12. juni 2022

ich würde so als wirklich rundum funktionierenden eskapismus gerne eine serie gucken, in der die usa vom waffenwahn geheilt werden. die nra wird dort entmachtet, die leute geben ihre waffen ab, es werden keine kinder mehr erschossen. gerne als politshow, gerne west wing- oder borgen-qualität. als prequel oder prolog die umstrukturierung der wahlfinanzierung nach europäischem modell, mit einem neben- oder hauptplot, in dem es um den umgang mit den sozialen medien geht, mit der radikalen rechten. die schulbildung wird besser, der frauenverachtende religiöse wahn wird wieder marginalisiert, bah, es müssten an sovielen stellen veränderungen stattfinden, das gibt 20 staffeln mindestens. da wäre eine zeitreise zur unabhängigkeitserklärung einfacher. eine version der usa, in der james madison seiner regierung vertraut und den bürgern kein recht auf waffen in die verfassung schreibt.

durch die stadt geradelt, nach moabit, zu den uferhallen. wie es im wedding keine radwege gibt, sofort flashbacks an die berliner sommer der achtziger, als ich durch leere strassen in kreuzberg geradelt bin, die bunte vielfalt und das helle licht aufgesogen habe, mal hierhin, mal dorthin, mal ein kaffee irgendwo. wie sich diese touren ewig angefühlt haben, zeitlos. die strassen waren natürlich sehr voll diesmal, also wie früher hindurchschlängeln, als gäbs kein morgen. der verkehr war so laut, ich hab mein sirrendes vorderrad nicht mehr gehört, irgendwas schleift da. ich weiß im ernst nicht mehr, wie man eine fahrradkette auswechselt, dabei ist auch das dringend nötig.

offene ateliers in den uferhallen. viele viele künstler*innen arbeiten dort, unter anderem auch mein freund hansjörg schneider, von dem ich eine schöne arbeit im wohnzimmer hängen habe, eine große qualle. er macht jetzt ganz wunderbare papierskulpturen, die eigentlich weggehen sollten wie warme semmeln, aber die leute kaufen in kriegszeiten vielleicht nur die wirklich berühmten künstler*innen. ein großes bild von peter böhnisch hat mich, hat uns beeindruckt. es geht über die ganze länge des ateliers. er weiß noch nicht, ob es fertig ist, sagt der künstler, ich mag gerade das lebendige, vibrierende daran, die offenen grenzen, das unfertige als teil des konzepts. und das blau natürlich.

peter böhnisch

ich mochte auch die arbeiten von rainer neumeier, denen man ihre tiefe erst auf den zweiten blick ansieht. mesmerizing, und schön altmodisch mit farben, klingen, sieben und anderen materialien erst aufgebaut und dann wieder ins zweidimensionale zurückgebracht, wie kleine welten. oder hat so ein analoger weg einen schwierigen stand im zeitalter digitaler bildbearbeitung? ich mag ja den handwerklichen aspekt bei bildern.

noch ein paar andere funktionierende arbeiten, aber auch viel wilde persönlichkeitskunst gesehen, da müsste man den/die künstler*in dann gleich mit ins haus holen.

die uferhallen sind bedroht durch ein bebauungsprojekt, sie wollen ein elf stockwerke hohes haus reinstellen, mit platz für 800 menschen, die künstler sollen in der mitte des grundstücks in so einer alten fabrikhalle ateliers bekommen, wie bienen im stock, das weitläufige, freie und wilde des orts wird verloren gehen. man kann noch protestieren dagegen, hier ist der link. denkt an ford prefect! irgendwann ist alles schöne weg.

13. mai 2022

letzter tag meiner ersten frühdienstwoche. ich komme immer nur 5 minuten zu spät und muss dann eben schneller aufschließen, wecker klingelt früh genug für einen kaffee im bett, es ist ja schon hell und also machbar. hab mich über den frühen feierabend gefreut, ihn aber gar nicht richtig nutzen können, weil ich ziemlich ko war. abends um 21 uhr sind die tage dann vorbei. ich kann die frühdienste auch tauschen, sie sind relativ beliebt, bin noch unentschlossen.

gestern nachmittag dann noch emmas asche abgeholt. die streubox ist etwa so groß wie diese 1l-trinkflaschen, die es grad überall gibt. das tierkrematorium ist ein paar kilometer vor berlin, in einer schleife aus abfahrten und auffahrten auf die a10, ein relativ eleganter kleiner neubau mit dem schornstein, den ich nicht ansehen mag. das gebäude ist autobahnumtost. innen viel glas, beton, schwarzweißdrucke von steinen, eine freitreppe, es sieht aus, als hätte es preise gewinnen können. an einem tisch im empfangsraum sitzt ein paar und spricht mit einem mitarbeiter, der dann mit einem kleinem hundekorb weggeht, das tier darin in eine decke gewickelt. es gibt eine auffällig schön gestaltete kleine wiese neben dem gebäude, mit einem teich, schilfgras, blumen, erst auf dem heimweg fällt mir ein, dass das wohl die blumenwiese ist, wo man die asche seines tieres verstreuen (lassen) kann. der mitarbeiter sagt mir, nach dem bezahlen, ich solle ihm folgen, ich wundere mich, dass er mir die box nicht einfach über den tresen reicht, aber durch einen gang kommen wir in einen kleinen raum, wo die box auf einem tischchen steht, mit einer brennenden kerze und einer schmuckkarte. daneben ist ein sofa, ich kann da bleiben, „solange wie sie es brauchen, rufen sie mich dann einfach“. ich danke und sage, ich würde sowieso schon heulen, ich würde jetzt lieber gehen. ich bekomme die eingewickelte box in einer kleinen tragetasche mit. ich hab das krematorium eigentlich nur ausgewählt, weil es das preiswerteste war, aber die freundlichkeit und der respekt der mitarbeiter vor der trauer der tierbesitzer ist wirklich wohltuend. überall standen boxen mit taschentüchern. es hätte sogar die möglichkeit gegeben, vor der kremierung in einem raum von ihr abschied zu nehmen, aber das hab ich ja schon in der klinik gemacht. ich habe mich (natürlich) für eine einzeleinäscherung entschieden, es ist ein vertrauensvorschuss, wenn man nicht dabei ist, aber das gehört zum gehenlassen, denke ich. ich bekomme als sicherheit einen stein mit einer nummer, der liegt mit in der box, habe das prinzip aber nicht verstanden. es kostet 318 euro, soviel in etwa habe ich damals bei jack auch bezahlt. ich denke darüber nach, ob das heizkosten sind, oder gebühren, oder ob das eben der preis ist, den so etwas kostet. es ist ein drittel teurer als die einäscherung eines menschen.

ich wollte die asche eigentlich auf einer wiese im umfeld verstreuen, aber eins der kinder wünscht sich die ostsee, damit sie wirklich frei sein kann und nicht im abwasser berlins landet. ich wundere mich die ganze zeit darüber, wie wenig zugriff mein verstand auf die trauer hat, wie viel anwesenheit emma noch in meinem kopf hat, wie schwer mein bewusstsein seele und körper des hundes voneinander trennen kann, ein hund kommuniziert ja mit dem ganzen körper, alles an ihm ist irgendwie sprache, ok nee, aber doch beziehung und kommunikation. mein kopf denkt sie noch dauernd mit, die beziehung läuft halt ins leere, füllt vielleicht jetzt meinen umgang mit der asche, weil es ja sonst keinen ort mehr für sie gibt.

auf der rückfahrt vom krematorium gleich noch das auto gewaschen und die meisten hundehaare rausgesaugt.

eine liebe freundin, die seit einiger zeit sterbeamme ist, hat von einer aus den staaten kommenden art der kompostierung gesprochen. der körper wird mit einer art kompost-trigger innerhalb von vier wochen zu guter erde (es gibt dabei auch methoden, die sich eher brutal und bisschen mafiaesk lesen, sehr gruselig), anders als, wie sie es beschrieb, die särge im berliner lehmboden, die ewig lang dort liegen, ohne dass sie wieder zu dem staub werden können, aus dem wir alle sind, mensch und tier.

(ich habe über die lebendige emma weniger geschrieben als über die tote. fühlt sich doof an, aber ich muss halt wohin damit. sie war in den letzten 10 jahren meistens dabei, bis auf die stunden im job, seit 5 monaten. das alleinsein hat ihr glaube ich nicht gut getan.)

emma (hundekörper)

es gab dann noch einen anruf vom tierarzt, der bei emma einen husten diagnostiziert hatte, auf keinen fall etwas verschlucktes, der mich fragte, ob man nicht eine obduktion machen könnte. seine idee war, dass emma schon länger krank gewesen sein könnte, ihr tod also nicht dem einatmen von etwas verschuldet war. ich habe mich unter druck gesetzt und mich dafür entschieden, mittags vom job aus, und mich damit nicht wohl gefühlt. beim heimradeln gemerkt, dass mich das immaginierte bild ihres zerteilten körpers länger begleiten würde als das wissen über die ursachen ihres todes. das interessiert den arzt (dem es eventuell auch um eine mitverantwortung geht) mehr als mich. also um halb sechs noch eine mail geschrieben mit der bitte, sie ganz zu lassen. am nächsten vormittag kam ein anruf, sie sei leider schon in der patho, man hätte schon angefangen, könne aber noch aufhören. habe ich zugestimmt und hatte den rest des tages das gefühl, meinen seelenhund noch nach dem tod nicht gut begleitet zu haben. wieso ist ausgerechnet die fucking veterinärmedizin so dermassen super effektiv, können die nicht sein wie die restliche berliner verwaltung?

germerkt, dass mit dem tod alles wie zementiert wirkt, für immer, wo es im leben beweglich, interpretierbar, verhandelbar, verzeihbar bleibt. ich tröste mich damit, dass hunde einem ja alles verzeihen, das hat emma oft genug gezeigt, während ich da eher träge bin, nicht unbedingt nachtragend, aber doch mit einem lange lesbaren verletzungsignal. bei ernsthaften dingen natürlich, bei allem anderen bin ich wirklich unberührt. da werde ich jetzt versuchen, emmas andauerndes präsens zu übernehmen.

1. mai 22

schön war, dass der d.-zwilling gekommen ist und ganz wunderbar präsent war. wir haben zusammen ihren schlafplatz aufgeräumt, ich habe alle decken und liegekissen weggeworfen und gestaubsaugt, das restliche futter geht an hundemenschen aus der nachbarschaft. die wohnung wirkt tot und unecht, wie eine filmkulisse, das viele hundebemerken beim rumlaufen läuft auch ohne hund weiter, es ist dann ein rucksack, d.-zwillings bein, nur unterm tisch ist es ein nichts. darum musste ich alles gleich wegräumen, glaube ich. das schlechte gewissen geht langsam, auch durch liebe und kluge sätze von freundinnen. so intensiv brennende schuldgefühle sind ja meistens nach ein paar tagen verstoffwechselt, inzwischen ist es mehr trauer, sie nicht mehr gesehen zu haben, als es ihr so schlecht ging, als schlechtes gewissen. nicht bei ihr gewesen zu sein.

geärgert über eine freundin, die mich in langen vorwurfsvollen sätzen zum unterschreiben offener briefe bringen will, „du hast drei söhne“, mit sätzen wie „das müsst ihr euch bitte schön klar machen, wenn ihr von demokratie redet“, obwohl ich ihr gesagt habe, dass mein hund gestorben ist. hab um unterlassung gebeten, dann gemerkt, dass sie wirklich unbezwingbare panik vor einem nuklearschlag hat. ich war zu angeschlagen, um mich ganz zu entziehen, mit anderen freundinnen geredet, gemerkt, wir haben keine klare meinung und finden es schwierig, eine zu haben. putin ist einerseits, laut der appeasement-befürworterin, rational und wohlüberlegt in seinen schritten, wurde von der ukraine eingeladen, was die presse nicht mehr sagen dürfte, das sei wie in den dreissiger jahren (da bin ich ausgestiegen aus der argumentation), andererseits ist er laut waffenbefürwortern ein kriegsherr ohne skrupel und mit unbegrenztem revisionistischem größenwahn. in der repubblica haben sie einen ausschnitt aus einem russischen sender verlinkt, wo so ein rechtskonservatives oder rechtsextremes duma-mitglied zeigt, wie london und berlin in 3 minuten („206 sekunden!“) dem erdboden gleichgemacht werden können, er freut sich anscheinend darauf. das ist finstere propaganda, oder schon hetze, finde aber die idee beunruhigend, dass putin selber der eigenen kriegstreiberei nicht widerstehen kann, weil sie ihn stark scheinen lässt. dass ihm menschenschicksale egal sind, beweist er ja seit jahren. verstehe die aggressivität gegenüber den waffengegnern nicht, finde sie unangemessen angesichts des pulverfasses, auf dem wir sitzen, und dann geht es immer weiter mit „ja, natürlich gibt es die gefahr eines atomkrieges, aber …“ wie sind wir so schnell von „er wird schon nicht angreifen“ zu so einem satz gekommen? wolfgang müller argumentiert für die lieferung schwerer waffen, die begründung dafür steht und fällt mit seiner annahme, putin würde halb oder ganz europa bekriegen wollen, also auch polen, finnland und deutschland, in so einem now or never-duktus. der text macht angst.

ich bin froh, dass ich nichts entscheiden muss, würde mich glaube ich viel um klassische hinterzimmer-diplomatie bemühen, um herauszubekommen, wo es sollbruchstellen gibt bei p. ich kann verstehen, dass meinung haben und verkünden wenigstens etwas ist, angesichts der allgemeinen hilflosigkeit, es ist aber nicht meins. der d.-zwilling hat erzählt, wie durch das kleine dorf in sachsen, wo er grade als bufdi eingesetzt wird, lange panzerbrigaden durchgerollt sind, auf dem weg nach polen, auch aus dem rheinland gibt es solche berichte. es wird ja nicht nichts getan, ausrufezeichen. ich habe auch etwas getan, einen zu schweren notfallkoffer gepackt, voll ohne ein einziges kleidungsstück (diabetes etc.). ich will das alles nicht.

es ist viel zu viel kartenleserei. ja, ich habe drei kinder, und an schwachen tagen wie heute bin ich froh, dass keines in berlin wohnt. es ist aber auch der zweite tag ohne hunderunden, die viel zum runterkommen und sammeln beitragen. das internet ist grade kein guter ort.

(geht gleich wieder, sorry.)

wie sie immer kurz freude gezeigt hat, schon wenn ich einfach nur an ihr vorbeigegangen bin, die ohren gingen hoch, zwei halbe schläge mit dem schwanz, dann war sie wieder entspannt. ich kann ihr fehlen fast sehen, sowie man ja manchmal für musik bilder im kopf hat. sie fehlt überall.

immer, wenn ich geniest habe, hat sie einmal gebellt und ist dann zu mir gesaust, um mich mit der nase anzustupsen, ich hab keine erinnerung daran, wann und wie dieses verhalten entstanden ist, war es ihres oder hab ich mal was falsch verknüpft?

die stadt war gestern wahnsinnig voll, also lokale, die bürgersteige, viel zuviele menschen auf einmal. heut früh beim bäcker hatte nur ich eine maske. meine masken sind alle, auf arbeit bekommen wir jetzt auch keine mehr, ich muss also nachkaufen, tests auch. wieder alles beim einzelnen, als wäre die pandemie vorbei, so absurd.

null und nichts über 1. mai-demos gelesen oder lesen wollen, zum ersten mal seit 1987, das mach ich gleich noch, zur aufheiterung.

4. märz 22

heute frei, ich mache übers lange wochenende einen kurzbesuch beim großen in trier, also eigentlich ist es, was besuche bei kindern angeht, schon ein langbesuch, aber ich habe mich wo eingemietet und bleibe nicht in der wg vom sohn. er will mich vom zug abholen, was mich rührt. jetzt froh, dass ich erst nach 10 uhr fahre, die letzten tage waren richtig anstrengend, ich konnte gestern nicht mehr packen und habe jetzt zeit dafür.

grade gelesen, dass am hauptbahnhof eine große menge an freiwilligen helfern die flüchtlinge empfängt, die dort rund um die uhr ankommen, genau wie 2015. besonders die früh- und nachtschichten können wohl laut einem twitterer (nicht mehr gefunden leider) noch unterstützung gebrauchen. benötigt werden übersetzerInnen, gutscheine für drogerien und supermärkte, geladene powerbanks, und natürlich unterkünfte. der g.-zwilling will mit kumpels vor oder nach dem clubbesuch hingehen, in berlin öffnen sie dieses wochenende wieder.

die kriegsängste sind nicht mehr nur diffus, ich verdränge sie bewusst. gestern wurde ein atomkraftwerk beschossen, also da gibt es keine grenzen mehr. ich habe insulin für ein paar monate im haus (brauche sehr wenig, das heißt also nicht so viel) und ein paar vorräte. wird die welt dieses wochenende untergehen oder erst ein bisschen später? ich tippe auf später und nehme nicht alles mit. was für finstere zeiten. außerdem macht mir der hund sorgen und ich freue ich mich auf die zugfahrt und die freien tage. ich fühle mich wie ein kaleidoskop, mit lauter nicht zusammenhängenden mustern.

24. februar 22

am tag des angriffs zum ersten mal seit langem richtig belastet gewesen. ich habe das gefühl nicht identifizieren können, weil es so allumfassend war, als hätte sich alles verändert, und ich kann nicht erkennen, was und wie und warum. erst am nachmittag habe ich aufgehört, mich dagegen wehren zu wollen mit den für mich sonst nur knapp über der bewusstseinsschwelle ablaufenden rückgriffen auf meine resilienz, das ist sonst so einfach wie anlehnen an eine wand. es hat nicht funktioniert.

und schon zwei tage später ist es normalität, mit freunden das erste thema im gespräch, und dann kommen andere, nur das licht ist ein bisschen raus aus allem, und es ist nicht mehr so leicht, einfach im moment zu sein, was eigentlich eine meiner grundbegabungen ist. ich versuche, mich zu belesen und meine normalität zu schützen, indem ich eine haltung entwickele, ich setze die diffuse angst vor krieg in aktivitäten um, vorratskäufe, auto volltanken. ich kann drüber lachen.

(der gedanke, dass so ein mit liebe und arbeit und glück und alles in allem mit einem irrem aufwand zum laufen gebrachtes leben so zerstört werden kann, mutwillig, teilnahmslos, bösartig, macht wütend und fassungslos. wegen nichts, wegen territorialismus.)

die menschen in der ukraine, alle noch im umbruch zwischen normalität und schrecken, die bilder sind schwer auszuhalten. sie scheinen mir näher als die anderen kriegsopfer, die schon lange, länger, seit immer so leben, aber es gilt ja für jeden einzelnen.

kw 4-5/22

immer noch ärgere ich mich über die höchste betriebskostennachzahlung meines lebens, ausschließlich für wasser, das in berlin besonders teuer ist. vor zwei jahren wurden in die wohnungen des hauses wasserzähler eingebaut, vorher haben wir das irgendwie pauschal bezahlt. jetzt musste ich für 3 personen 800€ wasser nachzahlen, was mir immer noch unfassbar viel vorkommt. in berlin kostet der kubikmeter inclusive abwasser und aufbereitung und regenwasser ca. 5€ pro m3, fast doppelt soviel wie in anderen bundesländern. in zukunft werden die energiepreise einen immer höheren anteil an den lebenskosten haben, da muss ich mich irgendwie drauf einstellen, ich jedenfalls werde nur noch duschen.

im lesekreis großartiges buch gelesen, girl, woman, other von bernardine evaristo. 12 frauen, erzählt über die verbindungen, kontakte und beziehungen, die sie miteinander haben, über generationen und länder, auch über konflikte und krisen hinweg. die nähe zwischen müttern und töchtern hält viele dieser geschichten zusammen, das hat mich dann fast aufgeregt, weil es zu schön ist, sind doch heutzutage viele mutter-tochter-bindungen eher durch entfremdung und desinteresse gekennzeichnet. bei evaristo sind alle diese tollen frauen irgendwie vernetzt, wissen voneinander, so wie wir von unseren freundinnen wissen, was sie machen, mit wem sie zusammen sind, wieviele kinder sie haben und so weiter. ich habe wesentlich mehr freundinnen als freunde, muss mal nachdenken, wann sich das so entwickelt hat.

habe zu spät mit dem lesen angefangen, wie immer, aber bin dann so durch die 500 seiten durchgeflogen, mühelos. sehr besonderes buch.

eine geschichte beendet, die mich durch die letzten monate begleitet hat. es fühlte sich nicht mehr richtig an, wenn ich alleine war, war er weg, es war zuwenig für die nähe, die dann ja doch teil des geschichtendingens ist. liegt vielleicht auch am onlinedaten, wo die gefühle ja nicht voraussetzung des treffens sind, sondern im besten fall daraus entstehen. aber nach wieviel zeit? tagen, wochen, monaten? ich habe mein herz aus den augen verloren dabei, das hat sich zurückgezogen und einfach nichts mehr gesagt, nicht ja und eben auch nicht nein.

viel in meiner wohnung, schon wg corona, aber auch, weil ich nach dem job nicht mehr viel machen möchte. angenehme selbstgenügsamkeit entwickelt, auch wenn sich dabei ein bisschen alles nur noch im kreis ums bekannte dreht. halt, nee, das liegt am tiefen winter, am dunklen februar, an den ewigen nasskalten paargradfuffzig, die hier den tag füllen, und dann der großen, alles haltenden, alles still machenden dunkelheit, die immer noch den halben nachmittag vertilgt. blabla. winter total satt habe ich.

in den letzten monaten eher unabsichtlich meine ernährung auf kohlehydratarm umgestellt, weil ich trotz tollster algorhythmen meine postprandialen berg- und talfahrten nicht in den griff bekommen habe. die habe ich natürlich trotzdem noch, weil ich immer mal wieder so einen heisshunger auf eine gute butterstulle bekomme, aber eben nicht mehr täglich. seitdem fast 5kg abgenommen, fast beängstigend, aber ich fahre jetzt auch täglich mit dem rad zur arbeit und laufe dort 4-6000 schritte am tag, das kommt ja noch dazu. jetzt bisschen sorge, dass ich zur ziege mutiere, die polster überall sind ja weichzeichner im alter.

gestern einen totalen freudeflash gehabt, als an einer ampel plötzlich der d.-zwilling im auto neben meinem saß, sehr unmittelbar und überwältigend. das war wirklich schön.

kw 3 2022

mir fallen immer wieder dinge ein, die ich bloggen könnte, aber ich vergesse sie wieder, weil mein alltag offline stattfindet. ich nutze das handy tagsüber fast nur für den diabetes, und abends, zuhause, ist es dann dunkel. da kommen dann dinge von draussen rein, wie filme oder mails, aber ich habe kein bedürfnis, etwas rauszuschicken. mein kopf wird gehalten von der dunkelheit, alles ist auf pause gestellt.

wie ich gestern meine superduper taschenlampe repariert habe, nachdem die batterien ausgelaufen waren.

schönen film gesehen, mit m., drive my car, von ryusuke hamaguchi. film über die kraft der kommunikation, des kontakts über sprache und nähe und zeit. wie das wichtige dabei sich mitteilt, weil wir menschen sind, egal, ob wir in zeichensprache oder japanisch, englisch oder koreanisch miteinander reden. in der nyt wird sehr schön aufgedröselt, was den zauber ausmacht, lest das aber lieber nach dem anschauen, es wird gespoilert. eine fahrt durch japan in einem wunderbaren roten saab aus den achtzigern glaub ich, den ich sofort auch haben wollte. ich hatte mal einen käfer cabrio aus den siebzigern, an den denke ich seitdem, obwohl er für gespräche fast zu laut war. nach einer stunde oder so ist der prolog vorbei, es laufen namen übers bild, ich war kurz traurig, dass der film schon wieder aufhört und hab mich gefreut, als er danach noch zwei stunden weiterging. er hätte gern noch paar stunden länger sein können. schaut ihn euch an.

die langsame und meinem urvertrauen widerstrebende realisierung, dass dem senat die gesundheit der kinder und erwachsenen in schule und kindergarten völlig egal ist. gestern gelesen, dass es für kontaktpersonen keine quarantäne mehr gibt, „um die gesundheitsämter zu entlasten“, damit „gute leute anderes tun können“, so im tagesspiegel. ich kann ja mal überlegen, ob ich auch anderes tun will, als unter diesen bedingungen zu arbeiten. pcr-tests soll es auch nicht mehr geben, wenn man sie nicht selber bezahlt, was empfehlenswert ist wg. möglicher spätschäden. call me naive, aber ich bin wirklich einigermassen erschüttert darüber. als nächstes sollen bestimmt symptomlose positive weiter arbeiten kommen.

corona warn app hat seit 31.12. dauernd rote kachel.

wenn mir heute noch wieder einfällt, was ich bloggen wollte, schreib ichs noch hin.

<3 bibs und abos

wollte gestern diesen text über den b***-redakteur im spiegel lesen, bin aber nicht über die paywall gekommen, die zahlung des probeabos ging auch nicht, also aufgegeben. dass diese zeitungen keine mikropayments hinkriegen! selbst die taz schafft das. diese angebote sind sowas von vorgestrig, ich möchte in spiegel, zeit und tagesspiegel herumschmökern, ohne mir 3 abos leisten zu müssen. mir fehlt eine plattform, die zugang zu allen für einen betrag unter meinetwegen 20€ anbietet, oder gibts das schon?* bis dahin lese ich eben nur die nyt (12€ mtl.) und die repubblica (6€ mtl.). ich lese sowieso nicht mehr so datumsgebunden, sondern nach anderen kriterien, bei der nyt zb über deren app zuerst die „most popular“-artikel, nach dem ersten bleibe ich vielleicht ein bisschen beim thema und klicke auf die vorgeschlagenen texte dazu, oder ich schaue auf die anderen tageshits, oder ich vertiefe ein thema und gucke bei science oder politics oder books, bis mir langweilig wird oder ich los muss. die titelseite habe ich bis dahin noch kein mal gesehen, schaue meistens irgendwann im lauf des tages mal drauf, aber das ist nicht zentral. niemand braucht online eine ganze tageszeitung, das ist bedauerlich, aber man könnte den leser ja auch leiten und ihm etwas anbieten, die vorteile beim netzlesen ausbauen, statt wie der olle august immer nur die ganze zeitungsrolle zu schwingen, alles oder nichts! nimm es oder lass es! das gibts vielleicht noch bei beziehungen, bei freundschaften ist es schon divers, die freundin fürs theater, den freund für die kunst, fürs spazierengehen, fürs reden über kinder, oder über bücher, oder. wobei halt, die nyt liebe ich wirklich wie keine sonst! das ist mehr beziehung als freundschaft. die lassen mich sein, und ich habe da auch noch ein extra abos für rezepte abgeschlossen, das rätsel-abo trau ich mir noch nicht zu, aber es ist alles bezahlbar und nachvollziehbar. ich glaube, die einzigen, die sich in deutschland für die vorlieben der leserin interessieren, sind die cookiehändler.

*edit: gibt es. der bibliotheken-zugang bietet viel mehr als erwartet, auch der spiegel-text ist über die genios-suchseite zu finden. mit dem pressreader, auch da kann man sich mit der berliner bibliothekskarte anmelden, gibt es zeitschriften und zeitungen aus der ganzen welt zu lesen. für 10€ im jahr. sehr tolles angebot.

eine freundin erzählte mir dann, dass man in berlin über die seite der öffentlichen (berliner) bibliotheken auch zugang zu einigen zeitschriften erhält, unter anderem dem spiegel. ich dachte prima, da wolltest du doch eh mal wieder hin, seit diesem offenen brief von einem haufen schriftsteller*innen, in dem zumindest missverständlich gegen bibliotheken gewettert wurde. stadtbibliothekskarte nicht mehr gefunden. online anmeldung versucht, das ging aber ohne die ausweisnummer nicht, ich solle zu meiner bibliothek gehen. googeln ergab, dass die längst geschlossen worden ist, genau wie die schöne kinderbibliothek hier in meinem kiez, bei der ich mit den jungs früher so oft war, es scheint, in berlin muss keiner gegen die bibliotheken argumentieren, die sterben auch von alleine aus. also habe ich heute eine hunderunde zur nächsten öffentlichen bib gemacht. sie hatten mich im rechner, weil ich ihnen seit anno tobak noch ein paar euro schuldig war, sonst wäre der account geschlossen worden, wie mir die mitarbeiterin sagte, und ich durfte mir eine neue karte in meiner lieblingsfarbe aussuchen, sehr erfreulich. eine schöne, große, luftige bibliothek, am wasserturmplatz, gehen sie da ruhig mal hin. sie haben auch ein blog. beim rundgang ein buch vom letzten jahr gefunden, von dem ich erstaunlicherweise nichts mitbekommen habe, obwohl es in meinem lieblingsverlag erschienen ist. gleich ausgeliehen, mit bisschen schlechtem gewissen, das ich ohne diese schräge fair-lesen-aktion nie gehabt hätte, weil bibliotheken eins der wichtigsten kulturellen angebote überhaupt sind, echt, was ist mit den leuten? aber ich hätte es eh nicht gekauft, es ist zu dick, ich hab keinen platz mehr für dicke bücher, und so wie ich es verstanden habe, sind die bibs keine konkurrenz zum privatkäufer, sondern teil des marktes. ich weiß nicht, ob dieses buch in der bibliothek außer mir noch andere leute vom kaufen abgehalten hat, es gibt leider keine tabelle mit vorherigen ausleihen mehr hinten drin, wie früher. ohne bibliothek hätte ich das buch wahrscheinlich nur an- und nicht richtig gelesen, mal schauen, ob ich ein buch mit leihfrist schneller lesen werde als die anderen drei auf dem nachtisch, sonst hat nur das teilgelesene auf dem reader noch eine deadline (lesegruppentermin), also hmm.

buch von maria popova, gefunden in der bibliothek

ein buch gefunden, dass mir ohne twitter gar nicht aufgefallen wäre, aber nicht ausgeliehen.

wie sich zeigt, ist der aktuelle spiegel noch nicht über die vöbb -seite verfügbar, mal schauen, ob mich das thema nächste woche noch interessiert, könnte sein, dass nicht. jedenfalls hatten die beiden toptwitterthemen einen positiven einfluss auf meine tagesgestaltung. netz wirkt.

pollesch: aufstieg und fall eines vorhangs

die volksbühne ist wieder offen, ihr neues logo ist eine grobpixelige und knallbunte darstellung des alten logos, das es ja nicht mehr gibt, auf dem platz vorm theater steht jetzt ein zirkuszelt, gestern war es zu, aber es steht als zusätzlicher veranstaltungsort im programm. der zirkus vielleicht auch als sehnsuchtsort, wo die illusionen noch tragen, die wünsche einfach sind, wuttkes kostüm ist eine gute mischung aus zirkusdirektor und theaterpunk mit totenkopf-shirt. und ich sitze mit freundin a. oben im rang, die plätze neben uns sind mit bändern hochgebunden, wenn man nicht aus dem selben haushalt kommt, echt aufwändige vorbereitung. wir machen die bänder auf.

martin wuttke und katrin angerer auf der bühne, sie spielen mit theaterformen, das publikum im raum als ein freies element, von den schauspielern mal dargestellt, mal umworben. in der ersten szene sehen wir angerer und wuttke als regisseur und schauspieler (glaube ich, es war kein klares bild), wie sie einen kartentrick ausführen wollen, miteinander und also mit uns, dann zieht wuttke immer die falschen karten (aus einem programmzetttel: „also kommen sie, ziehen sie eine karte! … nein! das ist mein rezept für dingsda. sie vertun sich aber auch ständig. sie sollen doch eine karte ziehn.“) das ist ziemlich lustig und sehr pollesch. die szene endet mit einer waffe, aber es stirbt keiner. die vier personen auf der bühne (susanne bredehöft und margarita breitkreiz sind die anderen beiden) zeigen uns durch den abend immer wieder die instrumente, die dialoge sind schnell und wechseln mühelos die ebenen, ernst, albern, oder „kubistisch“; wie wuttke einmal ruft, als 3d-figur zusammengesetzt aus meinetwegen rolle, schauspieler und theatertheorie, alle ebenen gleichzeitig. ich weiß es aber nicht genau, wer jetzt gerade als was auftritt, es ist auch nicht entscheidend, alles fließt, wie bei pirandellos 6 figuren, die einen autor suchen, aber das ist halt 21. jh., da steht das ganze theater auf dem spiel, mit im spiel, und es ist nicht mehr klar zu verstehen, was wir voneinander wollen können, publikum und theater, da können sich die theaterleute noch so anstrengen, und dann gibt es doch nur aber immerhin zaubern sie uns ein kaninchen aus dem hut, dargestellt durch einen riesigen echten weißen hasen, der ein paar schritte auf der bühne machen durfte.

viel text, den ich hoffentlich irgendwo nachlesen kann, oder ich geh halt nochmal rein. auf dem programmzettel steht sekundärliteratur, aber da bin ich klassisch orientiert, nach dem stück ist das stück vorbei.

mitten im geschehen der bühnenvorhang, aber als federleichte, leuchtend orangene version seiner selbst, die grenze zwischen uns und dem theater ist beweglich und bei pollesch tanzt sie mit den schauspielern, deckt sie zu, liegt wie ein multidimensionales und bewegliches objekt mal vor, mal hinter, mal auf den menschen auf der bühne. in einer szene zwingt angerer als dompteuse den vorhang in die höhe, um die bühne freizugeben, mit so einer art psychedelischer peitsche aus dem gymnastikkurs, das war mein liebstes bild.

am ende gab es noch einen epilog von wuttke, da hab ich leider nicht mehr richtig aufgepasst, aber es ist keiner gestorben, anders als bei pirandello, wo am ende alle auseinanderlaufen und nichts mehr mit dem theater zu tun haben wollen. großes yeah-gefühl bei der freundin und mir, es geht weiter, es gibt wieder spannendes theater, wir dürfen schauen und denken und bisschen glücklicher nach hause gehen.

last sommerfest 2021

einen echten höllentrip mit dem auto zum lcb gemacht, mit umweg zu frau engl, die ich abholen wollte. erst paar staus, dann eine demo, dann weitere staus, dann eine weile stillstand. über 2h im auto gesessen für die strecke nach neukölln. helga schubert verpasst, die hätten wir gern gesehen. dann ein autor, der sich wach und wendig in seinem thema bewegt, geschichte europas über drei familiengeschichten, uns war nicht so nach richelieu, aber der vortrag war sehr faktenreich und irgendwie freudvoll, das war nett. es folgten drei autorinnen mit geschichten, bei denen der geist ins wandern kam, über schicksalsschläge, die ich nicht verstanden habe, eine szene mit einer fußpflegerin, die in ihrem beruf nicht glücklich geworden ist, im gespräch mit der hauptfigur, die wohl keine gute mutter war, anders als die fußpflegerin, wir als mütter im publikum wurden vorher aufgerufen, die hand zu heben, wenn wir eine mutter haben oder eine mutter sind. nicht alle haben die hand gehoben, immerhin, immerhin. wiederholt haben die moderatorInnen erzählt, wie berührt sie waren von den büchern, gradezu umgeworfen wurden, niedergestreckt ins mitgefühl, besonders die eine szene, wo ein verstorbener („toter“) vater seinen söhnen einen zettel hinterlässt, auf dem steht: an meine söhne. wir so: hmm? (halt, das letzte war aus dem buch von einem mann, alex schulmann, die überlebenden). das hat sich alles nicht so erschlossen leider, auch die auswahl der vorgelesenen stellen hatte wohl verborgene gründe. ein guter, funktionierender text war dabei, über hoden und helden (zitat von j.-u.), die heldenbilder von baselitz spielten eine rolle. von lukas rietzschel, den werde ich weiterlesen. lustig war auch, wie aus den noch nicht erschienenen büchern die schlüsselszenen nacherzählt wurden, nicht vorgelesen, was die schriftstellerei vom joch der poetik, des stils, und allgemein des literarischen talents befreit, eine echte demokratisierung. oder gibt es da eine schweigepflicht vor veröffentlichung? es war so rätselhaft wie lustig. ist vielleicht auch eine feuerprobe, wenn ein text die nacherzählung aushält, ich hab wohl einiges verpasst in der literarischen szene. den hang hoch und runtergewandert, brezel geteilt mit frau engl, frau gaga und paar freunde getroffen. ins grüne, sehr grüne wasser geschaut, am ende im letzten sonnenlicht gesessen und herrn schulze zugehört, mit diesem befreienden gefühl, wenn der ganze kopf für einen text gebraucht wird, ich mich konzentrieren darf und das gerne tue, weil die stellen eine gewisse schnittige eleganz haben. und bisschen schönheit. zweiter text, den ich gerne ganz lesen möchte.

der mann für sich („Sarah“, BE)

erstes mal wieder im theater, und ich hätte mir die zeit nehmen sollen, das stück vorher zu googeln. es war eine voraufführung, uraufführung heute, dramatisierung eines romans von scott mcclanahen, eventuell bisschen autobiographisch, die hauptfigur heißt genauso. ich sass da und habe mich auf ein ensemble gefreut, und dann kam ein mann auf die bühne und stellte ein mikrofon auf, oh nee, dachte ich, das wird doch wohl nicht … dann begann der mann mit großer geste zu erzählen, wirkt betrunken, verliert fast die fassung, die ganze figur scheint nicht fest verankert in zeit und raum, der text ist gut geschrieben (usa, szene im auto, fahrer wird von polizei angehalten, fürchtet alkohol-kontrolle, steigert sich rein, dabei zeitsprünge, mal redet er, mal spielt er die szene nach, sehr dicht alles) es geht um sarah, seine frau und die mutter seiner kinder. nach 10 minuten text ist die figur eigentlich fertig erzählt, ich hab verstanden, es wird kein ensemble geben, scott bleibt allein auf seiner bühne. hrmpf, und zeigt uns einen vollkommen unaushaltbaren mann, spielt und wütet sich dabei in ein so ein auswegloses selbstmitleid hinein, ach, ich musste anderthalb stunden einem mann auf egotrip zuhören, wäre gern wieder gegangen, aber der große war mit einer freundin dabei, also tief ein- und ausatmen und durchhalten. der schauspieler war natürlich großartig, ein richtiges monster-solo, aber so eine figur hätte ich im internet nach 5 sätzen geblockt. niemand will sich so etwas anderthalb stunden lang anhören, die figurenentwicklung ging auch nur richtung abgrund. gerade die szenen, wo der mann die nerven verliert und sich in jähzorn-attacken fallen lässt, nein, sich hineinwirft mit dieser gewaltlust, in der sich die situation hermetisch schließt, kein zugang mehr möglich wird, auch kein ausweg, nur die erschöpfung irgendwann, wenn das mobiliar zerstört ist und keiner mehr antwortet, die sind unerträglich, wenn man solche situationen selbst schon erlebt hat. brr.

nachher noch bierchen auf dem hof mit dem großen sohn und einer freundin von ihm, dort bewunderung für die schauspielerische leistung von marc oliver schulze (die szene, wo er die geburt seiner tochter schildert, die ist wirklich sehr toll, hochdramatisch, rabenschwarz, komisch) und ein gewisses rätselraten darüber, warum reese das auf die bühne bringen wollte.

28. mai 2021

gestern hat der freund vom großen das bett vorbeigebracht und mir sogar beim hochtragen geholfen. es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe, aus nussholz, und es hat noch zwei lattenroste dabei, die zusammen schon deutlich mehr gekostet haben, als ich für das bett bezahlt habe. nach >10 jahren auf einem schlafsofa werde ich aufrüsten auf ein richtiges bett, bin sehr gespannt, ob es sich anders anfühlt, ich bin eher devise hauptsache horizontal. es ist ein italienisches bett, ohne schrauben, mit nur vier steckverbindungen, sieht nach gutem möbelhandwerk aus. da hatte ich glück. <3 ebay.

das zimmer wird nächste woche endlich tapeziert, zur zeit schlafe ich noch im would be arbeitszimmer, das allerdings im sommer eine schöne aussicht auf lauter grüne bäume hat, im schlafzimmer ist nur der innenhof vorm fenster. ich werde dann vermutlich wieder mehr vom schreibtisch aus arbeiten.

für den spätnachmittag hat eine freundin slots bei neo rauch bekommen, im gutshaus steglitz, sehr kräftige bilder und einen bronzenen kentaur im glaskasten, auf 3 räume verteilt. ich sehe zum ersten mal bilder von ihm in einer ausstellung, das gefühl ist: vorher noch nie gesehen, so intensiv wirken farben und figuren, großformatige malerei, bedeutungsstark, mit vielen ebenen, die alle nicht nur angedeutet sind. erste ausstellung seit november, sehr intensives erlebnis. danach noch ein bierchen mit den freunden, mein zweites mal in einem lokal seit 14 monaten, für die freunde das erste. beides wirkte euphorisierend. dann im auto durch die ganze stadt zurück und die stadt dabei gefeiert, steglitz! schöneberg! tiergarten, mitte, und mein gott, der alex, mit seinen quadratisch-praktischen hochhäusern.

für die ausstellung vielleicht den letzten test gemacht, am mittwoch ist die zweite impfung zwei wochen her. die impfpässe sind ca. einen mm größer als reisepässe und passen nicht in die für pässe gefertigten taschen, hoffe, ich finde noch was, das ding wird meine handtasche so nicht lange überleben. die mitarbeiterin hat sehr gründlich getestet, vielleicht nach den berichten über unzuverlässige arbeit in den diversen privaten teststellen in der stadt? – nach dem artikel per google gesucht, nichts gefunden, heißt das, es gab keine berichte, oder sie waren nicht wahr? hmm. erinnert mich an meinen versuch, berichte über mäuse in hotels zu finden, das ging mit google auch nicht gut.

abends noch den d.-zwilling verabschiedet, der wieder nach halle zurückgefahren ist. er trägt die haare nach kurzer weißblonder phase jetzt wieder dunkel und hat einen vollbart, mein kleiner 6-pfünder von 2001. abschiedsschmerz gefühlt, das leere nest wird zu etwas, das ich gestalten muss, aktiv angehen.

aperitiv am 21. mai

gestern aufregender abend: die kneipen haben seit gestern ihren außenbereich wieder geöffnet. bin mit freundin in die lieblingsbar gegangen zum aperitif, ohne reservierung, es war also alles voll, sehr voll, restlos voll, wie vor jeder der vielen lokalitäten im kiez, ein sehr junges, internationales, weiße sneaker tragendes publikum. der kellner trug maske und hat mit großer freundlichkeit darauf bestanden, dass sich nur leute mit tagesaktuellem negativtest hinsetzen dürfen, den man sich direkt vor der bar bei einem mobilen testcenter holen konnte, was ich gemacht habe, es hat nur 15min gedauert. es wäre alles schnell wieder vorbei, wenn bei diesen ersten öffnungen etwas schiefgehen sollte. mit einem impfpass wäre es auch gegangen, sobald die zweite impfung 14 tage her ist, der kellner hat das genau erfragt. außerdem mussten wir uns per qr-code in die luca-app eintragen, die dann die sekunden und minuten des aufenthalts zählt, bis man sich wieder auscheckt, wir waren 1 stunde und 47 minuten dort. es hat einen regenguss wie aus eimern gegeben, bei dem wir in einen hauseingang ausgewichen sind, danach wieder auf die nassen stühle, alles egal, endlich wieder stadtleben. gefühl gemischt, glück wegen dem aperitiv, sorge wegen der menschenmengen überall. im misirlou haben sie sehr gut aufgepasst, ich hoffe, das trifft auch auf die anderen läden zu. das bedürfnis nach geselligkeit ist riesig.