15. januar 2023

es ist zeit. nach 15 jahren im dienst bekommt mein alter rechner einen ruheplatz im regal, nicht etwa, weil er kaputt gegangen ist, sondern weil die zeit nicht auf ihn wartet, die browser nicht mehr aktualisiert werden können, die kamera zu alt für videocalls ist, weil die neuen versionen von android studio für meinen diab-kram zwar laufen, aber der rechner nicht mehr genug kraft dafür hat. es ist ein abschied von einem lebenspartner, er hat länger gehalten als das ipad (5 jahre) und die diversen iphones. die tastatur ist immer noch die beste, die ich je hatte, der bildschirm ist hochauflösend und bis jetzt makellos, jedes pixelchen an seinem platz. er geht in einer minute an, hat 8 gb ram und eine schnelle ssd mit 1tb, ich bin ja die generation, die alle daten immer noch vor ort haben will und den cloud-systemen eher misstraut. habe ein nachfolgermodell gekauft, hoffe, es hält genauso lange, glaube aber nicht daran, die geplante obsoleszenz macht bestimmt auch vor highend-geräten nicht halt.

frühmorgendliches bloggen im bett

gestern so früh schlafen gegangen, dass ich jetzt um 5 wach bin, kann aber noch nicht richtig denken, schreiben geht, aber nur linear sozusagen, noch keine textwahrnehmung, keine metaebenen möglich.

kurzes we gehabt, viel gelesen (das lesegruppenbuch hat zähe stellen), erholt, viel telefoniert mit freundinnen und familie, eine online-italienischstunde für den sonntag vorbereitet, eine freundin hat mir das netterweise vorgeschlagen. sehr interessant, will gleich wieder theorie zum spracherwerb lesen, es ist ein so faszinierendes thema. hab dabei zuviel gequatscht, ich hoffe, da kommt noch routine dazu, in die grammatik komm ich hoffentlich wieder rein. auch gemerkt, dass der alte rechner wirklich nicht mehr geht, er war nicht nutzbar, musste das telefon zu hilfe nehmen, nur stress. hoffe, der neue ist diesmal der richtige. während der stunde klingelt es und die zwillis plus freundin stehen überraschend vor der tür, das passiert sonst nie. nachher noch einen tee mit ihnen getrunken, geredet, gefreut, versucht, die übriggebliebenen weihnachtspralinen und lebkuchen an sie zu verfüttern, dann sind sie wieder weg.

sie fahren flixbus in ihre studistädte, mir ist das unheimlich, busse auf nächtlichen autobahnen voller raser und baustellen. das 49€-ticket kommt ab april, ist aber nur, also ausschließlich im abo nutzbar, 500€ im jahr, so ein totaler studifeindlicher schwachsinn, die planer wollen offensichtlich keine gelegenheitsnutzer, sie wollen nicht alle, sie wollen mich nicht. jede demokratisierung des öpnvs wird verhindert, sie wollen keine vollen züge, sie wollen nur die pendler, es ist der kleinste mögliche schritt in richtung 9€-ticket, kaum mehr als eine frechheit. ich hoffe, da tut sich noch was.

gemerkt, dass ich mich bei vollen wochenenden fast besser erhole, als wenn ich gar nix vorhabe. ein für den januar überraschend gutes we.

körper und spirits

wollte gerade mal wieder in meine schöne bibliothek, aber die hat ihre öffnungszeiten geändert, am wochenende ist sie ganz zu, unter der woche hat sie nur noch ein paar stunden offen. es ist offensichtlich inzwischen eine institution für menschen in rente oder selbstständige, sehr schade, sollte mal anrufen und fragen, was da passiert ist, hingehen kann ich ja nicht mehr. es wäre ein jammer, wenn sie geschlossen wird.

mit neu besorgten batterien die insulinpumpe wieder in betrieb genommen. ein porsche im trabbikostüm, wie jemand mal gesagt hat. so nervig sie in ihrer mechanik ist, so großartig funktioniert die bluetooth-anbindung. vor allem stört mich die verschwendung von insulin, jedes mal muss ich um die 20 einheiten wegwerfen, weil der kolben der füllpatrone nicht bis zur letzten einheit gelangt. müsste man nicht nur einen neuen kolben konstruieren? die alte solide medtronic-pumpe hat aber mehrmals am tag die verbindung zum handy verloren, das war keine alternative, leider, ich mag ja steampunk.

in der nyt einen text über alkohol gelesen, der mir viel zu radikal erscheint. ist es nicht immer die menge, die das gift macht, anders als es dort steht? oder eben ein statistik-bias, weil es bei genügend teilnehmern ja immer jemanden gibt, der daran stirbt. aber vielleicht ist das die zukunft, der tabak ist ja ähnlich verpönt inzwischen, und wir müssen gut auf uns aufpassen, das tut ja sonst keiner, und sei es nur, weil es geht. ich trinke kaum noch und habe schwierigkeiten, offene weinflaschen leer zu bekommen, kippe den rest dann meistens weg, mache keinen mehr auf, trinke lieber tee. je weniger ich trinke, desto außergewöhnlicher kommt es mir dann vor. ich trinke eh lieber bier als wein, aber bier ist was für den sommer, wenn es warm ist, ich kühlung brauche und durst habe. alkoholfreie biere würde ich häufiger trinken, das sind aber kohlenhydratbomben, die wirkung ist schwer zu berechnen. vor ein paar jahren habe ich drei- oder viermal pro woche ein bier getrunken, bis mir das auffiel, dann habe ich damit aufgehört, laut nyt zu meinem wohl. vielleicht werden wir das in zukunft handhaben wie die freudvoll geschnorrten partyzigaretten, zu rauchen auf einem balkon, umgeben von fremden, das selbstzerstörerische daran nur noch als kleines souveränes zitat, eine erinnerung an die zeiten, als wir alle jung und gefährlich waren („jung und gefährdet“ meinst du, sagt das mutterhirn), das bier in der 0,1l-flasche in der hand.

wieviel trinkt ihr?

ansonsten dauert der januar immer noch 2 wochen. es gibt da ein buch aus der lesegruppe, „the ten thousand doors of january“ – ja.

megaherz

heute war ein diab-nachmittag. erst ist die pumpe tot, also zeigt ein leeres display, was ich erst bemerke, als ich für den kakao im café insulin geben möchte und der blutzucker über 300 ist. zu hause will ich die batterie wechseln, finde sogar noch zwei, die pumpe verwendet batterien in einer im handel nicht auffindbaren größe, die muss ich extra bestellen, aber keine zeigt irgendeine wirkung. habe dann meine ururalte medtronic 722 aus der notfalltasche geholt, eine simple aaa-batterie eingelegt, datum und zeit aktualisiert (die pumpe ist von 2006 und war lange aus), die basalrate per hand eingegeben, und versucht, die pumpe mit meiner pancreasapp zu verbinden. dafür hatte ich vor jahren einen kleinen edison eingerichtet, ich berichtete, aber da ist die antenne kaputt, deswegen hab mir für notfälle wie diesen einen sog. orangelink gebraucht gekauft, der empfängt über bluetooth signale von der app und sendet sie per funk an die insulinpumpe, die das empfangen kann, weil sie für eine fernbedienung eingerichtet ist und die verbindung nicht geschützt ist. nach anderthalb stunden läuft es. befriedigendes gefühl, dabei wie immer große dankbarkeit für die entwickler der apps und geräte.

es passt irgendwie zusammen, dass an dem tag, an dem meine dana rs- insulinpumpe den dienst aufgibt, auch mein sensor ausläuft und ich das handy endlich, nachdem es mich fast ein jahr genervt hat, auf android 13 geupdatet habe, also das habe ich zuerst gemacht, danach der ganze ärger. mit den updates bin ich immer vorsichtig, weil ich auf eine sichere verbindung meiner geräte über bluetooth (und jetzt wieder über funk) so angewiesen bin. bis eine ersatzpumpe im haus ist, werde ich jetzt wie so ein teenager auch zuhause dauernd handy und orangelink am körper haben, ich hab keine ahnung, wie weit funkverbindungen reichen, ist das wie bluetooth? oho, neuer sensor läuft, 42, sie entschuldigen mich, ich ess erstmal was.

den g.-zwilling gesehen, der für eine party nach berlin gekommen ist, die kurzfristig abgesagt wurde. wir haben zusammen gegessen und von der woche erzählt, dann ist jeder wieder in seine welt abgetaucht, fast wie früher.

ein krisseliger tag, wie eine freundin zum wetter sagte, der markt war leer, der himmel auch, allgemeine unwilligkeit, an der welt teilzunehmen, zumindest bei mir. januar ist wie nachts losfahren, um irgendwann im tag anzukommen, man muss da halt durch, die langen dunklen stunden ohne anfang und ende, ich mag das eigentlich, aber der weg ans licht ist im allgemeinen und besonders in berlin viel zu weit, es wird wieder dunkel, wenn ich gerade wach geworden bin, und danach ist dann februar.

jahresendfeiern

der kühlschrank ist zu voll, bin den mütterlichen reflexen erlegen. die woche hat keine tage, es ist hell, der himmel ist weiß, mich zieht nix irgendwo hin, vor allem ist der hustenreiz endlich nur noch tief unten spürbar, meine lunge ist wieder ein freier raum, der virus ist freilich weitergezogen zum großen, trotz maske, dauerndem händewaschen und lüften etc. es hätte nur die isolation geholfen, oder weihnachten absagen, es ist ja nur eine erkältung, ausrufezeichen, da hätte ich früher nicht mal drüber nachgedacht. ich hatte meine mutter zum daheimbleiben ermutigt, sie dann aber mit den kindern kurz besucht, weil mein schlechtes gewissen mir sonst den abend versaut hätte, dadurch war heiligabend ziemlich zerfranst. beim autofahren durch den wedding in den süden der stadt null weihnachtsgefühle verspürt, das ist mir aufgefallen, relativ viel verkehr. um halb neun wieder zuhause, dann war es aber noch schön, gutes essen, ein cremant, auf den ich mich richtig gefreut hatte nach wochen ohne alkohol. es gab das strahlen bei den geschenken, für das eltern alles tun, beim d.-zwilling sogar die überraschung. mit dem g.-zwilling über whatsappvideo gesprochen, er im grünen gras und im tshirt in der sonne, in einem hostel, deren inhaber jedes jahr für alle reisenden ein riesiges weihnachtsessen kochen, unter mithilfe der gäste. abends noch die gans in den ofen, mit hilfe der jungs, leider aus versehen ober- und unterhitze bei der ersten stunde bei 220°c, da darf es nur unterhitze sein, sonst wird das tier zu dunkel, dann um mitternacht auf 80° gestellt. die söhne sind um elf noch einmal ausgegangen, haben sich mit allen berliner freunden getroffen, waren erst in den frühen morgenstunden wieder hier. vor der gans haben wir dann nach dem frühstück zusammen alien geguckt, der d.-zwilling hat mir einen dicken und sehr schönen band mit den arbeiten von hr giger geschenkt, den ich als künstler gar nicht wahrgenommen hatte bis jetzt. sehr gefreut, über die idee, das geschenk, das filmgucken. die ganze zeit immer nach kurzem herumstehen k.o. gewesen, nicht gut im treppensteigen, etc. corona die ganze zeit negativ. am montag sind die beiden söhne zum vater, ich hatte pause.

sylvester war genauso wie weihnachten, wieder keine feiertagsgefühle, das war fast beunruhigend, manchmal fürchte ich, dass der lange diabetes auch die wahrnehmung und also meine persönlichkeit beschädigt, wie ein nagetier, das löcher hinterlässt.

hatte mich selbst auf eine party eingeladen („kannst du mich nicht mitnehmen?“), die freundin ist aber selber erkrankt, also wollte ich wie so oft allein was schönes machen, war dann aber über 4 stunden damit beschäftigt, den g.-zwilling vom flughafen abzuholen, dabei hätte ich es besser wissen können. bei der hinfahrt wollte ich diesmal aufpassen und die ausfahrt erwischen, die 2 sekunden nach dem dicht beschriebenen strassenschild kommt, das als einzigstes auf sie hinweist. nicht geschafft. wenn sie mal mit auto zum ber müssen, freiwillig fährt da ja niemand hin, dann fahren sie bitte unbedingt über tempelhofer damm, von da kommt man problemlos auf die a100, in neukölln ist es nur was für profis. es bräuchte training, nach drei oder vier versuchen bei tageslicht und gutem wetter kann es eventuell gelingen. aber wozu? ich war jedenfalls rechtzeitig um 17 Uhr beim ankunft- schalter, das kind kam mit nur einer halben stunde verspätung, sein gepäck allerdings gar nicht, was wir erst nach 3h fortwährender vertröstung („kommt im nächsten flug“) begriffen haben. wir haben also gewartet, bis ein ebenfalls gepäckloser fluggast mit familie und kleinkind, auch aus santiago kommend, von einem mitarbeiter an der gepäckausgabe folgende mitteilung erhalten hat: das gepäck ist in berlin, es wurde nur nicht aufs band gestellt, ein problem, was über 3 stunden lang niemand erkannt oder gelöst hat. g. hat eine verlustanzeige gemacht, ich habe 28 euro für das parkticket bezahlt und eine weile gebraucht, um wieder gute laune zu haben. eine mischung aus who cares, personalmangel, krankheit und schlechten arbeitsbedingungen. wie die familie aus santiago sagte, die eigentlich noch nach leipzig weiterwollten: very bad customer service

mir ist ein sehr aktiver reinigungsmann aufgefallen, der die ganze zeit in den makellos sauberen hallen auf- und abging, um hier staub zu wischen, dort ein papierchen aufzuheben, wenigstens einer hat also gearbeitet am flughafen.

zuhause ist der sohn sehr schnell auf seine parties verschwunden, ich wurde noch von einer nachbarin auf ihre party eingeladen, wo auch ein paar freunde waren, sehr netter abend noch. halb drei im bett.

das jahr war heftig, ich mache keinen rückblick, das gefühl: das bleibt jetzt so, wegen alter, weltlage, lebensumständen. weitermachen, in der hoffnung, dass es nicht schlimmer kommt, oder nicht so bald. wünsche euch allen einen guten start ins neue jahr. bleibt wacker.

14. dezember 2022

mehrere minusgrade. werde ich heute mit dem rad zur arbeit oder nicht? ich werde schleichen. bei eis und schnee vielleicht auf ein dreirad umsteigen, oder stützräder anbauen, wo der wechsel auf mäntel mit spikes doch ein bisschen zuviel aufwand bedeutet, vor allem, weil die kalten tage ja nur ein paar wochen im jahr betreffen, meistens als einzelne tage. mal schauen, vielleicht gibts da schon was – oh, gibt es, ist aber nicht einfach anklippbar wie ein anhänger oder so.

mehrere oleanderblüten, einige schon verwelkt, einige noch als knospe

neulich auf einem spaziergang mit jemandem über unsere (meistens) mütter geredet, die zunehmend bedürftig werden, die einsam sind und engeres kümmern einfordern, tägliche telefonate, wo sie ohne punkt und komma von ihren arztbesuchen erzählen, ohne fragen zu stellen, einkaufen, sonntagnachmittage, ein tag pro woche, alle zwei wochen, je nach dem, und es ist nie genug. der freund erzählt von einem therapeuten, der ihn da von dieser andauernden bringschuld freigesprochen hat, denn die elternteile haben sich die situation selber geschaffen, sind selbst verantwortlich dafür, allein zu sein, sie hätten freundschaften pflegen oder neue schließen können, altersheime auswählen, wgs gründen können, statt so lange im sumpf sitzen zu bleiben, bis der sie nicht mehr auslässt. ich fand diesen hinweis befreiend und beneide die leute ein bisschen, deren beziehungen zu ihren eltern dieses kümmern zu einer selbstverständlichkeit machen, die bei allem stress viel freude bringt. im umfeld gibt es viele davon, oft ist allerdings die art der beziehung gar kein thema, es ist halt so, die alten brauchen hilfe, externe betreuung oder altersheime sind zu teuer, also hilft man ihnen, ganz pragmatisch, da bekomme ich dann doch wieder schlechtes gewissen, wenn ich von der großen bedeutung, die mein ohr und meine zeit für meine mutter hat, etwas überfordert bin. mütterliches (elterliches) forderungsmanagement, die währung ist schuld, es gibt kein entkommen. nur einen atemzug später fällt mir auf, dass ich jetzt anfangen sollte, mich um mein altern zu kümmern, und nicht weiterhin darauf vertrauen sollte, wg diabetes et al eh nicht alt zu werden. natürlich werde ich meine söhne nie so unter druck setzen, für mich da zu sein, natürlich nicht, und vielleicht tun sie es dann ja auch gerne, aber schöner wäre es, gar nicht erst so bedürftig zu werden.

beim stapel verräumen ist mir aufgefallen, dass ich den letzten knausgård gar nicht fertig gelesen habe, vor allem, weil die diversen plots, neuer planet und autofiktional erzählte figuren, nicht zusammengekommen sind bis weit hinter die mitte des romans. gibt es noch einen weltuntergang wie bei „melancholia“? will nicht googeln, da steht immer zuviel drin. dann würde ich es weiterlesen. (schade, gibt kein abstimmungs-ding bei wordpress.)

11. dezember 22

(vermute, das war von parka lewis, aber nix genaues erinnere ich)

mit dem neuen gerät teste ich mal safari als standardbrowser, und habe dort in den lesezeichen dutzende von blogs gefunden, die es nicht mehr gibt, nach sprachen sortiert. von den 40 italienischen blieben 4, von den xx englischen bleiben 6, viele wurden gelöscht, ein paar haben dann eben die letzten beiträge oben, von 2003, 2005. ein paar mal als letztes posting der hinweis auf ein buch. ich sollte vielleicht einfach schauen, was nachgewachsen ist. blogs sind ja häufig so äußerungsformen für bestimmte phasen im leben, dokumente eines übergangs, leute wie ich, die den kram auch ohne großen aufwand seit 2004 betreiben, als echokammer fürs ich, sind eindeutig in der minderheit, einerseits, andererseits gibt es fast alle blogs, denen ich folge, schon seit mindestens 15 jahren. es ist wie ein freundeskreis, der sich im lauf der jahre verändert, auch da ist der raum für neue kontakte irgendwann besetzt, es bleibt keine zeit übrig im alltag, die geduld fürs kennenlernen geht woanders drauf. im wirklichen leben sind dann irgendwann nur noch 5 freunde übrig und man wundert sich, im virtuellen gerinnt die illusion, sich zu kennen, zur wirklichkeit, wir lesen ja nur, nehmen nicht teil, gehen nicht miteinander aus (oder zu selten), haben eine sehr passive rolle. wir sind, wie neulich geschrieben, ersatz gewöhnt.

seit 2 stunden wach, immer noch dunkel. es ist 8:05. genieße die ruhe, wobei ich beim ausgeruhten aufwachen wie heute den trubel der kinderjahre doch einen hauch vermisse. vor ein paar tagen ist mir klargeworden, dass dieses jahr nur ein sohn die ganze weihnachtswoche hier sein wird, der andere nur über die beiden feiertage, g.-zwilling bleibt in chile. ich hoffe wirklich, dass zumindest ein bis zwei söhne sich später mal im berliner raum niederlassen, dann kann man sich zum pranzo della domenica treffen oder mal zum kaffee. im älteren freundesumfeld vergehen bis dahin um die 5 bis 10 jahre, bis berufe gefunden, familien gegründet werden. bei der weltlage grade ist es schwer abzuschätzen, was bis dahin alles passieren kann. lieber ausflüge, kultur, essen planen, um die kids zur anwesenheit zu verführen. lieber gegenwart.

neulich beim heimkommen auf einer fensterbank ein neues buch gefunden, fretten von helena adler. vorne hat jemand mit kugelschreiber „helena adler“ reingeschrieben, vielleicht habe ich also ein signiertes buch gefunden. ihr schreiben ist sehr dicht gefüllt mit vergleichen, metaphern, alliterationen, mit sprachspielen, die das geschriebene mit bildern und bedeutung überfüllen, die aussageebene ist gar nicht mehr erkennbar. es ist sprachlich opulent und sehr barock, mir ist das nach 30 seiten zu viel, ich glaube, mich stört, dass die interpretation und wahrnehmung der inhaltsebene so sehr vorgegeben ist durch die vielen bilder, da bleibt wenig raum für eigenes empfinden.

fretten, helena adler, jung und jung, s. 18

es ist ein dominanter text, ich mag das zuweilen, wenn der/die autor*in einfach um eine gewisse vollständigkeit bemüht ist, also detailliert und vollständig beschreibt, was zu sehen oder fühlen gibt, obwohl ich da auch manchmal das vertrauen in mich als leserin vermisse. die expressionistische bildlichkeit, ihre übertreibung ist eine interessante neue variante von dieser art inhaltlichem horror vacui, weil ihr ziel eine ebene tiefer liegt, in meinen kopf hinein will, weg vom text. sie lässt keinen raum für meine interpretation, meine eigene textwahrnehmung, ich kann nur das überaus intensive empfinden der autorin im text rezipieren sozusagen. sie findet großartige bilder, sinnliche, reich an gerüchen, körperlichem, das ist einzigartig. vielleicht ist es mir zuviel, weil ich gerade wenig erlebe, ein reduziertes leben führe und es genieße? werde das buch zurückbringen aufs fensterbrett.

9. dezember 22

fürs nächste jähr mehr literatur vorgenommen. ich lese kaum noch, ich glaube, weil ich so wenig mitbekomme, was es an büchern grade gibt, worüber gesprochen wird. die auswahl fällt mir schwer, weil ich nicht 50 bücher pro jahr lesen möchte, lesen kann, zu müde und kaputt abends, sondern vielleicht 5 bis 12. in den buchläden gibt es die tische, bestimmt nach verkaufszahlen oder neuigkeiten ausgewählt, in der presse gibt es die kritik, aber ich finde immer weniger davon. literaturblogs sind der neue weg, vielseitig, überraschend, frei, sehr ergiebig, es gibt viele davon, im gründe sollte ich ein gut besprochenes werk lesen um herauszufinden, ob die kritik meinen Geschmack trifft. heute über twitter ein Interview mit italienischen Kritikern gefunden, die eine neue kulturzeitschrift im netz gründen wollen. der macher beklagt die sinkende qualität der literaturkritik in der (italienischen) presse, es ginge dabei oft nur um leseerfahrungen, er vermisst „intellektuelle aufrichtigkeit, mutige und analytische genauigkeit„. interessant fand ich seinen anspruch, die kritik solle aus den büchern das herausholen, was nicht einmal der/die autor*in dort vermuten würde, das finde ich eigentlich etwas schwierig, da geht es doch um dekonstruktion des literarischen schaffens, ein nackig machen verborgener absichten, diese anmutung von allwissenheit ist mir meistens zu viel. das ist doch ein akademischer ansatz, gehört diese art von kritik nicht an die uni? lieber respekt vor den autor*innen und vor mir als leserin, die einen eigenen weg finden möchte. trotzdem interessantes projekt, werde es lesen.

es wird jedenfalls überall viel zu viel besprochen. könnt ihr etwas empfehlen, werte leserschaft? letteratura hat oft (übersetzte) italienische literatur, der kaffeehaussitzer ist wohl auch eine gute adresse.

wenn ich einmal im jahr nach italien fahre, gehe ich immer in den hervorragend sortierten buchladen bei uns im ort und frage die inhaberin, was sie empfielt, kaufe dann meistens den neuen carofiglio und das buch, das den Premio Strega gewonnen oder fast gewonnen hat, und ein von ihr empfohlenes, in dem ich mich festlesen konnte. es sind immer nur drei italienische romane pro jahr, obwohl es in berlin sehr schöne italienische buchläden gibt. ich hab natürlich auch einfach keinen platz mehr für neue bücher, jedes davon landet auf einem stapel, die regale sind alle voll. sinnvoll wäre es, sich für ein buch zu entscheiden, es dann aus der bibliothek auszuleihen, aber das sind schon wieder zuviele schritte für jemanden wie mich, schade, am see gibt es auch eine moderne und relativ gute bibliothek. bei deutschen büchern habe ich noch kein so hilfreiches (wenn auch natürlich beliebiges) kriterium gefunden, bisher drangen interessante titel immer irgendwie zu mir durch, durch netz, presse, twitter, freund*innen, aber es gefällt mir fast nichts davon wirklich gut. ich brauche dringend neue lieblingsbücher, im ernst, ich bin dazu übergegangen, kochbücher zu verschenken, das kann so nicht weitergehen. sollte vielleicht mal darüber nachdenken, was mir gefällt. mich dabei ertappt, den söhnen schon wieder klassiker zu weihnachten schenken zu wollen. letztes oder vorletztes jahr waren es gesamtausgaben von ein paar deutschen dichter*innen, heine, rilke, celan, bachmann, die einfach jeder im regal haben sollte. so könnte ich weitermachen, etwas neues und einen klassiker, grundwortschatz und freispiel. (ich hoffe, wirklich, die jungs lesen mein blog weiterhin nicht.)

es geht aufwärts, brauche nur noch nachts schmerzmittel und bin wieder in der welt. das wirklich luxuriöse am angestelltenjob mit krankschreiben ist dieses sich nicht zusammenreissen müssen, nicht trotzdem alles schaffen wollen, nicht mit brummendem schädel und wackligen gliedern am schreibtisch sitzen und irgendwas fertig kriegen müssen, egal wie. wobei ich ehrlich gesagt als selbstständige fast nie krank war, weil kein kontakt mit kranken, anders als jetzt, wo ich permanent kleine umgeimpfte schniefnasen auf dem arm habe, dafür ist es mir im letzten jahr eigentlich ganz gut ergangen, toi toi toi. immer noch kein corona, viermal geimpft, aber ich rechne wöchentlich damit.

ein nachbar will das ganze wunderbare grünzeug, dass die hofwände bedeckt, abreissen, weil ihn das frühmorgendliche gezwitscher am schlaf hindert. unfassbar, oder? da gibt es schon so eine oase, ein geschenk inmitten der großstadt, und nein, es muss weichen, weil es einen einzelnen menschen stört. er hat jetzt um seinen balkon herum alles abgerissen, wo er dran gekommen ist. so viel zerstörungswut. macht mich wirklich traurig.

kw boh

am sonntag mit einer mittelohrentzündung per taxi in die zentrale notaufnahme der charité gefahren, als die schmerzmittel nicht mehr wirkten. ein kräftiger junger mann fragt am eingang, ob ich fieber habe, dann lässt er mich durch. ich war darauf eingestellt, dort stunden warten zu müssen, aber es waren nur drei oder vier leute im wartesaal. eine junge frau fragte eher resolut, was sie denn jetzt für mich tun könnten, hat mich dann aber doch zu einem hno-assistenzarzt durchgewunken, wartezeit vielleicht 20min. der junge mann hat mir dann das trommelfell aufgeschnitten, mit einem dieser winzigen werkzeuge des faches, und den kram dahinter abgesaugt. ich habe gebrüllt und ihm gesagt, er würde frauen zum weinen bringen, aber danach war es sofort besser. ibus rein, zurück ins taxi, nachhause, insgesamt etwas über eine stunde. ich hatte mehr glück als verstand, angesichts der lage in berliner notaufnahmen. der schmerz war eine echte grenzerfahrung, die hilflosigkeit dabei, das jämmerliche. berliner bereitschaftsarzt hab ich zuerst versucht, um herauszufinden, wieviele ibus man nehmen darf, platz 40 in der warteliste, nach einer halben stunde wurde ich aus der leitung geschmissen, weitere versuche landeten im ab. dann eine liebe freundin angerufen, ärztin, die mich zur notaufnahme geschickt hat. seitdem immer noch angeschlagen und erstaunt darüber, richtig krank zu sein, wegen so einer kleinigkeit wie einer moe. blutzucker war in den sternen, dreifache menge basalinsulin, vierfache menge bei boli, auch das war nach der ersten tablette antibiotikum vorbei, oder vielleicht dem schnitt. antibiose mit 3g täglich, leichte gleichgewichtsstörungen, ich hoffe, das innenohr ist nicht beteiligt. wohnung ein sauhaufen, schaffe noch nichts, bin die woche krankgeschrieben, brauche die auch. respekt.

mein neuer rechner ist gekommen, leider in der falschen farbe, space grey statt silber, weil der laden mist gemacht hat. die richtige, gekaufte farbe haben sie gar nicht da. aber das angebot war so gut, ich denke, ich werde mich daran gewöhnen können. ein macbook pro von 2020, alles schick, nur die tastatur ist wirklich laut und klackert, aber ich werde wohl nicht mehr in bibliotheken schreiben müssen.

g.-zwilling ist nach einer 29h langen busfahrt durch argentinien und chile an der südspitze chiles angekommen, schickt bilder vom hund des hostels in san gregorio (ein sennenhund, die sind wirklich international), fährt dann weiter nach punto arenas, an der magellanstrasse, gegenüber von feuerland. er sagt, es seien konstante 6-7° c draussen, weil es die südlichste großstadt der welt ist, auf wa, bin immer noch altmodisch geflasht vom kontakt über die ganze welt. im hostel gibt es kamine, schöne aufenthaltsräume, er trinkt tee mit den anderen gästen, auf einem großen bildschirm läuft tv mit moderatoren, die alle aussehen wie filmstars. die landschaft dort habe ich mir in einer albernen top gear-folge von 2015 angeschaut, es sieht alles atemberaubend aus, ich freue mich sehr, dass er da noch hingefahren ist und würde es gerne auch mal sehen.

martins tod ist in den hintergrund gerutscht in den letzten tagen, so wie die gedanken an ihn, als er noch lebte. darum hängt die trauerkarte mit seinem foto jetzt am kühlschrank, obwohl sich das unpassend anfühlt, was so dermassen egal ist, weil es ihn nicht mehr gibt, ich kann das bild auch unter die fußmatte legen oder gleich in die kiste mit den vorjahreskühlschrankpostkarten. das nie wieder macht mir zu schaffen.

22. 11. 22

twitter gibt es noch, es ist für mich genauso nutzbar wie vor musk, weil ich harmlose dinge poste. dauernd neue follower, sehr schräg. damals, als twoday kurz damit drohte, dichtzumachen, habe ich mir ein weblog auf eigener domain gebaut, das war ein fortschritt, da habe ich einen tritt gebraucht. mastodon wirkt bisher weniger wie ein netzwerk und mehr wie facebook, wo jeder seine dinge kundtut, ich weiß nicht, ob das nur an der optik liegt, es hat aber noch den zauber des neuen. ich schreibe da bisher auch nix rein, nehms mir aber vor. in italien gibt es mastodon auch, es wird hie und da erwähnt, ich weiß aber nicht, ob es auch so einen ansturm gab. in meiner timeline, wenn ich auf meiner instanz (mastodon.social) nachsehe, sausen jede menge spanische, englische und italienische posts durch, es scheint im italienischen twitter aber weniger thema zu sein. gemerkt, dass mir die aura von twitter, das design, die geschichte doch wichtig sind, was bei facebook nie so war, das ist reine und oft nervige funktionalität.

hab diese woche noch zwei urlaubstage, für die ich zum glück doch keinen spontanen trip gebucht habe, weil da jetzt die beerdigung von m. stattfindet. fürchte das ein bisschen, die gemeinsamen freunde können alle nicht mitkommen, denke, ich werde da kaum wen kennen und deutlich spüren, wie wenig ich teilhatte an seinem leben in den letzten jahren.

gegenwart ist alles.

vermisse die kinder, das langsame kleine hochköcheln der weihnachtsdinge ende november, anfang dezember, die pakete und verstecke, die lebkuchenberge. susan cooper ist da eine hilfe, schneelangsam hat die stattkatze es genannt, auch wenn ich die späteren bände zu … zu bedeutungsschwanger und übertrieben dramatisch fand, da hab ich die leise, beharrliche verbundenheit mit land, winter, kindheit und rittergeschichten vermisst. es muss nicht immer um alles gehen.

fahre weiterhin mit dem rad zur arbeit, wie immer auch bei schnee oder eis. bin aber vor ein paar monaten einmal mit dem rad hingefallen, kein sturz, mehr ein umkippen nach zu engwinkligem auffahren auf eine platte in der welt der holprigen berliner strassen. schmerzhafte prellung am knie, ich weiß noch, ich sass bei frau modeste mit frau engl zusammen, die auch grade einen (viel schlimmeren) radunfall hinter sich hatte. bei mir wars ganz klar das alter, fehlende schnelligkeit beim gegensteuern, bremsen, herumreissen, es ist so weit, es geht nicht mehr zurück, ich bin keine 50 mehr. klare innere stimme: du solltest in deinem alter bei schnee und eis nicht mehr rad fahren, und dann guck ich raus, die strasse sieht trocken aus, das eis in den pfützen kann ich doch umfahren … seit dem hinfall bin ich unangenehm vorsichtig geworden, ich fahre nicht mehr einfach drauflos, sondern plane jede kurve irgendwie, ein paar sekundenbruchteile, bevor mein rad sie fährt, wie ein mentaler spiegel, der alles genau wissen will. ich hoffe, das legt sich wieder. überlegt, die von den kids stammenden knie- und ellenbogenschoner anzulegen, wenn es unter null grad sind, es ist ja berlin, da geht alles.

schon wieder.

auf einem spaziergang in einem geschäft gewesen, in dem neben blumen vor allem kram verkauft wird, es war sonntag, sie waren event-mässig offen, es gab glühwein mit und ohne. bin ohne jeden widerstand in die dekowelle eingetaucht, adventskränze für 80€! mit blumen, kleinkram, blättern und be-zau-bern-den insekten aus glitter und perlen. dazu 8-10cm lange libellen, mit pailetten und stickerei, für 29,90€, für den weihnachtsbaum, ich weiß auch nicht, was es mit insekten auf sich hat dieses jahr, vielleicht eine kleine anerkennung, weil sie uns ja alle überleben werden, so wie es grade läuft. fand sie ungelogen schön, anders als meine freundin, die eine insektenphobie hat. früher, in den 80ern in mailand, war das ein glückssystem, schöne dinge ansehen, kaufen, was man mag, zuhause hinstellen, wobei, beim genau drüber nachdenken, hat meine mama einen klassisch schlichten geschmack, adventskranz nur mit roten kerzen und sonst nix, dabei blieb es, keinerlei elemente an fenstern oder türen, ich glaube, das gehörte sich so, keine ahnung, ob das etwas mit dem protestantismus, mit geschmack oder mit klasse zu tun hat. bei mir verschwimmen langsam diese grenzen, ich sauge die weihnachtsstimmung auf wie einen zaubertrank, voll guilty pleasure. natürlich geht es dabei um etwas anderes, unstillbares, längst verlorenes, yadda yadda, aber es funktioniert, wie alle menschen bin ich ja ersatz gewöhnt. ist das nicht strange? jedenfalls blaue kerzen für den adventskranz gekauft, die tannenzweige dafür aber wie gehabt für 1€ den bund beim blumenladen an der s-bahn.

ich brauche einen richtigen zahnarzt, die eigentlich gute zahnärztin meiner kinder war irgendwann mal total beleidigt, weil ich mit den kids ein paar mal den termin vergessen hatte, dann bin ich erst mit kids und dann auch selber zu so einer kinder-großpraxis hier im kiez gegangen. beim letzten besuch hat mir da so ein junger arzt erklären wollen, dass wurzelbehandlungen einfach weh tun, er nichts dagegen tun kann, statt sich zu entschuldigen, dass er es nicht hinkriegt. da will ich jetzt auch nicht mehr hin, bei zähnen bin ich merkwürdig empfindlich, weil ich mit immer so wehrlos fühle bei der behandlung. die letzten empfehlungen aus dem freundeskreis waren immer unglaublich gut aussehende männer, das finde ich auch stressig. es ist nicht einfach. offen für tips!

gruppe von kindern um einen küchentisch, erdbeeren essend

weiter bilder von martin gesucht, ein paar schöne gefunden. werde sie seinen kindern geben. diese rückversicherung beim bilder surfen, die kindheit meiner kinder, meine eigene jugend, so viele fotos, in denen ich (oft verwackelte, es waren analoge zeiten) unbekümmertheit und nähe sehen kann, dazu muss man ja gar nicht viel tun, kinder sind so, wenn man nichts grob falsch macht, alltag, gemerkt, dass mir das fehlt. zuviel beschäftigung mit weltthemen, krieg, musk, der ganze scheiß, das alles nimmt überhand in meiner wahrnehmung, vielleicht auch daher der wunsch, jetzt aber mal alles schön zu haben, gerne lauter, weil der rest so lärmt.

extra noch aufgestanden, um ein gedicht zu suchen, dass ich vergessen hatte, ich wusste nicht einmal mehr den autor. gleich beim ersten aufschlagen des ersten buches ein anderes, auch passendes gefunden, ein hoch auf die hausbibliothek.

Ein großer blauer Falter ließ sich auf mich nieder
und deckte mich mit seinen Flügeln zu.
Und tiefer und tiefer versank ich in Träume.
So lag ich lange und vergessen
wie unter einem blauen Himmel.

(hans arp, ich bin in der natur geboren, Arche 1986, S. 10: „Märchen“)

this tweet made my day

bei twitter konnte für ein paar tage jeder für 8$ jede identität einnehmen, was zu vielen sehr lustigen nachrichten geführt hat. gestern hat sich jemand als die firma lilly ausgegeben und verkündet, insulin sei jetzt gratis zu haben.

lilly verlor einiges an wert auf der börse, das war somit ein irre erfolgreicher protest gegen die giernasen von lilly, und sogar die ceos dort haben es bemerkt, die sonst all die seit jahren laufenden kampagnen unter insulin for all einfach so abwinken, und die toten dabei in kauf nehmen, also menschen, die insulin sparen müssen, weil sie sich die zahlung nicht leisten können. das beste dabei: die ganze aktion hat 8$ gekostet, ein traum.

(es fühlt sich überflüssig an, das mit den maßlos erhöhten insulinpreisen in den usa zu erwähnen, der preis wurde in den letzten jahren um über 1000% erhöht, und mit dem dortigen miserablen gesundheitssystem müssen die diabetiker*innen sehr viel davon selber bezahlen. jeder weiß es, niemand kann etwas dagegen tun, nein: niemand tut etwas dagegen, man könnte gesetze entwickeln, aber keiner will das, kapitalismus ist heilig, es gibt halt opfer, es ist halt der markt, so what, diese ganzen elenden firmen entwickeln insulin jedes jahr ein bisschen weiter, machen es schneller wirksam, „herbs and spices“, wie scott hanselman es beschreibt, um es dann noch teurer verkaufen zu können. banting, der das insulin als erster herstellen konnte, hat 1923 das patent für einen dollar an seine universität weiterverschenkt, weil es für jeden kostenlos sein sollte. seitdem ist die entwicklung weitergegangen, insulin wird seit jahrzehnten synthethisch hergestellt, es hatte seinen preis, aber war bezahlbar.* elon musk himself hat nach dem tweet etwas dazu gesagt, um lilly zu helfen, insulin gäbe es für 25$ pro ampulle, hat er getwittert, also wozu die aufregung. finde den tweet leider nicht mehr, hier hat jemand dazu getwittert. das walmart-insulin ist langsam wirkend, schwer einstellbar, es ist überhaupt nicht auf der höhe der zeit, es ist ein laufrad im vergleich zu einem normalen rad mit kette, schaltung und bremsen. den vergleich fand ich passend, hab dann aber beim nachschauen erfahren, dass walmart inzwischen ein schnelleres preiswertes insulin auf den markt gebracht hat, das allerdings auch viele nachteile hat. freie wahl der insuline ist sehr wichtig bei der therapie, weil jeder mensch verschieden ist, diese auswahl ist in den usa nur für mehrere hundert oder tausend dollar jeden monat möglich, weniger, wenn man wenig insulin braucht, mehr, wenn man sehr viel benötigt, und nichts davon ist freie wahl, nichts ist entscheidbar.)

*ich erinnere mich noch an die aufregung, als es das erste humane insulin auf dem markt gab, mein vater musste es aus der schweiz besorgen, weil es in italien noch nicht verkauft werden durfte, bis dahin hatte ich tierische insuline. eins dieser sogenannten analoga (also dem menschlichen insulin sehr ähnliche wirkstoffe) habe ich seit ein paar jahren benutzt, auch von lilly hergestellt. die kasse zahlt das selbstverständlich, es kostet hier in d keine unsummen wie in den usa.

warum kann ich eigentlich keine tweets einbinden? brauche das zu selten, es wird wohl bald eh nicht mehr nötig sein, aber so ist es auch doof. klappt nicht.

mein jetziges macbook funktioniert seit 2008 tadellos, fährt mit neuer ssd und mehr ram innerhalb einer minute hoch, aber es lässt sich nichts mehr updaten. ich brauche einen neuen rechner, fürs letzte aaps-update habe ich mir bei einer nachbarin einen geliehen, das geht natürlich auch, aber … es soll wieder ein (gebrauchtes ) macbook werden, m1, ich brauche eins mit deutscher tastatur, daher gehen die reimporte aus gb leider nicht. die kaffee- und trinkgeld-spenden der nächsten wochen gehen in den rechnertopf.

referrer von mastodon kann ich nicht erkennen, da steht dann einfach nichts, wie beim feedreader, also auch bisschen wie früher.

nachrufe über martin gelesen, dabei die (grad hat meine hand „deine“ geschrieben, schneller, als ich es denken konnte) endlichkeit von allem wie eine harte wand gefühlt. das ist unser raum, da kommen wir nicht raus, no matter what.

gleich spaziergehen, putzen, einkaufen, mit irgendwie aufgefächertem bewusstsein, es bleibt mehr hängen vom alltag, dauernd fällt mir was kleines auf, wobei das grade auch der duftschwall vom eau de cologne des untermieters sein kann, der jetzt ein wichtiges vorspiel hat. ich drücke ihm die daumen!

10. november 2022

möchte eigentlich wieder mehr bloggen. bei twitter ist das vertraute gefühl weg, es ist vom medium zum thema gerutscht, das stört den fluss. es wirkt nicht durchdacht, was dort geschieht, haken, keine haken, drohungen, den haken jederzeit wegnehmen zu können, das ist sehr kindergarten. als erwachsene möchte ich da eher vermitteln als einfach mitmachen. es scheint, als ob die app mit großen schritten von innen dekonstruiert wird, ein akt der sabotage durch den neuen chef, der offensichtlich niemandem rechenschaft schuldig ist. sehr rätselhaft. bei mastodon fehlt mir noch meine timeline, ich muss da viel mehr zeit investieren, die ich grad nicht habe. und beim namen kommt immer noch die assoziation zur mastopathie, sollte die app einfach in „mammut“ umbenennen, da erinnere ich mich dann an die eine folge northern exposure, in der joel ein tauendes mammut entdeckt, das dann von einem bewohner aufgegessen wird, weil gut gelagertes steak. und an das mammut in new york.

anstrengende woche bis jetzt, für jeden dieser tage möchte ich einen komplett im dämmerschlaf verbringen, ohne news, ohne anfragen, ohne kontakt. nix gelesen, das neue buch für die lesegruppe noch nicht mal gekauft. keine lust zu kochen, aber es sind hühnersuppentage. ein besuch hat wieder abgesagt, das erleichtert mich, dabei unter jedem tag die organische freude, am leben zu sein, und die trauer über die, die es nicht mehr sind, mit beidem laufen wir tagaus, tagein, und spüren es in jedem schritt. den nanowrimo hab ich verpasst, das wollte ich unbedingt mal versucht haben. vielleicht gibt es das auch mit shuffle-version, jeder schreibt jeden tag an einem anderen roman mit? oder nur romananfänge, goncourt hatte da mal was. ich weiß auch nicht. ratlosigkeit. freude über die kids mit ihren projekten, mit dem g. über kontinente sein anschreiben für eine praktikumsbewerbung gegengelesen, via chat und mails. meine generation ist ja noch dankbar für diese kommunikationsformen, für die jugend sind sie selbstverständlich. darum tut es mir um twitter leid, es gab vorher nix dergleichen, meine erlebnisse sind deshalb eng mit der app verbunden, der zauber der ubiquität und der gleichzeitigkeit von allen überall. zutiefst demokratisch. 20:45, fühle mich wie 23 uhr mindestens, spüre aber die wachheit im resthirn, die mich erst viel später wird einschlafen lassen, nur meine füße sind müde.

serien vom letzten jahr

(wie früher: lieber schnell nachlegen aus dem entwürfe-ordner. erinnere inzwischen, nur ein jahr später, kaum noch was von der serie, nicht mal ihren namen, ist das nicht erstaunlich? woran liegt das? keine offenen handlungsbögen, alles abgeschlossen, die angebote zur identifikation eventuell nicht nachhaltig genug, zu wenig kontaktpunkte mit meiner realität – finde das interessant. diese serie hat es nur in den zwischenspeicher geschafft, von dispatches from elsewhere erinnere ich soviel, dass ich sie nochmal anschauen werde.)

von anfang 2021: gemerkt, dass die zweite der beiden neuen serien, die mich am meisten berührt oder sogar verändert haben, meinem selbstbild widerspricht, weil sie so eine college- und magieserie ist. eigentlich lustig, dass der bildungsroman da gelandet ist. die letzte hat mir ermöglicht, szenen von nähe und sex nicht mehr sofort zu überspringen, weil sie sich aus den figuren ergeben, nicht mehr aufgesetzt und als selbstzweck mitlaufen, habe das erst in der 3 staffel bemerkt, ein bisschen humanistischer auftrag ist bei den drehbuchschreiber*innen spürbar dazu gekommen, aber sie haben es von anfang an irgendwie geschafft, vollständige persönlichkeiten darzustellen. die serie zeigt unter einem vielfältigem und gelegentlich trip-artigen plot eine respektvolle selbstverständlichkeit im umgang mit dieser nähe, etwas, dass sich ergibt oder eben nicht ergibt, so wie ich es von früher erinnere. einen weg, wie ich sein kann. ich weiß noch nicht, ob der phantasy- ansatz den autor*innen einfach einen handlungsspielraum für die figurenentwicklung gibt, den normale fiktion nicht hat, aus einer art ungeduld mit der realität heraus, die als einschränkend und langsam erlebt wird vor den möglichkeiten der phantasie, wie ästhetik vs. synästhetik. habe das buch nicht gelesen, aber lev grossmann hat das schön zusammengefasst. am ende erwähnt er thomas malory, von dem ich vor monaten eine vergleichsweise neue ausgabe seiner arthussagen gekauft habe, die ich seit dem entgammele, sie stand zu lang in einem schlecht belüfteten regal eines holländischen antiquars.

(die andere serie ist dispatches from elsewhere)

da sein

habe ein lieblingsfoto, unter den vielleicht fünfen, die ich von ihm habe, irgendwo in meinen drei kisten. gestern angefangen zu suchen, dabei alle schönen bilder von freunden, bekannten, den söhnen, mir selber rausgefischt, auf einen stapel gelegt. das sind die bilder, die meine erinnerung formen, die behalte ich irgendwie im kopf, so ein ach, das! -pling beim durchblättern, ein wiedererkennen beim suchen, eine schon oft gelegte spur. der rest sind sonnenuntergänge. die lasse ich in der kiste und werde sie vermutlich nicht mehr so oft ansehen. und dann schickt mir der große heut abend ein foto, „schau mal, ich habe auch ein bild von martin“, und es ist genau dieses gesuchte bild, auf einer meiner parties geschossen, er mit drei anderen freunden, alle aneinandergelehnt auf meinem ollen ikeasitzkissen, gelöst und lustig.

es sind so ca 250 fotos, die mein leben bis jetzt ausmachen, fast alle vor der digitalen wende, danach gibt es kaum noch bilder von mir, tant pis, früher war ich schöner. für die habe ich ein kleines blätteralbum „mit säurefreier folie“ gekauft. vielleicht schaue ich dann häufiger rein. meine hochzeit war auch dabei, martin war mein trauzeuge, das hatte ich ganz vergessen, muss so eine last minute-spontanaktion gewesen sein. alle männer sind dabei, alte freunde, alle toten, auch fotos meiner eltern, mit diesem strahlen der achtzigerjahre. ich kenne seine neue partnerin nicht, sein bruder kennt mich nicht, die wege sind gekappt, martin ist tot, ich hoffe, jemand teilt mir trotzdem irgendwie seinen beerdigungstermin (ein wort wie eine dampfwalze, alles platt, alles hin) mit, damit ich entscheiden kann. werde noch eine weile fassungslos bleiben, da hülfe ein gemeinsamer abschied. was für ein scheißtag. meine söhne sind liebevoll und sagen, ich könne mich jederzeit melden, meine freundin kommt, ich rauche und trinke und rede, als wäre er noch da. so wird das ab jetzt sein, alle freunde und kollegen reden über ihn, viele verschiedene geschichten, verschiedene menschen, überall irgendwas von ihm, nie mehr alles, wir haben paar fotos in einem haufen anderer bilder, geschichten, alle mit genausoviel von uns wie vom anderen. so ist das eben, mehr bleibt nicht. außer seiner kunst, die aber mit dem aspekt der vergänglichkeit immer gespielt hat, er hat oft dinge wie alte paletten oder leere wasserbecher oder in der stadt gesammelte holzabfälle zu großen kunstwerken verarbeitet, zu dingen, die aber weiterhin im fluss sind, wieder abgebaut werden, entsorgt oder recycelt werden können. zum kotzen ist das. es ist so absurd, ich hätte ihn sowieso vielleicht erst in monaten gesehen und es wäre völlig okay gewesen, vor ein paar tagen hatte ich beim heimradeln ein paar sekunden lang so bilder von ein paar episoden mit oder über ihn im kopf, wie polaroids. ich denke, das hirn ist ein kaleidoskop, mit einem netzwerk an assoziationen, die als background durch den tag begleiten, bestimmt vergessen wir die meisten, erinnern nur die, die durch solche tragödien bedeutung erlangen. es war kein zeichen, ausrufezeichen, sowas gibt es nicht. ach, ach. ich will intensität, leben, unmittelbarkeit, ich will gegenwart, es ist alles so schnell vorbei, unfassbar schnell. ich will sowas nicht einfach verarbeiten, er soll noch einmal einfach da sein mit all seiner bemerkenswerten lebensenergie, wie damals, als wir alle den selben raum belebt haben, in gesprächen, ausgehen, sachen machen, biere trinken, und das trennende in ferner zukunft lag. diese zeiten sind lange vorbei, und jetzt kommen sie auch nicht wieder. das ist ja auch okay, wir haben kinder, die sind erwachsen, wir werden älter wie unsere freunde und reden über die alten zeiten, nur gelegentlich, es gibt ja noch viel gegenwart, es ist also eigentlich alles gut, nur wenn einer viel zu früh stirbt, dann nicht. was hat er geackert gegen den tod! ich hoffe, es hat genützt, ich hoffe, er hatte nicht so viel angst.

dieses posting fühlt sich an wie redundantes und gleichzeitig zu privates gerede, herumstochern in der wunde, er hätte nichts damit anfangen können. aber er ist weg und ich bin noch da. immer diese intensiven gefühle, die haben mir noch nirgendwo geholfen! bin auch ein bisschen betrunken, der wein muss ja weg, und früher hätten wir sowas auch alle gebloggt.

puh.