23. märz

es ist so still.

diese texte über covid-19 sind wahrscheinlich das erste mal in 20 jahren interessant, oder bei der nächsten pandemie. ich habe schon einmal an einem jahrhundertereignis teilgenommen, aber anders als beim mauerfall springt der impuls zur dokumentation jeden an, der irgendein soziales medium nutzt. mir hilft das über die unruhe, es geht allen so, jeder spricht darüber. meine erinnerung an den mauerfall hat etwas ganz privates, meine eigenen bilder sind grundlegend anders als die aller anderen, sie sind nicht symbolisch oder repräsentativ, sie sind zufällig, erlebt und nicht gesucht. ob sich die bedeutung so einer geschichte für die biographie verändert, wenn alle ähnliche bilder damit verbinden? sind die bilder stärker als die erfahrungen, geht etwas verloren oder kommt was dazu? es wird eine unwucht in richtung bilder vs erlebnisse geben, wenn die blogs und reportagen nicht gelesen werden, ein grund mehr, auch banales aufzuschreiben. vielleicht reichen ja auch memes.

bei all der digitalen gemeinschaft vergesse ich zur zeit fast, mein alleinsein und die ruhe zu genießen, dabei bin ich sehr gern allein. die jungs halten ihre zimmertüren geschlossen, wir sehen uns beim essen, und wenn es etwas zu sagen gibt. also netz aus, buch und musik an.

heute, am ersten tag der anders genannten ausgangsperre, ist die ruhe viel deutlicher. man hört gar nichts mehr. auf der strasse waren am wochenende noch relativ viele passanten unterwegs, nur sehr wenige mit maske, die meisten hielten weniger als anderthalb meter abstand, beim bäcker gehen die leute dicht an mir vorbei durch die tür, ohne hochzuschauen, auch auf der strasse lässt sich fast niemand zu einem ausweichen hinreißen, weiche ich also selber aus. ich glaube, es geschieht selten aus einer entscheidung heraus, häufiger aus so einer art trägheit, einem beharren im normalen, es gibt noch keinen schutzreflex.

ich bin ein bisschen erkältet, habe zue ohren und einen kleinen frosch im hals, war bis vor einer woche in einem umfeld mit der höchsten erkältungsdichte überhaupt beschäftigt, einem kindergarten. der eine zwilling mit allergien und asthma hustet gelegentlich, einerseits ist es die jahreszeit dafür, andererseits hat ein kumpel gestern von einem coronafall in der familie berichtet, die beiden haben sich vor einer woche in einer größeren gruppe unter freiem himmel mit ellbogenstups begrüßt, trotzdem gab es natürlich eine gewisse nähe. es ist der zweite fall in der familie, der große hatte ja auch schon einen eventuellen kontakt, immerhin wird die quarantäne in dieser zweiten woche leichtfallen, weil alle mitmachen. in der ersten woche hatten wir keine, weil wir nichts von der infektion wussten, haben aber abstand gehalten, hände gewaschen und sind nicht ausgegangen, auch die söhne nicht. ohne die jetzt verordnete strikte isolation ist das virus unter jungen menschen nicht aufzuhalten.

wäre aufregend, wenn auch der gemeine schnupfen verschwinden würde.

bis auf bisschen gemüse für die hühnersuppe, und frischem obst, muss ich diese woche nix einkaufen, habe vor, dafür eine maske aufzusetzen. bin mir relativ sicher, dass wir bald alle eine tragen werden, wir haben zuhause noch irgendwo ein paar einzelne ffp3-dinger aus einer alten bestellung, ich könnte aber noch welche nähen, baumwolle und küchenhandtücher sind ein guter ersatz, wie es scheint. eine firma näht masken in diese schlauchschals, die über mund und nase hochgezogen werden, alle ausverkauft, das kann man sicher auch selber machen, ähnliche schals gibt es für wenige euros online, sie sind ein bisschen diskreter als die masken, zumindest, solang es noch nicht wärmer wird.

ich warte auf online bestelltes mehl, bei den letzten drei supermarktgängen waren die regale leer, es gab auch online lieferschwierigkeiten, aber heute kam die versandbestätigung. endlich backen! ich verwende das gute caputo-mehl, die mutterhefe überlebt damit schon ein jahr trotz gelegentlicher vernachlässigung.

die angst vor der leeren rolle

erinnere mich an das, was ich über die anale phase gelesen habe: autonomiebestreben des kleinkindes, lustgewinn durch erste kontrolle des körpers, manchmal ins autoritäre kippelnde sauberkeitskontrolle durch die eltern.

wir wollen und wir könnten, weil das system grade runterfährt, aber wir dürfen nicht, weil dann vielleicht etwas schlimmes passiert. die bürgerliche ordnung mit ihren regeln und dem sich fügen ist so fest in der psyche verankert, und die bedrohung reicht so tief ins subjekt, da wird auf frühkindliche erfahrungen zurückgegriffen. klopapier vermittelt vielleicht ein tiefliegendes sicherheitsgefühl, haben doch die eltern damit schützende grenzen vor die anarchie des kleinkindes gesetzt, die symbolische ordnung wird aufrechterhalten, und je größer die bedrohung, desto mehr klopapier.

irgendwo gelesen, dass in frankreich kondome und rotwein knapp werden, ein umgang mit revolutionären zeiten, der mir wesentlich unterhaltsamer scheint.

20. märz

gestern vormittag bei obi mit g. nur einzeln reingelassen worden, immer nur ein familienmitglied. sie haben zwischen kasse und kunden trennwände gebaut, große klare plastikscheiben auf einem gerüst aus holzlatten, sehr baumarkt. die kassiererinnen tragen handschuhe, halten abstand, da trägt jemand fürsorge und kümmert sich im rahmen des möglichen um seine mitarbeiterinnen. beim rausgehen standen bestimmt 20 leute in der schlange. später bei DM bat man auf stelltafeln um rücksicht und abstand, drinnen stand ein wachschutzmensch, aber es war nicht so voll. keine mülltüten, kein klopapier.

nachmittags viel stress mit g.’s flug. er hätte nach kapstadt fliegen sollen, um dort bei einer freundin zu wohnen, die ein praktikum macht, und sich dann das land ein paar wochen anzuschauen. viel zeit und selbstverdientes geld sind in die vorbereitung gegangen, es war eine für ihn sehr wichtige reise, ein freischwimmen auf einem anderen kontinent und in einem anderen meer, weit weg von zuhause. er wollte hin, komme was wolle, hat am samstag erfahren, dass ab dieser woche keine deutschen staatsbürger mehr ins land gelassen werden, wollte den flug erst vorverlegen, um noch hinzukommen, muttern im hintergrund zwar unterstützend, aber auf die trägheit des systems vertrauend. am sonntag schien dann auch sein transit mit umstieg über doha nicht mehr möglich, 14 tage sollen deutsche reisende in quarantäne. trotz der so eindeutigen lage war es in 5 tagen nicht möglich, den flug zu stornieren oder umzubuchen, nur am tag vorher, für einen 0-euro gutschein. da war auf der webseite von qatar der weiterflug von doha nach kapstadt schon gecancelt. qatar verwies beim storno/umbuchungsversuch auf den buchungsservice, opodos webseite war überlastet, ans telefon ging stundenlang niemand. stundenlang. wir haben mails geschickt, aber der flug nach doha ist gestern gestartet, ohne g., der rückflug wurde gestern dann auch noch gecancelt. zum glück ist er nicht mitgeflogen, ob sie ihn mitgenommen hätten ohne aussicht auf ein weiterkommen, meinen 18jährigen? am abend kam eine mail von opodo mit der bitte, sich in doha an das deutsche reisebüro zu wenden.

g. ist wohl unfreiwillig zum no show geworden, keine ahnung, ob er von seinen 700€ etwas wiedersehen wird. die extra bei der allianz abgeschlossene reiserücktrittsversicherung verweigert corona-ersatz, alle beteiligten firmen (qatar, opodo, allianz) scheinen ausschließlich aufs eigene wohl bedacht und unfähig, sich der neuen lage anzupassen. lektion gelernt.

in den paar schönen tagen seit dem wochenende hat sich mein bücherstapel ordentlich reduziert, auch der karton mit den italienischen büchern ist leer geworden. jetzt kippt das wetter leider, g.-zwilling hat seinen reisefrust ins aufräumen gesteckt, sein zimmer zweimal komplett umgeräumt und dabei ebenfalls stapelweise büchern aussortiert, die jetzt auch alle auf dem flur stehen und arg nach etwas unfertigem aussehen. heute hat sich d.-zwilling anstecken lassen. die wohnung wird super aussehen nach dem rückzug ins private. die schulbücher könnte ich vielleicht weiterverkaufen, ein paar neue auch, aber den rest können wir, falls tatsächlich eine ausgangsperre kommt, im prinzip wieder einsortieren.

18.

leerer tag. frühmorgens die freude, dass der große negativ getestet wurde, er war in kontakt mit jemandem, der in quarantäne war, und hatte husten. in trier ist es wohl einfacher, sich testen zu lassen, er hat telefonisch bei der hausärztin um eine überweisung gebeten, die wurde an die drive-in-teststelle gefaxt, er ist hin, das fax war nicht angekommen, ist er wieder zurück zur ärztin und hat durch eine freundin die überweisung abgeholt. in der garage hat dann nach kurzer wartezeit jemand in schutzkleidung den abstrich gemacht, „aber die autoschlange war lang“, heute früh kurz nach sieben hat die praxis telefonisch entwarnung gegeben. die familie informiert, balkon gemacht, aufgeräumt, hund ausgeführt, keinen zugang gefunden zu was auch immer.

viele nachrichten geschrieben und gelesen, viel telefoniert, lauter alte freunde gehört, das war sehr schön. mit den zwillis diskutiert, grade zusammen gegessen. mein zeitgefühl ist noch nicht justiert, sonst ist sowas wie wochenende oder mittwoch mit abläufen gefüllt, die bis in die tieferen gefühlsschichten gehen, dort nerven oder freuen, erkennbar und planbar sind. jetzt ist es ein bisschen wie schiffbrüchig auf einer insel, oder ein traum vom spiegeluniversum, alles still mit winzigen leblosen bösewichtern. heut waren zum ersten mal alle läden zu, aber ich habe nichts mitbekommen. will eigentlich noch einen blumentopf kaufen. die strassen waren bei den hunderunden relativ voll, vor der apotheke standen die leute in anderthalb meter-abständen in der schlange, beim vietnamesen war es aber eng wie immer.

17. märz 20

erster tag zuhause, noch voll im hamsterrad-modus, bisher kaum freude über die freie zeit, ich habe schwierigkeiten mit meinem sonderstatus „risiko“ aufgrund von diabetes. ich brauche zwar gelegentliche kurze auszeiten während der arbeit bei hypos, bin deswegen aber nie tagelang ausgefallen. in den letzten monaten habe ich versucht, den diabetes sichtbarer zu machen, habe von schwankungen geredet, bolus-entscheidungen erwähnt, gesagt, dass ich die nudeln lieber nicht esse, weil mein wert grad nicht optimal steuerbar ist. seitdem ich loope, sind hunderte von diabetikern in mein leben getreten, es hat mir gut getan, nicht mehr allein damit zu sein. ich war nie krankgeschrieben wg diabetes, vom typ her habe ich da auch einen stolz entwickelt, in allem gesund zu sein.

den ganzen tag durch die leere stadt gesaust, es gab noch eine terminsache zu erledigen. hektisch bis in den abend. die realität hat mich noch nicht wieder, ich habe noch keinen zugang gefunden zur neuen situation, es bleibt sehr befremdlich, ich kann ja auf keine erfahrungen zurückgreifen, jedes wiedererkennen (sonntagsruhe) führt in die irre. es wird ein paar tage dauern, bis ich ein neues normal erreicht habe. im umkreis gehen die gefühle weit auseinander, von panik zu spott, ich bin pragmatikerin und ändere einfach mein verhalten wie angefordert. bin allerdings lebensgefahr und sehr konkrete angst um meine zukunft gewöhnt, corona ist da nur ein weiteres zusatzrisiko, wie bei dem diabeteskram tue ich, was ich kann, um die folgen zu vermeiden, und weiß doch um die grenzen meiner bemühungen. zufall, genetik und die umstände sind nicht steuerbar.

a bis z

in den letzten wochen habe ich meine bücher sortiert, nach alphabet, dabei alle doppelten reihen und stapel mit eingenordet. es war mühsam und hat lange gedauert, das aussortieren ging mit der zeit leichter, ich hab gemerkt, dass ich ein kind meiner zeit bin und eher auf neuere als auf ältere autoren verzichte, wenn ich mich weder an den/die autor/in noch an den inhalt erinnere, hab ich das buch rausgenommen. es sind sehr viele geworden, sie liegen im flur gestapelt, ich darf sie nicht wieder anschauen, bis ich einen abnehmer finde, will aber auch nicht drüberfallen, das wird also eine herausforderung.

beim bücher räumen bilder im kopf, wie die wohnung irgendwann einmal einem entrümpler überantwortet werden wird, für den all das nur gewicht und aufwand ist, oder meinen kindern, die auch nur ein paar autoren davon kennen und wenig behalten werden, vermutlich, wer weiß schon, wie sie sich entwickeln. wir leben in der gegenwart, für die gegenwart. sentimental geworden, den klardenkenden d.-zwilling in ein gespräch ziehen wollen über die vergänglichkeit, aber er hat mich gleich wieder auf den weg gesetzt („entscheide einfach, wieviel platz du brauchst“).

hinter einem zugestellten bild ein din a3 – großes fotobuch entdeckt, dream house von gregory crawson, auf den bildern lauter interieurs mit menschen drin, die menschen sind schauspieler wie tilda swinton oder william h. macy. auf jedem bild scheint gerade etwas passiert zu sein, oder wird gleich passieren, aber wir wissen nicht, was es ist. der blick darauf wirkt voyeurhaft, sie haben spannung, wirken wie filmstills, mitten aus einem geschehen heraus. in keinem der zimmer stehen bücher. gedacht, dass bei mir die bücher die geschichten erzählen, hunderte, andauernd, und keine ist ein geheimnis, keine erlangt bedeutung durch mein unwissen über das, was war oder sein wird. ich muss sie nur öffnen und weiterblättern.

kw 6

seit zwei wochen krank, zur arbeit wegen dramatischer personalsituation. jetzt total kaputt, familie, haushalt und hund sind kaum zu managen. g.-zwilling fährt ab montag mit interrail durch europa und besucht seine freunde, die auf fsj oder jobs dort sind. die kids wollten damals keine sozialen jahre oder ähnliches und werfen mir ein bisschen vor, dass ich es nicht einfach für sie organisiert habe. mir ist die eigeninitiative wirklich wichtiger, aber das ist natürlich auch eher eine bequeme haltung bei knapp volljährigen. habe allerdings schon so genug zu erledigen. d.-zwilling wird keine große reise machen, er will das auch nicht, vielleicht hätte ich ihn mehr begeistern sollen – es ist nie genug. es ist viel. nie genug.

(edit: was rausgenommen)

ach, erstmal auskurieren, dann wird das alles wieder, und das licht kommt ja auch zurück.

wo sind mit diesem nervigen neuen wordpress-layout denn die kategorien hin? finde ich nicht. mag nicht suchen, muss einkaufen gehen. aufräumen.

dt1 und seine wirren

bisschen auf kriegsfuss mit meinem körper, mein stoffwechsel lässt sich trotz der sehr fein dosierbaren insulingaben durch aaps nicht steuern. er benötigt mal 140%, mal 80% des eingestellten insulins, ohne vorwarnung springt der bedarf oft innerhalb eines tages um. ich brauche trotz des hin-und hers insgesamt nur noch halbsoviel insulin wie vor 2 jahren, was mir wurscht sein könnte, ich lebe ja nicht in den usa.

heute den ganzen tag über 200 gewesen, keine ahnung, warum. insulinbedarf heute auf 140%, inzwischen bin ich wieder unten durch aaps, das mich zum glück jede nacht wieder auf normalnull bringt. ich sollte eine ahnung haben, ich muss korrigieren, es ist frustrierend, immer nur hinterher zu jagen, mit korrekturen, die dann stunden brauchen, oder einfach gar nicht anschlagen, weil wieder irgendein dummes kackhormon in einer etwas anderen dosierung im umlauf ist. wechseljahre bestimmt, oder erhöhter insulinbedarf, weil dochnochmal menstruation, ich werde es merken, hinterher natürlich. oder irgend ein anderes problem, aber meiner ärztin fällt nix ein, sie testet dies und das, „vielleicht ändert sich grade mal wieder alles“, na super, sage ich, und lächle, wie immer. andrerseits hatte ich schon immer einen brittle-diabetes, launisch und spontan. mein anderes auge hat jetzt auch eine kleine netzhautveränderung, bisher war nur auf einem ein bisschen was zu sehen. das auf und ab hat folgen, es fällt mir schwer, das zu vergessen.

ich reagiere täglich anders auf kohlehydrate, essensplanung klappt kaum, mal gebe ich insulin 10 minuten nach dem essen, mal vorher, mal eine halbe oder viertel einheit mehr, mal anderthalb weniger, ob dosierung und zeit gestimmt haben, merke ich immer erst nachher, wenn das essen im blut ist, wenn es also meistens mal wieder nicht so läuft, wie erwartet. habe am anfang der chaoszeit, im letzten jahr, noch alles systematisch durchgetestet, aber erfolge und misserfolge waren fast nie reproduzierbar, also mache ich es jetzt eher nach intuition, die genauso oft funktioniert wie nicht funktioniert, ergebnis also das gleiche wie mit der systematik. habe abgenommen, weil ich versuche, mit sehr viel weniger kohlehydraten auszukommen, und darüber oft das essen einfach vergesse.

die katheder der pumpe machen es auch nicht leichter, gestern hat ein frisch gesetzter einfach kein insulin durchgelassen, es kam mir entgegengeschossen, als ich die verbindung schlauch/nadel gelöst habe, um nach dem rechten zu sehen. die pumpe, die ich nutze, eine dana rs der firma sooil, ist mechanisch auf dem stand der siebziger-achtzigerjahre, hat einen dämlichen luer-eingang mit rechtsgewinde, auf die all die tollen erprobten katheder nicht passen, ich muss also proprietäre des pumpenherstellers nutzen, die nichts taugen. fauche deshalb heute bisschen vor mich hin hier, ein rant, der auch nichts ändern wird.

habe grade meine alte pumpe wieder aus dem schrank geholt und update mein erstes loopgerät, den kleinen intel edison in der ticktackdose, nicht so anwenderfreundlich wie die aaps-app mit ihrer feinen oberfläche im handy, aber dafür nutzbar mit der super angenehmen und nur 15 jahre alten medtronic 722. grad läuft das update übers terminal, so angenehm, wenigstens etwas, dass ich machen und ändern kann.

wobei, sehe ich grade, das update hängt, irgendwas ist „failed“. aber was? heissa, wochenende.

oder einfach, wie jedes jahr gerne, den januar komplett abschaffen.

devise: grrr.

nachtrag: nach all dem frust bin ich auf meine alte pumpe und den vorherigen pancreas-algo ausgewichen, auf dem kleinen edison explorer, einfach, um alles mal versucht zu haben. lief ein paar tage, dann hat das rig den dienst versagt, diverse versuche inclusive neuem flashen und neu aufspielen des programms haben nicht geholfen, der funkchip ist wohl hinüber. habe ich wieder auf die neue pumpe und aaps gewechselt. openaps hat eine großartige funktion für fortgeschrittene user, genannt autotune, da rechnet das programm anhand der werte der letzten tage eine verbesserte basalrate aus und wendet sie an. nichtim verlauf eines tages für je eine halbe stunde veränderten raten, die die eingestellte basalrate um den wert x erhöhen oder erniedrigen, sondern eine grundsätzlich neue. openaps hat mir mit autotune über den tag verteilt insgesamt 2 einheiten zusätzlich errechnet, von ca. 15ie auf ca 17ie täglich, mein stoffwechsel ist damit wesentlich besser eingestellt, die sensitivität hat das programm dabei weiter erhöht, von 130-180 auf 200 (eine einheit insulin senkt meinen blutzucker um 200 mg/dl). diese höheren basalraten habe ich übernommen in aaps, heute und gestern waren die werte stabiler und weniger alpenartig. erstaunlich. kann aber auch sein, dass mein insulinbedarf einfach mal wieder ansteigt, weil irgendwas. jedenfalls, wie immer: try just a little bit …

selber tag, abends: sofort nach dem text ist der wert wieder gestiegen, ohne erkennbaren grund. habe den frisch gesetzten katheder nach 2h ununterbrochenem steigen wieder gewechselt, bei 250mg/dl, er schien vorne verknickt, dämlicher teflon-kath des pumpenherstellers sooil. dann stahlnadel an anderer stelle, danach und seitdem sinkt der spiegel, ist aber erst bei 170 um halb acht. keine kohlehydrate mehr gegessen. sensitivität auf 158%, von 160% heute morgen. vor drei tagen war es 140%, vor einer woche 95. rätsel. jetzt wage ich ein paar scheiben knäcke mit kram, komme was wolle! knäcke, dass ich inzwischen im bett essen kann, ohne krümel in den bh zu bekommen.

 

kirill petrenko beim silvesterkonzert

kirill petrenko hat sein orchester gefunden. ein aufregender abend, mit broadway-musik, die ich zum ersten mal richtig gehört habe, es hat sich angefühlt wie: zum ersten mal überhaupt gehört. mit petrenko klingen gershwin und bernstein komplex und schillernd, grad die bläser und das schlagzeug hatten eine selbstverständliche feinheit und genauigkeit, wie ein puzzlestück, das zum ganzen dazugehört und trotzdem eine eigene, unterscheidbare schönheit hat. ich hab sie wahrgenommen, aber das gilt fürs ganze stück, keine ahnung, wie petrenko das bewerkstelligt, die musik wie besonders scharf gezeichnet. arbeit an den tempi und einsätzen? wie eine dieser bildserien von fraktalen, wo der fokus vom ganzen immer tiefer ins detail saust, und dabei in seiner genauigkeit nicht nachlässt. es ist alles so fein und klar herauspräpariert. das konzert war dabei fröhlich und sehr lebendig, petrenko schwingt die ganze zeit, lächelt, tanzt seine interpretation beim dirigieren vor, als würde er nur zuhören, nicht selber dirigieren. er wirkte fast selbstvergessen. die arbeit hat vorher stattgefunden, er soll als arbeitstier intensiv proben vor den aufführungen, beim konzert sieht es nicht mehr wie arbeit aus, eher wie eine feier der musik. sehr schöner abend. 3 zugaben, x vorhänge, er bedankt sich jedesmal bei den solisten und der sängerin, diana damrau, die als solistin mit den gesamten philarmonikern im hintergrund frei und souverän gesungen hat. es waren wirklich alle auf der bühne, 3 saxophone sind noch dazugekommen, eine junge paukistin mit riesiger trommel, ein vibraphon, pauken, eine harfe, es war alles dabei.

auf die sopranistin hab ich bisschen zuwenig geachtet, saß mit meiner mutter im bereich E, seitwärts vom orchester, mit blick auf den dirigenten, die sängerin hat mehr nach vorne zum publikum gesungen.

ich wusste nicht, was anziehen, habe keine elegante kleidung mehr. der große meinte zu meiner auswahl: irgendwie leger, aber man solle ja der bürgerlichen übereinkunft nicht immer folgen, da habe ich widersprochen, ich ziehe mich auch zu ehren der musiker vorher um. die bürgerliche übereinkunft empfinde ich inzwischen als eine recht tröstliche angelegenheit.

neben mir saß eine ältere dame in einem bodenlangem, mit gold und silber bestickten kimono, sie saß die ganze zeit aufrecht vorne an der sitzkante, wegen der großen schleife im rücken. ihre familie ebenfalls elegant, aber nicht so klassisch. es war ein internationales publikum, viele sprachen in der pause gehört, habe ein paar kimonos gesehen. eine japanische familie ist nach dem konzert, als die musiker gingen, nach vorne gekommen, um dem sohn am fagott zu gratulieren, mit daumen hoch und beifall.

julian lage in dresden

zum ersten mal im jahr richtiges novembergefühl bekommen, einen schal zu wenig dabeigehabt. durch den zwinger gelaufen, an der semperoper vorbei in die altstadt von dresden. wenig los, ein paar japanische reisegruppen waren aber unterwegs, lauter junge sehr geschminkte leute mit selfiestangen. zuletzt in dresden war ich 2005 mit meiner mutter, zur weihung der frauenkirche, mit einem te deum von matthus, auch damals eher musikzentriert und wenig tourismus, hab alles wiedererkannt, nur in die eigene topographie überführt. die barocke pracht in der altstadt wirkte befremdlich, als ich aus den neubauvierteln hineingelaufen bin, sie ist aber so massiv und stilistisch geschlossen, sie kann sich behaupten. nach dem albertinum, der kunstakademie, dem schloss wundert einen gar nichts mehr, dann der blick über die elbe auf die andere glitzernde flusseite. hab den jungs gesagt, sie sollen doch mal kunst in dresden studieren, dann könnte ich dauernd atelierbesuche machen. abends auf freund g. gewartet, g.-zwillings patenonkel, der am dienstag zufällig in dresden war und erfreulicherweise mitkommen wollte.

der jazzclub tonne ist ein schöner, großzügiger keller unter dem kurländer palais, saniert und bischen gediegen. gleich ins gespräch gekommen mit anderen besuchern, wie bisher bei jedem dieser konzerte, stimmung gespannt. er fängt sehr zenmäßig an, mit ganz langsamen richtungslosen läufen in der untersten möglichen oktave, man hört die collings tief und warm summen dabei, es gibt ewig keine auflösung, nur gelegentlich ein paar kleine harmonische kleckse, es ist eher hermetisch. da weiß einer, was er tut, und ich kann es begreifen, ohne es verstehen zu wollen, auf eine warme weise. nice sounding room you have here, fand lage nach dem ersten stück, das gewölbe macht den ton voller und gibt dabei wenig hall. er spielt solo, aber er hat natürlich seine ganze musik dabei, feine, schnelle, läufe „er erfindet die“, sagt meine nachbarin, selber musikerin, ich glaube im sinne von „noch nie irgendwo gehört“, das macht sie wiedererkennbar, sie sind unterscheidbar.

er spielt einiges von seiner solo-cd world’s fair, 4 jahre alt, er hat es noch nie öffentlich gespielt, sagt er nach dem ersten stück und wirkt dabei fast neugierig auf das, was herauskommen wird. er spielt nach dem ersten stück mehr fürs publikum, ich erkenne nocturne, eingebunden in ein anderes stück, day and age. das letzte hab ich nicht erkannt, er sagt fast alle titel und nennt die songschreiber, versteh sie nur nicht alle. ist ja auch egal, day and age geht mir aber als titel nicht mehr aus dem kopf, das kann man sich auf den spiegel schreiben und jeden morgen davor seufzen. er spielt die motive ganz frei und schiebt sie durch die lustigsten tonlagen, ein paar noten lang, dann verschwinden sie, bis sie sich zum ende hin wieder glücklich fügen. viel blues dabei – wie nennt man das, wenn jemand eine form mühelos beherrscht, damit spielt, sie nicht zu ernst nimmt (es gab lacher im publikum), und dabei trotzdem so etwas wie hingabe zeigen kann? im spielen immer wieder so kleine inseln, die sich anhören wie bach.

die stücke waren lang, er hat sie in jede varianz ausgespielt, hat dazu manchmal gesungen oder gebrummt, hat ein paar sätze gesagt zu den songs, war als person hinter seinem instrument sichtbar, anders als bei den konzerten mit band. dabei immer so, als wären wir zufällig bei ihm vorbeigekommen, während er grade spielt, und hätten uns ein  bisschen dazugesetzt, please, take a seat, I’m with you in a minute, und dann sagt er ein paar sachen, damit wir uns als publikum nicht vernachlässigt fühlen, während er tut, was er immer tut. na, vielleicht übertreibe ich das jetzt nach ein paar tagen etwas, aber er klingt so, als wäre das spielen seine sprache, als würde er dauernd so spielen, egal, ob mit oder ohne publikum. faszinierend.

als zugabe gab es ryland, dass auch auf world’s fair schon als solo-version zu hören ist, lage hat sich damit zeit gelassen und uns nochmal 10 minuten mit ihm geschenkt. viel intensiveres erlebnis als die anderen konzerte, weil lage so frei durch seine musik flottieren konnte, keine anderen instrumente oder konzepte im raum waren. nach 2 stunden konzert und noch einem bier sind wir durch die leere stadt zu unseren hotels gelaufen. lage ist leider nicht mehr in den saal gekommen, musste meine love hurts – cd unsigniert wieder mitnehmen. next time!

 

fanfriction*

john krasinski ist ein mann, bei dem ich an fanfiction denke. es gibt ja viel davon im netz, nie reingesehen, warum eigentlich nicht? vielleicht weil es meistens erotische geschichten sind, und sowas lese ich nur in zeiten der not, und selbst dann mag ich grade das nicht identifizierbare an den figuren, die völlige offenheit für eigene projektionen. gibt es kluge, besser: lesbare, nicht erotische fanfiction? am selber schreiben hindert mich der fiction-teil, meine ganze phantasie wäre dann glaub ich gefangen im moment der überwindung der unwahrscheinlichkeit einer solchen geschichte, durch diesen aufwand wird das objekt der fiction eher glorifiziert als erzählt.

jedenfalls einer dieser männer.

*nicht so gemeint, aber passt im weiteren sinne.

minus vier stunden

das wochenende ist bald vorbei, es war so schnell, es hat nicht stillgehalten, es wollte weiter, es war so bunt und hatte viele zeilen in der wunderlist, aber gestern, da gab es eine stunde göttlicher weite, eine plane stunde am frühen nachmittag, da haben sich die minuten gedehnt, da war kein ende in sicht. ein wochenende voller schöner begnungen, mit einkäufen, hunderunden, hausputz und paar stunden jobdingen, kampf mit der bahnwebseite, das verdient extra-erwähnung, weil es sich in jeder minute nach gestohlener zeit anfühlte. gute freunde gesehen, sehr gute pizza gegessen, zu spät schlafen gegangen, zu früh aufgestanden, wieder freunde gesehen, gleich leserunde mit tollen frauen. freue mich auf die einzwei stunden leeren vor-sich-hinguckens später, kurz vorm einschlafen, im bett, fast dunkles zimmer, vielleicht spiele ich solitaire oder lese einen krimi, keine nachrichten bitte.

lichter, gedenkfeier

schon wieder in der kirche gewesen, diesmal eingeladen unter schweigepflicht. die kirche sollte voll werden, was einem abend um 18 uhr unter der woche nicht einfach ist, es waren aber wesentlich mehr menschen da als neulich am sonntag, weil die idee ganz schön war, nacht der lichter, zum gedenken an den 9.10.1989, als die ostler in der gethsemanekirche zuflucht gefunden haben vor der draußen prügelnden stasi. die frau neben mir ist dabeigewesen und erzählt, wie sie über den zaun aufs kirchengrundstück geklettert ist, und es ist ein zaun mit sehr spitzen stäben, der ist dem d.-zwilling und mir aufgefallen, als wir zum nebeneingang gelaufen sind, weil der haupteingang blockiert war, „adrenalin war das“ sagt sie, und wie sie nicht wusste, was da grade passierte alles. eine frau im rock mit leopardenmuster und passendem tuch, blodes haar, roter lippenstift, verteilt programme. es ist auf den letzten drücker noch fast voll geworden.

die pfarrerin jasmin el-manhy begrüßt uns, dann liest eine schauspielerin, deren namen ich vergessen habe, aus einem buch über den herbst ’89 in der gethsemanekirche vor. „wachet und betet“ stand damals draußen an der kirche, eine nicht unmittelbar politische, aber doch klar verständliche einladung zur aktivität, zur aufmerksamkeit, zum widerstand, wenn auch im gebet. die kirche war an dem abend voller menschen, dicht gedrängt sitzen und stehen sie im raum, ein foto ist auf einem großen schicken bildschirm zu sehen. el-manhy liest einen psalm, der mir gut gewählt erscheint,

weil in der der ersten reihe angela merkel sitzt (drei reihen vor uns, so nah komm ich der macht nie wieder. sie trägt bordeaux). nach einem lied lesen jugendliche aus tagebüchern vor und verbinden den damaligen widerstand, der tatsächlich zu einer revolution geführt hat, mit dem heutigen, der mindestens zu einer wende führen muss. einer der jungen leuten sagt dabei ein paar zeilen, die der bischof, der natürlich auch da ist, in seiner kurzen rede („ansprache“) wieder aufnimmt, sie mussten protestieren, weil sie es für richtig hielten, diese konzentration auf einen zentralen menschlichen aspekt bei der wende, die gemeinsamkeit, dass es allen zuviel wurde, dieses geheimnisvolle kippen der verzweiflung und unzufriedenheit in die gewissheit, jetzt etwas tun zu müssen. er verbindet es immer wieder mit der heutigen lage, das wort selbstwirksamkeit fällt ein paar mal, meine ich zu erinnern. man spürt seine große betroffenheit über das attentat in Halle, „am jom kippur“, er erwähnt es mehrfach.

immer wieder sehr höfliche ermahnungen, auch in gebetsform, doch bitte irgendwas zum erhalt der schöpfung zu tun, sicher auch an die kanzlerin, aber eher indirekt. es dauerte knapp über eine stunde, am ende zünden alle eine kerze an und singen dabei, in einem sehr leichten und eigentlich in seiner vielstimmigkeit gelungenem kanon „dona nobis pacem“, während die kanzlerin mit mann und herrn platzek und herrn de maiziere und ein paar agenten die kirche wieder verlässt. ich denke, sie wollte aus eigenem antrieb herkommen, sie war ja schließlich dabei, im oktober 1989, in der gethsemanekirche. schade, dass sie nichts davon erzählt hat, notfalls impromptu.

keine öffentliche ankündigung und also auch keine öffentlichkeit. kameras waren aber dabei, mal schauen, vielleicht kam es irgendwo. eigentlich ganz gelungener abend, findet die gemeinde, ich mochte auch das nüchterne, nicht hochkandidelte. paar lieder, paar gebete, paar texte, kein brimborium. sehr protestantisch.