21. november 2020

auf hunderunde erfahren, dass die schulkinder sich einen festen freund für den winter aussuchen müssen, den sie dann ausschließlich besuchen dürfen. wenn es nicht klappt, ist das eine zementierung des doofen gefühls, in keiner mannschaft gewollt zu werden. es ist sicher merkwürdig für die kids, wenn der stromschnellenreiche fluss der kinderfreundschaften so fixiert wird, andrerseits fangen ja viele schöne geschichten so an, dass zwei aneinandergeraten, die das eigentlich nicht so geplant hatten. wenn die lehrer*innen die auswahl den kindern überlassen, kann das zur benachteiligung einzelner kinder führen, überhaupt scheint es schwierig, als lehrerin über das privatleben der schüler entscheiden zu wollen.

vorhin ging meine tastatur nicht, da wollte ich kurz einen found-footage-beitrag schreiben mit copy und paste. das war aber zu mühsam, dann habe ich nach einem neuen bett gegoogelt, ich kann ja das schlafzimmer der wohnung wieder beziehen, seit der g.-zwilling auszgezogen ist. aber ein schickes, nicht-ikea- bett kostet ab 1.5, eher richtung zweieinhalb tausend, das ginge grad sowieso nicht. lieber tastatur instand gesetzt. kleinanzeigen sind vielleicht auch eine lösung? es trennen sich doch genug leute. ich bin jedenfalls inzwischen im richtigen alter für ein bett, statt schlafsofa statt europaletten statt bodenlager wie bisher. ich schlafe überall problemlos, habe mir aber vorgenommen, trotzdem eine gute neue matratze zu besorgen. die beste, auf der ich je gelegen habe, befand sich in einem hotel pacific in monterey, californien, an die betten erinnern sich sogar die kinder noch nach 8 jahren, sie war genau richtig, und man hatte das bedürfnis, von ihr zu sprechen, zu schwärmen, sich wieder hinzulegen, obwohl wir an den morgenden alle wunderbar ausgeruht waren.

trump ignoriert seine niederlage seit inzwischen über 2 wochen, unfassbar. der tsp sieht dahinter reines machtkalkül, offenbar soll mit dem drive der empörten t.-anhänger eine senatswahl in georgia gewonnen werden, die allerdings erst im januar stattfinden soll. die republikaner befördern nur noch eine dystopische zukunftsvision, und kommen damit durch, verlieren keine anhänger, werden gewählt etc. fehlt es an geld oder an ideen, um den kahn noch zu wenden? bildung fördern, studienschulden erlassen, laber rhabarber, es wäre vielleicht einfacher, die politiker zu erziehen, anstatt die gesamte wählerschaft. ich frage mich, ob die lage schon immer so kurz vor hoffnungslos war, oder ob ich jetzt im alter bin, indem man die welt von zu weit oben betrachtet, also tendenzen sieht statt entscheidungen, strömungen statt unmoralischer menschen, und sich damit die hoffnung nimmt, noch etwas bewegen zu können.

die tiefe vorbeuge war eine meiner liebsten yogaübungen, beim ausatmen die nase aufs knie legen, die hände flach auf den boden, rücken und beine in angenehmer anspannung, danach hoch aufrichten mit den armen in richtung zimmerdecke. nach ein paar monaten pause bekomme ich nur die fingerspitzen noch auf den boden, und mein rücken signalisiert, er sei eigentlich nicht dafür geschaffen. mit training verbessert sich die beweglichkeit wieder, aber was passiert dabei? werden sehnen wirklich länger, also wachsen sie? werden sie dann wieder kürzer, wenn ich sie nicht fordere, oder verkürzen sich die muskeln beim nichtstun und müssen trainiert werden? googeln ergab die erstaunliche info, dass in den sehnen auch insulin produziert wird, und dass in ihnen eigentlich gar nichts mehr weiterwächst, wenn das kind mal groß ist. auch bei verletzungen entstehen kaum neue fasern, anders als bei knochen, die neue zellen bilden können, bilden sich bei verletzten sehnen nur vernarbungen, und die fasern, die nachwachsen, tun das in der falschen richtung, also quer zum dehnungsverlauf. es sind also die muskeln, die länger werden, wenn der mensch seine arglosen glieder in einen spagat zwingen will, was ich keinesfalls vorhabe, entweder werden dafür die muskelzellen elastischer oder sie werden mehr, um die entfernung zu ermöglichen. ich hatte in meiner anatomischen einfalt angenommen, muskeln könnten nur in eine richtung wachsen, im umfang, und nicht auch in die länge. wenn mir das jemand erklären kann, ich wäre erfreut!

pomp, duck and circumstance

wie ich in meinem filmkonsum alle szenen mit gewalt meistens sofort überspringe, als könnte ich sie so aus der welt schaffen, und damit zufrieden bin, weil ich sie so zumindest aus meiner welt schaffen kann. wenn die szenen eingebunden sind in den plot, ist das nicht so, dann kann ich mich da durchblinzeln, also ist zumindest in meiner wahrnehmung begründete gewalt erträglich, als kann also eine begründbare eskalation meine empfindungsfähigkeit für einen moment betäuben. nein, eine begründete eskalation meinte ich, gewalt und ihre darstellung sind ja immer eine entscheidung des regisseurs. wenn sie im film nicht nur um ihrer selbst willen stattfindet, kann ich sie hinnehmen.

(diga di verzasca)

ob es das böse gibt? als eine eigenschaft, eine disposition, als die fähigkeit, entscheidungen nur aus einem einzigen grund zu fällen: dass sie einem nutzen, egal, wer dafür bezahlen muss. ich halte sie für eine nurture-sache, vielleicht gepaart mit dem mangel an empathie, oder an gewissen. ich verstehe es nicht. pompeo sagt öffentlich mit einem gewissen stolz, dass ihm jedes mittel recht ist, um sein ziel zu erreichen, und spottet damit über den kodex seiner uni, west point, als sei dieser eine zu überwindende naivität, etwas, dem eben kadetten folgen, das absolventen aber nicht mehr nötig haben. lügen, betrügen und stehlen, um andere länder zu beeinflussen, mit allen verfügbaren mitteln, also finanziellen, politischen und militärischen. er hat sein über-ich einfach auf die nächste meta-ebene gehoben, in dem der zweck jedes mittel rechtfertigt, moral ist etwas für anfänger, und das vergnügen, dass ihm sein gefühl der macht über leben und tod bereitet, ist sicher nicht nur ein eindruck. solche leute sind interessant, weil ihre käuflichkeit so offensichtlich ist, die macht um der macht willen (und wenn man dann den argumentationen folgt, mit denen andere länder beurteilt werden, landet man vermutlich wieder nur beim geld bzw. dem nutzen für die usa) und sie selber die so offensichtlich nicht einmal wahrnehmen. und wie die masstäbe für sein handeln austauschbar werden, immer mehr grenzen überschritten werden, als wäre die macht eine droge, deren preis eben bezahlt werden muss, egal wie hoch, solange worte genügen, um alles zu rechtfertigen. reden ohne aussagen kann er. solche leute sind glaub ich gefährliche spielbälle für ideologen, ich glaube nicht, dass er sich selber so sieht. er begreift sich sicher mehr als ein im macchiavellischen sinne politisch handelnder, zu t. zeiten hat er die usa verteidigt, jetzt verteidigt er die usa, die nur mit einer figur wie t. an der spitze möglich ist, er verteidigt sie einen tag nach dem anderen, immer neu, wie so ein junkie. seine selbstverliebtheit macht ihn vielleicht angreifbar, er wird in einer biden-regierung keinen platz finden, oder? tja, ich wünschte, ich hätte mehr ahnung von diesen verflechtungen zwischen psyche und politik, oder gehört das zur politologie? es fasziniert und stößt mich ab, in einer guilty-pleasure-art. als alter navy-cis-fan hoffe ich, dass er mit dem agieren (die lügnerei jetzt mal als politische handlung verstanden) gegen die verfassung der usa zu weit gegangen ist, dass irgend ein aufrechter ihn zu fall bringen wird, bevor der auf die idee kommt, das militär einzusetzen. aber wer weiß schon, was noch kommt.

prokrastinationsposting. sehr unausgegoren, wenn ihr literatur oder ideen habt zur politischen moral, gerne, aber meine angst vor der lage in den usa habe ich etwas bändigen können, immerhin, immerhin scheint es noch mehr plan als wahn.

10. november 2020

netflix -filme, die außer dem setting nichts haben. ärztin gerät nach alaska, wo sie nicht hinwill, ich habe bisschen neugierde, wie das motiv umgesetzt wird, und finde nichts. keine figuren, keine handlung, keine spannung, gibt es cg-drehbücher? es ist wie hintergrundrauschen. nichtmal die schauspieler sehen echt aus. rätsel.

der amtierende präsident der usa ignoriert weiterhin, dass er die wahl verloren hat, sein staatsminister pompeo erklärt, mit so einem verschlagenen lächeln, es werde einen glatten übergang zur nächsten t.-amtszeit geben, kein hauch eines zweifels. wie kann das sein? ist das nicht schon ein bisschen staatsstreich? t. hat gestern seinen verteidigungsminister (m. esper, der sich bei seinem dienstherrn schon durch seinen widerstand gegen den einsatz des heeres gegen demonstranten unbeliebt gemacht hat) gefeuert und durch einen christopher miller ersetzt, und in den letzten tagen hat er schon die bereichsleiter für die lagerung von nuklearwaffen, für die strom- und gasversorgung und für die überseehilfe entlassen. ich hätte gedacht, dass der t. im krisenfall die medien mit anhängern besetzen will, oder vielleicht selber ein t.-tv aus dem boden stampft, und zweifle daran, dass t. auch nur die arbeitsfelder der entlassenen kohärent umschreiben kann. verteidigung, atomwaffen und energie, diese bereiche gehören auf jeden fall in die hände von fachleuten, ich hoffe, da führt keiner der üblichen verdächtigen (miller, bannon und solche figuren) was im schilde und sucht sich neue hebel, nachdem das mit der wahl nicht geklappt hat. oder der t. möchte auf seiner rückzugsinsel in der südsee immer genug waffen haben und mit frischen golfbällen versorgt werden.

ich lerne so schlecht, will viel lesen und eigentlich lieber alles behalten, aber es ist jeden tag bis auf ein kleines restchen wieder weg. wenn der fortschritt über kleinste restchen gehen muss, brauche ich mehr zeit, als ich habe. sieht so aus, als wäre ein seniorenstudium nix für mich. ich kann dann ja später sticken lernen.

hund emma hat ja in ihrer welpenzeit bei unseren spaziergängen mehr telefonnummern bekommen als ich. eine nummer gehörte einem kleinen mädchen, dass erst mit ihrer mutter, dann mit freundinnen 9 jahre lang mit emma spazieren gegangen ist. emma würde mich glaube ich sofort für das mädchen verlassen, alles an ihr ist ein glücksversprechen, sie erkennt ihre ankunft schon am klingeln (meistens sonntags am nachmittag) und ist dann nicht mehr zu halten, hüpft und juchzt herum wie ein flummi. emma war bei dem mädchen auch babysitter ein paar jahre lang, weil an einem abend beide eltern arbeiten mussten, und sie mit emma keine angst mehr hatte. jetzt hat dieses mädchen endlich einen eigenen kleinen hund bekommen, ich gebe tips und helfe aus der ferne und werde auch ein paar trainingsstunden mit dem hund machen, und darf dafür am onlineyoga teilnehmen, dass die mutter des mädchens anbietet. sie ist eine sehr gute yogalehrerin. einwandfrei runde sache.

das thema weihnachten ist aufgekommen, wären wir konsequent, dürfte es kein familienweihnachten mit meiner alten mutter geben. es ginge eventuell, wenn sich die kinder vorher eine zeit in quarantäne begeben würden, aber sie leben in wgs, die müssten dann auch alle in quarantäne. vielleicht bitte ich sie, anderthalb wochen vorher hier aufzulaufen und dann niemanden mehr zu sehen, oder nur mit strengen sicherheitsmaßnahmen? ein test wäre die einfachste lösung, aber den wird es nicht geben ohne grund. über ideen freue ich mich.

mir fehlt die see

eine liebste freundin war mal wieder in berlin, aus heilbronn, wo sie seit ein paar jahren arbeitet, bis nächste saison, danach geht sie eventuell nach greifswald, also wieder ganz woandershin. sie ist eine reisende und muss den verträgen folgen, jedesmal ein neues abenteuer. ich habe versprochen, sie da öfter als nie zu besuchen, anders als in heilbronn, schon wegen der ostsee, die im italienischen mar baltico heißt, was noch ein bisschen mehr nach abenteuern, schiffsunglücken und wilden geschichten klingt. die ostsee ist fast halb so groß wie das mittelmeer – halt, das stimmt überhaupt nicht, merke ich grade, sie schien mir nur größer, weil ich sowenig von ihr kenne. vor den kindern, ich glaube nicht vorm mauerfall, war ich mal mit einem mann auf fehmarn, in einer neubauwohnung mit aussicht, nicht im sommer, jeder mit einem eigenen bild des anderen vor den augen, wir waren wahrscheinlich eigentlich zu viert dort. ich erinnere außer ein paar dingen noch einen langen, verlassenen strand, mit großen, runden steinen, von wasser und sand abgeschliffen, hin- und hergespült, ich fand den zweitschönsten stein meines lebens und habe ihn nicht mitgenommen, weil wir mit dem motorrad da waren. er sah aus wie ein herz, mit kammern, aorta und allem.

ein paar jahre lang hab ich mit den kindern auf rügen ferien gemacht, erinnere die ostsee als wenig aufdringlich und mit langen, flachen wellen und gezeiten, nicht so einladend wie das mittelmeer, es ist ja sowieso fast immer zu kalt zum schwimmen dort. die ostsee ist sogar ein stückchen tiefer als der lago maggiore, und ach, ich war seit jahren nicht am meer, obwohl es mich heil und ganz machen kann. ich hoffe, es wird was.

(ich habe wirklich noch einen schönsten stein gefunden, ein paar jahre danach, und mitgenommen, den hat ein kind, ich sag nicht, welches, mal mit hammer und meißel angeschlagen, stundenlang hörte ich aus dem nebenzimmer das feine pock-pock-pock, ohne nachzusehen. jetzt hat er eine delle und das kind die aufgabe, einen neuen perfekten stein zu finden, egal, wie lang das dauert.) (ja, ich weiß, der angeschlagene ist jetzt erst recht der schönste, aber die sehnsucht bleibt.)

4. november 2020

grad der große per voicemessage: „ich weiß noch, wie wir letztes mal, das war ein freitag, morgens ab 5, 6 uhr vorm fernseher sassen, und es war genau wie heute, michigan und wisconsin waren auch wackelkanditaten, und ich musste dann zur schule und hatte englisch-doppelstunde, und da haben wir das dann weitergeguckt.“ – ich hatte den wochentag vergessen und weiß nur noch, dass es auch eng war. zumindest erzieherisch war der move damals richtig, die jungs sind die ganze zeit dabei, werfen zahlen und prozente in den chat, ich weiß allerdings nichts genaues über den anteil prokrastination dabei. ich frag natürlich auch nicht. stimmung um 18:00 bei mir unentschieden, aber optimistisch, schon weil es noch offen ist. der hund war beim tierarzt und bekommt etwas gegen blasenentzündung, man weiß aber nichts genaues.

was für ein tag. mein gefühl ist gut, biden wird es schaffen, ich würde wetten abschließen darüber, auch, weil es bisher mit den auszählungen wie erwartet verläuft, die briefwahl eher für die demokraten, die direktwahl eher trump. es zählt natürlich nicht, wenn der t. durch einen coup gewinnt, dann habe ich trotzdem gewonnen. dass die reps die auszählung der stimmen in pennsylvania nach der wahl stoppen wollen, obwohl sie die auszählung vor der wahl verhindern wollten (oder verhindert haben), geschenkt. es ist alles nicht mehr feierlich, ich werde mich anstrengen, mich nicht daran zu gewöhnen. ich hoffe, das land verkommt nicht weiter zur räuberpistole wie einige länder südamerikas in den 70-80er jahren, mit all den opfern, die sowas kostet.

vorhin hatte ich hier einen wetteinsatz stehen, der war aber eher ergebnis meiner abendlichen wiederaufregung mit dem wahlthema. ich werde keins meiner wiedergefundenen langweiligen schlimmen liebesgedichte aus den achtzigern hier veröffentlichen, egal, was passiert, keine sorge. sie können ihre aber gerne in die kommentare stellen, mir und den anderen lesern zur erbauung, denn nicht vergessen: love rules.

ach, das ist aus einem gedicht von ingeborg bachmann, „reklame“, das beschwört die sorglosigkeit als ein leeres versprechen, das wir brauchen, freilich etwas zynisch in diesem weltuntergangsszenario grade. lässt sich nur als foto hier reinstellen, mit den blöden wordpress- blöcken bekomme ich es anders nicht hin, die sind SO ein nerviges system, habe es jetzt eine halbe stunde versucht, vielleicht ist in der zwischenzeit schon die wahl gewonnen.

es stellt sich natürlich bei aller gerechtfertigter panik die frage, ob der klimawandel wirklich noch aufzuhalten ist, oder ob die industrie ganz unabhängig von den regierungen da nicht sowieso zu profitorientiert und desinteressiert für ist.

3. november 2020

gestern abend hatte ich gerade meinen hund umgoogelt, weil sie besonders oft pullern muss gerade (sie hat um vier uhr nachts vergeblich um ausgang gebettelt und dann einen see in die küche gesetzt, armes mädchen. ein vorteil der wahl: heute nacht werde ich wach sein und kann sie runterbringen).

(grmbl-absatz:) … als dann über die repubblica der push-hinweis auf das attentat in wien hereinkam, hab auf twitter ein video der repubblica verlinkt, in dem man aus einem fenster auf einen platz guckt, während schüsse fallen. nach dem hinweis von frau novemberregen auf die bitte der wiener polizei, keine videos zu zeigen, den tweet gelöscht, weiter auf der seite der repubblica geblieben, die einen videofeed gezeigt hatte, von einem anbieter, den ich nicht kannte. hab ein paar minuten gebraucht, um seine unterirdischheit zu bemerken, sie haben dort nämlich ein kurzes video laufen lassen, in dem ein mensch erschossen wurde. habe hingesehen, das beim gucken vor mir entschuldigt mit dem bedürfnis, das geschehen zu verstehen, und habe das video, das wie gesagt auf der seite einer eigentlich rechtschaffenen zeitung lief, dann erst nach dem nächsten schnipsel abgeschaltet, nachdem nämlich ein reporter dort erklärt hat, er habe es „leider nicht geschafft“, „näher“ an einen der orte des attentats heranzukommen. dann gewechselt zum orf, der professionell und gut berichtet hat. werde mich bei der repubblica beschweren, weil sie mir das urteil über den boulevardscheiss überlassen hat, die repubblica ist eine der schnellsten zeitungen, die ich kenne, das ist manchmal nützlich, trotzdem darf das journalistische urteilsvermögen dadurch nicht vollkommen außer acht gelassen werden. wenn ich ungefilterte hinweise sehen will, schaue ich auf youtube nach, nicht auf einer redaktionell betreuten seite. einself. (/grmbl)

es sind 5 menschen erschossen worden, einer davon ein täter. wieviele es insgesamt waren, ist noch nicht klar, ob noch welche herumlaufen, ist auch nicht klar. sie wollten vor dem lockdown zuschlagen, heißt es. ein wiener hat aus dem fenster gerufen: „schleich di, du oaschloch“, mehr muss über den mörder nicht gesagt werden eigentlich. 4 unschuldige opfer, 5 katastrophal zu ende gegangene leben. testosteron und wahn und wut.

heute am schreibtisch, im selfcare-modus, blutzucker spinnt nach wie vor schlecht berechenbar. versuch, mit einem gut geplanten tag und nutellatoast der beängstigenden weltlage beizukommen. heute abend zoom-yoga im fast leeren zimmer vom g.-zwilling, darauf freue ich mich, auch wenn sich mein körper grad anfühlt, als sei er 10 jahre zu alt für 2020. danach die wahlfolge von west wing gucken.

um ortszeit 13 uhr öffnen die wahllokale in den usa, ich hoffe so sehr, dass ich mich ab mittwoch nicht mehr dauernd mit den bescheuerten usa herumärgern muss. die mediale dauerpräsenz von trump ist so, als wäre man gezwungen, dauernd die bild zu lesen. es macht einen krank und es beleidigt den verstand, die moral, die sinne, all das, was mich als person ausmacht, jeden tag neu. ich versuche also, dem phänomen mit verstand beizukommen, kann ursachen erkennen und verstehen, aber werde mit all dieser wahrnehmung dauernd volle fresse gegen die wand gefahren, weil ich nichts daran ändern kann, denn gegen gier, skrupellosigkeit und rassismus, und brutalität, und verantwortungslosigkeit in all ihren erscheinungsformen, hilft politik nur dann, wenn ihr system als demokratie handlungsfähig bleibt. darum machen die letzten berichte über den versuch, die auszählung der briefwahlergebnisse zb in pennsylvania illegal zu machen, mich so fertig, obwohl es eine kalte klare linie dorthin gibt. immerhin wurde der versuch vom supreme court verhindert, aber die wahl ist ja noch nicht rum. ach wären wir doch in einem james bond, wo die welt noch gerettet wird! aber bond ist ja auch schon tot.

außer denken und hektischem bloggen kann ich ja nichts tun, das ist zumindest aktiver als das reine fühlen. die usa haben ja seit vietnam immer wieder erbitterte proteste ausgelöst, es hat mich aber nie so fertig gemacht wie die trump-ära, das liegt sicher am klimawandel, der für immer und für alle stattfinden wird, aber auch an der empfundenen machtlosigkeit* angesichts der übermacht des „kapitals“, dieses schietegaltum, das weder auf die rechtslage noch auf die wahrheit rücksicht nehmen muss, wenn ich das mal so formulieren darf als unbedarfte ex-geisteswissenschaftlerin. das ist teil des problems, dass ich es als unbesiegbar und unabänderlich wahrnehme, der frühere kampf gegen, was weiß ich, den nato-beschluss, die atomwaffen, die atomenergie, den krieg im iran, das hat sogar spass gemacht, alles konflikte, wo man zwar auf der seite der verlierer stand, aber im vertrauen auf demokratische entscheidungsfindungen eben immer nur des zeitweiligen verlierers. angesichts des machtmissbrauchs der regierung in den usa fühle ich mich ähnlich hilf- und machtlos wie angesichts der vergangenheit, die ja nu wirklich unabänderlich ist, wo ich zwar verstehen und nachvollziehen will, aber eben nichts mehr tun kann, und das geschehene nur noch betrauern und verarbeiten muss. die wut passte oben nicht mehr in den satz, irgendwo nach machtmissbrauch und vor vergangenheit, die ist immerhin ein zeichen fürs jetzt. ach ja, ein weg in die selbstwirksamkeit wär toll, ums mal pädagogisch zu sagen. handlungsfähig werden.

*dieser gedanke wird ausgeführt in dem buch von donatella di cesare, von der politischen berufung der philosophie oder s.ä., das ich immer noch nur in auszügen gelesen habe. falls t. gewinnt, lese ich es ganz!

vielleicht ein beliebiges anderes land auswählen, mit dem ich mich befassen kann? ich fühle mich co-dependent. neuseeland, island?

omg, schon wieder so lang. sorry. ich plappere. es sind aufregende zeiten.

2. november 20

ein schönes volles wochenende. noch eins mit großeinkauf, der g.-zwilling war wieder zu besuch, marktrunde mit dem d.-zwilling, um äpfel, eier und pasten zu kaufen. markt war voll, ein paar nasenmänner, sonst alle mit maske. lange hunderunde mit freundin, romanze gelesen, weil ich bei all den texten zu den usa, dem klimawandel und allgemein dem untergang des abendlandes etwas nur emotional packendes lesen musste, nichtmal serien gehen zur zeit, ich habe die neue folge discovery nicht zu ende gucken können, bin immer wieder raus zu den nachrichtenportalen. nicht gut, so bin ich gar nicht eigentlich. abends stew gekocht, den tisch im wohnzimmer gedeckt, dem ausgezogenen das familiengefühl mitgeben, als wäre es eine postkarte, es hat aber funktioniert, das system familie trägt. er sagt, es würde sich hier bei jedem besuch etwas anders anfühlen.

sonntags großes frühstück, lange schlange vorm bäcker um 10uhr. mein blutzucker ist die ganze zeit zu hoch, insulinbedarf um ein drittel oder mehr höher, das liegt auch bisschen an einer art fortbildung mit prüfungen, die ich grad absolviere, aber hauptsächlich an der weltlage. glaube ich, ich weiß es ja nicht, merke bloss die symptome, wer weiß, welche hormone da auch noch den üblichen ärger machen, vielleicht sind es ja auch noch die wechseljahre. ich bin aber bei tag 360, nach einem jahr ohne ist frau durch, heißt es, dann beginnen die heiteren jahre der postmenopause, bei der noch ein haufen schöner dinge verloren gehen können, u.a. die haare, die kreativität, die geschicklichkeit, die gelenke und die figur. bekomme jedenfalls fast keine guten postprandialen werte mehr hin, trotz allem, was ich weiß und kann. das erdet und lehrt demut. trotzdem gute laune.

nachmittags ist mir aufgefallen, dass die museen ab heut geschlossen sein werden und bin mit dem g.-zwilling noch mal in die gemäldegalerie. es war sehr voll, eigentlich ein gutes zeichen, dass die berliner nochmal kunst tanken, das mit dem abstand und den masken hat gut funktioniert. in der wandelhalle in der mitte der galerie findet eine eher finstere ausstellung statt, the last judgement scultpure von anthony caro, mit massiven strukturen aus holz, stein und metall, etwas bosch-artig, ohne das spielerische, humorvolle, lebensbejahende von bosch. sehr deprimierend, wirkte wie diese eingänge zur hölle in den indiana jones-filmen, wo pfeile, fallen und allerlei machenschaften den durchgang verhindern sollen.

ich wollte dem g. ein paar bilder zeigen, aber es war leider zu voll für einen ruhigen zugang. wollte mir ein meeruferbild von einem holländer ansehen, als trost für den dieses jahr ausgebliebenen blick aufs meer, habe es aber trotz mehrfachem herumsausen nicht finden können. jetzt hab ich es als bildschirmhintergrund, das funktioniert vielleicht auch. hatte freude an den bildern von üppigen gelagen und feierlichkeiten, überhaupt ansammlungen von menschen, daran dann doch gemerkt, dass mir was gefehlt hat in diesem jahr. das bild oben ist von einem joachim pantenier, „die ruhe auf der flucht nach ägypten“, von ca. 1520, mit seiner idyllischen landschaft hat es fast wehgetan, gibt es doch für die flüchtlinge von heute keinerlei hafen und keine ruhe mehr (es scheint verschiedene schreibweisen zu geben, im netz heißt es patinir, im museum patenier).

lustig die sprichwörter von brueghel, das bild ist mir vorher nie aufgefallen, habe fast keines erkannt. auf meinem kühlschrank hängt eine magnettafel mit einem verschwommenem foto und der aufschrift „leg dich lieber wieder hin“, den brueghel gab es als große postkarte im museumsshop, der wäre als fokussierhilfe und muntermacher vielleicht sinnvoll in den dunkeln morgenstunden, schade, zu spät.

ein unerwartetes geschenk war die ausstellung zum 300. geburtstag von piranesi, dessen römische veduten ich sehr liebe. habe nix davon mitbekommen, weil ich so fern der kunst war, was für ein glück, das noch erwischt zu haben, gemäldegalerie oder kupferstichkabinett zeigen ja alle paar jahre etwas von piranesi, diesmal ging es um wege und umwege seiner kreativität. auch hier wieder eine finstere folter-phantasie, mit einigen anderen kerker-bildern ein zentrales moment der austellung, zumindest haben sie eine ganze wand eingenommen. kann aber auch sein, dass mir das nur so auffällt mit meiner zzt. deutlich erhöhten grundunruhe.

heiliger bimbam! schon wieder soviel text. das liest doch keiner, aber zum kürzen hab ich jetzt natürlich wieder keine zeit. ich sehne mich auch nach meiner poetischen dichte und hoffe, ich finde sie wieder.

das noch: da hat doch 2014 ein begabter junger mensch aus kunstinteressierter familie einen ganzen haufen piranesi-zeichnungen identifizieren können? was für eine schöne geschichte.

der schrank

in folie eingewickelt steht er seit 17 jahren vergessen auf einem dachboden, ein schrank, er gehörte der schwester meiner urgroßmutter, der tante ahne, „von der haben wir ja ein paar möbel geerbt, die vitrine und der sessel gehören auch dazu“, wie meine mutter erzählt, „die konnten wir gut brauchen“. die tante ahne ist kurz nach meiner geburt gestorben, es gibt noch ein foto von ihr mit mir auf dem schoß, in ihrem sessel, der jetzt bei mir steht. ein arm fehlte ihr, den hat sie im bombenschutzkeller in berlin verloren. sie war eine frau mit vielen geschichten und einer soliden haltung zum leben, „kolossal zart, diese musik“ hat sie gesagt, als meine mutter ihr mal eine bach-single geschenkt hatte, und „sie hatte einen so burschikosen berliner humor“. der bruder meiner großmutter ist in berlin geblieben, er war pfarrer und hat mich getauft, vielleicht erinnert sich aus seiner familie noch jemand an sie, aber der kontakt zu diesem zweig ist seit langem eingeschlafen.

mein vater hatte den schrank in seinem arbeitszimmer, hat darin aktenordner und seine tagebücher gelagert, ganz unten, unter einer schicht alter zeitungen, hat er seine playboyhefte aufbewahrt, männer brauchen so etwas, hieß es in der familie, was für eine bürde, wenn die sexualität ewig auf dem niveau der pubertisten hängenbleiben muss, weil keine aufgeklärte entwicklung möglich ist. als mein vater starb, hatte ich keinen platz für den schrank, meiner mutter war er zu finster. ein freund von mir hat angeboten, ihn bei sich zu lagern, und dann kam alles mögliche dazwischen, und ich hab ihn vergessen. eine woche, nachdem das erste kinderzimmer wieder zur verfügung steht, meldet sich der schrank wieder, als wäre er jetzt an der reihe, also die besitzerin der dachetage fragt ganz freundlich an, was denn damit sei. ich könnte ihn eventuell sogar dort stehen lassen, aber will den langmut der inhaberin nicht weiter beanspruchen, schließlich kennen wir uns kaum, und der freund wohnt da auch schon lange nicht mehr.

ich versuche auf die schnelle, einen lieferwagen zu buchen, keine chance, aber er könnte ganz knapp in den kofferraum meines kombis passen, und grade sind beide zwillis in berlin. wir fahren hin, laufen 5 stockwerke hoch, ganz hinten im unausgebauten dachboden steht er, noch vom umzugsunternehmen in blisterfolie verpackt. und ja, er ist groß und breit, und wie sich herausstellt, sehr massiv. die zwillis bekommen den schrank mit müh und not, mit rutschen, kippen, wackeln („mama, warte einfach unten auf uns“) die treppen hinunter auf den hinterhof, von da geht es meter für meter weiter richtung auto. er lässt sich nicht gut greifen, weil er so gut eingepackt ist, rutscht immer wieder fast aus den händen. die laderaumöffnung hinten am auto ist 1m und 5cm breit, der schrank ist auch 1m und 5cm breit, das finde ich kurz lustig, aber er ist zu schwer, um es einfach mal zu probieren. die jungs stellen ihn hinterm auto auf, es sind 700m bis nach hause, keine chance. ich laufe zu einem nahen möbelladen, der inhaber leiht mir freundlicherweise gegen ein pfand so dicke gurte mit einer stahlkralle unten dran, die kann man sich um die schultern legen und unter das möbel haken und es dann mit der kraft des rückens und der schulter hochwuchten. die zwillis laufen in trippelschritten, mit dem hohen wankenden schrank zwischen sich, kommen zuhause an, und schaffen das möbel dann nach einer pause noch die treppen hoch. er wiegt ungefähr soviel wie ein klavier. als ich die gurte zurückbringe, zeige ich dem ladenbesitzer ein foto vom schrank und lerne, dass es wohl mal 2 davon gab, der zweite vermutlich ein sekretär, das biedermeier hat symmetrie geschätzt, also sieht die tür des schranks von außen genauso aus wie die vorderseite vom verloren gegangenen partner, mit drei blinden schlössern, ein blender. mahagoni, sagt der sehr freundliche inhaber noch, geht grad nicht so, aber wenn ich ihn loswerden wolle, er würde ihn auch abholen, da musst ich dann doch lachen. innen ist er leer, leider fehlen auch die regalböden, nur hinten in der ecke liegt irgendwas kleines buntes: es ist eine filmpatrone, mit negativfilm, ein zettel mit einer nummer ist draufgeklebt, der liegt da auch seit mindestens 17 jahren ungefunden und unenwickelt im dunkeln, vielleicht noch eine kleine geschichte. sonst nichts.

ich wollte die leeren räume der zwillis eigentlich eher hell und weiß einrichten, mit wenigen und neutralen möbeln, mal sehen, wieviel raum der schrank beanspruchen wird, ein kleines mahnendes gefühl bekomme ich sofort, waren doch die beerbten alles wohlsituierte bürger, eine familie von der ahe, bankiers, apotheker, politiker, mit geschichten, karrieren und villen. sie haben ihre schränke nicht selber getragen. aber alles ist vergänglich, außer diesen paar möbeln, und das meiste wird vergessen, besonders, wenn ein weltkrieg geschieht, und ich befinde mich eigentlich ganz wohl in meiner gegenwart.

13. oktober 2020

sie sind voller energie, schlagfertig, schnell, sie gehen dauernd aus, wenn wir zusammen essen, reden wir im schnellen wechsel über alle möglichen themen, über alles, außer dem neuen, was auf sie zukommt, da gerät das reden listenartig, hast du das und das schon erledigt, ich zähle auf, worum man sich kümmern muss nach dem umzug, sie wollen es nicht hören, ja mama, alles im kasten. sie freuen sich, wollen los, werfen sich wieder und wieder ins netz, das sie hier hält. jeder schaut im zimmer des anderen nach, ob der irgendwas vom anderen mitnehmen will, pullover und hosen werden durchgesehen, g.-zwilling, der zuerst ausziehen wird, muss alles vorzeigen. d.-zwilling hat schon einen mathe-vorbereitungskurs, jeden vormittag, total doof, sagt er, weil er flüchtigkeitsfehler macht bei den aufgaben, und hat die angst schon vergessen, womöglich gar nicht mitzukommen. sie gehen zusammen tischtennis spielen, fast jeden tag, mit ein paar freunden, ihre tage scheinen nicht planbar, oder die pläne werden nicht an mich weitergegeben, andauernd ergibt sich noch etwas, das ganze jahr muss jetzt nachgeholt werden, so scheint es mir, und ich protestiere wg corona, aber nein, es sind ja die alten freunde, sagen sie, keine clubs oder großparties. einer geht sicher, der andere hofft noch auf eine zusage. ich wollte eigentlich noch irgendeinen rite du passage aus dem hut zaubern, aber das klingt nicht an bei ihnen, non risuona, es geht ja nicht mehr um mich ab jetzt. es ist ihr weg. den ritus brauche ich.

im freundeskreis erste bedenken über eine zukunft mit maske und ohne besuche. die argumente dagegen fallen mir leicht, es sind aber alles rationale und wissenschaftlich fundierte argumente, und die angst vor einsamkeit ist damit nicht zu erreichen. es wird andere wege geben, sich nahe zu sein, sage ich, aber man will doch die enkel umarmen und anfassen, sagt x, wie soll das gehen! und es gäbe ja auch in der wissenschaft verschiedene meinungen, sicher, sage ich, das ist ein kennzeichen von wissenschaft, dass meinungen sich ändern und in frage gestellt werden, aber es muss doch meine entscheidung sein, ob ich mich dem risiko aussetze, sagt x, es ist doch mein leben. ja, aber damit werden doch auch andere gefährdet, sage ich, nein, das sei ein missverständnis, sagt x, x sei ja bereit, ein bis anderthalb jahre keinen zu besuchen, aber für immer sei das unaushaltbar, besonders für alte leute. es ist nicht für immer, sage ich, aber das haben sie gesagt, sagt x, dass sich die situation bis auf weiteres nicht ändern würde, und man dürfe ja nicht mal mehr eine andere meinung äußern, dabei würde x das aus den achtzigern kennen, dass man debattiert, den diskurs sucht, in freundschaft, ohne gleich zum nazi abgestempelt zu werden. niemand stempelt dich zum nazi, sage ich x, so ein quatsch, wir reden doch gerade in freundschaft, und man wird sich einfach anpassen müssen an die neuen gegebenheiten, vielleicht vor besuchen eine woche in quarantäne gehen, oder sich testen lassen, und die masken seien doch nun wirklich kein drama. wenn es tatsächlich so kommt, dass ein neuer lockdown und das verbot von besuchen beschlossen würden, dann würde x auch demonstrieren gehen, sagt x. ich sage, aber dann demonstrierst du mit nazis, diese demos werden gekapert von rechtsaußen, das ist unentschuldbar, mit denen gemeinsame sache zu machen. x sagt nein, ich bin kein nazi, das kannst du doch nicht in einen topf werfen. hm, sage ich. x will dann eben eigene demos organisieren. wir schweigen eine weile, ich beruhige mich schon wieder, sagt x, ich musste das nur mal los werden.

im kern des gesprächs stand die angst vor einsamkeit, vorm verlust der sozialen und familiären kontakte, so mein eindruck, und die erkenntnis, dass eben für jeden andere dinge aushaltbar sind, und dass wir wege suchen sollten, diese ängste anzugehen, anzusprechen, auswege zu suchen.

rot und blau

die politische farbcodierung sitzt tief. die italienische wikipedia führt das international weit verbreitete rot für linke parteien auf die fahnen der pariser kommune zurück, die glaube ich etwas neues waren, international und für alle gültig sein wollten, ohne einschränkung und zuordnung durch wappen, logos, farbkombis oder andere zeichen. anders als bei konservativen parteien, die viel unterschiedlicher sind in der farbwahl, vermute ich bei linken auch wegen der assoziation mit der ersten richtigen, der französischen revolution einen eher internationalistischen und solidarischen ansatz, bei den konservativen eher einen aufs jeweilige land fokussierten, um jetzt mal nicht „nationalistisch“ zu sagen.

ich habe deshalb immer noch ein sekunde widerwillen, wenn mir die farbwahl der parteien in den usa begegnet. die geschichte der amerikanischen farben scheint nicht so klar datierbar, eventuell hat auch dort die revolution die farbzuordnung begründet, 50 jahre vor der französischen revolution, der republikanische norden war dabei zuerst blau, die demokraten waren ab dem ende des 19.jh dann ein paar jahrzehnte die roten, im 20. jh wechselten die zuordnungen dann noch ein paar mal hin und her (alles aus wikipedia). rot war jedenfalls die grundfarbe der ersten fahne der vereinigten staaten nach der unabhängigkeitserklärung, mit 13 bundesstaaten, weil man dafür einfach die rote handelsflagge der briten in streifen schneiden und die dann neu vernähen konnte. erst in den achtzigern des letzten jahrhunderts hat sich rot für die republikaner und blau für die demokraten eingebürgert, festgesetzt wurden sie dann von einem fernsehjournalisten, der sie in schaubildern zur wahl von george bush eingesetzt hat.

vielleicht funktioniert die prägung rot=links weltweit und sitzt tiefer als die jüngeren entwicklungen der letzten 40 jahre, ich gebe die hoffnung also nicht auf, dass es sich wieder in ordnung bringen lässt. mich stört es bei jedem einzelnen schaubild, habe immer eine halbe sekunde latenz beim begreifen des bildes, vielleicht erlebe ich es ja noch, dass die farben wieder richtig sortiert werden, oder sie werden egal, weil eh alles schwarz wird, wobei schwarz ja vor den faschisten schon den anarchisten gehört hat.

3. oktober 2020

1987/88, als ich zurück nach berlin zog, hat mich der osten nicht interessiert. er war weiter weg als der ostblock, er war fremd, und es bestand keine aussicht, diese fremde vertraut zu machen, niemand wollte das, es war das große andere, und das würde so bleiben. die mauer stand für immer, daran muss ich denken in diesem schlimmen 2020, und versuche gar nicht erst, mir vorzustellen, was noch alles passieren könnte.

berlin war für mich westberlin, geburtsstadt, unistadt, aufregende kulturhauptstadt. in italien haben wir nichts gelernt über die ddr, die italienische linke war der ddr eher wohlgesonnen, aber niemand wusste genaues. meine klassenfahrten gingen nicht nach berlin, sondern irgendwo ans mittelmeer, nach neapel, und nach camogli bei genua, mit der besten foccaccia der welt.

ich habe zwei dicke smemorandas aus der zeit, ’87 und ’88, habe noch mal reingelesen, leider keine tagebücher von ’89. eine seite über die erste party bei franziska, in ostberlin, ich war begeistert von ihr, bisschen verzaubert, unsicher, mir fiel auf, dass die gäste schicker angezogen waren, dass ich ein bisschen herumstand, ich hab aufgeschrieben, dass die gastgeberin ziemlich früh ihre party verließ, um zigaretten zu holen, und erst um 23:30 wiederkam, als ich losmusste, was ich bedauert habe. sie war die freundin einer ostberliner cousine meiner besten freundin, habe sie auf einem tagesausflug mit der freundin kennengelernt und war ein bisschen am haken. die besuche waren eher abenteuer, wir hatten früchte und zeitschriften dabei, die manchmal an die grenzbeamten gingen, manchmal nicht. ananas, und ich meine mich an die mischung aus arroganz (ananas!) und unsicherheit (kommunisten stehen da drüber) zu erinnern, wenn wir die herzeigten am übergang. von den 25 mark zwangsumtausch haben wir uns meistens bücher gekauft, shakespeare-gesamtausgabe, hermann kant, anna seghers, weil man in den caffees nie mehr als ein paar mark loswerden konnte. im intershop war ich auch paarmal, fällt mir ein! da ging das geld schneller weg. habe nichts aufgeschrieben über die grenzübergänge, oder über den tränenpalast, die grenzkontrollen etc., die waren eben lästig, und über die schlange an der grenze am brenner oder so hab ich ja auch nie etwas geschrieben.

ein besuch war besonders, weil ich die freunde in einem wochenendhaus in klein-venedig besucht habe, in einem käfer cabrio mit italienischem kennzeichen, in dem ich damals herumfuhr, und die stadt eigentlich nicht verlassen durfte als tagesgast. es gab kuchen, es war ein normaler besuch bei leuten an einem wochenende, es gab einen mann, den ich interessant fand, ich erinnere mich nicht daran, dass die mauer und die ddr thema war, wobei halt, ab wann durfte ich denn mit dem auto in die ddr fahren, war das nicht nach mauerfall? weiß ich nicht mehr, nur, dass ich über die grenze bornholmer strasse eingereist bin, innerstädtisch.

franziska kam jedenfalls irgendwie und irgendwann im sommer ’89 mit der bitte heraus, einen ihrer freunde zu heiraten, der unglücklich war und in den westen wollte, ich hab mich informiert, es gab diese anwälte am kudamm, die mir helfen wollten, ich musste nicht einmal hingehen, anruf genügte, und der apparat fluchthilfe ist angerollt, mit einer gewissen routinierten bürokratie. mir wurden eine reihe von infoblättern zugeschickt für die vorbereitung eines heiratsantrags, zu stellen an die ddr natürlich, nicht nur an den partner, mit empfehlungen, wie viele briefe und besuche nötig waren, um einen anschein von glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten. roger, der mann, war freundlich und eher still, der aufwand war ihm unangenehm, es waren die freunde, die sich sorgen gemacht haben um ihn und ihm helfen wollten. ich glaube, er konnte nicht studieren, was er wollte, aber ich weiß es nicht mehr, ich kannte ihn ja gar nicht. er hat keine perspektive für sich gesehen, kein mögliches glück, es waren die jahre, wo die situation in der ddr noch bleiern und statisch war, obwohl unter der oberfläche alles schon auf ein ende hinzustürzen schien, ich hab das aber nicht bemerkt damals, ich habe es später nachgelesen. die infoblätter tragen einen stempel vom august 1989, damals war der bruch schon im gange, ungarn hat ein paar hundert ddr-bürger ausreisen lassen, aber der weg dahin erforderte noch die bereitschaft, alles hinter sich zu lassen, familie, freundschaften, besitz, für immer. es war noch nicht vorstellbar, einfach auszureisen, im sinn von: legal ausreisen, schon aus angst um die familie, um die dableibenden. rausheiraten war eine alternative dazu, als westlerin hätte ich unterschreiben müssen, dass ich mich auch in der ddr ansiedeln würde, aus liebe, ich so beim lesen: hmm. ich weiß nicht, wie es dann weitergegangen wäre, ein paar monate wurden aber angesetzt, um die behörden zu überzeugen, da hätte ja jeder kommen können. ich habe glaube ich noch ein paar briefe geschrieben und war einmal noch drüben, um roger zu besuchen, aber ich erinnere mich nicht mehr genau dran. vielleicht auch nicht. wir hätten die ehe sofort nach seiner ausreise zum vom staat subventionierten sonderpreis von 1000DM scheiden lassen können, annullieren ging glaub ich nicht, und natürlich hab ich alte romantikerin darüber nachgedacht, ob ich mich eventuell in ihn verlieben könnte, wo er doch seine freundin sowieso nicht hätte mitnehmen können. dann fiel die mauer und ich hab ihn nie wiedergesehen.

ps: wollte die beziehung pci/ddr googeln und bin dabei auf die geschichte von benito corghi gestoßen: der arme mann war lkw-fahrer und sollte eine ladung schweinefleisch aus cottbus nach italien transportieren. ihm fehlte eine erlaubnis an der grenze, die grenzer haben ihm die durchfahrt verweigert, er wollte zu fuss die paar hundert meter vom lkw zur grenze zurücklaufen, um das papier zu besorgen, die beamten haben ihn nicht erkannt, er hat ihre warnrufe nicht verstehen können und wurde daraufhin erschossen, hinterrücks, mit drei schüssen in den rücken. 1976.

edit: auch eine heirat in den westen war eine ausreise und hat familien zerrissen, und wer einmal ausgereist war, durfte meistens nicht einmal für einen besuch zurückkommen. bei der bundeszentrale für politische bildung gibt es einen bericht darüber. noch ’89 haben 50000 menschen eine ausreisegenehmigung bekommen.

30. september 2020

sie wollen ausziehen, aber das ausziehen war kein großes thema bei der wahl der unis, es war etwas gegebenes und selbstverständliches. sie sind dabei 4 jahre jünger als der durchschnitt, in deutschland liegt er bei 23 jahren, viel höher als erwartet, ich dachte, die zentralisierte studienplatzvergabe hätte zu einem jüngeren alter geführt, aber in d studieren halt nur 56% eines jahrgangs. (vgl. italien: im schnitt bis 30 bleiben sie im hotel mama, nur 41% schreiben sich an einer uni ein. in europa sind es 49%)

es ist bei aller planbarkeit natürlich dann doch anders, wenn man drinsteckt. es fühlt sich chaotischer an, die zwillis sind weniger autonom als der große, der in kürzester zeit den bürokratischen kram erledigt hat, die wg gefunden, alles gepackt hatte, ohne ein aufsehen drumherum zu machen. bei den zwillis gerät es anders, sie fordern mehr begleitung und sind lauter und ausführlicher in ihren abschiedsritualen, weil ich ja zur verfügung stehe, vor zwei jahren beim großen habe ich vollzeit gearbeitet und war nicht dabei. ich habe ja eigentlich auch jetzt zu tun, nur eben zuhause. es soll endlich losgehen, sagen die söhne, sie sind es leid, hier festzuhängen, obwohl sie seit dem sommer wieder andauernd auf feste und in parks gehen, erst gestern war ein haarschneidetreffen im bad mit musik und vier freund*innen, anders als im märz hatte ich weder das herz noch die energie, die alle rauszuwerfen.

meine corona-warn-app zeigt seit wochen „1 risiko-begegnung“, vermutlich ein freund vom g.-zwilling, mit dem er kurz vor dessen begegnung mit einem erkrankten zusammen war, und der sich dann angesteckt hat. weiß natürlich nichts genaues. ich trage maske in geschäften, auf der strasse nur, wenn ich vergesse, sie abzunehmen, wasche hände und habe desinfektionsmittel dabei, ich möchte an mir in unter o,5m abstand vorbeikeuchenden nassgeschwitzten joggern immer noch gern ein bein stellen (schon weil die so unhöflich sind!), trage aber beim einkaufen keine handschuhe mehr, weil ich keine nachgekauft habe. auf parties, in konzerten war ich seit märz nicht mehr, habe aber freunde auf hunderunden getroffen und andere zum essen hier gehabt. mein risiko sind also die söhne, die es gar nicht bemerken, wenn sie sich aussetzen, sie tun es ohne böse absicht und nicken meine allwöchentlichen hinweise auf abstand-händewaschen-maske freundlich ab.

für mich gehen mit den auszügen vom großen und den zwillis 16 jahre alleinerziehen zu ende. ich hab mich immer gefreut, wenn die leute das gar nicht bemerkt haben und wollte vermeiden, dass es einen zu großen platz in meiner familie bekommt. hoffe, das hinbekommen zu haben, für mich hat es funktioniert, es ist wie es ist, oder wo du hingehst, da bist du dann. was anstrengend war, ist längst vergessen, es bleibt dankbarkeit und glück. ich wünsche mir, dass sie fröhlich und klug und mit guter musik in die welt losziehen. habe sie gebeten, mir vor ihrem auszug etwas zum alleinerzogenwerden zu sagen, sie meinten: du wirst es vielleicht nicht gern hören, mama, ich bin also bisschen besorgt, werde aber was drüber schreiben, vielleicht als tip für andere alleinerziehende.

heut nacht um 3 wachgeworden und geschafft, nicht in die debatte zu schauen. heute morgen kurz versucht, aber es ist nicht auszuhalten, trump ohne jede impulskontrolle, biden wirkte alt, sie sind aus so verschiedenen welten, da geht gar keine debatte. der amtierende präsident hat wohl irgendwann im gespräch gesagt, insulin sei in den usa billig wie wasser; das ist eine gemeine lüge, weil in den usa diabetiker daran sterben, dass sie die ca. 270$ pro ampulle insulin nicht aufbringen können. in deutschland kostet eine ampulle 40€. eine ampulle mit 10ml inhalt à 100 einheiten reicht bei mir etwas über einen monat, weil ich wenig insulin brauche, viele erwachsene benötigen deutlich mehr, der bedarf ist bei jedem anders, sparen kann man eventuell durch verzicht auf kohlehydrate, nicht am grundbedarf des körpers. zuwenig insulin führt zu hohen blutzuckerwerten, die wiederum schwere nebenwirkungen haben. der wahre gewissenlose bösewicht ist dabei natürlich die firma lilly, die solche preise verlangt, trotzdem macht es fassungslos, wenn die banalsten übereinkünfte der kommunikation vollkommen ignoriert werden. als nächstes wird trump auf grammatik und syntax verzichten, oder nur noch dauernd ichichich brüllen.

wir brauchen übrigens noch alle daumen für den studienplatz eines der zwillis, der aus gründen aufs losverfahren vertrauen muss. er hat einen alternativen platz, aber keinen so guten.

21. september 20

mit mutter und g.-zwilling ins brücke-museum gefahren, um vivian suters bilder anzusehen. Sie komm von weither, lebt seit den 80ern in guatemala in einem haus am berg, sie arbeitet gerne unter freiem himmel, man sieht den bildern den engen kontakt mit der natur an.

die arbeiten passen erstaunlich gut ins brückemuseum mit seinen deckenlichtern und den fenstern ins grüne, sie wirken dort wie eine installation, weil sie einfach in die räume gehängt werden, frei von der decke, man muss drumherum gehen.

bei einem hurrikan 2005 sind schlamm und wasser auf ihre arbeiten geraten, sie hat die veränderungen integriert und mit ihnen gearbeitet. es sind große farbflächen mit verlaufenden konturen, manchmal ist einer ihrer hunde darübergelaufen, bei einem meine ich etwas figurales zu erkennen, aber es ist nicht wichtig, sie wirken durch das, was sie sind, farbe und fläche und bisschen licht.

danach noch ein kaffee im kunsthaus nebenan, im ehemaligen und eher massiv-bombastisch gehaltenen atelier von arno breker. auf dem heimweg noch grosseinkauf mit muttern, sie schreibt ihren einkaufszettel entlang der supermarktregale, inzwischen kenne ich mich dort aus wie in meinem.

nachher gibt sie mir noch eine ihrer alten designer-handtaschen mit, ich könnte eventuell auch „nein, danke“ sagen dazu, aber dann liegen sie in ihrem schrank herum, statt in meinem. sie verwendet sie nicht mehr. ich nehme sie auch als notgroschen wahr, und kann ihren albernen und nur extern gerechtfertigten wert nicht ganz verdrängen, nicht einmal, wenn ich sie trage, dabei gehören sie ja eigentlich mit so einer nachlässigkeit getragen, als wäre es eine no-name-20€-tasche, als wäre es selbstverständlich, sie zu besitzen und zu verwenden. obwohl: wenn ich es nonchalance nenne, gefällt es mir wieder, weil es eine, wenn auch erkaufte, souveranität impliziert. die nonchalance des wohlstands. wobei das theater nur für mich gilt und eigentlich auch nur ein blödsinn ist, alle anderen dürfen und sollen natürlich alle taschen kaufen, auf die sie lust haben.

bin ich jetzt ein ideale kundin?

wenn ich gelegentlich mit den taschen umherlaufe, ist es immer auch kleine gelebte regression in die zeit des sorglosen lebens, fühle ich mich angenehm verkleidet, als wärs ein schutzschild, aber wenn ich dabei freunde treffe, sind mir die taschen unangenehm und ich nehme sie aus der sicht.

sag also keiner was gegen zuviele handtaschen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist grafik-1200x900.png

als wir abends nach hause kommen, fehlt ein großer, fast vier stockwerk hoher ahorn vom haus. er wurde gefällt, ohne vorwarnung. ich habe das licht durch die blätter geliebt, den schatten und sichtschutz im sommer, er hatte eine lichte und nicht allzu dichte gestalt. seine äste waren einen tick zu lang, in den letzten jahren ist er mehr in die breite als in die höhe gegangen, und einmal hing ein schlauchboot drin. er hat den sommer eigentlich gut überstanden, so dachte ich, er sah gesund aus, blätter grün, kein astbruch, aber ich hab mich auch nicht wirklich gekümmert. die stadt musste dieses jahr viel fällen, wegen dem trockenen sommer, sein nachbar stand mitten vor dem anderen fenster und hat einmal einen sturm nicht überstanden, der war auch plötzlich weg. die stadt hat nichts nachgepflanzt. jetzt sind beide gefällt und ich werde mir doch noch ein paar ventilatoren anschaffen müssen. das grüne licht im sommer, die blätterschatten, das rauschen! er ist laut baumportal wohl um die 100 jahre alt gewesen, das passt, unser haus wurde anfang des letzten jahrhunderts gebaut, bestimmt wurden die bäume damals mit gepflanzt, die anderen ahorne in der straße sind ähnlich breit und hoch. er hat in seiner jugend die kaiserzeit miterlebt, die weimarer republik, die nazis, und er hat die brennholzfällungen in der nachkriegszeit überstanden, denen fast der ganze tiergarten zum opfer gefallen ist – moment, das klingt unwahrscheinlich, die frierenden berliner haben bestimmt auch die strassenbäume verheizt, bis 1948 dann wieder braunkohle geliefert wurde. (es gibt ein buch über die geschichte der bäume in berlin und new york, absolut angemessenes thema.) vielleicht wurde der ahorn also im wiederaufforstungsfieber ende der vierziger gepflanzt und hat dann bloss 70 jahre gelebt, aber die wohl mindestens, er stand dort also während der kompletten ddr vor den bröckeligen und unsanierten hauswänden, von anfang bis ende, und war jedes jahr wieder prachtvoll grün. seine blätter kamen immer eher spät und haben sich dann innerhalb von ein paar tagen aus den knospen gerollt, man hätte zusehen können, wie das grün dann tiefer wurde im april-mai. hat man aber nicht. er hätte noch mindestens doppelt solang bleiben können, wenn-ich-ihn-gegossen-hätte!! d.-zwilling sagt, so ein baum bräuchte mindestens 200l am tag, das hätte ich eh nicht geschafft, aber wer weiß das schon. vielleicht hätten meine 10l einen unterschied gemacht. omg, das wird mich jetzt ewig verfolgen.

17. september 2020

Le vase où meurt cette verveine 
D'un coup d'éventail fut fêlé; 
Le coup dut l'effleurer à peine: 
Aucun bruit ne l'a révélé. 
(prudhomme, le vase brisé)

hwurw (genau so hat es sich angefühlt) früh um halb sechs mit dem hund rausgemusst, weil g.-zwilling heut nacht nicht mehr mit ihr raus ist, was er hätte tun müssen, weil er beim ausgehen meinen schlüssel mitgenommen hat, nach dem seiner am see liegengeblieben ist und der d.-zwilling erst heute wiederkommt. gestern war es nochmal schön sommerlich warm, ich bin zur friseuse, die als feste freie in einem salon in friedrichshain arbeitet, sie wurde mir empfohlen, weil sie so wenig kostet, ich bin bei ihr geblieben, weil sie gut schneidet und ich mit ihr in diesem italodeutsch plaudern kann, weil sie lange in rom gelebt hat. sie arbeitet 55h pro woche, sagt sie, weil sie mehr als 1000€ netto verdienen will. in rom würde sie kaum noch was bekommen fürs haareschneiden, und sie ist die männer leid, denen die salons meistens gehören.

bisschen bammel vor dem dunklen winter, schon jetzt ist es um 7 nicht mehr ganz hell beim kaffeekochen. wie jedes jahr will ich mir dann schnell noch einen mann suchen, aber es kommt immer was dazwischen, und für diesen schritt in die nähe fehlt mir das klicken, der moment, wo ich auf jemanden total fremden neugierig werden kann, entweder durch text oder durch bild. ich muss das konsequenter angehen und einfach jeden treffen, der halbwegs normal wirkt.

mit g.-zwilling bisschen über den netflixfilm „the social dilemma“ geredet, hauptsächlich wegen einem verschwörungsopfer im näheren umfeld, er meint: aber du bist doch auch süchtig und hängst immer am gerät. stimmt und stimmt nicht, vor allem fühle ich mich nicht inhaltlich manipuliert, sondern vertraue meiner wahrnehmung. aber tun das nicht alle, auch die querdenker? ein unterschied zwischen mir und denen ist glaube ich die zusammensetzung des inputs. bei mir sind es (auf twitter, facebook und instagram) nur private stimmen, also einzelne, identifizierbare menschen mit geschichten, berufen, menschen, die ich mag und in grenzen kennenlerne über die socials, vor allem ist die zusammenstellung meiner timeline selbstgemacht, und kein ergebnis von cookies. das geht auf youtube nicht so gut, da gibt es ja immer einen stream, auch wenn man keinem folgt.

ich spüre trotzdem nach wie vor einen überdruss an all den nachrichten und meinungen auf twitter, das gibt mir eine grundunruhe, die ich früher nicht hatte, obwohl ich da nicht weniger informiert oder interessiert war. die art der kommunikation ist entscheidend, das dauernde tröpfeln von schlechten nachrichten und hinweisen auf die böse welt hinterlässt spuren, unter anderem ein gefühl der hilfslosigkeit und des ausgeliefertseins, und leute, die andauernd probleme erwähnen, gehen mir im wirklichen leben total auf den keks, ich nenne sie übelgrübels, keine ahnung, warum ich sie im netz leichter ertrage, wahrscheinlich, weil es (meistens) beruf für sie ist, nicht freizeit wie für mich. ich lese sie ja freiwillig, und werde nicht als zufälliges opfer von ihnen auf einer party festgequatscht, inclusive schlechtes gewissen. gegen all das übel tue ich nicht mehr als in den zeiten vor dem netz, bisschen spenden, wählen, gelegentlich diskutieren und demonstrieren. also nutze ich meine geräte tagsüber nicht mehr für social media, lese morgens im netz zeitung und …

wieder mehr literatur, könnte eigentlich mal wieder den plan aufnehmen, alle nobelpreisträger zu lesen, die ersten 5 oder so hab ich schon, aber die bücher sind nicht herauszulösen aus ihrer entstehungszeit, die autoren längst vergessen, mit ein paar ausnahmen, gleich der zweite nobelpreis wurde an th. mommsen verliehen, dessen römische geschichte ein wahrhaft zeitloses meisterwerk ist, nützlich fast wie am ersten tag.

heute gebe ich diese facharbeit ab, nachdem ich mir einen schlussatz ausgedacht habe. freu mich drauf, ich leide ein bisschen an der zähen gebundenheit an meine situation als jobsuchende risikopatientin bei corona, da ist jede aktivität gold wert.

(das gedicht oben drüber sollte kleiner, rechtsbündig, ein vers pro zeile gesetzt sein, wie son gedicht halt aussieht. nach halber stunde aufgegeben. wordpress, your blocksystem sucks.) (edit: das rechtsbündige und die zeilenwechsel gehen mit dem blockformat „vers“, allerdings ist dann die auswahl für schriftsatz nicht mehr sichtbar.)