13. mai 2022

letzter tag meiner ersten frühdienstwoche. ich komme immer nur 5 minuten zu spät und muss dann eben schneller aufschließen, wecker klingelt früh genug für einen kaffee im bett, es ist ja schon hell und also machbar. hab mich über den frühen feierabend gefreut, ihn aber gar nicht richtig nutzen können, weil ich ziemlich ko war. abends um 21 uhr sind die tage dann vorbei. ich kann die frühdienste auch tauschen, sie sind relativ beliebt, bin noch unentschlossen.

gestern nachmittag dann noch emmas asche abgeholt. die streubox ist etwa so groß wie diese 1l-trinkflaschen, die es grad überall gibt. das tierkrematorium ist ein paar kilometer vor berlin, in einer schleife aus abfahrten und auffahrten auf die a10, ein relativ eleganter kleiner neubau mit dem schornstein, den ich nicht ansehen mag. das gebäude ist autobahnumtost. innen viel glas, beton, schwarzweißdrucke von steinen, eine freitreppe, es sieht aus, als hätte es preise gewinnen können. an einem tisch im empfangsraum sitzt ein paar und spricht mit einem mitarbeiter, der dann mit einem kleinem hundekorb weggeht, das tier darin in eine decke gewickelt. es gibt eine auffällig schön gestaltete kleine wiese neben dem gebäude, mit einem teich, schilfgras, blumen, erst auf dem heimweg fällt mir ein, dass das wohl die blumenwiese ist, wo man die asche seines tieres verstreuen (lassen) kann. der mitarbeiter sagt mir, nach dem bezahlen, ich solle ihm folgen, ich wundere mich, dass er mir die box nicht einfach über den tresen reicht, aber durch einen gang kommen wir in einen kleinen raum, wo die box auf einem tischchen steht, mit einer brennenden kerze und einer schmuckkarte. daneben ist ein sofa, ich kann da bleiben, „solange wie sie es brauchen, rufen sie mich dann einfach“. ich danke und sage, ich würde sowieso schon heulen, ich würde jetzt lieber gehen. ich bekomme die eingewickelte box in einer kleinen tragetasche mit. ich hab das krematorium eigentlich nur ausgewählt, weil es das preiswerteste war, aber die freundlichkeit und der respekt der mitarbeiter vor der trauer der tierbesitzer ist wirklich wohltuend. überall standen boxen mit taschentüchern. es hätte sogar die möglichkeit gegeben, vor der kremierung in einem raum von ihr abschied zu nehmen, aber das hab ich ja schon in der klinik gemacht. ich habe mich (natürlich) für eine einzeleinäscherung entschieden, es ist ein vertrauensvorschuss, wenn man nicht dabei ist, aber das gehört zum gehenlassen, denke ich. ich bekomme als sicherheit einen stein mit einer nummer, der liegt mit in der box, habe das prinzip aber nicht verstanden. es kostet 318 euro, soviel in etwa habe ich damals bei jack auch bezahlt. ich denke darüber nach, ob das heizkosten sind, oder gebühren, oder ob das eben der preis ist, den so etwas kostet. es ist ein drittel teurer als die einäscherung eines menschen.

ich wollte die asche eigentlich auf einer wiese im umfeld verstreuen, aber eins der kinder wünscht sich die ostsee, damit sie wirklich frei sein kann und nicht im abwasser berlins landet. ich wundere mich die ganze zeit darüber, wie wenig zugriff mein verstand auf die trauer hat, wie viel anwesenheit emma noch in meinem kopf hat, wie schwer mein bewusstsein seele und körper des hundes voneinander trennen kann, ein hund kommuniziert ja mit dem ganzen körper, alles an ihm ist irgendwie sprache, ok nee, aber doch beziehung und kommunikation. mein kopf denkt sie noch dauernd mit, die beziehung läuft halt ins leere, füllt vielleicht jetzt meinen umgang mit der asche, weil es ja sonst keinen ort mehr für sie gibt.

auf der rückfahrt vom krematorium gleich noch das auto gewaschen und die meisten hundehaare rausgesaugt.

eine liebe freundin, die seit einiger zeit sterbeamme ist, hat von einer aus den staaten kommenden art der kompostierung gesprochen. der körper wird mit einer art kompost-trigger innerhalb von vier wochen zu guter erde (es gibt dabei auch methoden, die sich eher brutal und bisschen mafiaesk lesen, sehr gruselig), anders als, wie sie es beschrieb, die särge im berliner lehmboden, die ewig lang dort liegen, ohne dass sie wieder zu dem staub werden können, aus dem wir alle sind, mensch und tier.

(ich habe über die lebendige emma weniger geschrieben als über die tote. fühlt sich doof an, aber ich muss halt wohin damit. sie war in den letzten 10 jahren meistens dabei, bis auf die stunden im job, seit 5 monaten. das alleinsein hat ihr glaube ich nicht gut getan.)

emma (hundekörper)

es gab dann noch einen anruf vom tierarzt, der bei emma einen husten diagnostiziert hatte, auf keinen fall etwas verschlucktes, der mich fragte, ob man nicht eine obduktion machen könnte. seine idee war, dass emma schon länger krank gewesen sein könnte, ihr tod also nicht dem einatmen von etwas verschuldet war. ich habe mich unter druck gesetzt und mich dafür entschieden, mittags vom job aus, und mich damit nicht wohl gefühlt. beim heimradeln gemerkt, dass mich das immaginierte bild ihres zerteilten körpers länger begleiten würde als das wissen über die ursachen ihres todes. das interessiert den arzt (dem es eventuell auch um eine mitverantwortung geht) mehr als mich. also um halb sechs noch eine mail geschrieben mit der bitte, sie ganz zu lassen. am nächsten vormittag kam ein anruf, sie sei leider schon in der patho, man hätte schon angefangen, könne aber noch aufhören. habe ich zugestimmt und hatte den rest des tages das gefühl, meinen seelenhund noch nach dem tod nicht gut begleitet zu haben. wieso ist ausgerechnet die fucking veterinärmedizin so dermassen super effektiv, können die nicht sein wie die restliche berliner verwaltung?

germerkt, dass mit dem tod alles wie zementiert wirkt, für immer, wo es im leben beweglich, interpretierbar, verhandelbar, verzeihbar bleibt. ich tröste mich damit, dass hunde einem ja alles verzeihen, das hat emma oft genug gezeigt, während ich da eher träge bin, nicht unbedingt nachtragend, aber doch mit einem lange lesbaren verletzungsignal. bei ernsthaften dingen natürlich, bei allem anderen bin ich wirklich unberührt. da werde ich jetzt versuchen, emmas andauerndes präsens zu übernehmen.

1. mai 22

schön war, dass der d.-zwilling gekommen ist und ganz wunderbar präsent war. wir haben zusammen ihren schlafplatz aufgeräumt, ich habe alle decken und liegekissen weggeworfen und gestaubsaugt, das restliche futter geht an hundemenschen aus der nachbarschaft. die wohnung wirkt tot und unecht, wie eine filmkulisse, das viele hundebemerken beim rumlaufen läuft auch ohne hund weiter, es ist dann ein rucksack, d.-zwillings bein, nur unterm tisch ist es ein nichts. darum musste ich alles gleich wegräumen, glaube ich. das schlechte gewissen geht langsam, auch durch liebe und kluge sätze von freundinnen. so intensiv brennende schuldgefühle sind ja meistens nach ein paar tagen verstoffwechselt, inzwischen ist es mehr trauer, sie nicht mehr gesehen zu haben, als es ihr so schlecht ging, als schlechtes gewissen. nicht bei ihr gewesen zu sein.

geärgert über eine freundin, die mich in langen vorwurfsvollen sätzen zum unterschreiben offener briefe bringen will, „du hast drei söhne“, mit sätzen wie „das müsst ihr euch bitte schön klar machen, wenn ihr von demokratie redet“, obwohl ich ihr gesagt habe, dass mein hund gestorben ist. hab um unterlassung gebeten, dann gemerkt, dass sie wirklich unbezwingbare panik vor einem nuklearschlag hat. ich war zu angeschlagen, um mich ganz zu entziehen, mit anderen freundinnen geredet, gemerkt, wir haben keine klare meinung und finden es schwierig, eine zu haben. putin ist einerseits, laut der appeasement-befürworterin, rational und wohlüberlegt in seinen schritten, wurde von der ukraine eingeladen, was die presse nicht mehr sagen dürfte, das sei wie in den dreissiger jahren (da bin ich ausgestiegen aus der argumentation), andererseits ist er laut waffenbefürwortern ein kriegsherr ohne skrupel und mit unbegrenztem revisionistischem größenwahn. in der repubblica haben sie einen ausschnitt aus einem russischen sender verlinkt, wo so ein rechtskonservatives oder rechtsextremes duma-mitglied zeigt, wie london und berlin in 3 minuten („206 sekunden!“) dem erdboden gleichgemacht werden können, er freut sich anscheinend darauf. das ist finstere propaganda, oder schon hetze, finde aber die idee beunruhigend, dass putin selber der eigenen kriegstreiberei nicht widerstehen kann, weil sie ihn stark scheinen lässt. dass ihm menschenschicksale egal sind, beweist er ja seit jahren. verstehe die aggressivität gegenüber den waffengegnern nicht, finde sie unangemessen angesichts des pulverfasses, auf dem wir sitzen, und dann geht es immer weiter mit „ja, natürlich gibt es die gefahr eines atomkrieges, aber …“ wie sind wir so schnell von „er wird schon nicht angreifen“ zu so einem satz gekommen? wolfgang müller argumentiert für die lieferung schwerer waffen, die begründung dafür steht und fällt mit seiner annahme, putin würde halb oder ganz europa bekriegen wollen, also auch polen, finnland und deutschland, in so einem now or never-duktus. der text macht angst.

ich bin froh, dass ich nichts entscheiden muss, würde mich glaube ich viel um klassische hinterzimmer-diplomatie bemühen, um herauszubekommen, wo es sollbruchstellen gibt bei p. ich kann verstehen, dass meinung haben und verkünden wenigstens etwas ist, angesichts der allgemeinen hilflosigkeit, es ist aber nicht meins. der d.-zwilling hat erzählt, wie durch das kleine dorf in sachsen, wo er grade als bufdi eingesetzt wird, lange panzerbrigaden durchgerollt sind, auf dem weg nach polen, auch aus dem rheinland gibt es solche berichte. es wird ja nicht nichts getan, ausrufezeichen. ich habe auch etwas getan, einen zu schweren notfallkoffer gepackt, voll ohne ein einziges kleidungsstück (diabetes etc.). ich will das alles nicht.

es ist viel zu viel kartenleserei. ja, ich habe drei kinder, und an schwachen tagen wie heute bin ich froh, dass keines in berlin wohnt. es ist aber auch der zweite tag ohne hunderunden, die viel zum runterkommen und sammeln beitragen. das internet ist grade kein guter ort.

(geht gleich wieder, sorry.)

wie sie immer kurz freude gezeigt hat, schon wenn ich einfach nur an ihr vorbeigegangen bin, die ohren gingen hoch, zwei halbe schläge mit dem schwanz, dann war sie wieder entspannt. ich kann ihr fehlen fast sehen, sowie man ja manchmal für musik bilder im kopf hat. sie fehlt überall.

immer, wenn ich geniest habe, hat sie einmal gebellt und ist dann zu mir gesaust, um mich mit der nase anzustupsen, ich hab keine erinnerung daran, wann und wie dieses verhalten entstanden ist, war es ihres oder hab ich mal was falsch verknüpft?

die stadt war gestern wahnsinnig voll, also lokale, die bürgersteige, viel zuviele menschen auf einmal. heut früh beim bäcker hatte nur ich eine maske. meine masken sind alle, auf arbeit bekommen wir jetzt auch keine mehr, ich muss also nachkaufen, tests auch. wieder alles beim einzelnen, als wäre die pandemie vorbei, so absurd.

null und nichts über 1. mai-demos gelesen oder lesen wollen, zum ersten mal seit 1987, das mach ich gleich noch, zur aufheiterung.

emma.

die ärztin hatte gestern angerufen und erzählt, dass es emma schlechter ginge, sie haben ihr einen schlauch durch die nase gesteckt, um ihr sauerstoff zu geben, und sie versuchen noch ein anderes antibiotikum. ich habe gefragt, ob ich sie besuchen kann, sie meinte, besser nicht, das könnte sie aufregen, sie sei grade ganz ruhig. ich lag dann so herum und hab überlegt, trotzdem zu fahren, dann hab ich zu lange überlegt und es sein gelassen, auch, also zu einem teil, aus bequemlichkeit. ich wollte sie heute nach der arbeit besuchen. aber das ging natürlich nicht mehr, weil sie heute vormittag gestorben ist. ich bin dann heut nachmittag noch mal in die klinik gefahren, das brauchte ich, vielleicht erinnere ich mich später, wenn ich dement werde, nur daran, dass ich hingefahren bin, nicht, dass es zu spät war, und wer weiß schon, ob nicht irgendetwas von ihr noch da war, keiner weiß das, ich wollte sichergehen. habe gefragt, ob ich mich verabschieden könnte, ja, selbstverständlich, meinten die damen am empfang, brachten mich in einen raum, dann schoben sie emma auf einem rolltisch herein und haben sich entschuldigt, dass sie schon etwas steif war. die frau hat noch das fenster aufgemacht, „damit die seele raus kann“, fand ich einen netten fürsorglichen zug. ich hab sie gestreichelt, ihre stirn geküsst, mein ohr auf sie gelegt, um sicherzugehen, dass sie tot ist, hab auch immer noch gedacht, gleich atmet sie wieder, da hat mein kopf ein paar minuten gebraucht. ihr fell war weich, ihre pfoten schon kalt. die ärztin kam dann noch dazu und hat alle meine fragen beantwortet, gestern abend schien es ihr okay zu gehen, sie hatten schon überlegt, diese lungenspülung noch zu machen, um das gewebe zu säubern, heute morgen wurde sie noch mal untersucht, noch mal blut abgenommen, das hätte sie mehr als erwartet mitgenommen, sie sei ganz k.o. gewesen danach, also mehr als hätte sein sollen. sie hätte kurz die professorin fragen wollen, und dann mich anrufen, ob wir sie gehen lassen wollen, aber dann sei es ganz schnell gegangen, vielleicht noch ein schlaganfall, dann ist sie gestorben, keine zeit mehr, mich anzurufen. ich hab fast die ganze zeit geheult, konnte mich null beherrschen, das kenne ich gar nicht an mir, auch morgens am telefon, als sie meinte: haben sie einen ruhigen ort, wo sie hingehen können, da wusste ich es schon, erst am ende des gesprächs in der klinik hatte ich mich wieder im griff. seitdem hab ich das gefühl, dass mein riesiges schlechtes gewissen (bin nicht hingefahren, war nicht da) mich auch vor der trauer schützt, weil ich meinen seelenhund verloren habe. es wird eine weile dauern, das hinzukriegen, die trauer zu leben.

mir hilft es enorm, das gleich rauszuschreiben, auch die vielen kommentare auf twitter und insta haben mich getröstet, vielen dank dafür! sie war einzig.

caracas-berlin, einfach

ich frage, wie sie denn ostern feiern. ah, sagt er, sie haben eine ganze woche frei. und? frage ich. „hinter caracas kommt noch ein berg, da muss man rüber, dann ist es nur noch strand.“ er macht mit den händen eine sehr breite geste, „ostern gehen eigentlich alle ans meer.“ und nicht irgendein meer, die karibik. venezuela muss eins der schönsten länder der welt sein, aber die lebensumstände sind unlebbar. der gaststudent erzählt, wie die leute für ein paar wochen, einen monat arbeit um die 3$ nach hause bringen, sie müssen also mehrere jobs arbeiten oder brauchen hilfe von verwandten aus dem ausland, aber es reicht trotzdem für gar nichts. seine eltern sind beide akademiker, aber ihr geld ist nichts mehr wert. er erzählt, wie die menschen in caracas bis 5 oder 6 uhr am nachmittag arbeiten, dann ist es dunkel, das ganze jahr über, es gibt keine jahreszeiten in venezuela, es ist immer tropischer hochsommer, und es wird immer um sechs stockfinster, ganz schnell. danach sind die strassen zu gefährlich, dann „rennen“ die menschen nach hause und schließen die türen hinter sich ab (er war erstaunt, dass ich das hier nicht tue, mich einschließen). wenn er mit seinen freunden ausgehen will, dann gehen sie früh los, rennen („running“) zu einem club, der schließt irgendwann die türen, dann müssen die kids durch die nacht nach hause, aber das ist lebensgefährlich, also machen sie das nur, wenn jemand in der nähe des clubs wohnt und sie schnell dorthin kommen können. ich stelle mir wirklich vor, die sie dauernd herumrennen, vielleicht ein übersetzungsfehler, aber sein englisch ist gut. er erzählt ein paar abenteuer, mit bewaffneten dieben, „thieves“. feste finden bei leuten zu hause statt, und die gäste bleiben bis zum nächsten morgen, weil niemand nach 18 uhr noch auf die strassen geht. er erzählt, wie es 2017 nichts mehr zu essen gab, wie unruhen herrschten, regierung gegen studenten und bevölkerung, und wie schwierig es war, weil das sistema, dass ihn mit seinem instrument gefördert hat, auf der seite der regierung war, aber alle studenten auf der anderen seite. es waren nicht nur demos, 200 schüler sind getötet worden in den unruhen, auch ein freund von ihm, armando, den er von klein auf kannte, er spielte viola, und war sehr gut. dudamel hat eine rede für ihn gehalten und durfte seitdem, so erzählt er, mit keinem orchester in venezuela noch auftreten. er erzählt von den drei hochklassigen orchestern im land, das beste heißt simon bolivar orchestra, in was sie sich unterscheiden, im stil, der stückauswahl, es klingt ein bisschen wie die konkurrenz zwischen fussballmannschaften, und wie die guten schüler aus dem sistema bei einem von ihnen unterkommen wollen, und wie hart es ist, der konkurrenz standzuhalten. erst beim googeln sehe ich, dass es alles jugendorchester sind, die für erwachsene habe ich nicht gefunden. es muss sie ja geben, vielleicht weiß es einë leserïn*?

*beim gendern findet ja eine diäresis statt, da ginge doch ein trema, oder nicht? ich finde es elegant und kohärenter als sternchen oder |, für das ich jetzt erst 6 andere zeichen tippen musste, bis ich es gefunden hab.

jedenfalls hat er sich, als er volljährig war, bei der hanns eisler hochschule für musik beworben, wurde angenommen und ist jetzt mit der unterstützung durch einen sponsor nach berlin gekommen. er ist zum ersten mal weg von zu hause, ihm fehlt venezuela, und als er anfang april aus dem flugzeug kam, waren es 5° c, da wollte er sofort wieder umkehren, weil das für ihn unfassbar kalt ist, „never, never“ hat er so eine kälte erlebt, „it’s an adventure.“ er ist wohl erstmal eingekleidet worden von seinen neuen kollegen, ich habe ihm eine abgelegte winterjacke der jungs angedreht, schon die 19 grad in der wohnung sind eine herausforderung für ihn. eigentlich weiß er, dass er hierbleiben wollen sollte, obwohl alles so anders ist, das gehört zu seinem plan, ich hoffe, dass alles so läuft, wie er es sich wünscht, ich bewundere ja leute mit plänen sehr, auch wenn es bei ihm wohl aus der not geboren ist. er erzählt, wie er an den ersten dunklen abenden auf berlins strassen die angst abschütteln musste, weil er es nicht kannte, im dunkeln ohne angst herumzulaufen. ich sage ihm, dass wir am stadtrand auch ein paar gefährliche ecken haben, aber er lacht nicht einmal.

ein zwilling war zum zwillingsgeburtstag hier, wir haben zusammen kuchen gegessen und die beiden jungs haben sich unterhalten. ich weiß nicht genau, welche rolle ich da möchte, bleibe also freundlich im hintergrund und gebe ratschläge nur, wenn ich gefragt werde, verspüre aber einen kleinen hang zur kulturellen botschafterin europas oder so, was filme, bilder, geschichte angeht, mal sehen, ob er da bei seinem sehr dichten uniprogramm noch freiräume für hat. er ist ein fussballfan (bayern münchen) und möchte da gern mal ein spiel sehen.

die woche war ja kürzer, aber trotzdem zu lang und viel zu kalt. langsam spüre ich es trotzdem, dass die tage länger sind und damit für mich wieder nutzbar werden, im dunkeln ist irgendwie alles eins. ich wette, in ein paar wochen, höchstens monaten, kann ich mich sogar zum lesen auf den balkon setzen.

über emma noch ein tolle nachbarin kennengelernt, sie arbeitet zu hause und nimmt sie vielleicht mal ein paar stunden zu sich. bild und sprache sind ihr metier, wir sassen gestern zwei stunden bei einem spontanen tee in der küche, wie zu studizeiten in kreuzberg, meinte sie. es ist vielleicht so, dass wir uns alle nicht sehr verändern, wenn alles gut geht, es gibt nur weniger gelegenheiten, so zu sein, wie wir mal waren. räume dafür offenhalten.

bei picard wird der plot, der früher für eine folge gereicht hätte, auf eine ganze staffel ausgewalzt. es ist alles redundant und eher verworren. ich leide und verstehe nicht, wie das so schiefgehen konnte. liest das denn keiner vorm filmen? warum sparen sie an den autorïnnen?

ich wollte eigentlich am wochenende bloggen, jetzt hab ichs schon erledigt. ich kann ja einfach nochmal bloggen.

4. märz 22

heute frei, ich mache übers lange wochenende einen kurzbesuch beim großen in trier, also eigentlich ist es, was besuche bei kindern angeht, schon ein langbesuch, aber ich habe mich wo eingemietet und bleibe nicht in der wg vom sohn. er will mich vom zug abholen, was mich rührt. jetzt froh, dass ich erst nach 10 uhr fahre, die letzten tage waren richtig anstrengend, ich konnte gestern nicht mehr packen und habe jetzt zeit dafür.

grade gelesen, dass am hauptbahnhof eine große menge an freiwilligen helfern die flüchtlinge empfängt, die dort rund um die uhr ankommen, genau wie 2015. besonders die früh- und nachtschichten können wohl laut einem twitterer (nicht mehr gefunden leider) noch unterstützung gebrauchen. benötigt werden übersetzerInnen, gutscheine für drogerien und supermärkte, geladene powerbanks, und natürlich unterkünfte. der g.-zwilling will mit kumpels vor oder nach dem clubbesuch hingehen, in berlin öffnen sie dieses wochenende wieder.

die kriegsängste sind nicht mehr nur diffus, ich verdränge sie bewusst. gestern wurde ein atomkraftwerk beschossen, also da gibt es keine grenzen mehr. ich habe insulin für ein paar monate im haus (brauche sehr wenig, das heißt also nicht so viel) und ein paar vorräte. wird die welt dieses wochenende untergehen oder erst ein bisschen später? ich tippe auf später und nehme nicht alles mit. was für finstere zeiten. außerdem macht mir der hund sorgen und ich freue ich mich auf die zugfahrt und die freien tage. ich fühle mich wie ein kaleidoskop, mit lauter nicht zusammenhängenden mustern.

hundeschall

emma (mein hund) hat ein paar tage nicht mehr gefressen, gar nichts, nur getrunken, wollte nicht mehr spazierengehen, war fast apathisch. mein tierarzt hatte eine pankreatitis in den raum gestellt, weil die blutuntersuchung ein paar hinweise darauf gab, und riet mir, sofort mit ihr in die klinik zu fahren. bin noch am abend hingefahren, aber der arzt hatte gerade feierabend gemacht, ich sollte früh am nächsten morgen wieder hin, habe ich gemacht, dann gab es endlich diesen ultraschall, der mir viel aufregender vorkam als die ultraschalls, die ich immer so kriege bei der frauenärztin. bei tieren ist ein ultraschall schon eine eskalationsstufe. auf dem weg an den stadtrand, im auto, ist sie vollkommen still, kein zeichen ihrer sonstigen nervosität beim autofahren, sie hat einfach ihren kopf neben die gangschaltung gelegt und sich nicht bewegt, bis wir da waren. in der klinik erst mit einer ärztin eine untersuchung, wieder blutabnahme, dann der ultraschall, mit einem anderen arzt, der wohl ein tier-internist ist. emma wurde auf den rücken gelegt, und damit sie nicht wegrollt, wird der rücken in ein rotes polster mit einer tiefen kuhle in der mitte gelegt, eine mitarbeiterin hält die hinterläufe beiseite, ich die vorderläufe. sie lag ganz still, ihr langer kopf nahe meiner hand. nachher hat die ärztin gesagt, sie hätte bei der untersuchung geschmatzt, das könne ein hinweis auf übelkeit sein, und hat ihr nochmals ein antiemetikum gespritzt. ich habe das nicht bemerkt, ich hab allerdings nicht mal wahrgenommen, dass die ärztin bei der untersuchung dabei war. der internist hat ihr den bauch rasiert und dann ganz gründlich alles mit dem schallkopf untersucht. ich hatte angst und war ziemlich nervös und teilweise den tränen nahe, also nur ein bisschen natürlich, aber doch, und habe versucht, die bilder zu verstehen, leber, magen, gallenblase, darm, gebärmutter, gefäße. große erleichterung, als pankreas und gebärmutter normal schienen. der arzt hat eine auf dem bild erkennbare weißliche schicht auf der magenaußenseite erkannt und meinte, das könnte einen hinweis auf eine entzündung sein, eventuell hat sie eine gastritis nach autoimmun-reaktionen oder aber eben auch ein lymphom, das könne er nicht ausschließen, aber sehen könne er nichts, auch die lymphknoten seien unauffällig, dafür müsse man eine endoskopie und eine biopsie machen, und dazu müsse sie erst wieder zu kräften kommen. therapie eventuell glucocorticoide als dauermed, und falls krebs, eine chemoherapie. mir wurde ein medikament für vor dem essen und eines für danach mitgegeben, und eine dose hypoallergenes hundefutter von royal canin, das hat sie dann nur zögerlich gefressen, es sah auch richtig eklig aus, weiß-grünliche paste. habe ich dann zuhause etwas gekocht, mit hackfleisch, reis, karotten, das hat sie innerhalb von minuten verschlungen. werde das jetzt weiterhin machen, also kein barfen (das wäre rohes fleisch), sondern gekochtes fleisch, mit gemüse und reis und paar pülverchen, um calzium etc beizufügen. (das machen ja einige inzwischen, es ist ein trend geworden) mal schauen, ob ich preiswertes biofleisch finde. drücken sie ihr die daumen bitte.

sone und solche songs

das lustige gefühl, wenn auf der playlist plötzlich birdland von gespielt von pastorius läuft, mit einer bilderflut von räumen und menschen, und wie ich es immer noch lauter stelle. keine situationen oder stimmungen, nur die menschen, mit denen ich es mal gehört habe, bestimmt noch aus den achtzigern. ich verbinde das lied selber eigentlich mit nichts, mit nix eigentlichem, es ist nichts für den hintergrund, es fügt sich nicht ein, es ist ein rampensau-sound aus einer handvoll guter ideen. letzter raum in den erinnerungen der gemeindesaal, in dem m und m einen abend lang alle ihre freunde zum tanzen eingladen haben, jeder hat seine musik mitgebracht, und über birdland haben sich m und ich richtig gefreut. steht für sich selber, ist in meiner wahrnehmung vollkommen zeitlos. kann aber auch nichts anderes machen dabei, es fängt und hält die aufmerksamkeit.

das mag ich am neuen jazz, er findet im leeren raum statt, neue möglichkeiten, keine erwartungen, das glück, wenn sich dann etwas fügt. bestimmt eine altersfrage. oder ich erkenne einfach die ganzen themen/motive nicht.

fällt mir ein, wie ich einmal auf einer meiner geburtstagsparties vergessen habe, die musik zu handeln, und wie die ganze nacht eine ewig umfangreiche blues-playlist lief („Blues: 200 Must Have Classics“), als sei das absicht.

heut schrieb jemand auf twitter, dass er von den 10 topsongs keinen mehr kennt, mir geht das immer so mit den playlists der jungs. auf der sommerfahrt mit vielen kindern, auf die ich mitgefahren bin, hat einer der teamer irgendwas angemacht, etwas eher albernes, und alle kinder haben von einer sekunde auf die andere angefangen zu tanzen, aus dem geplauder und den spielen und dem teller-abwaschen heraus, alle zusammen, richtig mit schrittfolgen, jedes da, wo es grade stand. instantane freude übers rückenmark. sie kannten das von den vorhergehenden fahrten. es kann aber auch sein, dass ich zu lange kein konzert mehr gesehen habe.

28. mai 2021

gestern hat der freund vom großen das bett vorbeigebracht und mir sogar beim hochtragen geholfen. es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe, aus nussholz, und es hat noch zwei lattenroste dabei, die zusammen schon deutlich mehr gekostet haben, als ich für das bett bezahlt habe. nach >10 jahren auf einem schlafsofa werde ich aufrüsten auf ein richtiges bett, bin sehr gespannt, ob es sich anders anfühlt, ich bin eher devise hauptsache horizontal. es ist ein italienisches bett, ohne schrauben, mit nur vier steckverbindungen, sieht nach gutem möbelhandwerk aus. da hatte ich glück. <3 ebay.

das zimmer wird nächste woche endlich tapeziert, zur zeit schlafe ich noch im would be arbeitszimmer, das allerdings im sommer eine schöne aussicht auf lauter grüne bäume hat, im schlafzimmer ist nur der innenhof vorm fenster. ich werde dann vermutlich wieder mehr vom schreibtisch aus arbeiten.

für den spätnachmittag hat eine freundin slots bei neo rauch bekommen, im gutshaus steglitz, sehr kräftige bilder und einen bronzenen kentaur im glaskasten, auf 3 räume verteilt. ich sehe zum ersten mal bilder von ihm in einer ausstellung, das gefühl ist: vorher noch nie gesehen, so intensiv wirken farben und figuren, großformatige malerei, bedeutungsstark, mit vielen ebenen, die alle nicht nur angedeutet sind. erste ausstellung seit november, sehr intensives erlebnis. danach noch ein bierchen mit den freunden, mein zweites mal in einem lokal seit 14 monaten, für die freunde das erste. beides wirkte euphorisierend. dann im auto durch die ganze stadt zurück und die stadt dabei gefeiert, steglitz! schöneberg! tiergarten, mitte, und mein gott, der alex, mit seinen quadratisch-praktischen hochhäusern.

für die ausstellung vielleicht den letzten test gemacht, am mittwoch ist die zweite impfung zwei wochen her. die impfpässe sind ca. einen mm größer als reisepässe und passen nicht in die für pässe gefertigten taschen, hoffe, ich finde noch was, das ding wird meine handtasche so nicht lange überleben. die mitarbeiterin hat sehr gründlich getestet, vielleicht nach den berichten über unzuverlässige arbeit in den diversen privaten teststellen in der stadt? – nach dem artikel per google gesucht, nichts gefunden, heißt das, es gab keine berichte, oder sie waren nicht wahr? hmm. erinnert mich an meinen versuch, berichte über mäuse in hotels zu finden, das ging mit google auch nicht gut.

abends noch den d.-zwilling verabschiedet, der wieder nach halle zurückgefahren ist. er trägt die haare nach kurzer weißblonder phase jetzt wieder dunkel und hat einen vollbart, mein kleiner 6-pfünder von 2001. abschiedsschmerz gefühlt, das leere nest wird zu etwas, das ich gestalten muss, aktiv angehen.

die zither

gestern gab es ein recht großes paket auszupacken, die verpackung war ursprünglich für einen grill, da war kurz die freude der anwesenden groß. es war sehr gründlich verklebt, und als wir die alte pappschachtel dann offen auf dem tisch hatten, konnte weder zwilling d noch zwilling g mit dem inhalt irgend etwas anfangen. das war ein schöner moment.

folgendermaßen: der g.-zwilling hat sich links eine doofe sehnenscheidenentzündung geholt, weil er zuviel gitarre spielt, und sollte deswegen eine zeitlang nicht mehr spielen. es fällt ihm schwer, er hat das spielen in seinen seelenhaushalt eingebaut und ist ganz nebenbei richtig gut geworden in den letzten monaten. damit die pause nicht zur gewohnheit wird, wollte ich ihm eine zither besorgen, auf der er solange spielen kann, bis mir auffiel, dass er dann vermutlich die sehnen seiner anderen hand auch noch überlastet.

zither c.g. schuster jun.

auf dem weg zu dieser erkenntnis habe ich im netz versehentlich eine gekauft. für 22,50€, das kann sogar ich verschmerzen, gestern ist sie angekommen, jetzt überlege ich, ob ich nicht noch ein weiteres instrument nicht richtig spielen lernen kann, ein fast vergessenes, in die volksmusik verbanntes, eine verbindung von gitarre und harfe, 5 saiten über ein griffbrett mit 29 bünden gespannt, mit denen wird die melodie gespielt, immer einen ton nach dem anderen, mit dem daumen, die anderen saiten darüber in festen tonhöhen für die begleitung. hier genauer beschrieben. eine zither kann fast den tonumfang eines klaviers aufbringen mit bis zu 5 1/2 oktaven, klingt aber immer eher klimperig. ich weiß aus meiner generation niemanden, der eine spielt, wir hatten den großvater meiner mutter, das ist 3 generationen her, das instrument ist bei der musikalischsten familie aus der erbfolge gelandet, liegt dort aber auch eher ungestört vor sich hin. niemand spielt sie noch, es scheint eine bergbuam-sache zu sein, auf der zither zu spielen, es fällt schon auf, dass die spieler auf den fotos überdurchschnittlich oft lederhosen tragen (keine frauen gesehen auf den bildern). ihr klang ist harfenähnlich, es fehlt der korpus mit der klangmacht der gitarre, die saiten werden alle gezupft und nicht geschlagen. sie brauchen vielleicht den kneipenchor als klangraum. es gibt viele im netz, fast alles 60 bis über 100 jahre alte instrumente, andrerseits wieder wenige dafür, dass sie tatsächlich mal so beliebt waren. vielleicht gibt es eine geheime und nicht netzaffine großgruppe von zitherist+innen in den diversen subalpinen eckkneipen, die jedes wochenende mit einem bier im krug und einer gruppe von freund*innen herum die alten weisen singen? am repertoire kann es auch liegen, zithern waren in der volksmusik beliebt, die von den nazis besetzt wurde, die haben das instrument vielleicht gleich mit verdorben, obwohl sogar sisi darauf gespielt hat, weil ihr vater ein passionierter zitherspieler war. im deutschen ist ja im vergleich zu anderen europäischen liedkulturen wenig übrig geblieben, außer hoch auf dem gelben wagen und die gedanken sind frei und sowas. unvergessen eine hochzeit in schweden, wo die schwedischen gäste bis in den frühen morgen mehrstimmig vielstrophige lieder sangen, während wir deutschen die drei, die wir kannten, nur so mitbrummen konnten. auch in italien singen die leute mehr lieder einfach so, es gibt einen allgemein verfügbaren liedkanon, den jeder kennt und kann. überlebt hat die volksmusik hier vielleicht nur als schlager? brr.

die zithern waren jedenfalls anfang des vorigen jahrhunderts eine zeitlang modern und beliebt, gebaut mit teilweise wunderschönem holz, palisander und mahagoni, das griffbrett aus ebenholz. meine stammt aus markneukirchen, einer sächsischen kleinstadt mit langer tradition im instrumentenbau. christian friedrich martin ist nach stress mit der innung 1833 von hier in die usa ausgewandert, um dort weiter gitarren zu bauen, und der nachfolger von framus ist hier immer noch zu hause, sogar zithern werden dort noch gebaut.

die „Firma C.G. Schuster jun.“ hat außer instrumenten auch noch saiten hergestellt, es gibt noch ein paar geigen und zithern im netz, die firma gibt es nicht mehr. meine etwas betagte konzertzither wurde vermutlich irgendwann anfang des 20. jh. gebaut, wer weiß, wann sie zuletzt gespielt wurde.

ich kann zither-musik laufen lassen, höre allerdings bald nicht mehr richtig zu, es wird zu einer art differenzierten sottofondo, genau wie beim cembalo hören, es erfordert konzentration, sonst werde ich angenehm müde davon.

einlegearbeit spielmann mit pferd

die einlegearbeit mit einem blassen spielmann ist schon charmant – ich merke, jetzt hab ich sie mir warmgeschrieben, dabei wollte ich sie sofort wieder reinstellen. sie hat einen riss, ich habe beim gitarrenbauer mal angefragt, vermute aber, es wird aufwändig und damit automatisch zu aufwändig. fürs stimmen gibt es natürlich eine app, aber es kann kein vergnügen sein, diesen haufen saiten zu wechseln.

paar links:

es gibt ein stimmblatt zum unterlegen

die nmz hat einiges über zithern gebracht, auch den verweis auf einen recht umtriebigen spieler: martin mallaun.

20. mai 2021

wir sehen uns dauernd selber im video, sind immer gleichzeitig sprecher und angesprochene, immer teil der anderen, mit denen wir grade sprechen. sind wir uns vertrauter oder fremder geworden durch den dauernden anblick? die schönheitschirurgen haben mehr arbeit, höre ich, hier ein doppelkinn wegmachen, da die stirnfalten glätten, die nasolabialfalten füllen. mein entspanntes ca. 10jahre jüngeres selbstbild ist gealtert (wurde geupdated) im letzten jahr, ab mitte fünfzig wird das altern ja so langsam richtig sichtbar, auch für andere. wenn man jemanden nach langer zeit wiedersieht, passiert diese anpassung innerhalb von sekunden, wie der autofocus beim fotografieren, sehr faszinierend. man sagt ja, dass jemand, der sich selbst so wahrnimmt, wie alle anderen ihn sehen, eher gefährdet ist, mal schauen, ob das auch fürs äußere gilt.

der ein paar jahre ältere mann im datingportal, der sagt, er hätte auch einen sohn, wir plaudern ein bisschen, stellt sich heraus, das kind ist 7 jahre alt, er würde es gern häufiger sehen, aber es sei „schwierig“.

bei meinem neuen alten bett ist ein nachttisch dabei, mit schublade und türchen. auf dem foto stand die schublade etwas offen und zeigte stapel von sauber zusammengelegten stofftaschentüchern. das schlafzimmer war klein, alles dunkle möbel, es war als „kleines ehebett“ inseriert, „6 jahre alt“, es gab nur einen nachtisch, denke, das bett gehörte dem vater der verkäuferin, und ihre mutter ist schon vor 6 jahren gestorben. wenn der vater die taschentücher nicht mitgenommen hat, ist er bestimmt auch verstorben, und jetzt verkaufen sie sein bett eben auch. es klingt alles schön pragmatisch, habe ein gutes gefühl, wenn ich das so weiterführe.

gestern 2. impfung bekommen, biontech. arm schmerzt ein bisschen, etwas hirnnebel, sonst nix. tasche für meinen impfpass gekauft, den ich in ein paar wochen zum ersten mal als passierschein verwenden darf.

heut früh um sieben stolpert der d.-zwilling in die wohnung, nachtzug, war billiger, er hat also lieber gar nicht geschlafen. er trinkt einen kaffee und füllt die waschmaschine (die in der wg ist wohl hinüber) und legt sich schlafen. mutterglück.

26. april 21

wg. diabetes bei meiner hausärztin, im warteraum nur 3 leute, wie bei der impfung. während der 10 minuten, die ich dort warte, kam ein mensch ohne termin und wollte sich einfach mal anmelden, um eine hausärztin zu haben. wenn nichts anliegt, könne er sich auf eine warteliste setzen lassen, es kann aber september werden, meinte die ärztin. vielleicht meinte sie auch die warteliste für impfungen, ich hab das ja nur am rande mitgehört. die sprechstundenhilfe führt drei telefonate mit impfwilligen. es rufen die ganze zeit menschen an, die eine impfung wollen, das praxisteam hört sich die geschichten an, sie haben aber nur genug stoff für die eigenen patienten, das steht auch auf der webseite. sie wissen mitte der woche, so sagt es eine der arzthelferinnen am telefon, welche und wieviele impfungen sie in der nächsten woche zur verfügung haben werden, können sich das wohl alles nicht aussuchen. sie haben keine zeit mehr für die patienten, die sonst kommen würden, „und dann müssten wir im prinzip noch mal 6 wochen alles dicht machen, wenn die zweite impfung drankommt“, dann sagt sie noch: „wenn wir das durchhalten.“

ich bin guter dinge, hänge aber ein bisschen in der luft. es wird so zeit, wieder feste strukturen zu haben, bei mir sind anfang mai die drei wochen nach der 1. impfung rum, dann darf ich wieder unter die leute. das wochenende auf halbmast verbracht, obwohl ich eigentlich rund um die uhr staubsaugen müsste, weil emma einen heftigen fellwechsel hat, eine große tüte mit collieflaum ging schon an den wollladen, sie sieht zart aus ohne das felltutu überm hinterteil.

gestern kurz vorm abendessen haben mir die kinder gefehlt, da sind sie früher nach den vaterwochenenden immer wieder aufgekreuzt, aber das ist schon wieder ein paar jahre her, es ist vorbei. habe dann auf whatsapp mit ihnen herumgealbert und mir lustige bildchen angeguckt, aber ich höre die geschichten von freunden, wenn einer der sprösslinge aus irgendwelchen gründen für ein paar monate wieder zuhause einziehen muss, inzwischen mit einer gewissen inneren bereitschaft, sagen wirs mal so.

3. april 2021

bisschen erschöpft, weil die anspannung nachlässt. ostern abgesagt. eigentlich hätten jungs und mutter nach tests zum traditionellen osterbrunch sozusagen mit vollem gebläse kommen sollen, jetzt will ich mir nicht auf den letzten metern noch etwas einfangen. erst daran gemerkt, dass ich eine mögliche infektion als wahrscheinlicheren weg aus der pandemie akzeptiert hatte. jetzt werde ich den vollen kühlschrank verkochen und den kram in einen picknickkorb packen.

gehe sonst ostern in die kirche, unvergessen das eine mal in einer kleinen dorfkirche auf rügen, wo mitten im gottesdienst 2 handys losgingen, in einem stillen moment, und beide zu meiner familie gehörten, und keiner außer uns hat gelacht. oder einmal im randvollen berliner dom, mit anschließendem lustwandeln über die museumsinsel, wie bürger einer anderen zeit. zur zeit bin ich eher auf der agnostischen seite zu hause, kann mich aber der dichten und bedeutungssatten geschichte um jesu tod nur schwer entziehen. sie wirkt.

der große könnte sich mit asthma bald impfen lassen, will aber eher nicht, weil der vater ihn vor den impfstoffen gewarnt hat. der vater redet viel, dauernd wohl, von irgendwas politischem, mit der bei solchen leuten berüchtigten menge an partikularwissen aus allen möglichen, aber keinen passenden bereichen. beim impfthema werde ich deutlich und geb meine meinung über den ex wieder: sein verhalten ist unentschuldbar. die zeit mit den söhnen in dieser so irre intensiven lebensphase ist unrettbar verloren. das freut den großen, weil ich das fast nie mache, beim thema vater immer neutral-informativ-wohlerzogen geblieben bin, vielleicht einen tick pathologisierend. auf twitter bekomme ich gute links mit argumentationshilfen (schön nach punkten sortiert auf Medical News Today, mit analogien zum programmieren in der c’t, hier auf youtube von den mythbusters). der große wird zwar schon vom vater mit filmchen und texten zugeschüttet und mag nicht noch mehr davon, ich hoffe aber, ich kann ihn überzeugen. geholfen hat mein hinweis auf die verquere argumentationsweise des vaters, damit kann ich den sohn auf eine metaebene bringen, die ihm vielleicht auch aus der hilflosigkeit hilft, [redacted]. kann mich aber angesichts der statistik auch wieder entspannen. bei vorsicht haben die söhne gute chancen, nicht angesteckt zu werden, oder nicht schwer zu erkranken, andererseits kommen 10% der positiv getesteten ins krankenhaus. vabbeh, wird schon werden.

in meinem alltag hat corona wesentlich weniger raum als hier im blog, da passen alle auf, folgen den regeln, man wechselt ein paar sätze zum thema und widmet sich wieder anderen dingen. wir haben uns alle dran gewöhnt, aber den kleinen bruch, den mein ausladen der kids, oder (bei kurzbesuchen) das maskentragen auch im haus bedeutet, spüre ich schon noch. ich spreche es an, mache witze drüber, damit der bruch sich nicht selbstständig macht und auf reisen geht, sondern schön an der oberfläche bleibt.

dieses jahr haben die kids für den ersten abends die ankunft von drei welpen erwartet, die notfallmässig für ein paar wochen versorgt werden müssen. zu meiner freude wurden alle wgs miteinbezogen, ich weiß natürlich, dass solche scherze, die auf wunscherfüllung abzielen, eher ein bisschen gemein sind, weil sie so gerne geglaubt werden, aber mir ist nix besseres eingefallen.

keine matthäuspassion gehört, dafür aber bei frau novemberregen die storyline von ostern nacherzählt bekommen, von 2012, aber die geschichte ist ja as zeitlos as it gets. die mp kommt dafür heut mit auf die hunderunde.

30. märz 2021

letzte woche mails an meine ärztin und briefe per einschreiben an behörden losgeschickt, um schneller an eine impfung zu kommen, mir albern dabei vorgekommen, trotzdem sehr angenehm, endlich irgendetwas tun zu können. gestern früh rief eine arzthelferin an und kündigte an, dass sie sich melden würden, wenn es impfungen gäbe, es ist eine der praxen, bei denen geimpft werden soll, es würden aber trotzdem noch die kv-prioritäten eingehalten. ich versuche, einen zeitraum zu erfragen, ohne erfolg. als ich „ein paar wochen“ sage, widerspricht sie nicht. das ist eigentlich gut, aber ich bin ungeduldig geworden. sie impfen wohl astrazeneca, das gegen die neuen varianten aus südafrika und brasilien gar nicht mehr gut helfen soll, also vielleicht besser auf einen brief von der kv warten und moderna oder biontech auswählen? heute heißt es wiederum, dass astrazeneca in berlin nur noch an leute über 60 verimpft werden soll. ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich im wechselbad der gefühle grade im heißen oder kalten wasser befinde. jedenfalls erzählt eine freundin, die bei der kv arbeitet, dass langsam bewegung in die sache kommt, und rät zu geduld auf den letzten metern, aber die kv ist ja noch bei priorität 2, und ich bin 3 (in den usa wurden wir gerade hochgestuft) – aus dem berliner umfeld höre ich von immer mehr impfbenachrichtigungen, für partner und kinder von pflegefällen, für hochgewichtige und krebskranke, aber auch für leute, die überhaupt keinen impfschein erwartet haben. ich hoffe also weiter, aber es bleibt alles in der hauptsache im ungefähren.

heute früh mit dem d.-zwilling einen test gemacht, mit 45min schlange stehen, hinter einer frau mit recht tief hustenden kleinkindern im kinderwagen, die kids ohne masken, sie mit. abstand auf über 2 meter erhöht, trotzdem unsicher gefühlt. die kids dürfen ja in berlin schon mit normaler erkältung nicht mehr in die kita, mit so einem husten schon gar nicht, ich weiß nicht, wie und wo solche mäuse gestestet werden können, für die zentren sind sie wohl zu jung, oder durften mit dem husten eh nicht mit rein. nur die mutter hat sich testen lassen.

ich habe schon gelesen, dass wir alle eben „mit dem virus leben“ müssen und die impfungen durch die variationen vermutlich immer nur für einen gewissen zeitraum sicherheit verschaffen können. wie mir vor 10 jahren freund guido sagte, als ich ihm auf der abfahrt vom see noch mal schnell im krankenhaus besucht hatte: „sie haben mir gesagt, ich muss einen weg finden, mit dem krebs zu leben“, und er eine woche später tot war, natürlich, was alle wussten, wobei sich dieser vergleich unpassend anfühlt, aber ich kenne die fomulierung nur aus dem medizinischen bereich.

dort bedeutet sie, dass alles menschenmögliche versucht wurde, es keinen weg gibt, die krankheit zu heilen, und man also die symptome therapiert, so gut es eben geht, und hoffen wir das beste, im notfall an die ecmo. mich ärgert das ein bisschen, es wurde ja nicht alles versucht, nicht einmal ein voller lockdown, dann ist so eine formulierung irgendwie unstatthaft. wie wenn ich als diabetikerin sagen würde: ich nehm zwar insulin, aber ich achte nicht auf mein essen, und blutzuckermessen ist für paranoiker. das wäre fehlende compliance.

heute die beiden halbschwestern der jungs kurz zu gast gehabt, das war schön, ich freue mich so, dass die kids über 2 etappen eine großfamilie bekommen haben, die mädels hatten schon corona und sind also mit masken safe. so lange keine gäste mehr gehabt, sogar die notfallkekse waren alle. außerdem den balkon eingeweiht, mit tee und buch in die sonne geblinzelt, nach dem schon heut nacht ein blendend weißer vollmond den tag erhellt hat, wenn auch zu früh.