, und guido immer weiter spielte. dann kam eins der stücke, von denen ich jede strophe kannte, ich hab lauter gesungen, weil er auf der anderen seite sass, die anderen wurden still, und plötzlich singt man alleine, sicher und ohne jeden sicherheitsabstand zu den eigenen gefühlen stairway to heaven, alles gelingt dabei, der song wurde dafür geschrieben. (er hat mich an dem abend nach hause gefahren und ist mitgekommen. magic night.)

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narcos

endlich mal eine serie nicht als letzte gesehen, sondern am zweiten tag, an dem eigentlich auspacken und ankommen angesagt waren, aber drei wochen mit kaum internet haben zu entzugserscheinungen geführt. einmal angefangen, war aufhören keine option mehr, narcos ist gut geschrieben, lakonisch erzählt, mit sehr trockenem humor, ich mochte auch die stimme des erzählers sehr gern, ein schauspieler, der gestern noch nicht mal eine richtige wikipediaseite hatte. taufrisch allet! kolumbien und sein drogenkosmos waren für mich immer eins der themen, die zu grausam und hoffnungslos zum nachlesen waren, ich habe also eher aus generischem bildungsbedarf reingeschaut und hätte die serie bei den ersten gewaltexzessen sofort wieder verlasssen, aber dann kam eben der erzähler mit seiner stimme, und dem eher englischen erzählstil, souverän aus dem off, der weder nach sozialstudie noch nach geschichtsbuch klingt, sondern eher wie eine art big lebowski als bulle —, nee, mir fällt da hoffentlich noch was besseres ein. narcos zeigt ganz nebenbei auch die vorgeschichte des kokainhandels, die vielen beziehungen zwischen geld, macht und politik werden vollkommen mühelos und gut sortiert miterzählt. sehr gut gemacht, unbedingte empfehlung, und das sage ich, ein ausgesprochener antigewalthase.

 

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pssst

wenn ich ein bisschen flirte, dann meine ich das genau so, nichts halbes und nicht ganzes,  als spiel und als kompliment, und wenn ihr das bemerkt, nehmt es einfach als lebenszeichen, es macht spass, all den kram nur anzudeuten, der sonst mit viel aufwand gelebt werden muss, ein kleiner kick sexiness, ein erinnerung an das, was ihr euch wünscht, also jetzt nicht mal von mir. ein lüften der ollen decke über all dem, was fließt und atmet und sich mitteilen will, weil es geht.

(in italien aufgewachsen bin ich. dort ist es unhöflich, gar nicht zu flirten, und deutschland macht mich echt fertig mit all seiner funktionalen angst vor missverständnissen. ein kleines ich seh dich ganz, and I like it, und ich will dich nicht heiraten.)

(das leben als single)

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dazwischen

bin bisschen gespalten in den bedürfnissen, einerseits versucht, mir für die zeit schnell noch eine geschichte an land zu ziehen, klar fehlt da was, aber es fällt keiner auf in der masse der gesichter und profile, wie ein wort, das man zu oft sagt. die alternative nur-körper ist dann doch, ich weiß nicht, einfach weit weg von dem, was ich bin, und das gerede in den kneipen mit den freunden ist genau das, ein warmes/lautes hohoho in die nacht. außerdem muss ich lachen, wenn mir jemand von seinem penis vorschwärmt, echt, penis? gut, wenn einer dran ist, wenn es ein mann ist, okay. ich sehe die männer, wie sie solche mails schreiben und den langen schlingerpfad, fluchtpunkt p, den sie hinter sich haben, über berg und tal. wozu haben wir eher ganzheitlichen den langen weg der sozialisation hinter uns gebracht, dabei bedürfnisse verbunden, beim sex das resthirn erschlossen? gern etwas zwischen plüsch und dem hier, zwischen nur geist und nur körper. not?

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passagen 2 und 3

es freut die kinder sehr, bei einem großen fest im mittelpunkt zu stehen, well naturally freut es sie, wen nicht? vielleicht bringt die konfirmation nur ans licht, wie sehr die kinder im mittelpunkt der elternleben stehen, wo ich als mutter in meiner lage oft nicht soviel zeit für sie habe, wo vieles eben einfach nicht geht, gleichzeitig wird der schritt ins neue leben gefeiert, der übergang ins eigene, in den mittelpunkt ihres eigenen lebens, die religion nur als anlassgeber, obwohl ihnen das auch thema war, in kindlicher gleichberechtigung neben den geschenken und dem trara. bin mir nicht ganz sicher. ich mag den gedanken eines rite de passage sehr gern, es ist aber eigentlich nur die passage in einen ersten anzug, sie müssen dazu regelmäßig in die kirche und in den konfiunterricht gehen, was bei der hohen qualität der jugendarbeit hier in der gemeinde überhaupt kein opfer für sie ist. vielleicht fehlt mir das ein bisschen, ein vorgang, der zur selbsterkenntnis führt, ein echter schritt, der arbeit und konzentration erfordert. das ist aber nu auch nicht aufgabe der kirchen, bei denen die selbstverantwortung zumindest in den 10 geboten kaum eine rolle spielt. aber nee, es ist schon schön, dass die kirche die jugendlichen feiert! es macht sonst ja keiner. bar/bat mizwa für alle. in der schule bleibt das einzelnen lehrern und dem zufall überlassen. die jugendweihe, in berlin sehr verbreitet, bietet nur party und ein paar kurse.

schöne predigt gehört, der pfarrer hat sie um den film boyhood herum aufgebaut, das größerwerden, die beziehungen, viel lieber würde ich „texte“ schreiben, merke ich, weil die predigt auch ohne den kirchlichen rahmen funktionieren würde, der mich dabei nicht so sehr berührt, anders als die gedanken und bilder, die weiterführen und etwas öffnen. der pfarrer mäandert ein bisschen um seine themen herum, ist souverän und freundlich, genau im gleichgewicht zwischen dem ritus und dem leben, er kann das sehr gut, wie an einem küchentisch bei einem glas wein, wenn etwas unbedingt gesagt werden will, authentisch und heartfelt. es war die letzte predigt dieses menschen, zumindest vor seiner gemeinde, er ist bereits pensioniert, die jungs hatten glück.

für die auswahl der bibelsprüche haben offensichtlich alle google bemüht, und auf denselben paar seiten gesucht, alles vielfach vorhanden. es muss mehr gute sätze in der bibel geben, not? furchtlosigkeit und liebe hatten meine beiden, wie viele andere auch.

wie der glauben besser funktioniert als das internet, und schon so lange, weil es ein geschlossener kreis ist, ohne leerstelle für kommentare, gefällt mirs und pageviews. glauben als sich selbst bestätigendes system, ich glaube, und der glaube macht mich sicher, ich mag die eleganz und askese dahinter, das uneitle, wobei das aufgehobensein in einer gruppe beim gottesdienst zb auch etwas gibt. ob es mehr ein wissen ist für die, die vom glauben leben?

je älter ich werde, desto weniger behagt mir das männliche am gott, auch weil in meinem ganzen umfeld die frauen diejenigen sind, die das praktische, nicht symbolische leben gestalten, egal, ob sie berufstätig sind oder nicht. wie hier frau wildgans erzählt, dass überwiegend frauen dableiben bei pflegebedarf, während die männer verschwinden. lieber mit den frauen der bibel reden, ein pläuschchen mit gott stelle ich mir inhaltlich eher diachron und formal eher monologisch vor, ein mansplainer, die heerscharen, die siege und strafen, die geschichte, der einzelne nur als beispiel. einfache bilder, aus denen die unterwerfung nicht wegzudenken ist, oder nur dann, wenn der glaube als ganz und gar freiwillig verstanden wird, als anerkennung eines grösseren anderen.

na, das hohelied ist ja auch noch da, zum glück.

mal wieder in den schönen und vielseitigen (und einen tick zu verspielten) band von otto kallscheuer hineinlesen, die wissenschaft vom lieben gott, eichborn 2006: nee, der hat natürlich auch keine passenden zitate. zu pfingsten, steht da, „im Gründungsereignis der christlichen Mission, wurde der Endkampf um die feste Burg Zion ersetzt durch die Geburt eines neuen Mediums: des heiligen Geistes globaler Kommunikation.“(s. 468); „Der Endkampf zwischen Gut und Böse hat sich ins Herz jedes Einzelnen verlagert, ist in jeder Sprache kommunizierbar geworden“ (s. 471)

endkampf? wieder so ein albernes männerwort. es endet ja nie, solange man lebt.

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die surrealisten von hinten

 

wie man in einem moment der schwäche die nicht aufgehängten surrealisten hervorkramt und mal nach preisen guckt, wenn nach einer um etliche hundert euro teureren renovierung auch noch der geschirrspüler den geist aufgibt, wie immer unmittelbar vor einer feier mit >30 gästen, und die fenster sind auch schon sehr, sehr überfällig. rechts ein E/A, der andere auch vor der auflage – zu schade, oder?

ich kannte ja den drucker, also so, dass er mich auch kannte, meine ich, mein vater war mit der frau des druckers seit ganz früher befreundet, die uns damals in einem korb unseren ersten hund ins haus brachte, der würde morgen eingeschläfert, nein, sie würde ihn nachher wieder abholen, ob wir kurz aufpassen könnten? ein cockerspaniel, 18 jahre alt geworden.

so richtig warm werde ich mit lam nicht mehr, trotzdem tut man sowas nicht, nicht bei arbeiten, mit denen man ein bisschen familiär verwachsen ist, die für vielleicht ein paar tausend über den tisch gehen würden, wenn sich denn ein käufer findet, noch in meinem rahmen bleiben irgendwie, privatwirtschaftlich sinnlos wird das behalten ja bloss, wenn der wert deutlich größer ist als das eigene vermögen. ich kann sie ja erstmal aufhängen.

 

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eins null

twoday

10 jahre hotelmama, wer hätte das gedacht. vielen dank fürs lesen und kommentieren und verlinken, für die freundschaft und für die drinks!

ein paar gute texte sind dabei, vielleicht kommen auch noch ein paar, ich bleib dran und mache einfach immer weiter. bloggen ist die perfekte form der öffentlicheit für solche wie mich.

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testudo

testudo

da ist einer auf dem land aufgewachsen, ist mit der schule fertig und überlegt sich, was er machen möchte in seinem leben. anfang der sechzigerjahre, da war die stimmung vielleicht konservativer, aber die berufe fanden ähnlich wie heute zu den menschen, über neigung und gelegenheit, wenn eine leidenschaft da war, über pragmatismus oder tradition, wenn nicht, das hoffe ich jedenfalls. h.h. pfannkuche hat sich zum geigenbauer ausbilden lassen, ich denke, dass für so einen berufsweg immer eine gewisse eigenständigkeit nötig ist, neben der musik in kopf und hand, die musik der sechziger war wohl auch ein grund. vielleicht gab es in der gegend einen meister, oder er ist in die nächst größere stadt gezogen, eher eine lehre als ein studium, mehr handwerk als akademie. seine ersten selbstgebauten gitarren hatten einen aufkleber drin, einen firmennamen in schönem schildkrötenlogo, testudo, so wurden früher mal lauten genannt, es steht: „fecit h.h. pfannkuche“ drauf, signiert mit kaum leserlicher schreibschrift, aus dem latein spricht stolz und selbstbewusstsein, aber vielleicht waren solche formeln in der zunft einfach üblich. er hat sie nicht nur für die gegenwart gebaut, sondern sich als teil einer tradition gesehen.

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wieviele er gebaut hat, kann ich nicht herausfinden, da muss man sich gut auskennen in der szene, es gibt eine junge römische e-gitarrenfirma mit dem namen und ähnlichem logo, von der alten ist wohl nichts geblieben außer einer handvoll alter gitarren, aber ich weiß ja, das netz zeigt alles erst seit den neunzigern, frühestens. der mann ist wohl nicht bei seinem beruf geblieben, sondern hat ein geschäft für antikes aufgemacht, in einer kleinen stadt auf dem land, „antiquitäten und geigenbau“ steht im adressbuch, und eine telefonnummer, vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen, oder der markt war nicht so gut, und der geigenbau ist inzwischen nur ein stern in seiner krone, das „nur“ jetzt mal ohne neigungswinkel gemeint. 50 jahre sind ja zeit genug, selbst für mehrere lange berufswege.

die konzertgitarre bei ebay sieht schön und bisschen mitgenommen aus, mit herringbone-rand, vorne und hinten!

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palisander und fichte, ob massiv oder nicht, kann ich nicht erkennen, es ist bestimmt die frühe arbeit eines berufsanfängers, breitmaseriges preiswertes holz, aber echt. der lack vorne ist voller feinster sprunglinien, das griffbrett glatt, es wurde wohl nicht sehr intensiv bespielt.

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soll ich ihn anrufen und nach seinem lebenslauf fragen? grosse versuchung. er muss um die siebzig mindestens sein, wenn er in den sechzigern schon gitarren gebaut hat. ob es ihn freut oder belästigt? alte männer reden ja eigentlich ganz gern über die lieben ihrer jugend.

 

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io sto con la sposa

ich gehöre zur braut ist ein in italien entstandener dokumentarfilm über eine reise quer durch europa. einer von vier regisseuren ist heute dabei, gabriele del grande. del grande ist außerdem noch schriftsteller, journalist und blogger, er erzählt, wie er mit einem freund am bahnhof einen kaffee getrunken hat und von einem mann gefragt wurde, auf welchem gleis denn der zug nach schweden abfahren würde. der mann hatte das große bootsunglück auf dem mittelmeer überlebt und wollte weiterziehen nach schweden, in ein land mit großzügigerer flüchtlingshilfe als italien. del grande, der selber schon für reportagen nach syrien gereist ist, hat dann mit freunden darüber nachgedacht, wie man denn jemanden ohne papiere nach schweden bringen könnte, verkleidet als japanische touristen vielleicht, mit sonnenbrillen und kameras? dann kam ihnen die idee mit der hochzeitsreise, mit ein paar freunden zusammen haben sie das abenteuer organisiert und sind einfach losgefahren, eine kamera an bord, vier tage lang bis nach malmö, schweden, die italienisch/französische grenze die anstrengendste, da sind sie über einen steilen bergpfad zu fuß bei ventimiglia über die berge, die braut im hochzeitskleid. den rest der strecke mit vier autos in einer hochzeitskolonne, weisse blumen an den antennen.

nach der reise waren die regisseure wieder in mailand und haben ihren film ein paar firmen vorgestellt, auf der suche nach einem produzenten, dem fernsehen und so, aber niemand hatte interesse, die türen blieben allesamt zu. also versuchten sie ihr glück auf indiegogo, ohne erfahrungen im crowdfunding, und hatten einen riesigen erfolg, wahrscheinlich, so del grande im gespräch nach dem film, weil es so etwas konkretes war, anders als die vielen petitionen immer. der film ist für die filmfestspiele in venedig fertig geworden und dort außerhalb des wettbewerbs gelaufen, cannes wollte nicht, sagt der regisseur, seitdem ist er auf tournee, war schon in vielen eurpäischen, aber auch arabischen ländern. es ist eine sehr schöne geschichte, weil sie vollkommen unprätentiös und ohne ein einziges politisches nebengleis von den menschen erzählt, die da unterwegs sind, und weil dieser streich dem eiskalten bürokratismus ein schnippchen schlägt, mit einem lächeln und einem brautpaar. ein kind ist auch dabei, ein junger begabter rapper aus syrien, der mit seinem vater auf der flucht ist, die braut stammt auch aus syrien, mit deutschem reisepass, sie ist als schmugglerin dabei, bis zu fünf menschen darf man nämlich schmuggeln, ab dann erhöht sich das strafmass gewaltig, so erzählt der regisseur nachher, und auch, dass schmuggeln eben die einzige möglichkeit ist, wenn alle anderen wege verschlossen sind. del grande ist freundlich auf eine art, dass man ihm sofort hausschlüssel und kinder anvertrauen würde, dabei sehr klar und geradeaus in seinem handeln, das mögen die leute so, er tut einfach, was er kann. ein wunder. jemand fragt ihn, was wir denn machen können, so als normalos, er sagt: reisen, viel herumreisen, die ignoranz sei der hauptgrund für rassismus, und einfach auf augenhöhe sein mit den menschen, türen aufmachen, leute auch mal aufnehmen.

 

 

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all in one

diese besonderen männer, denen man so begegenet im laufe eines lebens, alle in anderen geschichten verankert, vielleicht sind wir mit ihnen zusammen in einem der parallelen universen, herz an herz, wir wissen nichts davon, aber erkennen sie trotzdem, mit jeder zelle.

die gefährlichen geschichten, die ich mir vorstelle, weil die lust darauf so gut und sicher hinter schloss und riegel steckt.

was will ich? nichts, darling.

es wäre eine enttäuschung, wenn es nicht viele universen, sondern nur unbegrenzte dimensionen in diesem einen gäbe, ohne ausweg.

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byebye ________

seitdem mir einmal vor vielen jahren bei einer schweren unterzuckerung der gesamte bach verloren gegangen ist (passenderweise hörte ich damals tagaus, tagein das musikalische opfer, es hat jahre gedauert, bei bach kopf und herz wieder zusammen zu bringen, etwas zu fühlen, die juvenile identifikatorische intensität ist nicht wieder gekommen, die verschwindet aber bestimmt sowieso mit einem gewissen alter, not?), vertiefe ich mich jetzt bei hypos immer in unfruchtbare gedankengänge, ängste, hindernisse,  mache die musik aus, lege buch und gitarre weg, bis der blutzucker wieder oben ist. internet lass ich an, das wär ich ja ganz gern mal los.

hirn und hypo, einer der spannenden nebenbeieffekte, zu denen es niemals studien geben wird.

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