am ersten ferientag mit dem putzen begonnen, dabei auch in die oberen kühlschrankfächer geschaut. ins glas mit der mutterhefe noch mal reingeschnuppert, bevor ich es entsorge, und siehe da – ein feiner, eleganter hefegeruch kommt mir entgegen, wo ich das aroma des verfalls erwartet hatte. sie hat wochenlanges vergessen werden überstanden, also hab ich sie gebadet, schaue, ob sie noch wächst, und werde sie in den urlaub mitnehmen müssen, denn was lebensformen angeht, bin ich eher dem ahimsa verbunden, aus pragmatischen gründen. hurra.
armyscheiß
ein paar jahrzehnte lang gab es einen großen armeeshop an der ecke, vollgestopft bis auf die straße, aus dem es intensiv nach naftalin und männerumkleide roch, der besitzer verlangte einen euro eintritt, stand oft im unterhemd vorm laden und trug mit seinem ungeduschtsein zur atmo bei, ein paar warzen in der verlaufsbahn der achselschweißes an die luft haltend. sogar der hund wollte die straßenseite wechseln. die jungs haben dort mal einen seesack gekauft, aus dem sie nach zweimaliger 90° wäsche den schimmel nicht rausbekommen haben. nach langer renovierung hat dort jetzt so eine gemeinschaftspraxis für ausgerechnet zahnärzte geöffnet, sehr auf edel, schön und gut gepimpt, motto: ihr geld für unser wohl. ihre tür steht immer offen, und wenn man dran vorbeiläuft, wird klar, warum: der alte mief kommt noch immer unverändert aus den räumen; schweiß, schimmel und mottenkugeln. kleine schadenfreude.
saisonale übergänge
erstaunlicher erschöpftseinsstatus. kenne ich nicht von mir, alles stresst, dauernd schlechtes gewissen, weil ich termine verschieben muss, die nur mit noch mehr stress zu schaffen sind, druck auf der brust, wach um vier, gereizt, kein überblick, mein zen ist futsch. vollzeit plus familie schaffe ich nicht, das ist schon wieder frustrierend. alter ist ein faktor, bin älter, als ich aussehe und jünger, als ich mich fühle, heute 54, und noch immer keine verdammte menopause. der job mit kleinkindern fordert auf akustisch intensive art, mir fehlt auch das denken noch immer, es läuft fast alles über intuition und erfahrung, aber nach ein paar richtigen sätzen von freunden kann ich besser damit leben, in einem kindergarten zu arbeiten. dass also eigentlich fast alles gut ist, muss ich mir grade noch stück für stück zusammenpuzzeln, es trägt noch nicht. freue mich sehr auf die freien wochen am see. ohne kids, die allein zuhause oder unterwegs sind, noch nie so viel zeit ohne kinder verbracht, vielleicht gehts mir dann doch nicht gut damit, eine trockenübung vor den auszügen wird das.
kw 27
den neuen soth mehr als sammlerin gekauft, die geschichte zum bild ist besser als das foto. mochte auch bei den früheren veröffentlichungen die texte immer sehr, eine kongeniale beziehung. das bild wird hier zur illustration der geschichte, es sind keine gleichwertigen partner. das foto brauchte drei tage von new york bis berlin, genau wie die vier platten, die ich zur unterstützung von tzadik records gekauft habe, das ist mir zu schnell.
dort spielt greg cohen den bass, mit dem ich schon mal ein paar worte gewechselt habe, womit ich damals meinen gitarrenlehrer beeindrucken konnte. jetzt muss ich nur noch den plattenspieler wieder in gang bekommen. (plattenkauf, so ein quatsch.)
mitte juli endet mein arbeitsvertrag, ich bekomme ab september einen neuen, bin aber die ganze zeit als plan und idee unterwegs, nicht wirklich fest gebunden, den pragmatismus am bein wie eine boje. freue mich sehr darauf, im sommer ein paar wochen lang zeit zum denken und herumleben zu haben.
werde die zwillis im sommer allein in der wohnung lassen und hoffe, dass sie aufräumen, zumindest, bevor ich zurückkomme. so wenig grundlegendes in der wohnung getan in den letzten monaten, wie ich immer sinnvolle plätze finden will für bücher und schränke und blumenpötte und geschirr und was sonst noch so über ist, sich dann alles einfach nur ansammelt, bis ich es entnervt wegwerfe. mag das entwertende daran nicht – als hätten die dinge irgendeine bedeutung außer dem wert, den ich ihnen beimesse. ich mag ja dinge, sie haben eine freundliche und stabilisierende wirkung auf mich, aber ohne system und struktur aka gestaltungswillen i.w.s. verlieren sie ihre eigenheit.
„Historische Umkehrung: nicht mehr das Sexuelle ist unschicklich, sondern das Empfindsame – verpönt im Namen dessen, was im Grunde nur eine andere Moral ist.“
in meinem sinnlos zerlesenen fragmente-einer-sprache-der-liebe-band nach der vox „zweifel“ gesucht, nichts gefunden, trotzdem, wie immer, eine lange weile später mit ein paar trovaillen, im sinn von schätzen, kleinen, fast dingfesten gedanken wieder aufgetaucht. (zitat aus: suhrkamp tb s. 182.)
détaché
es ist mir heut zwischendurch mit ein paar |plings| wieder eingefallen, warum ich so schlecht aus dem mögen wieder herausfinde.
ich erinnere mich an ganz früher, als die beziehung zu meinen nächsten erwachsenen eine fluchtbereitschaft enthielt, eine vorsicht, wie ich nie ganz selbstvergessen war, und wie wir in der liebe gehalten wurden, wenn mal wieder was schief gegangen war, wegen seiner kindheit, seinem stress, seiner erziehung, immer aus gründen, die nichts mit uns zu tun hatten, und wir mögen bitte hingehen und ihm sagen, dass es uns leid tut, weil er so drunter leidet. ich bin während der eskalation deeskalierend bis unsichtbar, danach verständnisvoll bis ironisch, so habe ich es gelernt, es ist mir erste natur inzwischen.
pasta
war kurz mitgerissen von der aufregung, aber sie ist wieder verflogen und ich genieße meinen abend. es bleibt ein interesse dafür, wie und in was und warum sie da reingeraten ist, warum sie das getan hat, aber es ist eher so ein verblüfftsein. vielleicht sagt sie was dazu, vielleicht nicht, das ist aber ihre sache, denke ich. liebe frau readon, hier gibts jedenfalls immer eine pasta für sie.
(hmm. werde noch mal drüber nachdenken, warum mich die sache nicht so wütend macht wie alle anderen.)
texte beamen
die verbindung zwischen einem buch und dem leseerlebnis ist unmittelbarer als bei einem e-book. die ersten augenblicke, der weg vom digitalen in die vorstellung ist eine zusatzstrecke, die energie kostet, konzentration einfordert, mehr phantasie benötigt. beim lesen will mein kopf das gerät ausblenden, das leuchten der oberfläche, und versucht, die wandelbarkeit der buchstaben zu vergessen. weiß nicht, ob die unmittelbarkeit bei papierbüchern frühe prägung und lange gewohnheit ist. auch bei hörbüchern rematerialisiere ich das gehörte immer erst, gebe ihm tiefe und raum zurück, dass es wieder welt wird, das dauert von den ersten worten an ein paar sekunden. diese medien bleiben bewußt, bis der inhalt durchs eindämmungsfeld durch ist, vor allem vorgelesenes ist frei verfügbar im raum, wie ein gespräch am nachbartisch oder ein radio in der küche, außerdem ist es ja schon mal gesprochen und erlebt, und muss mich erst erobern, als ob mein leserherz sagt: du text, du hast doch schon ein zuhause, warum soll ich dich haben wollen? und wenn dann so eine schöne sinnliche stimme liest, bin ich schon wieder abgelenkt durch einen nebenstrang.
kw langes wochenende
erkenne mich nach all den jahren in allem wieder, was mich ausmacht. es fühlt sich an wie eine entfremdung, als könnten alltag und lebensumstände auf keinen fall spurlos an einem vorübergezogen sein.
will mir ein neues bett kaufen, beim nächtlichen suchen eins gefunden und nicht gebookmarkt, rücken aus einem einzelnen breiten, schön gemasertem palisanderbrett, in frankreich. nicht wiedergefunden. denke kurz: dann halt doch erst neuer mann, dann neues bett.
die wünsche inzwischen luftgetrocknet und auf den schrank gestellt, gelegentlich noch auf vollzähligkeit überprüft und wieder vergessen.
ich schaffe es nicht, wieder mit gitarre anzufangen, sondern verschiebe es immer auf morgen.
schaue grad auf prime eine alberne serie, aus wirklich großer müdigkeit, und hab viel spass am entspannten umgang mit sex und gewalt, weil beides erzählt und nicht gezeigt wird, die befreiende abstraktion der sprache, nur tom ellis ist zum glück dauernd halbnackt. mein kopf ist für text und gesprochenes viel zugänglicher als für bilder, die (bei gewalt) sofort auf gegenwehr stoßen. gewalt scheint mir nach der serie als natürlicher teil der menschlichen diskursmasse, sex wird wieder selbstverständlich.
ich kann den lievito madre nicht in meinen alltag integrieren. das brot ist zu aufwändig, geht erst eine nacht, muss dann dreimal alle 3-4h neu geknetet/geformt werden, bevor ich es abends in den ofen stelle, wenn keiner mehr essen mag, weil der tag vorbei ist. erwäge, die hefe auszusetzen oder weiterzugeben.
william mc carthy
mal wieder auf ein konzert, von mir unbekanntem singer-songwriter. wurde netterweise mitgenommen, in ein altes wunderschönes kino gleich hinter der brotfabrik (nicht schokoladen, sorry), in pankow, mit ungestrichenen wänden und nicht so toller anlage, aber sehr charmanter crew und toller bar. es gibt bier bier für 2,50€.
im publikum lauter fans, einer mit konzertshirt von den augustines, zu denen mccarthy als gitarrist mal gehört hat, ein energumeno, er füllt bühne und raum allein mit einer kleinen gitarre und sonst nichts. es klingt wie ein einziger song, mit auf und abs, geschmetterten refrains, das publikum singt mit, leider konnten wir keinen text verstehen, werde es aber nachlesen. es sind songs für eine band und große bühnen, sie brauchen alle kraft und den ganzen körper beim singen, haben dabei eine magische leichtigkeit und viele feine schöne linien. starke musik, im sinn von kräftiger musik, lauter musik, genau so gemeinten texten, die ich nachlesen werde! weiß noch nicht, ob die songs auch ohne raum und fans und lautstärke tragfähig bleiben, zum mitsingen sind sie aber unbedingt.
der schiere willen, den ganzen raum zu füllen mit seiner stimme, er holt uns dazu, wir sollen dabei sein, und freut sich, als ein paar junge frauen ausgelassen herum tanzen vorne an der bühne. bei einem song stöpselt er die gitarre aus, läuft ins publikum, steigt auf einen tisch und singt von da, man konnte seine perfekten zähne sehen und wurde mitgerissen und abgeholt von wo auch immer. viele zugaben, er hat das publikum aus den stühlen bekommen an einem arschkalten berliner maitag, das schafft nicht jeder.
bin zwar mehr beeindruckt als begeistert, das kann aber auch an meiner großen müdigkeit gestern liegen, ich war froh, einen sitzplatz zu haben und einen tisch unter meinem bier. oder werde ich alt? egal. mehr konzerte sollten möglich sein.
normbereich
blick auf den holzkörper der gitarre vom sohn gibt wohlbefinden. palisander, in der maserung eine schattierung von zartbitter auf nougat.
arbeite zuviel. bin so erledigt abends, schlafe sofort ein, noch vorm abendessen, muss mich dann mühsam wieder in gang setzen, spätestens um elf bin ich platt. gleich bisschen dummes gefühl ggü all den selbstverständlichen arbeitsbienen mit 50-60h-wochen, allein – das bin ich nicht. ist vielleicht auch ein stoffwechselproblem, mein insulinbedarf sinkt seit ein paar monaten, ich nehme ab, kann mich schlecht konzentrieren. ich freu mich zwar, dass ich zahlen habe und nicht nur gefühle, aber meine nette ärztin ist keine hilfe und weiß nichts zu sagen, und sie denkt natürlich auch nicht weiter. vielleicht ist einfach mal wieder alles im wandel. unbefriedigend.
heute auf einem 50. fast der gesamte freundeskreis ist inzwischen durch, nur mek, die kekstesterin und frau modeste fehlen noch, als nächstes, fällt mir da auf, kommen die 60. geburtstage. so froh, kinder und einen hund zu haben, die halten mich wenn nicht jung, so immerhin in bewegung, und meine freunde natürlich.
mann fehlt nach wie vor nicht, auch weil es im alltag keine situationen mehr gibt, wo mir ein mangel auffiele, es ist einfach zu lang her. grad neulich im gespräch mit freundin darüber, wieviel arbeit ein mann machen würde, lieber heute entspannt kaffee im bett trinken und im alten pyjama noch mal umdrehen, das ginge ja ev auch mit mann, aber das scheint mir schon nicht selbstverständlich. er müsste schon eine bereicherung sein, niemand, den man in kauf nimmt, um nicht partnerlos zu sein, dabei pflegeleicht, ein lustiger, sexyer, lebensliebender, kinderreicher, der durch hoch und tief gegangen ist und weiter läuft, einer wie ich eben (ich lache nicht).
sucht man nicht sein ebenbild? das gewünschte ebenbild, das geglättete, ohne neon, das überlebt habende. der schöne traum („der schöne traum von dir/ aber du, in der zeit, verletzlich, verführbar, sprachlos.“, so geht das gedicht von chr. meckel dann weiter. immer beides). wenn er dann gleich noch die dichtungen im bad …
manchmal träume ich von wildem sex auf eine nicht bildhafte weise, als mögliche hingabe, mit männern, auf die ich mich im traum freue. aber morgens ist es dann auch wieder gut. ich bin zufrieden, dass die bedürfnisse noch irgendwo existieren, wer weiß, wann ich die noch brauchen kann.
wunschlos
bei der liste der geschenke zum 18. geburtstag nie ganz bei den kindern, immer einen schritt im repräsentativen raum, habe lange nach einem rite du passage gesucht, dann gemerkt, dass alle, die mir einfallen, nicht nur den übergang darstellen, sondern auch eine soziale zugehörigkeit zeigen oder festschreiben wollen. die jungs selber sind da wohl erzogen und wünschen sich nichts davon, keine uhren oder autos oder reisen. ich habe keine erinnerung daran, was ich bekommen habe zur volljährigkeit, es waren aber auch keine symole notwendig (sie bleiben ja kostüm und maske, solange man sie als anreiz wahrnimmt, und nicht als selbstverständliches attribut), ich gehörte unmissverständlich dazu und wollte umso dringender weg von allem, was meine familie ausmachte. einen füller bekommen sie trotzdem. die hoffnung, dass sie mein hin- und her über die grenze zwischen zugehörigkeit und außenseitertum als etwas flüssiges wahrnehmen, als beweglichkeit, nicht als etwas falsches, nicht als behauptung.
kw 14
das prenzlauer berger frühlingsoutfit ist schwarz, eng, geschminkt, also vor den wichtigen cafes. ich trage farben und bin damit unsichtbar in diesem kontext, mit dem ich sonst nix zu tun haben muss, und das ist wieder berlin, wo jeder tut was er kann.
38h sind zuviel für mich, merke ich diese woche, bin dauernd hinterher. ich brauche freiraum in meinem alltag, leere stunden, die ich nebenbei füllen kann, ohne plan und absicht, miteinander mit meinen jungs und emma. pläne sind eine ebene drauf, aus der nix mehr wachsen kann, kein quatsch zumindest, keine zufälligen sätze, nix freies. alle energie im alltag gebunden, sono al verde, wie man in italien sagt, wenn die kerzen fast leer sind (sehe grad, es gibt viele theorien zur etymologie dieser wendung). dazu kaum zeit für den von claudine übergebenen feinen lievito madre, er ist ein luxus, um den herum ich meinen alltag organisieren muss, mit früher aufstehen et. al.
mein vertretungsjob macht ziemlich glücklich, aber das genügt nicht, ich verdiene damit nicht genug für eine putzfrau, schon gar nicht fürs studium der jungs. drücken sie mir also weiterhin die daumen für irgendwas ab mindestens durchschnittslohn.
rollin‘
die meisten jobs der letzten jahre kamen von freunden. auf bewerbungen erhalte ich immer absagen, es stört mich fast nie, weil mich mit den firmen ja ohne den job nichts verbindet. es ist ja schon viel, wenn ich mir unter der jobbeschreibung irgendwas konkretes vorstellen kann. bin trotzdem weit gekommen, weil ich noch vor ein paar jahren mich gar nicht drum gekümmert habe.
seit februar eine 38h-stelle als vertretung in einem kindergarten, ein in vielem idealer job, nähe, kollegen, kinder. ich mag die position der ungelernten, die mit allem anfangen darf, wochenlang, wobei ich mich nur selber dauernd darauf aufmerksam mache, meinen imaginären dauerfreibrief, in der schublade versteckt. ein abschluss hätte mich befreit aus dieser schutzzone, die ich brauche, um entspannt gut sein zu können. erzieherin ist zu anstrengend, um es so nebenher laufen lassen zu können, ich vermisse aber das denken, für das abends die kraft nicht mehr reicht, und das der tag vorbei ist, ohne dass ich etwas geschaffen hätte, jetzt mal ohne schöpfungshöhe gedacht. merke aber, dass mich mein beruflicher quark selber nicht mehr wirklich interessiert. bewerbe mich weiterhin. mal wieder ist der nächste monat offen, relativ.
großer sohn ist für eine woche hier, vor seinem zweiten semester, dass er mit relativ geringer begeisterung beginnt. er weiß noch nicht, mit was und wie er sein leben leben will, ich denke, wenn man das nicht weiß, dann kann man irgendwas machen, jedes tun mit sinn füllen, etwas lernen und übers lernen lieben lernen. love the one you’re with. schade, dass so ein pragmatismus immer als niederlage verkauft wird, but who am i.
zwillis tun zu wenig fürs abi. das schreibe ich ins blog, weil es sonst überhaupt keiner hören will. sie wissen auch noch nicht, was tun, einer will weg für ein jahr, südamerika vielleicht, der andere wird unsichtbar, wenn man ihn fragt, uns gibt ein besonders farbloses weißnicht zur antwort.