50-60kg

im letzten sommer unter den überwiegend schlanken bis mageren italienerinnen meines alters am strand zum ersten mal seit meinen frühen zwanzigern unpassend gefühlt, anders. habe so ein blaues langes leinenkleid für den strand, es fühlte sich nicht mehr elegant und luftig an, sondern raumgreifend bis enorm vor all den t-shirts und engen kleidchen um mich herum. es begann mit einem blick: als jemand einen witz über eine cicciotella machte, sah die freundin mich kurz entschuldigend an, an diesem blick hab ich mich zum ersten mal mit ihren augen gesehen, sie, die man mit drei händen umfassen kann, und war erschrocken. die wertenden kriterien in meiner körperwahrnehmung betrafen in den letzten 30 jahren nur änderbares, friseur ja/nein, nägel manikürt oder nicht, kleidung passend/unpassend oder schön/langweilig. die schönheit es körpers war gegessen sozusagen. mit diesem blick war sie wieder im raum, als dichotomie, ich wurde auffällig, die kategorie ‚gewicht‘ kam damit über mich wie eine mückenplage oder ein quallenkontakt. aus dem nichts. ich hab dann noch am meer drauf geachtet, wie bewußt das thema gehandhabt wird, wie öffentlich es ist (gar nicht), es läuft so mit, das wahren der jugendlichen fasson ist wie das atmen und schlafen, selbstverständlich und leise,  es bedarf keiner kommentare, ist längst verinnerlicht worden, bis der letzte rest appetit weg ist, niemand isst noch etwas, salat und dietcoke füllen die mahlzeiten. ob der körper dadurch dauernd anwesend wird? oder verschwindet er hinter seiner symbolhaftigkeit als erotisches objekt? vielleicht so, wie mein blutzuckerspiegel in meinem bewußtsein herumlungert, ein meßsystem, vor dem ich jede empfindung abgleiche, unterhalb des bewusstseins. der zu dünne körper ist in seinen bedürfnissen zum verstummen gebracht, als symbol spürbar wie eine art halo über dem körper aus fleisch und blut. wie ein geschmeide von bulgari. wie konnte mir das jahrelang nicht auffallen? freundin erzählte gestern davon, wie dünn die frauen überall sind, wie üppige büffets bei veranstaltungen unangetastet stehenbleiben, wie sie nur salate essen, nur noch trinken tun sie, aber weniger als die männer, die darin maßlos werden können. die statur vermittelt vielleicht so eine diffuse zugehörigeit zu denen, die dazu gehören, völlig unberührt von feministischen und historischen diskursen und realitäten. je wichtiger und größer diese frauen beruflich sind, desto kleiner und harmloser sollte ihr körper aussehen, wie eine entschuldigung (das ist ein gemeiner gedanke aus dem sommer, in dem der text entstand, weiß ich, und vermutlich nicht frei von neid). mir ist das in meiner auch beruflichen abgeschiedenheit gar nicht aufgefallen, auch weil mein körper fast immer das ganze ich ist, mit entspannten 70kg, und ich schon ewigkeiten an keinem rennen mehr teilnehme.

es ist anders, es gibt wirklich diese menge an dünnen frauen, erst meine eigene normalgewichtige körperlichkeit bringt mich zum lästern, oder? „bei datingbörsen heißt ’normal‘ immer ‚fett'“, sagte mir neulich jemand. dann lach ich drüber, elegant verschiebt sich mein innerer bewertungsapparat wieder weg vom kriterium wenig gewicht auf die art schönheit, die ich selber sein kann. mein diabetes läßt mich ja eh in einem zahlenkäfig leben, das sollte genügen. maybe baby!

(die frauen nehmen die männliche sehnsucht nach der schmalen maid auf sich, als wäre es nichts, jahrelang, und werden dann irgendwann alte mädchen in einem kosmos traurig trinkender alter männer.)

das urteil trägt man trotzdem herum, es ist ein binärer code, das |false| macht unsichtbar fürs gesellschaftliche begehren (den leise anerkennend nickenden neid), oder für die immaginäre nebenei-selbstbestätigung im schaufenster, das reicht ja schon als stein im schuh. vielleicht nicht fürs sexuelle, but who am I. dünnes eis. es ist müßig, diese kriterien zu kritisieren, sie unterliegen keiner bewußten entscheidung.

die ewige aufgabe der normalen frauen, nicht um schönheit zu trauern. schöner gesagt: Wo mehr ist, muss ich womöglich mehr lieben.

verrückt. (brauche mal wieder ein paar nächte, glaub ich)

edit: grad noch ein strandfoto vom letzten sommer gesucht. auf allen waren gleichviel runde wie eckige frauen zu sehen. wahrheit oder pflicht?

kw 41

großer sohn zurück, mit riesigem rucksack und voller geschichten. er ist mit bestem freund 6 wochen lang durchs land, wollte sich unistädte und studis ansehen, sie sind mit bus, bahn und per anhalter gereist. das trampen sei kein problem gewesen, sagt er, die beiden sahen mit ihren riesigen rucksäcken genauso aus, wir wir alle mal zwischen abi und ausbildung, sie wurden vielleicht einfach wiedererkannt. vollkommen zeitlos. er sagt, er habe lauter wunderbare menschen kennengelernt, erzählt viel und schnell und gut, sie haben viel erlebt. sie haben freunde und verwandschaft abgeklappert, und dazu gehören auch herzmenschen aus der bloggeria. es gibt ein selfie mit caro und den jungs! schön, das er wieder da ist, habe ihn vermisst. es gibt jedenfalls noch genug parties in den unistädten, und die mensas sind toll.

auf netflix neue serie gefunden, mindhunter, wirklich überraschend gut,  über serienmöder. sie kommt ohne visuelle gewalt aus, ohne die ganze elend billige todesangstspannung, die mir nur den blutzucker hochtreibt, ohne den ganzen anbiedernden gewaltpornokram, den ich sofort weiterspulen will. spielt in den sechzigern, hauptfiguren ein echter cop und ein klassischer fbi-typ, den man sofort wieder vergessen würde, der interessant wird, als er den mund aufmacht und eigene wege zu gehen beginnt. die serie begleitet auf eine nicht sensationsgeile weise die entwicklung des psychologischen profilings, glaube ich, gegen widerstände und zweifel, und beschreibt das als charmantes learning by doing, in einem fensterlosen kellerbüro in quantico. man spürt den ehrgeiz der beiden helden und bekommt die auseinandersetzung zwischen akademie und polizeiarbeit mit und versteht sie. mit vor- und rückschritten, unsicherheiten, fehlern und glücksfällen. gewalt ist natürlich dabei, aber sie bleibt das andere, das fremde, das es zu verhindern und auszuschalten gilt, man sieht sie in verwischten schwarzweißfotos und hört sie in den interviews mit den tätern, sie wird also erzählt und nicht gezeigt, weil die serie die visuelle gewalt nicht braucht, nur in halbsekundenlangen bildern im vorspann, wo wir auf den einen serienmörder hingewiesen werden, von dem die helden noch nix wissen, den es zu fangen gilt.

ein feiner triumph, oder nicht? es geht, es erfordert halt gute schauspieler, gute drehbücher, liebe und genauigkeit in schnitt und ausstattung. großartig. die sechziger sind in drehbuch und figurenzeichnung auch dabei, die hauptfigur eher spießig, ohne das zu wissen, seine partnerin fortschrittlich, an der uni, selbstbewusst und frei, die zeit eher eine diskrete präsenz, aber wiedererkennbar, wie ja auch die konflikte in der moderne mit den gegnern der moderne nicht immer im mittelpunkt stehen, sondern am rande des alltags oft sehr komisch vor sich hin holpern. großartige serie.

erinnert vom dramaturgischen her an diesen sehr guten film über die befreiung der botschaft in teheran, ohne einen schuß, wie hieß der noch? argo? gucke gleich weiter jedenfalls.

erste mammografie gemacht, zwei jahre nach dem termin. nach vier tagen die gute nachricht, alles okay, merke, dass ich mich in einer art tilt-shift-dingens erlebt habe in diesen tagen, genauer und gleichzeitig fiktiver. normalerweise bin ich dem tod gegenüber eher entspannt und fürchte ihn nicht sonderlich, aber in diesen tagen war er greifbarer, als möglichkeit, und da hätte ich doch gern noch 20 jahre oder so. eine verjüngende erfahrung.

 

nachwachsendes pflegen

beim frisör das sprechen über haare, mit selbstverständlichem und unhinterfragtem ernst. färbungen, tönungen, wirkweisen, farbnuancen. wie sie mir den wirbel wegbügelt mit dem lockenstab, dabei nebenei über restfeuchte und wirkweisen von konditioner spricht. mir vorgenommen, meine haare wieder mehr zu beachten, sie könnten so eine schöne spielfläche sein, beneide eigentlich leute, die good- und badhairdays haben. meine grauen schläfen färbe ich nur vor italienaufenthalten raus, da sind graue haare mit viel mehr bedeutung behaftet als hier und bekommen eine neongleiche sichtbarkeit, wenn man sie nicht löscht vorher.

kurz danach an der danziger strasse nägel machen lassen, über einem hartplastiktisch mit zwei handablagen unter der platte, mit alufolie ausgelegt, in denen meine fingernägel mit UV-licht bestrahlt werden, um das gel zu trocknen. ich weiß nicht, was das ist, sie haben mich mehrfach irgendwas gefragt, was ich nicht verstanden habe, weil sie vietnamesisch sprechen, in das einige deutsche worte einmimetisiert sind wie waschbären im berliner umland, also schwer zu erkennen, außerdem lief draussen gerade die loveparade vorbei, bei der ich immerhin schon einmal war, in den achtzigern glaube ich, anders als in einem nagelstudio. 3 wochen soll es halten, sage ich, damit es sich lohnt für mich, da haben wir dann eine basis, „drei wochen“ kann ich in den nächsten sätzen deutlich erkennen. dann nehmen sie elektrische feilen und rauhen meine nägel auf, kleben andere nägel drüber, feilen wieder, dazwischen kommt eine klare substanz, die hoffentlich kein „shellack“ ist, wie auf der webseite verkündet. ich bitte ums kürzen und um runde nägel, muss aber um jeden zehntelmillimeter handeln und denke irgendwann ach, was solls. tiefrot, spiegelglanz, meine hände haben jetzt eine echte unwucht nach vorne raus. erst einen tag später fällt mir auf, dass ich den kram wahrscheinlich nicht mit nagellackentferner wieder abbekommen werde und jetzt ein paar wochen wie eine diva am morgen danach herumlaufen muss.

wie in amerikanischen filmen die auf eine bestimmte langweilige art gesettelte frau in einem kosmetikstudio aufgespürt wird, in dem sie stammkundin ist, und dort unter einem handtuch verborgen liegt, also nicht erkennbar ist, solange sie unfertig bleibt.

gone

alte texte in weblogs nachlesen, nein: alte weblogs nachlesen, sofort die tonart wieder im kopf haben, als dem menschen zugehörige stimme, als seine stimme, sein wesen. so waren wir damals, und so sind wir noch immer, der teil von uns, der nicht dauernd ans licht muss, der wesentliche teil. das große herz, den ganzen unfassbaren menschlichen geist. kennt und will vielleicht sonst nur der oder die eine (who cares anyway, milliarden leute, die wir sind). in einem solchem weblog ist es, war es, für alle da, ganz nebenbei. miss you.

donnerlüttchen. (prüfungstag)

Cancer Horoscope for week of May 11, 2017

Verticle Oracle card Cancer (June 21-July 22)You are free to reveal yourself in your full glory. For once in your life, you have cosmic clearance to ask for everything you want without apology. This is the LATER you have been saving yourself for. Here comes the reward for the hard work you’ve been doing that no one has completely appreciated. If the universe has any prohibitions or inhibitions to impose, I don’t know what they are. If old karma has been preventing the influx of special dispensations and helpful X-factors, I suspect that old karma has at least temporarily been neutralized.

zum glück hab ich das vor meiner prüfung gelesen, und ja, soviel enthusiasm hat meine stimmung doch einen tick angelupft. die erleichterung ist jetzt sehr groß, nachdem alles geschafft ist, plötzlich ist die welt wieder da, und es ist herrlicher warmer grüner mai draußen. ergebnisse erfahren sohn und ich erst in ein paar wochen, aber das gefühl ist friedlich und gut. am abend mit dem hund noch eine runde um den helmi gemacht, erst den besten freund des sohnes getroffen (mein hund hat ihn zuerst erkannt), dann steht aus dem nichts plötzlich c. vor mir, alter guter freund, der in süddeutschland wohnt, und nicht im prenzlauer berg, sekunde später kommt noch der sohn dazu. dann geht jeder seiner wege, ich liege um 22 uhr sehr müde im bett und denke: das war ein schöner tag.

kw 18


viel, viel um die ohren. die söhne haben prüfungen im mai, einer sogar abitur, die zwillis ihren mittleren schulabschluss, eine berliner variante des realschulabschlusses, den jedes berliner schulkind absolvieren muss. ich selber habe einen zertifikatsabschluss der ihk, für meine hundetrainersache. er stresst mich mehr als notwendig,  wäre alles okay, wenn es ein irgendwie staatlich anerkanntes zeugnis wäre, ist es aber nicht, weil „hundetrainer“ kein beruf ist. nach etlichen klausuren und sehr intensiven praktikumstagen kann ich bei der prüfung in eine situation kommen, bei der ich nicht weiter weiß und versage. das weiß ich so genau, weil es mir bereits passiert ist, beim ersten versuch im februar – die tiefe kränkung ist fast schlimmer als bei meinen üblichen liebes- und berufskörben, weil ich in allem dafür verantwortlich war. nicht auf alles vorbereitet, die nervosität unterschätzt, wieder einmal versagt, nicht die gewesen, die ich zu sein glaube. weil sich solche niederlagen sofort einreihen in die ununterbrechbar lange kette an niederlagen, von denen nichtmal alle nur eingebildet sind. (jorge bülle wär jetzt gut. du fehlst.) das ist die eine seite, die andere, bisschen wackelige in mir sagt achkomm, kann passieren, du kannst das, es ist keine hirnchirurgie, reiß di zsamm.

ein zwilling hat eine klausur über kognitivismus geschrieben und mir seine thema in wenigen worten so zusammengefasst: das einzige, was dir aus einer reihe von niederlagen heraushilft, sind erfolge. bei gaga neulich gelesen (facebook, link nicht mehr gefunden), dass emotionen die wirklichkeit verändern können, liest sich glücklicherweise wie ein übernahmeversuch der esoterik auf die wissenschaft – mit meinen emotionen habe ich schon so genug ärger, die sollen schön im innenleben bleiben.

ich vermisse meine denkfähigkeit jedenfalls zur zeit mehr als sonst. mein leben verläuft immer gerade so an der belastungsgrenze, jedes zusatzelement geht an die substanz. normal, not?

um die kinderprüfungen kümmere ich mich im rl, darüber gibt es wenig zu schreiben, sie lassen mich eh kaum dran. mir gefällt der aspekt der passage, es sind jeweils übergänge ins erwachsenenleben und ins ende der schulpflicht, da passiert also sehr viel grad, aber sie wünschen keine blogtexte darüber, und wenn sie welche wollten, dann könnten sie die selber schreiben. won’t happen.

neuer job (vertretung bis august), macht großen spass, ist anstrengend, in vertrautem umfeld, bezahlung reicht  nicht ganz fürs leben mit klassenfahrten, prüfungen, kieferorthopäden, autoreparaturen, aber mit dieser häufung an zahlungen ist das nur der besonders üble mai 2017. ab juni werde ich also sehr glücklich sein, wenn der ganze salat vergangenheit ist, und mich von dem ganzen aufwand für die hundesache verabschieden, wenn es nicht geklappt hat, in der stillen hoffnung, dass sowas auch anderen menschen schon geschehen ist, selbst in der heutigen zeit, in der alle alles schaffen.

teenager

das unausgesprochene in der begleitung der söhne, wie sie größer werden, eigenständiger, „ich bin 18“, wann immer ich etwas gegen seinen willen durchsetzen möchte, wie helm aufsetzen beim rennradfahren im januar, aber es geht ja nicht ums durchsetzen, das war immer nur die letzte zuflucht, eine grenze, auf die auch die kinder sich verlassen können, der große und ich haben sie aufgegeben, weil er volljährig ist. die redundanz dabei. sie entscheiden selber, haben aber diese wunderbare offene stelle, wenn sie mir zuhören, erzählen, um rat fragen, mein einfluss läuft so mit. das nein des großen eine zielmarke für ihn, wegmarke für mich nach all den gemeinsamen jahren. die sorge, bis er wieder hier ist, unbeschadet, mit seinem grinsen. er trägt die schiffermütze seines urgroßvaters, ein dauerping an die rührung für mich, eine art türstopper ins mutterschiff für ihn, hoffe ich. liebe.

kw 3, magdeburg

wochenende mit freundinnen, wir kennen uns seit vor unseren zwanziger jahren, das heisst seit ca. frühachtziger. meine beiden besten freundinnen sind vor ein paar jahren nach magdeburg gezogen, unabhängig voneinander, beide aus beruflichen gründen, sehr vermisst, die wollten wir zusammen besuchen. wochenende mit fünf frauen, viel leben zu erzählen. sehr intensiv und lustig, es gab einen eimer köstlichen borschtsch, den ich ab sofort dauernd essen will. kinder und hunde haben wir zuhause gelassen.

sehr verguckt in den dom von magdeburg, er liegt mitten in einem sehr gesichtslosen neubauviertel, magdeburg wurde genau heute vor 72 jahren in 30 minuten in schutt und asche bombardiert, es ist kaum was übriggeblieben, auch der dom wurde getroffen. wir sind in der kälte hindurchspaziert, er ist ein paradies für kuhis, ein schatz neben dem anderen, und dazu der wunderbare kreuzgang. baubeginn war 955, der schlussstein im turm wurde 1520 gesetzt, dann kam luther und der dom wurde evangelisch, danach hat der dreißigjährige krieg 1631 magdeburg zerstört, der dom wurde wieder katholisch, aber geplündert und verwüstet. das gebäude  diente eine zeitlang als schafstall, schinkel wollte ihn abreißen, könig friedrich willhelm III hat ihn dann restaurieren lassen, da wars schon das 19. jh., ab 1869 diente er wieder als evangelische kirche. die gesamte geschichte der region hat dort spuren hinterlassen, jeder krieg, jeder konflikt hat etwas zerstört, aber es hat auch jede kunstepoche werke erschaffen, mit einem schwerpunkt auf wirklich aufregend schöner bildhauerei. das taufbecken soll laut kunstführer aus dem römischen 2. jahrhundert stammen, sie sehen, ich kann das selbst gar nicht glauben.

im chor steht eine der ersten europäischen skulpturen eines afrikaners, von 1250, sie stellt einen der namenspatrone des domes dar, den heiligen mauritius.

oder die kanzel! sie ist mit einem sehr feinen und verspielten alabasterrelief bedeckt, incl. kleiner frösche und einem igel, sie stammt aus der spätrenaissance. der künstler hieß christoph kapup, das netz kennt nur diese kanzel von ihm. einige der arbeiten sind wirklich so schön, dass man sofort bücher drüber schreiben will, ausdruckstark und humorvoll, eine freude.

an einem tisch sitzt eine magdeburgerin und erzählt, von herrscher zu herrscher springend, von kunstwerken und anekdoten durcheinander. er sieht kühl und etwas karg aus, wenn man reinkommt, aber ein genauer blick wird sehr belohnt. und er steht vor allem immer noch, nach über 1000 jahren.

mit den freundinnen viele gespräche, die mich immer auch ein bisschen still machen, weil ich so wenig weit gekommen bin. vielleicht ist das aber auch eine ansichtsache, bei der ich halt („einfach“) mich selber umdeuten muss. bis dahin identifiziere ich mich sofort mit einer der törichten jungfrauen in einer seitenkapelle des domes, auch sagenhafte 767 jahre alt. das ging den freundinnen aber auch so.

ich hab ja vor allem viel verschiedenes gemacht, es war halt alles nicht betriebswirtschaftlich oder sonstwie nachhaltig. habe zb ’89 einen verlag gründen wollen, mit ostberliner germanistikstudentinnen, als gmbh, das hat damals kaum was gekostet, und wir wollten unbedingt neue literatur. als die ostberlinerinnen, darunter eine namhafte regisseurin (irgendwas mit film wars, aber an den namen kann ich mich nicht erinnern, kurzifix! muss mal wühlen gehen.) abgesprungen sind, weil sie die 5000 mark in unsicheren zeiten lieber nicht in den sand setzen wollten, hab ich es halt auch nicht weiter verfolgt, oder mir neue partner gesucht. die partnerin hat sich dann in einen schweden verguckt und ist ausgewandert, in ihrer wohnung in der novalisstrasse war ich dann zur untermiete, ab 1990, drei außenwände und gasomat und telefon mit geteilter schnur übern hinterhof. 40dm.

ich mag ideen eh lieber als umsetzungen.

lost sheep

rückzahlbare unfallversicherung für die kids läuft bis zum ende des 17. lebensjahres, den betrag bekommen wir aber erst ende des 19. lebensjahres ausbezahlt, versicherung läuft aber nicht weiter – wtf? sie behalten die summe einfach, um ein bisschen spass damit zu haben. ich soll der allianz so einen kram unterschrieben haben? genauso ernüchtert bin ich vom brief einer privaten rentenversicherung, die mir pro monat eine rente von euro 22 pro eingezahlte 10.000 € garantiert.

kt 1

die polizei kam nicht, getanzt wurde sehr, das schwarzlicht hats gebracht. um sechs uhr früh gingen die letzten gäste. der große ist am ersten januar volljährig geworden und hat reingefeiert, rauschend und sehr sehr laut, mit geliehenen monsterboxen, und mit allen seinen freunden. und freundinnen! ich war dafür bei meiner mutter am stadtrand und hab mich mit ihr unterhalten, vor den stones auf 3sat, das hatte auch irgendetwas. diese achtzehn jahre sind so so schnell vergangen und waren eine freude, das kind ist wunderbar und kein kind mehr! echt, merk dir das, muttern.

haufenweise sylvestervorhaben, ich brauche anlässe. jeden tag gitarre, jeden tag lesen, mehr yoga. beruflich muss ich vieles schaffen, habe aber gar keinen glauben mehr an gute ausgänge, es ist ein sehr zenmässiges naja, mal gucken geworden nach all den überraschenden wendungen ins leere und ins abseits in den letzten jahren. der plötzliche spannungsabfall von ideen als leitmotiv, die ideen sind nicht synchron mit der welt, kommen zu spät oder zu früh. dazu die wechseljahre.

in der liebe ist es genauso, da muss aber auch nichts passieren, anders als beim geld geht es auch ohne, wobei: aus der hebammenserie auf bbc die schöne erkenntnis mitgenommen, dass sich die liebe in jedem leben anders zeigt, und meines ist durch die großartigen söhne, die freunde, den hund randvoll damit. gelegentliche abenteuer füllen die paar bedürfnisse, und küsse ohne geschichte sind in ordnung, ehrlich gesagt gar keine lust auf noch mehr socken in der wäsche, einen festen mann verbinde ich hauptsächlich mit deutlich mehr arbeit.

sachen ausmisten werde ich in den nächsten wochen, platz für neues schaffen, für leere bin ich nicht so der typ. die freude an dingen, auswahl, wanderwege für den blick, wie die vielen objekte lauter geschichten haben, die ich erzählen kann oder auch nicht.

tippen geht schlechter seit einigen monaten, i/o/p geraten immer durcheinander unter den fingern, mit der linken hand hab ich das problem nicht, bin linkshänderin. alter oder was nervliches? durch den diabetes immer einen merkwürdig nicht hypochondrischen blick auf das schlimmstmögliche.

 

 

 

herz

hört auf euer herz. wenn es manchmal drückt oder zieht, wenn es in einer klammer steckt, wenn euer atem kürzer wird, obwohl ihr nur mit dem einkauf die treppe raufgeht, dann geht zum telefon, jetzt, und macht einen termin beim hausarzt. der mann einer freundin ist vor ein paar wochen mit anfang vierzig an einem herzinfarkt gestorben, sie hat ihn ein paar stunden später gefunden. der notarzt hat erzählt, dass er relativ häufig zu solchen männern gerufen wird. wenn sie es überleben, sind sie immer total überrascht, weil sie ihre sterblichkeit genuin verdrängt haben bis dahin, selbst wenn es in der familie schon probleme mit dem herzen gegeben hat, weil diese art pragmatischer vorsorge nicht reinpasst in die unteilbarkeit von körper, gegenwart, identität, die immer ein angenehmes gefühl von unsterblichkeit vermittelt.

(grad einen termin fürs stress-mrt gemacht, als diabetikern ist mein risiko für koronare herzerkrankungen recht hoch, meine kasse bezahlt das netterweise)

nett und anonym

mich bei tellonym angemeldet, um hotelmama zu reservieren, weil der name so schnell weg ist normalerweise. wie damals auf twitter. bisschen tut es mir ja leid, das hotelmama auf twitter so hartnäckig die klappe hält. ich bin da hin- und hergerissen zwischen meiner wunschidentität als coole halbintellektuelle großstädterin und meiner realen existenz als eher nicht relevante fünfzigerin ohne karriere oder, oder, ach, ich sag mal: oder ähnlichem. ist mir neulich erst aufgegangen, verbunden mit der frage, wann das nichtgelebte endlich mal abgetrauert ist, denn dann könnte ich als serienguckerin und comicleserin und frau mit einem mehr banalpoetischem zugang zur welt endlich entspannt vor mich hin twittern! wär doch was. so abstrakte metaprobleme hab ich beim bloggen zum glück gar nicht, als wär twittern öffentlicher. gibt es eingentlich beschreibbare unterschiede zwischen weiblichem und männlichem twittern? witz, aphorismen, aphrodisiaka, befindlichkeiten, minitheoreme, je vielseitiger, desto lieber lese ich.

diese neue seite ist eigentlich ein bisschen pubertär, oder nicht? der erfinder ist ja auch erst 19, oder war es grade noch. meiomei.

die rückseite von komplimenten und geständnissen ist ja denunziation, aber ich glaube dem macher, dass da nix böses dahintersteckt, wie postsecret nur für dich. muss es mal den jungs zeigen, aber in deren umfeld twittert keiner, auf instagram sind sie auch nicht unterwegs, facebook dient ihnen glaube ich mehr der repräsentation als der kommunikation, da geht eh nur der heimliche zettel in der schultasche, und so wichtig ist es dann auch wieder nicht, um dafür ein risiko einzugehen.

ist es nicht eine eher ostdeutsche eigenschaft, mit meinungen, vor allem mit kritik, hinter dem berg zu halten? vielleicht aus stasizeiten, wo unpassende oder unerfreuliche äußerungen den menschen existenziell gefährdet haben, mein eindruck (und meine erfahrung): diese zurückhaltung, das schweigen und rumdrucksen hat sich in die neuzeit gerettet, das gefühl der bedrohlichkeit von kritik ist vielleicht unhinterfragt in allgemeine höflichkeitsregeln diffundiert.

ich kriege mich nicht mehr auf 140 zeichen, fürchte ich, wird alles immer langwieriger hier.

in italien gibt es eine charmante art, alles in komplimenten mitzuteilen,  das kompliment gehört zur eloquenz dazu, ist kein kommunikativer sonderfall mit alarmzeichen, keine wasserscheide, nichts, was die strömung aufhält oder ändert. es wird elegant in die normalen kommunikationsformen integriert, es ist ein kleines geschenk, eine höflichkeit, man gibt damit nicht den schlüssel zum innersten heiligtum aus der hand, man macht das gegenüber nicht zum alleinerben damit, meistens ist es auch kein heiratsantrag, nichtmal versehentlich. wer niemals komplimente macht, nimmt sich zu ernst, glaube ich. ich vermisse die komplimente im kalten dunklen berlin (slow und jorge, an mein herz!), darum mach ich da mit. eine woche oder zwei.

na, mal gucken.

frust, sterne und gitarren

(weia, das blog rutscht mir aus dem fokus gerade. ich kann nicht mehr schreiben, nur noch beschreiben, damit verschwindet für mich neben der schönheit auch der erkenntnisgewinn. wenn ich auf diese neue art blogge, kommt nix neues dazu, soweit wie in diesen texten bin ich in meiner selbstwahrnehmung auch immer schon. ich weiß nicht, woran das liegt, es ist befremdlich. blogge also nur noch gelegentlich.)

versehentlich aufs horoskop geklickt, wirklich versehentlich, beim lesen zur sicherheit hart und spöttisch geworden, dabei nicht ganz souverän geblieben. immerhin aus der ironie bin ich rausgewachsen. ein unerbetener hinweis auf das leidige, ignorierte thema, die liebe ein ausgeleierter oller socken im kasten mit den anderen bedürfnissen und sehnsüchten, dabei denken: für dich ist es als abstraktion denkbar, für andere ist es daseinsform, der unterschied wie der zwischen kinder haben und nicht haben, oder gesund sein und krank, also umfassend, verästelt, wie zwischen sein und haben. also, freewill, du kannst mich mal.

dann doch lieber gitarren. die holy grail guitar show versammelt ein wochenende lang gitarrenbauer aus aller welt, kleine betriebe und einzelne handwerker, keine großen firmen. ich liebe diese verbindung aus handwerk, tradition und kunst, schönheit und klang. ich hoffe auf hingabe und ein paar besondere lebensläufe und will meinen mut zum probespielen zusammennehmen, vor allem werden viele musiker die schätze vorspielen, vor kleinem publikum. gespannt, ob ich die qualität und finesse überhaupt noch hören kann, oder ob es genügt, sie sich einzubilden.