alle 4 jahre gucke ich west wing

bevor ich allzu spontan die staffeln 1-7 von west wing auf deutsch runterlade, für die jungs in ein paar jahren, weil es die grad für 69€ auf itunes gibt – schaue ich nochmal kurz in meine dvds auf englisch, dachte ich. dann kommt „this is bad on so many levels“ und ich bin wieder am haken.

bei der cd war es auch so, dass ich nach ein paar jahren die eine oder andere platte neu nachgekauft habe. ich habe schon filme als daten nachgekauft, weil ich sie nur auf video hatte, cannery row zum beispiel, den ich den kindern im hotelbett in san francisco gezeigt habe, bevor wir nach monterey weitergefahren sind. jetzt erscheint es mir noch ein bisschen dämlicher, digital zu digital? die kleine, sich altmodisch und albern anfühlende empörung darüber, dass der erwerb so einfach und schwellenfrei möglich ist, andererseits habe ich diverse laufwerke voll mit literatur von autoren, die seit >70 jahren tot sind. ich fand die zeit sehr gut angelegt, die ich fürs hingehen, suchen, entscheiden und bezahlen und nach hause schleppen kultureller erzegnisse angesetzt habe, ich finde es blöd, dass ich diese zeit jetzt mit anderen dingen füllen muss, die ungleich sinnloser sein werden. egal was der zeitökonom dazu zu meinen glaubt. effizienz sollte ein schimpfwort sein, eine beleidigung und reduktion von lebensqualität auf ein reproduzierbares und übersetzbares mass, das außer einem mass eben NICHTS ist. es sind natürlich keine vollen laufwerke. die bindung an diese e-bücher  ist ein bisschen arm an biographischen ornamenten, die gründe für diesen oder jenen kauf liegen viel häufiger im zufälligen, kaum geschichten darüber, wie, wann oder warum ich sie gekauft habe, wobei nein, das stimmt auch nicht ganz, „capital“ hab ich im california zephyr gelesen, mit blick auf rockies und so weiter, das weiß ich schon noch. trotzdem habe ich vieles nur deshalb geladen, (ich wollte erst schreiben: wurde vieles nur deshalb geladen, weil es sich so passiv anfühlt, die ausblendung privater gründe im zuge der welteroberung der werbewirtschaft) weil ich im schwung auch die nächsten autoren im alphabet noch angeklickt habe, und weil natürlich die römische geschichte in jeder lebenslage ein guter begleiter ist.

 

fail

diese art niederlagen, die man von weit weg kommen sieht, wie eine tür, durch die ich nicht gehen sollte, ich kann weitergehen, mich vorbereiten, über motive, strategien und über die lage im kopf meines sohnes nachdenken, bevor ich mein vorhaben mit schmackes in den sand setze, weil das will ich ja nicht, ich will, dass es ihm gut geht. ich weiß auch noch gar nichts über die gründe der lehrerin, die zu einer anderen schule rät, keinem gymnasium, weil da zieht es jetzt an, und da sieht sie den großen nicht so, ich weiß nicht, wie sie generell über das losverfahren zur schulaufnahme denkt, ob sie vielleicht den klassenschnitt heben möchte, um ihre pläne für subventionierte klassenfahrten nach england doch noch – ob sie keine lust auf störungen hat durch mein  dauernd „und was jetzt“-fragendes kind, es stört die anderen, meint sie, oder will sie aus privatpsychologischen gründen keinen schüler, der nicht besser wird in ihrem fach, obwohl sie sich mühe gibt – blablubb, ich merke schon beim grübeln, wie ich das naheliegende lieber nicht denke: erfahrene lehrerin will ein kind vor seinen ehrgeizigen eltern schützen und vor dauernden schulischen misserfolgen.

der vater teilt die meinung der lehrerin.

jetzt ist aber gerade mein kind to-tal glücklich in seiner klasse, er hängt jeden tag stunden am telefon, er schätzt auch seine leistungen als eigentlich in ordnung ein, mein sohn hüpft morgens singend aus dem haus –

ich dachte dann, naja, phh, ich werde ihm etwas gegen seine konzentrationsschwäche anbieten, er ist ein LRS-kind, ergotherapie kann helfen, ich kann die und die und die eltern und therapeuten mal anrufen, es wird sich was finden, ein nachhilfelehrer, sowas. der gedanke daran, ein in der schule glückliches kind in eine fremde schule zu tun, bricht mir das herz.

und was mache ich?

ich sage ihm beim abendessen, vor den brüdern, und höre mir dabei zu, er müsse sich in der schule deutlich mehr anstrengen, er könne aber ebensogut auf ein sekundarschule (berliner murks, oder gibts das auch anderswo?), dort habe er 13 jahre zeit bis zum abi, der unterricht sei leichter.

einem 13-jährigen.

er sagt mir „na danke, du willst, dass ich penner werde? ich bin nur in ein paar fächern schlecht.“

ich sage noch, bevor nicht mehr mein überich sein spitzes bitteres lied singt, sondern wieder die frau drumrum:  in mathe, deutsch, englisch und französich.

er sagt „na eben, nur ein paar.“

dann sagt er, das verhältnis zwischen tomaten und fleisch im chili sei heute echt nicht gelungen, steht auf und verlässt die küche. jetzt ist er still und will selbstverständlich nichts mehr hören von mir.

dieser verbratene bullshit ist schon ein zeichen für einen gewissenen inneren stress, und naja, es fehlt jemand, der mir dann einfach blitzschnell übers maul fährt und das texten übernimmt. sonst mache ich das selber, ich kenne mich ja, aber ich bin müde heute, und mein kopf ist zu laut.

 

 

das rennrad

ich gehöre eindeutig zur radfraktion und bin meinem rad treuer als jedem mann – meines ist ein grosses schwarzes manufaktur-herrenrad, vom vater zum 30. geschenkt („was wünscht du dir?? haha.“), naben- und kettenschaltung, 17 jahre alter brookssattel (schon mal auf einen vor sehr kurzer zeit gefetteten ledersattel gesetzt, im nichtschwarzen tangokleidchen? man merkt es nicht selber, beim tanzen. nur einmal passiert.), 3. satz ritzel, x-te kette, 2. lenker, sogar die pedalen sind nicht mehr original, warum, hab ich vergessen, ach ja, die lager waren durch. viele macken im lack, kein rost = echte liebe. ich kenne das gefühl, wenn bei schnee der hinterreifen abgeht und weiss, dass man merkwürdigerweise auch auf eis noch fahren kann, auch wenn es sich total unterzuckert anfühlt, ich fahre sommers und winters, mit hohen und flachen schuhen und barfuss, in zu engen röcken, in zu kurzen nicht mehr, ich kenne den inhaber meines wunderbaren fahrradladens persönlich und weiss, wo er vorher gearbeitet hat, nämlich in dem laden, der mir das manufakturrad verkauft hat. wenn ich von irgendwo zurückkomme, freue ich mich auf die erste fahrt fast mehr als auf wohnung, blumen und bücher, ich kann die libidinösen beziehungen mancher männer zu ihren rädern also durchaus nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teilen kann, ich hätte ein bisschen lieber die echte sache.

(seufz. seit wieder ein hund im haus lebt, mache ich zuviel zu fuss oder mit dem auto, weil bei ausflügen wieder das ziel das ziel ist und nicht der weg, wie bei radtouren. einziger grund gegen hunde.)

dann

[das fortschreiten der zeit, der lauf der dinge, ein gewisser überrest meiner unzufriedenheit mit dem altern, der kleine futility-revoluzzerpups bei all dem sich-fügen-müssen, die paar teilbereiche des lebens, bei denen änderungen unwahrscheinlicher werden (wie die vorstellungskraft mit den jahren klobig und träge wird, ich muss sie warmlaufen lassen, antreten wie ein altes moped) die ehrlichkeit, dieses eine, strahlend schöne + superperfekt aufgemotzte uralte rennrad mit kindersitz neulich am helmi und schliesslich die grossartige bezahlbarkeit von det janze, im vergleich zu einem carman ghia oder auch nur einem alten käfercabrio, die ich nachwievor lieber hätte]

habe ich einen abend statt nach zeug, büchern oder filmen nach rädern gesucht.  normalerweise gehen so jieper-artige bedürfnisse ja schnell wieder weg, wenn man nicht danach handelt, also nur guckt & träumt, wie in beziehungen, aber ich hab in zu kurzer zeit eins gefunden, nämlich in 10 minuten. in mailand, wo ich eh hinmusste – wollte, jetzt musste ich hin, denn ich hatte ein rennrad unter hundert euro gekauft, also noch kostete es darüber, aber mir würden schon argumente einfallen. eins von der sorte, das niemals außergewöhnlich war und trotzdem schon über 35 jahre auf dem buckel hat. aber die farbe! ein bianchi, was sonst. sattel hat löcher, alte  sachs-schaltung, pedalen sehen aus wie selbstgemacht. muss ich schnell fahren, dann sieht keiner die ollen teile.

ich fuhr also vom see nach mailand rein, lief über die via paolo sarpi, die sehr chinatown ist, ein billigladen nach dem anderen, chinesische zeichen oben, italienische drunter, keine touris. mailand war grosstädtisch und lichtjahre von den achtzigern und von meinen erinnerungen entfernt, mein rad stand in einer kleinen vollen bar an die wand gelehnt, der verkäufer war einer der barbetreiber, jung, tätowiert, freundlich, alle seine kumpels drumrum. ich hob das rad mal vorne, mal hinten und liess es fallen, schaute auf rahmen und schaltung – kaufte ohne weiteres handeln und schob mein neues altes plattes rennrad zum auto, ein bisschen uncooler, als ich es sein sollte mit so einem rad.

mein berliner gast, freund a. war dann, in großer serendipity, ein erfahrener fachmann in der renovierung alter und sehr alter fahrräder, mit ihm habe ich in ein paar stunden das rad entrostet und geputzt, die lager neu gefettet, reifen erneuert und den rest eingestellt. keine ahnung, warum so etwas sonst wochen dauert. es glänzt jetzt wieder, ich habe, ebenfalls im italienischen ebay, einen sattel aus den siebzigern für nix gekauft, auf eine neue alte campagnolo-schaltung warte ich noch.

freund a. war verwundert darüber, wie wenig oldtimer hier herumfahren, räder aus den 30er bis 70er-jahren sieht man nur als traurige schrottesel, und nicht als die wunderbaren prestigeobjekte, die man aus ihnen herstellen kann. oder kommt die mode noch? gerade für großstädter ist es eigentlich ein gesunder und umweltgerechter zugang zum oldtimerwesen, und mit dieser uralten genialen hilfe-reihe schafft man die reparatur und renovierung ohne weiteres alleine. das polieren von alten speichen ist eine sehr stupide und sehr befriedigende tätigkeit, und man macht es ja pro rad höchstens ein paar mal im leben.

ich stell das mal online, obwohl die geschichte und das rad noch nicht fertig sind – bei der gangschaltung sitzt die feder nicht mehr richtig und rutscht immer raus, und der sattelverkäufer schickt erst montag, weil der postangestellte letzte woche krank war. die schalthebel für 5 euro sollten 40 euro versand kosten, der verkäufer meinte dazu: „Ja, aber sonst müsste ich den Preis erhöhen.“, eine betörende logik. die jagd dauert also noch eine weile.

 

wurzeln

„freude schöner götterfunken, tochter aus e-li-seom“ singen die zwillis morgens beim anziehen. ich habe mal wieder bentos gemacht für die schule, david hat immerhin einen saft getrunken zum frühstück, gregor käse mit olivenöl und balsamessig. vorm aufstehen sind sie nochmal kuscheln gekommen, 15 sekunden, dann sagen sie mir, ich solle heute mal wieder cornflakes einkaufen gehen.

so momente, an denen das entspannte und die gute laune der kinder, ihre bezogenheit, nicht mehr selbstverständlich sind, sondern mir sofort den tag versüssen, immer mal wieder an den von mme arboretum verlinkten beitrag zu den kriegsschäden, die auch in der kinder- und enkelgeneration noch ans licht kommen. ich weiss noch, wie ich das buch gar nicht lesen wollte, als es vor ein paar jahren erschien, weil ich meinen eltern für ihre art, familie zu leben, lieber weiterhin ein bisschen gram sein wollte, es lieber isoliert als deren eigenheit sehen wollte und auf begründungen und erklärungen wenig lust hatte. ich war mir  ganz früher vollkommen sicher, dass meine eine normale kindheit war und das meine bedürfnisse und das alleinsein damit mein eigenes und höchst privates problem seien, familie war einfach nicht lustig oder albern oder anregend oder warm, familie war stress und sehr viel form und schweigen. menschen, die gerne und viel zeit mit ihren eltern verbrachten, erschienen mir außergewöhnlich und ein bisschen strange, normalerweise gab es konflikte, funkstille und pflichtbesuche, diese liebeserklärungen an väter und mütter gab es nur im amerikanischen film. ich hab dann in den dreissigern begriffen, dass die liebe zu den eltern nicht außergewöhnlich ist, sie ist auch nichts aufregendes, sie ist solide basis einer komplexen beziehung, bei ziemlich vielen leuten. danach waren meine eltern eine weile persönlich für alles verantwortlich, erst diese studie hat mir gezeigt, dass all dieses nicht reden und nicht fragen und nicht fühlen können teil eines viel allgemeineren problems sein könnten. das war sogar auf der ganz tiefen emotionalen ebene ein bisschen befreiend, weil ich/das kind dann eben doch nicht selber daran schuld bin/ist, so uninteressant und unhübsch und eigentlich unexistent zu sein, andrerseits macht eine so allgemeine erklärung aber auch noch unsichtbarer im familienbild. der systemische ansatz ist halt auch eher unpersönlich.

die große echokammer.

der vorteil, in einer hinterfragenden zeit zu leben. ich kann es mir gar nicht vorstellen, so eindimensional leben zu müssen, halt, ich mache wieder den gleichen fehler: es waren nicht alle so ohne offene selbstzweifel, ohne autoironie, es gab bestimmt auch in den sechzigern eltern, die über sich lachen konnten, konflikte ohne autoritative kurzschlüsse und ohne dieses katastrophen-gefühl austrugen, dass die welt untergeht, wenn der mann mal nicht recht hat oder etwas anders als vom vater gewollt abläuft. es gab in den sechzigern jede menge auch fruchtbarer auseinandersetzungen, es gab feministinnen und studentenrevoluzzer und linke und antiautoritäre und hippies, es gab sie halt nicht in allen familien.

aber wir habens schon leichter im neuen jahrtausend.  in den medien finden sich soviele hinweise auf stolperstellen und warnschilder für erziehungsgeschichten, vom internet gar nicht zu reden, das war doch früher bestimmt anders – not? es ist eine huhn/ei-geschichte, es ist ja auch nicht so wichtig, das schwammige selbst, das diese fragen immer mal wieder stellt, das muss ich ja nicht reden lassen (man entkommt sich ja nur so halb).

diese notwendige wachsamkeit sich selber gegenüber, wie ich mich immer selber ertappt habe z.bsp. bei gewissen leeren gesichtsausdrücken, obwohl ich mich anders gefühlt habe, weil das kontroll- und verschlusssystem so tief in mich hineinreicht (ein elternteil aus täter-, einer aus eher opferfamilien stammend), das ist auch gesellschaftlicher konsens, heute sind ja alle verantwortlich (und nicht mehr schuldig), das ist nicht nur talent.

buchläden galore

ein neuer buchladen in der nachbarschaft wird eröffnet, sie bieten bücher aus kleinen unabhängigen verlagen an, der buchhändler sagt: jeweils die 10 lieblingsbücher der verleger, die reihen sind gefüllt, ich kenne fast nix und fühle mich unbelesen und mainstreaming. wagenbach als größter der kleinverlage ist auch dabei, von dort kommt das einzige buch, das ich besitze, „Ich nannte ihn Krawatte“ von milena michiko flasar, ich habe es, weil das titelbild an meiner wand hängt und der künstler (jörn grothkopp) mich zu einer lesung eingeladen hatte. das buchprogramm ist außergewöhnlich, die titel schön, und so weiter, mann, ich komme nicht darüber weg, dass ich kein einziges buch davon gelesen habe. liegt außer an meinem privatem weniglesetum auch an kleinen werbeetats und wenigen kritiken, hopefully, sage ich mal ganz egoistisch. eigentlich eine herausforderung für lange herbstabende, ich muss für buchgeschenke noch weniger laufen und kann mich beim entscheiden ganz auf die eindrücke der ersten seiten verlassen, das jungfräuliche von totally unbekannten büchern und autoren, die zeilen bis zum ersten naja lesen, wie selten bei einem buch alles stimmt, oder? so selten wie bei menschen, bei neuen kontakten immer der wunderbare weissraum, bis sie beginnen, von ihren berufen oder kindern zu sprechen, das ungestützte selbst.

sich einer auswahl anvertrauen, die weder dem markt noch dem profitwunsch folgen möchte, bis auf die partnerschaft mit dem verlag dittrich im nachbarzimmer – man wünscht ihnen, die nische möge größer werden, also nee, seufz, aber bleiben möge sie.

eine frau (sie fragte mich, ob ich auch aus „der branche“ käme, ich sage dann immer nein, ich bin leserin, oder publikum, oder hörerin) äußerte zweifel am konzept, also nicht an seiner qualität, sondern an seinen marktchancen, das ist immer der kamm, über den all diese projekte am ende müssen, im smalltalk zumindest, wenn man mit leuten drüber redet, der sie alle gleichmacht – hey, ich war noch dabei, als das anders war, die zeiten haben sich geändert und mein alter, aber „das reicht doch nicht“. (pollesch). es ist ein bisschen so, als würde man jeden lebensentwurf mit einem hinweis auf den tod kommentieren, well yes, does it matter?

er* stand für einen kurzen moment da, bier in der hand, funktionsjacke, blick sagen wir mal nicht verschlossen, als wäre er einfach ein mann, vor einer hauswand, und die nacht ist noch lang und das jahr noch nicht rum, und

um die neuziger im knaack-club, oder im frannz, grade den film über den prenzlauer berg 1990 gesehen, sentimental geworden, besonders wegen der gesichter und dem souveränen mangel an coolness bei den leuten.

sequoia national park

three rivers ist ein langgezogenes nest am fuss der berge, freundlich und wohlhabend wirkt es, mit kleinen restaurants, einer grundschule, wenigen geschäften. im „historical museum“ findet ein hot dog festival statt, es besitzt ein saloon-piano, gewehre und kleidungsstücke der frühen siedler, wir sollen anfassen und fragen stellen, sagt der chef. es ist unser erster abend, wir haben hunger, wie immer bin ich ein paar minuten orientierungslos die strasse rauf und runter gefahren, um das zentrum zu suchen, nach welchen kriterien sonst soll ich eine entscheidung treffen? es wird dann anne langs emporium, weil es am wenigsten nach pommes und burgern aussieht. wir sind die einzigen gäste, der laden schliesst gleich, ich freue mich, dass ich nach der langen fahrt aus der hitze des valleys rausgekommen bin, hier ist es durch das viele grün viel besser temperiert.

das essen wird in japanischem geschirr serviert, der salat hat eine sojanote, es schmeckt gut – und eigen, als ob da wirklich jemand selber die rezepte entwickelt habe. ich halte die drei damen des delis für drei generationen einer familie, frage aber nicht nach. die wantans reichen den jungs nicht, wir bekommen noch eine nahrreiche und dichte hühnersuppe mit wunderbarem frischen brot. an der hinteren wand entdeckt gregor ein regal mit gewürzen, samen, tees und merkwürdigen wurzeln in haufenweise gläsern, wie in der vorratskammer einer kräuterhexe, gregor sucht sich eine zimtstange aus, obwohl wir die zimtfarbene rinde der mammutbäume noch gar nicht gesehen haben. 1 dollar, 25 cent zahlt er dafür, von seinem geld.

sierra-nevada

vom hotel aus fahren wir noch 20minuten bis zur einfahrt des nationalparks, auch hier wieder richtig mit schranke und wärterhäuschen und zwei angestellten in ranger-uniform, dann noch eine stunde lang über enge serpentinen in die berge, hoch und höher, durch mehr oder weniger dichten grünen wald. die kinder fragen die ganze zeit „mama, wie gross sind die denn, ist das hier einer? oder der hier? also der hier ist riesig, schau mal“ ich sitze zufrieden hinterm steuer, plötzlich schreit elias „boah!“ und da steht er neben der strasse, unser erster sequoia, der stamm vielleicht 3 meter dick, verschwindet durch die anderen bäume ringsherum nach oben. ich fahre weiter, die kinder schnattern. ich versuche, meine inneren meter anzupassen, damit die sequoias noch irgendwie reinpassen ins konzept „baum“, aber das wunder wird nicht kleiner, das herz macht bei jedem neuen baum einen kleinen hopser, dann fällt mir ihr alter wieder ein, die vielen hundert und paar tausend jahre, die da vor uns stehen, „older than jesus christ“ sagen die amis, ich denke lieber daran, wo die menschheit vor 3000 jahren war, als diese bäume ihr leben begonnen haben.

gregor-seq-400

direkt am parkplatz steht einer, 10 meter den hang herunter, die jungs stürmen hin, um ihn aus der nähe zu sehen, der kopf legt sich in den nacken, soweit es geht, die rinde ist elastisch wie kork, aber viel gröber, viel dicker und tief gerillt. gregor hebt ein großes stück davon auf, sie ist federleicht, wie aus pappmachee. es liegen riesige zapfen herum, unterarmlänge, die kinder fotografieren sie wie trophäen, aber die sind von irgendwelchen fichten, lerne ich später. die sequoias haben kleine, runde zapfen, nicht größer als eine kinderfaust.

meadow-wild-400

wir laufen einen sehr asphaltierten rundweg um eine wiese mit perfekten bedingungen für sequoias, in ihrer mitte sammelt sich feuchtigkeit, der boden liegt ein bisschen tiefer als die umgebung, die bäume stehen alleine am rand und haben wenig konkurrenz um wasser, sonne und nährstoffe. neben einem der bäume steht eine hirschkuh und guckt in unsere richtung, nein, sehen wir dann, sie schaut nach ihrem kitz. auf der großen bildversion kann man beide sehen, sie sind so viel kleiner als erwartet vor dem baum.

der park bemüht sich um natürliche bedingungen, so wird feuer genutzt, um die saatbedingungen der bäume zu verbessern und um sie zu stärken, weil die konkurrenz mit abgebrannt wird. die feuer brennen niedrig und lassen moos und unterholz verschwinden, aber unheimlich sind sie schon, wir sehen ein paar qualmende quadratmeter davon, es steht ein schild dabei: „wir wissen, dass es hier brennt, es ist ein geplantes feuer“.

hinweisschilder und ein stammquerschnitt erinnern an den raubbau vergangener zeiten, die jungs fragen, ob diese wunder die menschheit auch weiterhin überleben werden, oder ob nach der anbetungsphase nicht doch wieder eine ausschlachtung stattfinden wird. david glaubt, dass beim baldigen ende des erdöls die menschheit bald wieder mehr holz verbrennen wird und schlägt vor, überall sequoias zu pflanzen und mauern drumrum zu bauen. ich stehe, in jeder zelle klein, fröhlich und kurzlebig („was soll der stress? ganz, ganz bald ist es durch“) unter den riesen und würde sie sofort verteidigen gehen.

3-ents-12001

ich stelle mir die geschichten vor, in denen sie vorkommen, wir sehen ein paar riesige ents mit großen zehen und wenig leuten drumrum, so dass ich endlich soetwas wie treehuggen versuchen kann, aber man sieht ja, wie weit gregor mit seinen armen gekommen ist. es gab keinen weg, den ganzen baum samt füßen und details aufs bild zu kriegen, ich hab die obere rundung des wipfels also mit photoshop hingepappt, der baum war abgeschnitten, vielleicht stellen sie sich mal ein typisches berliner wohnhaus mit dachhöhe um 25-28 metern vor: etwas über dreimal so hoch ist ein sequoia.

der wald wurde erst 1839 entdeckt, den ersten, zu kleinen park gibt es seit 1890, unter roosevelt haben anderthalb millionen unterschriften für eine ausweitung des parks auf alle sequoiawälder plädiert, aber es hat bis 1967 gedauert, alle wälder aufzukaufen und als parks zugänglich zu machen. anderthalb mio ohne internet.

ich bin ordentlich in awe vor den riesen, viel mehr als erwartet. der eindruck geht sogar tiefer als der vom grand canyon, oder den walen, oder big sur, nichts wirkt so stark wie diese bäume. sie sind eine wirklich vollkommen neue erfahrung, wegen ihrem festen stand in raum und zeit. ich weiß noch, ich stand vorm sherman tree und dachte „renaissance? pfff.“

DSC_0349

auf den wegen rund durch den park klettern die jungs auf einen gefallenen stamm und setzen sich neben ein mädchen. elias plaudert mit ihr, „auf englisch?“ fragt die mutter hoffnungsfroh, „naja,“ sagt er, „eher nicht, ich war mit ihr in der rüste letztes jahr.“ die mutter, alleinreisende mit kind, ist nicht so erfreut wie ich über das treffen und sagt im tonfall exasperated „wie weit muss ich fahren, um keinen berliner zu treffen?“ nicht in einen der schönsten parks der usa, wär mein vorschlag, nicht in den sommerferien, aber nee, sie will gar keine antwort. ich bin etwas verwundert und halte sie für eine deutsch-deutsche.

im souvenirshop stromere ich mit david durch die regale und merke nach paar minuten, dass ich nicht widerstehen werde können. ich kaufe eine tasse, da lachen mich die jungs nur ein bisschen aus – und einen baum, 5cm, mit substrat drunter und plastikröhre drum rum, da gibt es erstaunliche stimmen der vernunft auf der kinderseite. „der wird sterben, wir sind noch 2 wochen unterwegs, der gehört hierhin“, fast alles gute gründe, auch, um die welten getrennt zu halten, denke ich, aber ich kann sie qua mütterlicher fokussiertheit mühelos ignorieren.

mini-seq

er steht in den motels immer am fenster, von allen umhegt, in der zugreise festgeklemmt am zugfenster, im flieger in der flaschentasche am rucksack und jetzt gedeit er prächtig auf meinem balkon. ich habe freunde mit gärten, da kann der hin, wenn er aus meinem balkon rausgewachsen ist. david hat eine packung samen gekauft, dann können wir ihm sogar noch gesellschaft verschaffen. er wird hier längst nicht so hoch und breit wachsen wie in kalifornien, zu wenig alpin alles im brandenburger flachland, aber wachsen tun sie überall, sagt die werbung. es gibt viele sequoias in europa, sie waren vor allem in england eine zeitlang mode und stehen dort in vielen parks.

und ja, natürlich braucht er einen namen.

auf einer der bänke um die wiese sass ein ca. 50ziger in rangerkluft und erzählt, dass er seit ein paar jahren im park arbeitet, jeden sommer, und jeden tag in der mittagspause auf eine bank an dieser wiese kommt, weil er sich in die bäume so verguckt hat („I fell in love with them“). scheint mir vollkommen nachvollziehbar, sie bringen einen auf den boden und relativieren auf wirklich elegante und majestätische weise das leben und den ganzen rest, in quali- wie quantitativer hinsicht. ich habe einen blick auf die freien stellen geworfen und würde wenigstens die söhne gern mal für ein sommerpraktikum hinschicken.

die jungs haben dauerlauf mit stoppuhr um die wiese gemacht, einmal rum, und erzählen strahlend, dass die anderen touris sie mit „go go go!“ angefeuert hätten.

ich verlängere den aufenthalt um einen tag wg. begeisterung, die kinder finden, dass ich übertreibe, aber ich darf das natürlich. wir gehen einen anderen der vielen wanderwege am letzten tag, die jungs eher unlustig und im bloss-nicht-bergauf-modus. elias dreht sich um und holt luft, um das argument „lieber swimmingpool“ nochmal nachdrücklicher zu verkünden, da sehe ich hinter ihm etwas, mit dem ich trotz vieler warnschilder überhaupt nicht gerechnet hatte und beginne wild mit den armen zu wedeln, um ihn und die brüder zurück in meine nähe zu holen: 30 meter hinter ihm steht ganz still eine aufmerksame bärenmutter mit zwei babies und sieht ihn an – das schwimmbad war sofort vom tisch.

baeren

ich weiß kurz nicht, ob fliehen oder standhalten angesagt ist, lasse mich aber von der riesigen relaxtheit anderer wanderer überzeugen, wir bleiben auf dem weg, sind laut, und gehen noch eine halbe stunde weiter, um am fluss ein schönes kleines picknick zu geniessen, aber meine nervosität bleibt. und der ärger darüber, das ausgerechnet heute die kamera wg leerem akku im hotel geblieben ist, aber david hat ein paar schüsse machen können. ich weiß gar nichts darüber, was bei bärenmüttern im umfeld zu tun ist, aber es scheint mir dann doch besser, einfach das komplette umfeld zu verlassen, obwohl die kinder jetzt am liebsten auf bärenfotojagd gehen würden, „schau mal mama, ich kann mir eine schleuder machen“ – mir war das nah genug.

tarantel-400

die riesige tarantel, die wir auf dem rückweg ins motel noch aus nächster nähe begucken können, fällt da kaum noch ins gewicht. jemand erzählt uns, dass es im park ca. 300 wildlebende schwarzbären gibt. dreihundert. dankbarkeit.

mantra

ich komme in die jahre. ich könnte mir ein vintage- rennrad kaufen, das würde die männliche seite in mir mögen (wäre ich ein mann, ich würde außerdem jeden tag weiße hemden tragen, oder edle t-shirts mit einem dunkelblauen wolltroyer drüber), als statusymbol, aber welcher status wäre das, außer unterbezahlt und untervögelt? bei autos ist mein geschmack zu teuer, vielleicht reicht es vor ende des benzins noch mal zu einem alten käfercabrio. mein vertrauen in ersatzbefriedigung ist grenzenlos. ich sitze gut auf meinem ross, mehr zuhause in mir als in den jahren davor, auch wenn ich dellen und falten bekomme, die nicht mehr weggehen werden, und die man sehen kann. der mangel hat mich freundlicher gemacht und nicht zynisch, das abgeklärte gibt sicherheit und wird halten, ich falle nicht mehr tief und mit den jahren deutlich weicher als früher.

page

wir fahren morgens im grand canyon village los und am south rim entlang richtung osten, ich fahre nochmal ein paar meilen zum desert view tower, einfach weil er da ist und ich noch einen letzten blick auf all das wunder werfen möchte. die kinder maulen, sie wollen weiter, aber ein gewitter überzeugt die jungs, mit blitzen und wolken und einem eimerguss regen, der erreicht uns auf dem weg zwischen parkplatz und restauration, wir werden pudelnass, die laune ist wg abenteuer wieder großartig. gespräche mit anderen touristen bei pommes und gutem, starken kaffee (ich hab den berüchtigten amerikanischen plörrkaffee nur in einem oder zwei billigmotels bekommen, alles andere war überrraschend stark, heiss und lecker), diese art von gesprächen, die einen aus der tiefenentspannung nicht rausholen und die ich ganz gern mag, mit der grundbegeisterung darüber, dabei zu sein, hier zu sein, dem schwebenden freundlichen desinteresse, mit dem man nach ein paar sätzen aus dem „where are you from?“- bereich übergangslos wieder in die landschaft guckt.

DSC_0707

ich stelle mich nach dem guss an den canyonrand, es sind ziemlich viele menschen dort, trotzdem herrscht stille, wir stehen bewegungslos am geländer, als hätten alle den atem angehalten. der ausblick ist spektakülär, wir können den colorado genausogut sehen wie die nordkante, darüber blauer himmel, schwarze wolken und riesige, lange blitze, es donnert, die möglichen bilder sind schnell verschossen, dann versuche ich diese weite einzuatmen, das tiefe rot, es passen ja millionen farbnuancen zwischen die farben rot und braun, der gesamte horizont ist damit gefüllt, und es ist ja ein großer horizont, den man am canyonrand sieht, weil es außer nach vorne und ringsherum auch noch 3000 meter nach unten geht. man hat vielleicht im weltraum oder im ozean so einen freien blick in jede mögliche richtung, und auch nach den drei tagen am grand canyon haut mich der anblick sofort aus dem hocker. dann fällt mir das ding mit den 6 millionen jahren erdgeschichte ein, die da vor mir ausgebreitet liegen, und all die schönheit kriegt noch einen 4D- touch: raum und zeit, ich atme ein und habe den aromatischen nadelholzduft in der nase, der seit dem gewitter in der luft liegt. alle sinne satt (pommes vorhin), das zaubert ein leicht meschugges grinsen in die meisten gesichter. sogar das „ja ja mama, is ja gut“ der kinder hörte sich ein bisschen respektvoll an.

nach dem abschied vom grand canyon geht es über 180 meilen in die stadt page. bei der reiseplanung hatte ich in google earth beim rumklicken bilder vom antelope canyon gesehen, ich weiss noch den prozess von „ganz weit ab vom schuss“ bis „liegt auf dem weg“, den ich als sehr befreeiend erlebt habe wegen dem mu welteroberungswillen, den man so ausleben darf, wie die landkarte zu strasse wird. page, nie vorher gehört und zum glück nicht gewusst, dass der antelope zu den „meistfotografierten slot canyons der welt“ zu gehört, nein, ich habe es für uns entdeckt, das war das gefühl.

DSC_0713

das gelände wird flacher, die erde bleibt tiefrot, die landschaft beeindruckt mich nachhaltig, über weite strecken ist bis zum horizont nichts menschliches sichtbar, es sieht aus wie vor hundert, 200 oder 300 jahren. rund um die stadt konglomerate von imbissen, tankstellen, supermärkten, in großen hallen mit großen parkplätzen davor. im superwalmart vor page, man kann ihn gut auf google earth erkennen, kaufe ich uns schnell noch einen kindle touch für 99$, weil die kinder nichts mehr zu lesen haben und bei den mobilen geräten die akkus immer so schnell ausgehen. das ding war ab kauf auf jeder fahrstrecke und in jedem hotelzimmer in dauerbetrieb, sobald weder pool noch tv möglich (erlaubt) waren. lustig, wie das monatelange theoretisierende ja-nein-oder bzgl ebooks in der sekunde vom tisch war, in der ein wirklich überzeugender grund aufgetaucht ist.

DSC_0906

das rodeway inn in page, rechts hinten im pic, ist ein arg unprätenziöses motel, aber es bietet einen swimmingpool und einen kleinen rasen mit picknicktischen und charmante rotgestrichene wände. die kinder haben den zeitraum zwischen auto ausladen und ins schwimmbad hüpfen inzwischen auf unter 2 minuten gedrückt, ich habe dann immer ein bis anderthalb stunden für mich, bis der hotelmanager die jungs rausschmeisst, weil sie unbeaufsichtigt nicht dürfen. im supermarkt gegenüber hole ich abgepackte sandwiches, die sofortigen würgreiz auslösen und ungegessen in den müll wandern. wir weichen auf einen imbiss beim walmart aus, wo uns die bedienung zu unseren sandwiches aus versehen 12 tacos fertigmacht, die wir im lokal verteilen und so mit allen ins gespräch kommen. ein altes ehepaar lässt uns dafür von seiner auswahl probieren, ein fröhliches try this und try that, und es bleiben immer noch 4 tacos übrig, die ein kräftiger junger mann mit einem lauten „thank you!“ in minuten verdrückt.

mir ist aufgefallen, dass die bedienung aussieht wie weit über 80, eine alte dame in fastfooduniform. ich muss die tacos nicht bezahlen und bin erst beruhigt, als die anderen studi-kellner und die alte dame schnelle witze übers zählenkönnen reissen. ich habe viele alte menschen in solchen jobs gesehen, immerhin sagt dort niemand, sie würden es tun, weil sie sich noch fit fühlen.

wir frühstücken aus styroporgeschirr, die gab es sogar in einigen der besseren hotels, tellerchen und becherchen und schälchen aus einem federleichten vollkunstkram, der nach dem essen in grossen müllsäcken verschwindet, wie ein notbehelf auf einem campingplatz, wenn man die ganze ausrüstung vergessen hat, ein bisschen albern ist es und bringt die europäischen gäste zum lächeln und die französischen zu einer kleinen geste kultureller überlegenheit (augenbrauen und spitze finger), ich denke, das wasser muss hier extrem teuer sein. es gibt nicht genug sitzplätze für alle, wir stehen an einen betonkübel gelehnt vor dem ess- aka-rezeptionsraum, alle in schlangen vorm toaster und dem kühlschrank mit yoghurt, obst und den großen milchtüten mit je einer gallone inhalt. mir gefällt das unwattierte an diesen unterkünften, ich bleibe nah am real life, mit dem plastebecher neben der leeren hauptverkehrsstrasse, blick auf diese grossen flächen und flachen häuser überall.

dann geht es schnell zu antelope canyon tours weiter, 300m über die strasse, ich mit ausgedruckter bestellbestätigung aus berlin in der hand. die canyons gehören den navajos, man muss also zwangsläufig eine tour mit führung buchen. die indianerin an der kasse vergleicht meinen zettel mit einer handschriftlichen liste in einem dicken notizbuch, wir sind dabei, 4 personen, 120$, es wird gleich losgehen, die jungs sind wie immer schon von dem transportmittel begeistert, riesigen wüstentauglichen pickups mit 2 aufmontierten sitzbänken hinten. festhalten! schreit der fahrer und fährt einige rasante minuten über den highway 98, dann geht es durch eine schranke und er brettert noch eine viertelstunde durch roten, feinen wüstensand, der wagen springt über dellen im boden, die haare fliegen, es gibt staubwolken und die jungs kreischen, für sie war der ausflug jetzt schon ein voller erfolg.

DSC_0794

die antelope canyons waren dann eine vollkommen schräge erfahrung. wunderschön anzusehen, eins dieser einmaligen unbelievables, es sind unterirdisch ausgewaschene, vielleicht 20 oder 30meter tiefe schmale einschnitte durch viele schichten stein in all den wunderbaren rottönen, die es dort gibt.

DSC_0846

schräg ist die hatz, in der wir durch den canyon getrieben wurden, wir durften nicht anhalten, die bilder müssen aus der hüfte geschossen werden, unser führer treibt andauernd an, weil die nächste gruppe schon drängelt, als sei sie ein naturgesetz, jede minute wird zu geld gemacht.

DSC_0810

die hälfte der zeit muss man sich an der vorherigen gruppe vorbeidrücken, weil der canyon an vielen stellen sehr schmal ist, es gibt kaum chancen, fotos ohne menschen zu machen, schon stehenbleiben ist ein risiko fürs stativ und die kamera.


DSC_08951

gregorzwilling schreibt nach dem durchlauf mit einem stein etwas auf den fels, als wir auf die abfahrt warten, unser führer verbietet es ihm wegen der heiligkeit des steins, ich hätte ihn in schutz nehmen sollen, wie soll man bei all der hektik in der luft noch ein gespür fürs nichtmaterielle bewahren können?


DSC_0809

unser guide macht motivvorschläge, dort ist lincoln zu sehen, dort washington, dort pocahontas, er zeigt auf die felsen und den passenden standort, ein paar von den 40-50 leuten versuchen, sich dort zu positionieren, während der rest schon weiterstolpert. ich habe die kamera auf dem stativ, wb auf wolkig, und mache mehr oder weniger blind die bilder, es tut bisschen weh, weil man stunden und komplette grosse speicherkarten lang dort bleiben will, aber es ist fließband und keine handarbeit, eine bilderproduktionsstrecke, die bilder sind auch alle in ordnung, aber das riesige dollarzeichen in den augen der besitzer bleibt in genauso lebhafter erinnerung wie das naturwunder. klar, dürfen sie, keine frage, aber eine geringfügig weniger offensichtliche verachtung der gäste wäre cool.

DSC_0902

aber schön ist es.

highway 1

DSC_00271

diese fahrt von monterey aus nach süden war für mich der beginn einer ganze reihe von großartigen naturerlebnissen, ein teil davon dieser überraschung verschuldet, ja noch nichts, nichts gesehen zu haben von der welt, die erinnerungen an reisen nach indien, china und japan, mit anfang zwanzig, sind ja inzwischen verstoffwechselt, die kann ich nicht mehr von mir unterscheiden.

in den letzten 13 jahren haben die kinder und ich die varianz des immergleichen genossen, immer in norditalien im gleichen (heimat-)ort, auch da sieht ja jeder sonnenuntergang anders aus als der davor, und der danach, ich habe bilder von 30 jahren sonnuntergängen, ich seh sie nicht oft an, aber sie funktionieren, tief eingeprägt durch die wiederholungen, diese bilder sind autobahnen im erinnerungsvermögen (autsch. ach, egal).

helen-pfeiffer-park1

der wasserfall im helen pfeiffer park, picture perfekt, aber es ist doch anders, wenn das wasser läuft und die brandung rauscht, und die kinder sich auf das niedrige geländer setzen wollen, bis auf den großen, der grade mit schlechter laune irgendwohin gestürmt ist. es bleibt ein bisschen auf einer zwischenstufe zwischen realität und bild hängen, weil man nicht hinunter an den strand darf, und die internetpics und der eigene blick deswegen eine so ähnliche perspektive haben wie alles, was man schon kennt. der kurze weg hoch über dem wasserfall ist relativ gutbesucht, einige familien wie immer vollkommen furchtlos mit allem bis auf ein kleines stück hintern über dem abgrund hängend, auf den klippen, beim picknick.

DSC_00371

die vielen neuen eindrücke auf dieser fahrt kicken wirklich erstaunlich intensiv, der highway 1 ist eine bombe. die kinder erleben das auch, sie rufen “boah″ oder brüllen einfach laut, wenn sie über diesen klippen stehen, bis sie sekunden später im galopp bergab (klippab) richtung küste losstürmen, “mal sehen, wie weit man runter kommt, och mama, bitte, nee, die schuhe hab ich, weiß ich auch nicht, im auto gelassen″.

DSC_00461

eine wilde, schöne küste, mit felsen, blumen, meer, einem frischen wind und jeder menge seerobben unten auf den felsen, nach jeder kurve ein neuer ausblick, eine neue klippe, netterweise geht das über einige hundert meilen, es gibt kleine diners am strassenrand mit burgern und zitronenlimonade und aussicht aufs meer.

DSC_0185

ein paar am nachbartisch hat gefragt, ob die kinder auch schon so einen kick von der strasse bekommen wie ihre mutter ganz offensichtlich (strahlen, schwärmen, trinkgeld), es ist vielleicht noch unmittelbarer bei ihnen, und nicht mit geschichten, biografie, tiefgang gepimpt. es ist noch nicht vergleichbar, mal sehn, was sie behalten. sie gewöhnen sich schneller, sie sind intensiv dabei, wenn die natur noch ein paar extras wie abgründe, seeelefanten und steile kletterpfade bereit hält. ich jedenfalls habe alle paar meilen an diesen unzähligen parkbuchten angehalten und mich einfach nur in die landschaft gestellt, zum hingucken, mit der kamera eher als alibi um den hals, und den kindern dafür pommes satt versprochen, aber natürlich kann niemand soviel essen.

seeelefant

das hearst castle überspringen wir, architektur, selbst megalomane, hat keine chance bei soviel schönheit in der natur. und es war schon nach 5, als wir dort vorbeifuhren. viel viel besser war ein parkplatz, an dem ich erst ein paar hundert meter vorbeigefahren bin, bis das schild mit dem wort „elephantseal“ darauf bei mir angekommen war. ein riesiger leerer parkplatz, die menschen alle an einem geländer zum strand hin, und da waren sie, hunderte und hunderte von seeelefanten, riesigen, sehr träge herumliegenden echten rüsseltieren. sie liegen dort bis zu einem monat, wedeln sich mit ihren flossen gelegentlich sand über die leiber und machen seeelefantengeräusche, die sind one of a kind. darüber pelikane.

pelikan

pharmacy

ich habe eine dauerhafte schwäche für nahrungsergänzungsmittel. in meiner küche gibt es einen kasten, der magnesium, vitamin d3 und fischöl in kapselform enthält, wobei ich die verbindung stoff/körper wie in einem poetischen ritual als synonyme lese, es genügt also, etwas zu schlucken. kleine erfolge in meinem alltag, omega3s sind gesund, ich esse welche, also geht es mir besser, es darf nicht komplizierter werden als das. ist einfacher, als jede woche zweimal seefisch auf den tisch zu bringen. ich bleibe dabei deutlich vor der grenze zum esoterischen stehen, ich kaufe nichts, dass mir besseres gedächtnis, längeres leben oder ewige jugend verspricht, und keine stoffe, die ich nicht aussprechen kann, weil es zuviele q-zahlen-kombinationen im namen hat.

dieser moment vor den regalen, bis fokus und rationales überwunden sind und ich ganz ernst davor stehenbleiben kann, sofort beginnt der blick zu wandern, herz-kreislauf? nee, noch nicht, vitamin a auch nicht, aber dieses multivitamin enthält natürlich auch zink – bei schlecker, rip, waren es immer nur ein paar meter, aber in den usa sind die apotheken so groß wie ganze warenhäuser, an den highways irgendwo in der wüste sind der superwalmart und target nicht viel größer als die pharmacy direkt daneben.

CVS-14st-8-Ave

diese eine filiale in new york an der 14st/ecke 8 avenue zum beispiel, ich wollte sie nochmal in gut fotografieren, habs aber vergessen. vollkommen angemessener raum für diese ganzen schätze, ehemals hauptsitz einer sparbank, jetzt weihevoller ort fürs geldausgeben, es gibt große bereiche für bestimmte mängel im körpersystem, schnupfen, rheuma, magen, jeweils in 12m-regalen, für kinder und erwachsene, lange regale voller schmerzmittel, sie sind nötig in dieser stadt und passenderweise kosten sie fast gar nichts im vergleich zu allem anderen hier. den gesamten diabeteskram auf vielen regalmetern, ganz viel zeug mit zimt, wahrscheinlich genügt irgendeine ministudie am ende der welt mit 50 leuten, dann läuft die produktion los. ich weiss gar nicht, ob die teststreifen von den kassen getragen werden (eine frau hat mir erzählt, ihre schwester sei aus der kasse geflogen, als sie an diabetes erkrankt sei – also zahlen die kassen gar nichts für chronische krankheiten. ich habe nicht verstanden, warum so etwas nicht zur revolution führt). die wunderbaren großen glucosetabs, leicht zu nehmen, gut zu berechnen, idiotensicher auszupacken, auch, wenn man durch die hypo schon arg grobmotorisch geworden ist, es gibt sie auch hier im versandhandel.

nachts ab 22 uhr muss man an automatischen kassen alles selber scannen und bezahlen, eine mitarbeiterin kontrolliert, die jungs sind begeistert, achach denke ich.

lauf

am beispiel laufen beobachten, wie etwas über monate selbstverständlich wird. der wiedereinstieg im herbst, bei regen und dunkelheit, wie ich völlig fertig die letzten meter langgeschoben bin, total auf meinen körper fokussiert, die beine, die muskulatur, der schwung, aka totaler mangel von. wie die erde mit all der erdanziehung so einladend wurde: einfach hinsetzen. wie dann ein paar wochen lang der körper das hindernis blieb, ihn hochzukriegen, in die klamotten rein, auf die strasse, schon nach ein paar kilometern war ich bloss noch atemnot und blei, also wörtlich ein paar: 2. dann lösen sich über die nächsten wochen zuerst die gedanken vom körper, man ist nicht mehr nur maschine bergauf, sondern denkt wieder über dies und das nach, zu dick angezogen, ich brauche etwas für schlüssel, taschentuch, traubenzucker, besser bauchbinde oder tasche mit reissverschluss? auch mal die üblichen themen, und das ich noch zu schlecker muss. der nächste kick war die erkenntnis, dass ich jetzt weiter und länger laufen sollte, wenn ich besser werden will, das war wieder ein sprung im kopf und nicht im körper. ich habe gelernt, dass mein körper sehr sehr viel zeit braucht, um fitter zu werden, dafür bin ich in einem weiteren schritt aus den ganzen trainingsplänen im netz wieder rausgekommen, und konnte mich ganz entspannt nach mir selber richten. das wunderbare gefühl, wenn man nach dem laufen nicht mehr so kaputt, sondern eher wach und frisch ist, also nach dem duschen natürlich. dann habe ich die strecke verändert, es gibt hier nicht so viele gute, und bin aus dem hochhaus- + sozialviertel in den szenigen mauerpark weiter, der ist voller anderer läufer und es gibt was zu gucken. es kostet kaum noch überwindung und ist so im tagesablauf kein grosses ding mehr, also nicht mehr wie wäscheabhängen oder fensterputzen. ich versuche, es dreimal pro woche hinzukriegen, lasse es bei blutzucker über 200 oder bei terminen vor 10uhr. kann es wirklich, wirklich empfehlen. das tolle konzept „laufen mit hund” geht leider nur bis vielleicht 15° c außentemperatur, ab dann macht mein kleiner fellberg wegen überhitzung schlapp.

reisen

die begeisterung über den mai legt sich mit einem summen auf alles, die vielen einzelnen minuten, ich sitze auf dem balkon, lese das sehr großartige „stadt der engel“ von christa wolf, die vögel zwitschern, das bier schmeckt.

ich muss noch einige hotels buchen für den sommer, das internet macht mich wahnsinnig dabei, die ganzen seiten mit hotels und bewertungen navigieren sich wie diese sehr bunten elektrokram-beilagen in tageszeitungen, jeder quadratzentimeter eine neue möglichkeit, und alle sehen gleich aus. soll ich mich und die jungs in einem luxushotel einbuchen, mit walnussmöbeln und leinen-bettwäsche? ein frühstück für 4 kostet dort extra, und zwar 70€, das hotel, ein hyatt, kostet nur halbsoviel, wenn man sofort bezahlt.

ich mag am luxus, wie er alles andere überdeckt, keine geschichten liefert, seine eigenartige beziehungslosigkeit, man weiß immer nicht, ob er bedürfnisse dämmt oder sie tatsächlich stillt. dagegen die anderen hotels, wo die leute auf den bewertungsportalen sich über dünne wände, harte decken, sofas mit flecken beschweren, da bleibt man immer teil einer ganzen serie von geschichten, und nie als deren mittelpunkt. eines ist um ein haar dem bankrott entgangen, vor 2 jahren, und ist immer noch unrenoviert, kann man lesen, die zimmer sind ruhig und gehen auf einen friedhof, man kann direkt auf die gräber gucken, geister wurden keine gesehen, der pool ist zu klein und ein bisschen dunkel und es liegen blätter drin. das meer soll nur 300 meter entfernt sein, es ist 4,5 km ab vom schuss. es kostet inclusive frühstück und barbecue soviel wie das skontierte hyatt – der mangel an entscheidungskraft geht mitten durch mich durch. morgen sind alle weg und ich muss dann doch ins motel am highway.

mir vorgenommen, wieder besser zu kochen. in letzter zeit wegen dauermööp eine fühlbare häufung von fischstäbchen, tk-pizzen und schawarmas vom imbiss, was die kinder immer sehr begeistert. ich habe phasenweise einen unpräzisen jieper auf fertigfutter, dieses ganz spezielle aroma hinten im gaumen, das alle rezeptoren auf einmal bedient, nach ein paar mahlzeiten mit glutamat gibt das hirn wieder ruhe, aber nee, es ist doch hauptsächlich ne energiefrage. wenn ich auf die putzfrau verzichtete, könnte ich mir stattdessen die menues von kommt essen bringen lassen, die wirken ziemlich lecker, aber die putzfrau kann nicht auf mich verzichten, sage ich mir immer, obwohl wir natürlich eher horrorkunden sind, nur bücher, kinder, tonnenweise spielzeug und ein hund, und sie bestimmt lieber eine alleinstehende ältere dame hätte.

von dem ganzen haushaltsdingen mache ich übrigends die wäsche am unliebsten, es wird auch nicht weniger, weil die kinder ja größer werden, eine maschine mindestens täglich. ich hasse es, den kram aufzuhängen, zusammenzulegen, zu bügeln, wegzuräumen. die tatsache, dass das in jedem fall so bleibt, also wäsche und kochen, tröstet mich über jeden männermangel.

oder mal einen trockner anschaffen?

hoodies sind das schlimmste, sie nehmen soviel platz weg in den zu kleinen schränken meiner söhne. ein hoodie sind zwei pullover, 5 t-shirts und 3 langarmhemden.

stumme fische

auf dem datingportal hängt es etwas, weil die jungs nicht antworten, meistens sind sie höflich genug für eine antwort auf die erste mail, verstummen dann aber sofort, wenn ich weiterschreibe, liegt auch daran, dass es wenig männer meines alters gibt, die frauen bis zu meinem alter suchen, von bis geht die alterspannbreite, und sie suchen 5 jahre um ihre untere grenze herum. die zahl meiner kinder werde ich in zukunft besser auch erst beim treffen nennen, beim alter vielleicht ein paar jahre rausnehmen? ich laufe wohl außer konkurrenz, was kinderzahl, alter, alterung, gesundheit und lebensmittelpunkt angeht und werde ein bisschen ungeduldig.

blablubb.

das leben mit seinem ansprüchen und dem alltag ist für so einen singlemann komplex genug, denke, ich, darum wird die frauensuche so einfach wie möglich gestaltet. weil jemand wie ich da rausfällt, muss ich mir eine andere möglichkeit suchen, hat jemand vorschläge? bin ungeduldig.

glaubt mir das nie, wenn ich sage, ich brauche das alles nicht, die liebe und die haut.

 

strassenecke

„was schaut ihr denn da, kinder?“
„eigentlich etwas relativ dummes.“
der fortschritt ist die akzeptanz; ich gehe aus und bin nicht da, um vorzulesen, noch was zu wissen, lichtaus durchzusetzen, alle wissen, dass sie heimlich tv gucken werden, weil mir die energie fehlt, um die fernbedienung ins auto, den schlüssel in den briefkasten zu packen, oder in den tiefkühler, oder unter die blumenkästen. man muss es klar sagen: der kulturhunger der mutter ermöglicht den kindern kulturlosigkeit, auf perfekte weise, weil sie es im geheimen tun können. ich habe ihnen gesagt, wenn sie erben wollten, müssen sie vorher alle meine bücher lesen. „okay“ sagt gregor.

strassenecke„: die ersten seiten erinnern mich an die, die ich war, als ich jahnn gelesen habe, ich finde das sofort wieder in mir, es ist alles da („Alle Menschen denken einmal im Morgengrau zwischen Schlaf und und Wachen oder zufällig in einer dünnen Stunde bei einem Glas Absinth oder als sie sich entkleiden, das Hemd von der Haut abheben oder als die Strassenbahn in den Schienen knirscht, sie denken an sich wie der Geist an sie gedacht, als er sie bildete. Durch sie hindurch und in sich hinein. Und die Gedanken sind dolchartige Eisen […]“ und so weiter, dann übermannt ihn der expressionismus, bin hin zum „fettes spratzendes Höllenfeuer“ und solche dinge, dieses hemmungslose sich-ernst-nehmen, das man heute in literarischen texten nur noch mit dem autoren-ich und seinen wahrnehmungen tut und nicht mehr mit der gesamten welt.)

das stück sei nicht erzählt worden, lese ich in der kritik einer aufführung von 1994, das jugendtheater (wusste ich nicht vorher, ich hab „P14“ nicht wahrgenommen in der ankündigung, sie hätten aber auch einfach „jugendtheater“ hinschreiben können, die hanseln) hier tut das auch überhaupt nicht, leider, einigen schauspielern hätte ich ein bisschen mehr schauspiel schon zugetraut. der abend war interessant zumindest, volksbühne dritter stock, ein vollkommen leerer raum (bühnenbild bert neumann, der hatte wohl keine zeit) mit je drei stuhlreihen an den schmalen enden, die kids sind großartig textsicher, laufen herum und haben die beiden verwendeten darstellerischen möglichkeiten spielend im griff: monotones bisschen zu schnelles vortragen ohne körperbeteiligung und hemmungsloses brüllen, beides fordert zuschauer mit extrem guten ohren und zenmässiger konzentrationsfähigkeit, weil der text so unzeitgemäß dicht und gewaltig ist, auch die handungsverläufe sind sehr vielfädrig. am ende öffnen sie die 4 fenster des raumes, zum theatervorplatz hin, und machen das licht aus, es leuchten nur noch die lampen von draussen, auch die gehen irgendwann aus, niemand spricht noch, man sitzt im dunkeln, friert und hat keine ahnung, ob sie durch sind mit dem text. das publikum sass am ende sehr gutwillig minutenlang herum, bevor jemand mit dem beifall begonnen hat. ich mochte das, nur das restlicht von der stadt im raum, theater und stadt beide dabei, plus das magische eines unbespielten theaterraumes. wie ein schlafzimmer, das stück schläft wieder, denkt man so ein bisschen verträumt und guckt aus dem fenster in den berliner nachthimmel.

ich konnte mich trotz guter absichten (hh jahnn!) nicht immer auf den text konzentrieren und habe nicht verstanden, warum die regisseurin das so inszeniert hat. oder haben die kids das alleine entschieden? ein paar sätze dazu auf dem programmzettel wären hilfreich gewesen. ich wollte nicht rausgehen bei so jungen leuten, einer war noch vorm stimmbruch, aber versucht war ich schon. die ganze jahnnsche sprachgewalt und meinungsdichte wurde wegmonologisiert – oder eben niedergebrüllt.

Boh„, sagt der italiener dazu. schnell nach hause radeln, hund lüften, die kinder ins bett schicken, „mama, wie spät ist es denn jetzt genau?“ „23:06“ „okay, dann schlaf ich jetzt.“