veränderung

sie haben einen großen modernen kinosaal in der anlage, einen 12m-pool, eine offene bibliothek mit tischen, lampen und einem relativ aktuellen katalog. die wohnungen („appartments“ sagen sie dort, das große ganze immer mitintendiert) sind zwischen anderthalb und drei zimmern groß, der speisesaal ist schön eingerichtet, die richtigen lampen, sehr freundliches personal, geradezu fröhliches personal. die älteste bewohnerin ist 106, sagt uns die frau, die meiner mutter alles zeigt, die jüngste mitte sechzig, der schnitt liegt beim alter meiner mutter, bei 85 jahren, das ist nicht ohne, nicht ohne, wo ich selber doch nur einen menschen in dem alter kenne. wir bleiben zum mittagessen. die bewohner auffallend elegant, mit gold und silber geschmückt, feine wolle, die männer in sakko und hemd, einer im lodenjanker, weißes haar, niemand färbt es sich noch ab alter x. meine mutter ist noch eher blond, vielleicht ist das ein einzugsritual, der abschied von der vergangenheit? ist nicht mehr und wird nicht mehr werden. paar rollatoren, „aber die sind dann auch schon 20 jahre hier, sind hier alt geworden“, paar rollstühle. mich würde glaube ich die ganze eleganz stören, das gediegene, ich empfinde das als zur schau gestellten wohlstand, ein auffälliges gleiche-unter-gleichen, vielleicht nur, weil ich nicht dazugehöre mit meinem einen kaschmir im regal, diese menschen haben halt einfach kein h&m im schrank, die können sich das ja nicht aussuchen, nicht mehr aussuchen, ihr leben hat die feine kleidung hinter ihnen angehäuft. sie kennen es nicht anders. die frauen sehen interessant aus, ihre verschiedenheit fällt mir auf, sehen sich doch alte leute oft ähnlicher als jüngere, weil ihr alter das erste wahrgenommene ist, von meinen zarten 50plus jahren aus betrachtet. ich bilde mir ein, ihnen ihre guten leben ansehen zu können, weiß aber nix natürlich. vielleicht waren sie einfach besonders schön, und nicht besonders interessant, im alter fällt das ein bisschen ineinander. sie bringen bestimmt einen großen teil ihres lebens mit, wenn sie in so einen alterssitz umziehen, und müssen viel zurücklassen, wie das eben so ist.

ein bisschen kreuzfahrt war das heute, wo die leute aus ihren kleinen kabinen immer in abendgarderobe erscheinen.

meine mutter passt da hinein und wieder nicht. „diese ganzen alten tanten“, sagt sie, es fällt ihr aber dann noch auf, dass sie selber dazugehört. männer gibt es deutlich weniger. ihre berufe kann ich frauen und männern nicht ansehen, kann ich aber bei gleichaltrigen auch nicht gut. ein mann sieht noch ein bisschen nach baumogul aus, auch wenn der körper hinter dem dominanten kinn schon zu verschwinden beginnt, bei damen würde ich nie nach baumogulinösem suchen, da sehe ich eher akademische berufe. die paare unterhalten sich miteinander, nicht alle, einige reden nur einen satz zum menue. die menschen sind ja zuhause dort, ich weiß nicht, ob der repräsentative anteil der eigenen existenz in den hintergrund tritt, wenn man jeden tag im restaurant isst. finde ich interessant, welchen preis so eine normalität hat, sicher hält es die leute auch beieinander, wie jedes ritual.

eine bekannte, die dort schon lebt seit ein paar jahren, rät meiner mutter zum hinwarten, vermisst ihre wohnung und vielleicht auch die realität, oder sie ist ihre einsamkeit dort nicht losgeworden, und dann ist das endgültige noch dazugekommen. es hängt vielleicht davon ab, wie wichtig das zuhause für die identität ist, wie sehr man die sehr pragmatischen grundrisse und die neubauödnis wahrnimmt im lebensalltag. wie es einem geht vorm umzug. aber schöne holzböden auf den balkonen.

ich will dauernd „im alter“ schreiben: so ist das eben im alter, weil darauf alles hinausläuft, so einen lakonismus, die akzeptanz des todes. die zimmer werden frei, wenn jemand gestorben ist, das wissen ja alle, da zieht keiner mehr aus, da sind sich alle bewohner gleich, vielleicht werden sie deshalb alle mit namen angesprochen, bei jeder begegnung, weil angesichts des großen gleichmachers der namen ans leben als einzelner und einziger erinnert, das die menschen ja hier auch noch leben, zu ende leben, päng, da ist er wieder, der tod. dieser aspekt macht mir auch noch schwierigkeiten, glaube ich, dass die mutter als ewige präsenz an einen ort umziehen will, an dem nix mehr ewig währt. ihr sicher auch, bei aller norddeutschen resolution. das verfliegt aber auch wieder beim dort herumlaufen, sobald man sich daran gewöhnt hat, im alltag ist eh mehr gegenwart, das ende fern wie immer. bei abwesenheit von schmerz und not, natürlich. oder nicht? bin ich gespannt drauf.

„sie denken darüber nach, sich zu verändern?“ fragte die mitarbeiterin und rät zur baldigen entscheidung. wenn man schon pflegestufen hat, wird man wohl nicht mehr genommen, lieber sind ihnen aktive senioren, die die arbeit des kulturrates zu würdigen wissen, ende des monats kommt walter momper und erzählt von der wende, ein film mit burt lancaster wird gezeigt, es gibt lesungen und konzerte. eine wasserreise und eine landreise pro jahr, „sehr begehrt“.

 

will ich nicht lassen

wollte mit dem einen inhäusigen sohn was unternehmen, wir haben aber beide nur vormittags zeit, also mal wieder kirche, schlägt er vor. wir kommen fast zu spät, die türen stehen offen, wir setzen uns in die letzte reihe. eher leer, aber in jeder reihe sitzen ein paar leute, gut verteilt mit großem abstand. eindruck: jeder geht für sich in die kirche. paare und einzelne gleich oft, auch die paare mit einem meter dazwischen. der ablauf ist bekannt, wir kommen bei einem psalm, gelesen von entweder einem gemeindemitglied oder einem pfarrer, er liest ein bisschen zu schnell und unbetont, verstehe nicht alles. die akustik ist in gethsemane sehr hallig, auch bei der eher schnell spielenden orgel kann ich den melodieverlauf nicht klar erkennen, die gemeinde brummt halt so mit, immer ein bisschen hinterher. junge pfarrerin mit duschfrisur, liest die jakobspassage, der predigtanteil ist für mich nicht so interessant, sie wiederholt die zeilen mit eigenen worten, in „einfacher sprache“, und setzt rhethorische ausrufezeichen dahinter, bleibt aber ganz im gleichnis, sucht keine metaebene oder eine anbindung an welt oder geist. zu sehr ist das nicht toll? das ist doch toll!, mir fehlen spiel und intellekt. die passage wird auf einen aspekt runtergebrochen, der dann suggestiv wiederholt wird, also verzeihen und gnade. oder güldet das als eine dem gottesdienst angemessene demütige haltung? nichts eigenes, ganz nah am bibeltext? kenn ich mich nicht aus damit. so ein kleiner anteil erbauung darf aber ruhig dabeisein, wenn man sich schon direkt nach dem frühstück in die kirche begibt. ein schönes lied war dabei, eg 365, und über den segen freue ich mich auch jedesmal. vorgenommen: wieder mehr predigthopping.

(sie können hier über paypal etwas in die trinkgeldbüchse werfen, wenn sie möchten. das hotel mama hat auch einen wunschzettel. vielen dank dafür!)

die berliner

neben unserem stückchen strand liegt ein großes grundstück mit haus und seezugang und pool, bewohnt von „dem berliner“, einem zehlendorfer immobilienmenschen. zu sehen sind meistens ein oder mehrere seiner kinder, junge erwachsene mit 3 bis 4 freunden. der berliner kauft den kids jedes jahr ein neues spielzeug, vor ein paar jahren ein riesiges trampolin im wasser, an dem wir immer vorbeischwimmen und wo jeder erstmal draufklettert, weil es so verlockend ist, bevor jemand aus dem haus das verbietet. das schnelle motorboot haben sie schon ein paar jahre, dieses jahr sind zwei scooter und ein surfbrett mit motor dazugekommen, die alle mit höchstgeschwindigkeit in größtmöglicher küstennähe betrieben werden, in einem wirklich irrsinnigen tempo ziehen sie enge, schnelle kreisel umeinander, sehr nah an den schwimmern entlang. wir strandnutzer beobachten das in so einer ungläubigen und leicht genervten faszination und spenden beifall, wenn mal einer ins wasser fällt. sie verstoßen gegen ein paar gesetze und wurden schon angezeigt, haben ihre strafe bezahlt und dann einfach weitergemacht. erstaunlich ist vor allem, wie laut sie ihren spass haben müssen, der lärm ist erheblich. sie tun halt, worauf sie lust haben, für jede metaebene ist da weder zeit noch raum.

meine gäste (ein zwilling mit zwei freunden) haben auch neues spielzeug bekommen, ein gummikanu für 2 personen, sie pumpen es gemeinsam auf, losen, wer zuerst dran kommt und paddeln dann 3km weit, bis zum kloster santa caterina del sasso, während einer hinterherschwimmt, und wieder zurück. sie sind abends sehr hungrig, sehr müde, haben einen kleinen sonnenstich und planen, heute bis zu den felsen hinter dem kloster zu kommen, von wo man prima ins wasser springen kann. sie plaudern über wirtschaft, pop und die neue staffel house of cards, und zeigen bilder von den pyrenäen, wo sie zwei wochen lang mit zelt und rucksack wandern waren.

heute auf dem liegestuhl hab ich mir versucht vorzustellen, wie die kinder des berliners das restjahr über anständige, ehrenamtlich tätige und konzentriert arbeitende junge leute sind, aber es war deutlich einfacher, sie nach ihrem verhalten zu beurteilen. wenn die berliner nicht da sind, genießen alle die ruhe.

armyscheiß

ein paar jahrzehnte lang gab es einen großen armeeshop an der ecke, vollgestopft bis auf die straße, aus dem es intensiv nach naftalin und männerumkleide roch, der besitzer verlangte einen euro eintritt, stand oft im unterhemd vorm laden und trug mit seinem ungeduschtsein zur atmo bei, ein paar warzen in der verlaufsbahn der achselschweißes an die luft haltend. sogar der hund wollte die straßenseite wechseln. die jungs haben dort mal einen seesack gekauft, aus dem sie nach zweimaliger 90° wäsche den schimmel nicht rausbekommen haben. nach langer renovierung hat dort jetzt so eine gemeinschaftspraxis für ausgerechnet zahnärzte geöffnet, sehr auf edel, schön und gut gepimpt, motto: ihr geld für unser wohl. ihre tür steht immer offen, und wenn man dran vorbeiläuft, wird klar, warum: der alte mief kommt noch immer unverändert aus den räumen; schweiß, schimmel und mottenkugeln. kleine schadenfreude.

kw 27

den neuen soth mehr als sammlerin gekauft, die geschichte zum bild ist besser als das foto. mochte auch bei den früheren veröffentlichungen die texte immer sehr, eine kongeniale beziehung. das bild wird hier zur illustration der geschichte, es sind keine gleichwertigen partner. das foto brauchte drei tage von new york bis berlin, genau wie die vier platten, die ich zur unterstützung von tzadik records gekauft habe, das ist mir zu schnell.

dort spielt greg cohen den bass, mit dem ich schon mal ein paar worte gewechselt habe, womit ich damals meinen gitarrenlehrer beeindrucken konnte. jetzt muss ich nur noch den plattenspieler wieder in gang bekommen. (plattenkauf, so ein quatsch.)

mitte juli endet mein arbeitsvertrag, ich bekomme ab september einen neuen, bin aber die ganze zeit als plan und idee unterwegs, nicht wirklich fest gebunden, den pragmatismus am bein wie eine boje. freue mich sehr darauf, im sommer ein paar wochen lang zeit zum denken und herumleben zu haben.

werde die zwillis im sommer allein in der wohnung lassen und hoffe, dass sie aufräumen, zumindest, bevor ich zurückkomme. so wenig grundlegendes in der wohnung getan in den letzten monaten, wie ich immer sinnvolle plätze finden will für bücher und schränke und blumenpötte und geschirr und was sonst noch so über ist, sich dann alles einfach nur ansammelt, bis ich es entnervt wegwerfe. mag das entwertende daran nicht – als hätten die dinge irgendeine bedeutung außer dem wert, den ich ihnen beimesse. ich mag ja dinge, sie haben eine freundliche und stabilisierende wirkung auf mich, aber ohne system und struktur aka gestaltungswillen i.w.s. verlieren sie ihre eigenheit.

william mc carthy

mal wieder auf ein konzert, von mir unbekanntem singer-songwriter. wurde netterweise mitgenommen, in ein altes wunderschönes kino gleich hinter der brotfabrik (nicht schokoladen, sorry), in pankow, mit ungestrichenen wänden und nicht so toller anlage, aber sehr charmanter crew und toller bar. es gibt bier bier für 2,50€.

im publikum lauter fans, einer mit konzertshirt von den augustines, zu denen mccarthy als gitarrist mal gehört hat, ein energumeno, er füllt bühne und raum allein mit einer kleinen gitarre und sonst nichts. es klingt wie ein einziger song, mit auf und abs, geschmetterten refrains, das publikum singt mit, leider konnten wir keinen text verstehen, werde es aber nachlesen. es sind songs für eine band und große bühnen, sie brauchen alle kraft und den ganzen körper beim singen, haben dabei eine magische leichtigkeit und viele feine schöne linien. starke musik, im sinn von kräftiger musik, lauter musik, genau so gemeinten texten, die ich nachlesen werde! weiß noch nicht, ob die songs auch ohne raum und fans und lautstärke tragfähig bleiben, zum mitsingen sind sie aber unbedingt.

der schiere willen, den ganzen raum zu füllen mit seiner stimme, er holt uns dazu, wir sollen dabei sein, und freut sich, als ein paar junge frauen ausgelassen herum tanzen vorne an der bühne. bei einem song stöpselt er die gitarre aus, läuft ins publikum, steigt auf einen tisch und singt von da, man konnte seine perfekten zähne sehen und wurde mitgerissen und abgeholt von wo auch immer. viele zugaben, er hat das publikum aus den stühlen bekommen an einem arschkalten berliner maitag, das schafft nicht jeder.

bin zwar mehr beeindruckt als begeistert, das kann aber auch an meiner großen müdigkeit gestern liegen, ich war froh, einen sitzplatz zu haben und einen tisch unter meinem bier. oder werde ich alt? egal. mehr konzerte sollten möglich sein.

kw 14

das prenzlauer berger frühlingsoutfit ist schwarz, eng, geschminkt, also vor den wichtigen cafes. ich trage farben und bin damit unsichtbar in diesem kontext, mit dem ich sonst nix zu tun haben muss, und das ist  wieder berlin, wo jeder tut was er kann.

38h sind zuviel für mich, merke ich diese woche, bin dauernd hinterher. ich brauche freiraum in meinem alltag, leere stunden, die ich nebenbei füllen kann, ohne plan und absicht, miteinander mit meinen jungs und emma. pläne sind eine ebene drauf, aus der nix mehr wachsen kann, kein quatsch zumindest, keine zufälligen sätze, nix freies. alle energie im alltag gebunden, sono al verde, wie man in italien sagt, wenn die kerzen fast leer sind (sehe grad, es gibt viele theorien zur etymologie dieser wendung). dazu kaum zeit für den von claudine übergebenen feinen lievito madre, er ist ein luxus, um den herum ich meinen alltag organisieren muss, mit früher aufstehen et. al.

mein vertretungsjob macht ziemlich glücklich, aber das genügt nicht, ich verdiene damit nicht genug für eine putzfrau, schon gar nicht fürs studium der jungs. drücken sie mir also weiterhin die daumen für irgendwas ab mindestens durchschnittslohn.

 

 

frauentag und oper

zum frauentag auf die strasse gewollt, im letzten moment wegen erkältung + regen doch nicht, stattdessen mit den freundinnen ins suicide sue gegangen. dort haben wir uns unsere geschichten erzählt und die unserer eltern, der älteste vater wurde 1918 geboren – es ist meistens ein bisschen von allem, persönlichkeit und gesellschaft im mix. mich hat erschreckt, wie sehr unsere lebenswege noch als um die 50jährige davon abhängen, ob die mütter und väter an uns geglaubt haben, ob sie interesse an uns hatten, und wie fest vermittlung und ausmaß ihrer zuwendung ans frauenbild der zeit gekoppelt sind.

danach zu spät für die oper umgezogen, ohne plan etwas zu unaufgeregtes angezogen, mit stiefeln!, zuviel codein genommen, zur staatsoper geradelt, die neue zauberflöte mit muttern gucken. blutzucker durcheinander, traubenzucker in der garderobe abgegeben, nur noch paar minuten zeit, krame in der tasche nach etwas passendem, esse hustenbonbons und eine eklige käsebrezel, die pumpe rutscht aus dem bh und durch den rock, schiebe sie wieder hoch, sie gerät ins rockfutter, schiebe sie wieder runter, stehe dann auf und bringe sie stehend vom rocksaum zum rockbund und durchs oberteil, setze mich wieder, beide handys fallen auf den boden, und die hustenbonbons. mit einem längeren kathederschlauch hätte ich die pumpe im stiefel lassen können! next time, beim auspacken der hustenbonbons habe ich das kathederende in der hand, hab die dämlichen sure-t-katheder nicht mehr mit klebeband gesichert, also klamotten hoch, stöpsel drauf, beschließen, die runtergefallenen ausgepackten hustenbonbons nicht mehr zu essen, aber sie aufgesammelt, dabei ist ein handy nochmal unter den sitz … dann lehne ich mich zurück, beruhige meine dauernd zu laut „was ist denn, geht es dir gut?“ fragende mutter und vertraue auf die musik, um den abend zu retten.

die inszenierung war bunt und albern, einen tick zu, hat fast von der musik abgelenkt, marionetten und brüste und akrobatik, die idee wunderbar konsequent ausgeführt, es war einfach alles erlaubt, was zum konzept gepasst hat, freie bahn für phantasten. für mich gestern perfekt, weil so leicht zu verstehen. meine mutter war begeistert. bei mir ist die musik erst bei den duetten richtig angekommen. eine frau am pult, alondra de la parra.

die zeichnungen im bühnenbild waren mir zu deutlich skizzenhaft, das hat mich gestört im ggs zu den playmo-figuren, den saint-phalle-figuren etc., die sind halt einfach ein in sich abgeschlossenes designprojekt. waren aber auch nur am anfang zu sehen, so what, aber sie haben mich geärgert, weil zu einfach, als seien solche zeichnungen halt immer einfach, als sei damit alles getan. vielleicht ist dem bühnenbildner die zeit ausgegangen?

musste bei der bühnenzeichnung an gaiman denken, an die im sandman-buch mitabgebildetetn doodles von gaiman zum pitch beim verleger, vielleicht ist mir aber auch was entgangen.

habe die absolute-bände vom sandman neu gelesen, grad eine schöne exkursion, zum ersten mal findet ein buch den direkten weg in meine träume, jeden morgen erinnere ich mich an etwas, am morgen nach der ersten lektüre ein sehr originelles und nie gesehenes traumbild, eine hokusai-welle mit riesigen, darüber stürmenden, perfekten  ozeanwasserkugeln in allen blauschattierungen, fluten in der luft, ich mit familie im auto auf der uferstrasse, voller bewunderung fürs bild. das buch ist direkt mit meinen nerven verknüpft, und bisher bleibt jeden abend noch etwas übrig für den nächsten tag. das wird halten.

 

„der markt ist“ –

sehr angenehme sofortige relativierung des verlustes, wenn man bücher zu bassenge bringt. der stapel erscheint klein auf der riesigen arbeitsplatte im erdgeschoss der villa, es sind nur ein paar bücher, die unter vielen hunderten anderer bücher zur versteigerung kommen werden, eventuell sogar am 18. geburtstag der zwillinge. möge das datum ein gutes omen sein.

auf dem rückweg noch versucht, die beiden lams in der zweiten niederlassung loszuwerden, in der hoffnung, die ausstellung in london hätte das interesse etwas nach oben bewegt, aber schnecks ansicht wurde bestätigt. immerhin habe ich einen keks bekommen.

die beziehung zwischen dem persönlichen- und dem marktwert ist bei nicht professionellen sammlern wie mir eher projektiv als proportional, was ja keinen stört, solang man dem markt fernbleibt. bisschen wie social media.

solche arbeitsplätze erwecken jedenfalls ein gewisses bedauern, was den eigenen werdegang betrifft. sehr schöne orte, so auf den ersten blick.

t1day 2019

heute war mein erster t1day, ein treffen von lauter diabetikern, mit industrie, ärzten und forschern, das war besonders. ich fühle mich mit meiner looperei immer wie mitten im strom, weil die comunity da so lebendig ist, dabei sind wir insgesamt nur um die 3000 leute (bei allein in d 300.000 typ einsern), auf dem treffem sind mir also überdurchschnittlich viele begegnet. die automatisierung der insulingaben ist auf jeden fall der königsweg in der therapie, ich habe von verschiedenen projekten gehört, wo pumpenfirmen mit cgm (continuos glucose monitoring)-systemen zusammenkommen wollen, um etwas auf den markt zu bringen, aber es war alles eher gerüchteweise und irgendwann und eventuell, außerdem kamen die stories darüber alle von den nutzern, die pharmastände auf dem t1day haben nur die vorhandenen systeme präsentiert. medtronic, einer der größten pumpenhersteller, hat mit der aktuellen 640g immerhin ein system mit notab- und anschaltung auf dem markt, es reagiert dabei schon auf den sinkenden blutzucker, nicht erst auf einen zu niedrigen wert. ohne den zugriff auf die basalrate bleibt das feuerwehr, und wird niemals echten brandschutz liefern können. na, ich such noch ein besseres bild.

die alarmsysteme scheinen inzwischen standart zu sein, also cgms mit warnung bei zu hoch oder zu niedrig, das neue eversense (ein winziger stick, der unter die haut eingepflanzt wird, wie der chip bei hunden, im idealfall 3 monate hält, und über ein draufgeklebtes flaches kleines lesegerät ausgelesen wird) vibriert dabei direkt auf der haut, beim dexcom und beim aktualisierten libre 2 melden sich wohl die lesegeräte oder apps. der neue libre lässt sich leider nicht mehr mit dem pancreas-algorithmus verbinden, da war ich richtig beleidigt, dass so ein tolles system schon nach so kurzer zeit grundlegend verändert wird, jetzt hab ich da 50 jahre drauf gewartet, und darf dann nur so kurz? pff. – aber der mitarbeiter hat erzählt, dass sie grad pro [zeitraum vergessen] mehrere hundertausend neue nutzer bekommen, da sind die paar bastler einfach kein faktor. finde ich trotzdem doof, muss dann wohl zum dexcom wechseln, ein zwar recht schickes, aber viiiiel teureres und aufwändigeres system. zahlt hoffentlich die kasse, aber der unterschied macht mir zu schaffen: 120 kostet der libre pro monat, 370 der dexcom. das dreifache. der eversense ist zu neu auf dem markt, den sollen erstmal andere versuchen.

ein thema des tages war die telemedizin, also die verbindung von elektronisch verfügbaren patientendaten mit übers netz erreichbaren medizinischen ansprechpartnern, wobei die ärztin (simone von sengbusch mit ihrer virtuellen ambulanz) sich den hinweis auf die fehlende netzanbindung in großen teilen des landes nicht verkneifen konnte – damit steht und fällt das ja alles. in holland jedenfalls funktioniert telemedizin super. die zweite große session hat sich mit den diy-technologien befasst, unter anderem mit einem sehr lustigen vortrag des juristen jan twachtmann zu dem, was ärzte und patienten dürfen und was nicht. ärzte dürfen wohl die looperei nicht empfehlen, können aber ihre patienten weiterhin begleiten, wenn sie loopen, auch die kassen zahlen weiterhin, weil der patient sich selber helfen will, und weil sie müssen. auch dr. kurt rinnert (pdf) hat seine erfahrungen zum thema beruf und diabetes sehr kurzweilig und fundiert vorgertragen, ted-reif. den dritten vortrag der session hab ich irgendwie verpasst, weil ich mir die firmenstände zu lang angeschaut habe, schade. da hat die sehr tolle und vielseitig engagierte dr. katarina braune gesprochen, zusammen mit andreas thomas von medtronic und bernd kulzer vom diabetes-zentrum bad mergentheim – ach nee, den vortrag habe ich ja doch gesehen, fällt mir grad ein, nicht erinnert heut nacht, es waren eher drei sichtweisen auf  den stand der dinge bei den diy-technomixen. wenn ich falsch erinnere, gerne kommentieren.

leider bin ich auch ins camp zum thema diy-sachen nicht reingekommen, weil zu voll. dann gab es ein camp zu beruf und sicherheit und eins zur teilnahme an medizinischen studien, von denen es sehr viel mehr als erwartet gibt, anlass zur hoffnung. zur zeit starten wohl studien, die sich mit den ergebnissen des closed loop beschäftigen, bisher läuft eine umfrage.

interessant war eine session, wo ein paar zahlen gezeigt wurden, anhand von cgm-daten aus vielen ländern (einige milliarden daten) wurde für deutschland ein durchschnittsblutzucker von 169 errechnet. meiner ist grad 110, das fühlt sich gut an, was immer das jetzt genau heißen mag. den höchsten wochenwert misst man am sonntag um 12 (stimmte zumindest heute, mir war da was durcheinandergeraten), der beste tag im jahr ist der 28. september, der schlimmste der 1. januar. die länder mit der geringsten datensicherheit haben dabei natürlich die umfangreichsten datensätze, china sammelt wie ein weltmeister und weiß sehr viel von seinen diabetikern.

hatte das gute gefühl,  die beste verfügbare therapie einzusetzen, hab die paar gespräche mit loopern genossen, fand die camps ein bisschen zu groß. es ist alles sehr in bewegung gekommen, seit den neuen messystemen und -technologien, die geschwindigkeit nimmt da weiter zu und bleibt atemberaubend im vergleich zu den jahrzehnten davor. es ist wirklich aufregend und befreiend, dass bei so einer alten krankeit mit ein paar frischen ideen und neuer technologie so viel möglich wird.

gemerkt, dass sich der fokus von der hardware auf die software verschoben hat, nachdem von der industrie die wirklich genialen neuen meßsysteme auf den markt gebracht wurden, damit vom konzern, der die mittel für forschung und studien aufweisen kann, hin zur gruppe von genies, die mit open source und hirnschmalz sensationelles erreicht haben. einige meiner helden waren dort, hab sie leider nicht kennengelernt, developer und coder als brücke zwischen vorhandener hardware mit ihren proprietär geschlossenen systemen (mit ausnahme der dana-pumpen) und der bestmöglichen therapie, besonders im vergleich mit allen anderen tollen ideen, die wie immer noch tief im urschleim lange nicht marktreif sind (z.bsp. bionics oder der biochemische weg). we are not waiting.

 

schöne party am samstag, diese geburtstage, wo ich seit jahren immer dieselben gäste sehe, so dass sich seltsame wurmlochfreundschaften entwickelt haben, weil man sofort an ein jahr alte gespräche anknüpfen kann. ein comicbuch des gastgebers gewonnen, als ich ein rätsel lösen konnte. zu spät ins bett, obwohl ich knapp vorm tanzen rausgekommen bin, aber es war schon nach ein uhr.

wut

besuch in der villa liebermann zur ausstellung, über eine stunde wartezeit, kaffee mit schlechtem kuchen, großartiges ambiente mit blick auf den wannsee, großen räumen, kaminen. in der schlange zur kaffeetheke mache ich dauernd genervte kommentare, schon fast giftige, ein bisschen zu laut für ganz leise. davidzwilling gleicht aus, lenkt ab, versucht, meine laune zu heben, das alarmiert mich ziemlich, habe ich doch einen ganzen dunklen see an erinnerungen daran, wie ich die launen meines vaters und die stimmung meiner mutter versuche vorherzusehen und ihnen ausgleichend zuvorzukommen, von mir ist nichts übriggeblieben in diesen momenten, ich war nur noch reaktion. kann den fokus, den zündfunken meiner wut am sonntag nicht ausmachen, sie richtet sich scheinbar gegen das museum, gegen die ganze wohlerzogene gelassenheit im umgang mit der wartezeit, ich bin voller wut gegen den sichtbaren reichtum der anderen museumsbesucher, ihre zurückhaltung, ihr leises geplauder über kulturelle dinge. ich bin sogar wütend auf die großkalibrigen automobile, mit denen sie anreisen, die damen schmal und stilisiert – nein, einfach mit lebenslangem selbstverständnis gut gekleidet. ich bin wütend auf das eine paar, vater und sohn, freundlich im umgang miteinander, ohne die kleinste geste des missmuts über den lauf der dinge, ihrer zufriedenheit mit sich selber gar nicht mehr bewußt, sie nie hinterfragend. ich fühle mich auffällig anders, war seit einem halben jahr nicht mehr beim friseur und man sieht es, graue schläfen, rausgewachsener schnitt, fühle mich schon durch aufmachung nicht dazugehörig und nehme den wohlstand der anderen als filzwand war, die jede energie von außen beim einschlag vernichtet (das war jetzt eine merkwürdige formulierung), und von innen hört man nichts. meine mutter passt da hin, zumindest äußerlich, ich würde es gerne, und weiß weder warum, noch warum der verlust so akut ist. erst jetzt fällt das so starke bild von den beiden ab, sie sind eben eine familie, die am sonntag ins museum geht, keine repräsentanten einer utopie.

einen tag später fallen die puzzlestücke zueinander. schon in der villa hatte ich thomas mann im kopf, die liebe meines vaters für autor und texte, das großbürgerliche als bewußte lebensform und ambiente, es war die selbstverständliche bildung, die ihn anzog, glaube ich, bildung als garant für ein zivilisiertes miteinander, seine wahlfamilie, als abstand zu allen anderen bei gleichzeitiger wahrnehmung aller anderen durch den blick des künstlers, das wollte er zeitlebens sein, ein schon immer dazugehöriger, und war es nie, als von der mutter erst zugunsten eines ewigen nazis verlassener, später nach rom nachgeholter hochintelligenter junger mann. sein leben war wie der letzte satz grade, immer die eigenschaften vorneweg, die kann man sich aussuchen und anerziehen, das subjekt im schatten hinterhergezogen, es bleibt verborgen und gehört nie ganz dazu, wird nicht gesehen. er hat sich ein leben ausgesucht und es gelebt, kultur, karriere, literatur, wohlstand, mit voller wucht, und es hat nie gereicht. er ist nie ganz weggekommen von der frühen verlorenheit, vielleicht hat ihn das so wütend gemacht, in der wut war alles andere egal, seine kinder, seine erfolge, da war er ein junge, der trotz der prügelstrafen von vater und stiefvater wütend war und blieb. ich habe am sonntag diese wut gelebt, als einen gleißenden kern, der die öffentlichkeit nicht scheut, und konnte sie vollkommen verstehen. es fühlte sich richtig an.

(huch. ich wollte ganz was anderes schreiben.)

schöner wohnen

ob ich meine wohnung airbnb-tauglich machen kann? werde vieles entpersonalisieren müssen, das organisch und meistens eher entropisch gewachsene neutralisieren, also viel kram aussortieren. denke, es ist nicht so leicht, sich in wohnungen von fremden wohlzufühlen, wenn die so biografisch geprägt sind, voller geschichten stecken, wirklich schöne und konsistente einrichtung geht ja nur mit engagement und/oder geld, mit einem gleichgewicht zwischen entscheidungen für möbel und für objekte. design als eine art firewall vor der individuellen realität, als entscheidung, die zum privaten klar in einer beziehung steckt, es überschreibt, unterwandert, betont oder ersetzt, wie kleidung den körper. bei den meisten leuten: dem privaten vorausgeht, alltag und familie füllen später sowieso alle lücken auf.  die alternative wäre kargheit, reduktion, weiße wände, nehme ich auch meist als schiss vor der entblößung wahr, oder die pflege der wohnung als gestalteten raum, den es zu beschützen gilt vor dem chaos des alltags. wohnungen mit einem vollständig durchgeplanten aussehen fühlen sich falsch an, tot, die kontrolle als lebensmaxime.

wohnungen voller bücher kann man sowieso nicht richtig einrichten, es stehen einfach überall regale herum. sobald die bücher zu stapeln werden, hat man ein bisschen die kontrolle verloren. im idealfall sollte platz genug sein für ein paar wände ohne bücher, diese großen altberliner oder stadtpalais-wohnungen, zeichen für erfolg, anders als bei  leuten wie mir, wo auf jede horizontale fläche immer noch was draufgelegt werden kann.

bücherwände bis zur decke, mit leiter, gegenüber dann der blick ins grüne durch bodentiefe fenster. am leichtesten geht einrichtung, wenn die nächste wohnung größer wird als die jetzige, wenn es leere zu gestalten gilt statt fülle zu strukturieren.

oder der magnetismus von zeug. liegt ein teil herum, kommt das nächste hinterher, in so einem sicherheitsabstand, bis der staub sich darauf ablegt, dann ist es nicht mehr eins, sondern verschwindet als teil der unordnung.

c/o

vielleicht bleibt viel mehr so wie es war, nur der weg an die oberfläche wird länger, jeden tag ein stückchen. die sensorischen wege von der menge an bekannten und unbekannten leuten zu einem gesicht, dass ich sehen kann, sehen-nichtsehen, das war nett, aber es war hauptsächlich nichtsehen. wir alle drumrum ein paar jahrzehnte älter geworden, die brüche sind verarbeitet, die brüchigkeit haben wir im griff, eine müßige differenz. meine ist mir noch im weg. müde und nüchtern nach hause. (parties)