filofax reloaded

apple hatte neulich all meine kalender- und adressdaten auf ihre server entführt, ohne ausdrücklich danach zu fragen. wie bei einem trickdiebstahl, man wird in ein angenehmes gespräch mit schönen menschen verwickelt und bemerkt die schnelle hand nicht unter dem tollen stadtplan. ich hab die daten wieder, aber sie fühlen sich bisschen benutzt an, nachdem sie einmal um die welt gerauscht sind und ein paar internationale datenbanken von innen gesehen haben.

also habe ich im altkram-kasten auf dem schrank die alten agendas gesucht und gemerkt, dass sie noch leben, das leder nachgedunkelt und altmodisch wirkend, zitat des zitats, die benutzung mehr geste als funktion, ein symbol der achtziger. nach den organizern kamen ja erstmal  palm und blackberry, aber die haben sich irgendwie nicht so aufgedrängt wie das smartphone später, da war der männer-wichtig-macht-aspekt in der symbolik deutlicher als die vereinfachung der oberfläche, außerhalb des CEO-bereichs waren die geräte schnell albern.

es ist so schnell gegangen mit der netzwelt, mir scheinen die dinger älter und entthronter als sie sind, dabei gibt es haufenweise youtube-filme, in denen frauen ihre filofaxe durchblättern. mein haltung also eher vorhut-hochmut. wie gefühlt überall das digitale ist, eigentlich ein wunder, wo es doch nur einzwei bereiche des lebens betrifft und zuwenig platz für klebebildchen und bunte heftklammern bietet.

die alte agenda ist da wo sie liegt und nicht heimlich noch überall sonst, es gibt für sie nur anwesenheit oder abwesenheit, das sentimentale ist ein nettes optional. ich werde sie andauernd verlegen und in meinen handtaschen verlieren, aber die daten sind dann eben nur da oder weg – oder ist das dann wie geld unter der matratze? die datenwährung stell ich ja nur zur verfügung und verdiene selber nix dran, bei verlorener kontrolle, scheint mir doof. wildwestzeiten der datenära, oder doch pensionär mit banknoten in der kaffeedose? we’ll see.

in der agenda lauter sehr alte und sehr vergessene tokens, ein cd-verleih-ausweis, 1000 berlin 65, wedding, da hab ich auch mal gewohnt irgendwann

[ich weiss nicht, ob vor oder nach neukölln, nach neukölln bin ich ’91 gleich in den osten gezogen, novalisstrasse 4, dort war ich im vierten stock, drei aussenwände, zwei zimmer, ein allesbrenner, telefon mit nachbarin geteilt, kabel über den hof, immerhin hatten wir einen der fünf hausanschlüsse, die es zu ddr-zeiten gegeben hat. im erdgeschoss lebte betty hoffman, die bessere zeiten gesehen hatte, wie die bilder von ihr in weissem kleid auf einer jacht zeigten, hand im haar, haar im wind, in den dreissigern des letzten jahrhunderts. sie war dorthin umgezogen worden, ihre großen möbel standen kreuz und quer im raum, es waren zuviel möbel für die ein oder zwei zimmer, „ich kann dann um ein paar ecken herumlaufen  wie früher“, sie heizte mit ihrem gasherd und stand elegant am fenster zum hof, klein, zierlich, um die 80-90 jahre alt. ich hab ihren hibiskus gerettet, der immernoch auf meinem balkon blüht],

eine karte der biblioteca comunale di milano, mit terroristenfoto. eine quittung über „250“, ausgestellt von der frauenärztin für eine IUS, im mai 2002, da hatte ich grade die zwillinge abgestillt. ein ticket für pussy-könig der piraten am schauspielhaus zürich, 16.12.2000, von der besten freundin inszeniert. zu allem fällt mir was ein, an nichts hätte ich mich ohne die zettel wieder erinnert, wieder mal gedacht, schnipsel reichen, kein mensch liest alte tagebücher.

das hier: filo-seite mit elias’ geburt

es gibt noch einlagen dafür, hab sie bestellt, mal versuchen, ob ich mit meiner zeitplanung zurück kann ins analoge, für die eher umfangreichen adressdaten wird es zu spät sein, das kopieren zuviel arbeit und zuviel möglichkeiten für fehler. mit dem kalender/den neuen daten endlich ein ende der unsicherheit darüber, in welchem rechner welche daten stehen, schluss mit nicht- oder doppelt oder dreifach synchronisierten terminen, all der vollkommen unausgegorene scheiss wird wegfallen, vor allem mit dem fehlenden standpunkt zur datensicherheit muss ich mich dann nicht mehr befassen, aber hey, werde ich mich ärgern, wenn das ding mal irgendwo liegenbleibt.

DSC_0036

außerdem im pocket-filo hinten drin eine uhr gefunden, die auch mal wieder ans licht muss.

 

tag 350

die ich- und die überich-blogs

wenn im winter morgends um zwanzig nach sieben die kinder aus dem haus sind, das licht in der wohnung genauso wie am abend davor um 23 uhr, wie sehr der aufräumstatus von der beleuchtung abhängt, „gemütlich“ im dunkeln. heinzelmännchen wären schön.

ich habe meine jahresvorsätze immer erst jetzt, blutzucker konstanter, 4x sport pro woche, job, nochwas.

die haar-probleme

auf dem weg an einem laden für friseurbedarf vorbeigeradelt, an meine unentrinnbar zu entsorgende lieblingsbürste gedacht, die ich schon seit wochen mit einem plastikstriegel für 2,50€ aus der drogerie ersetze, und die sogar bei den jungshaaren ziept — hinein also in die fremde welt. 4 lange regale mit ausschliesslich haarpflegeprodukten. ich nehme das haar nicht mehr so ernst wie bis ca. ende dreissig, ich vergesse in deutschland sogar das entgrauen von schläfen und haaransatz (in italien nie natürlich), ich sehe den menschen der zukunft haarlos, das kopfhaar wird dünner und gleichfarbiger werden in den nächsten paar tausend zeiten, oder immer früher ausfallen, bei beiden geschlechtern, bis nur noch eine art flaum bleiben wird, den die frauen sich natürlich abrasieren sollen. menschen als nackte, pelzlose spezies, ihr fetisch der glatten oberfläche ist allen anderen intelligenten lebensformen des weltalls unverständlich und gilt als skurril, aber niemand glaubt, wir hätten es leicht mit unserer körper/geist-kombo.

drei angestellte rennen zwischen einem raum am ende des geschäfts und dem regal mit haarteilen hin und her. ich weiche ihnen aus und sehe mich um, ich kann höchstens ein viertel der ware einer konkreten funktion zuordnen, weiss nicht, ob mich das stolz oder mutlos macht. eins der regale enthält alles an kämmen und bürsten, was man sich wünschen könnte, wenn man wünsche in der richtung hegt, viele meter mit shampoo, konditioner, spülungen in grossen flaschen und in kleinen, nach zaubersalbe aussehenden tiegeln, kein l’oreal, kein garnier.

„nimm 3, 3.4“ ruft eine frau quer durch den laden. meiner herkunft aus gutem hause zufolge bleibe ich brav vor den wildschweinborsten auf bambus stehen, aber das zauberwort antistatisch (die wüstentrockene heizungsluft) steht nicht drauf, und sie kostet auch nur 12 euro, die kann gar nicht echt sein. die angestellten rufen sich weiterhin zahlen zu, einer rennt mit einem telefonhörer nachvorne. „wer ist jetzt dran?“ „ich hatte vorhin die xxx dran, die war grad noch da“, und wusch rennt der nächste von der wand voller haarteile in den hinterraum, es liegt ein geheimnis in der haarwirtschaft, vielleicht eine echthaarauktion an geheimem, nur mit telefonen zu erreichenden ort, und die chefin, die das sonst erledigt, ist grad nicht da.

ich halte den mann fest, um ihn um rat zu bitten, weil in einem fachgeschäft die beratung zu den größten vergnügungen gehört. er bleibt lammfromm stehen, kurze haare, superglatte lippen, gezupfte augenbrauen – ich suche eine bürste, die gegen statisch aufgeladene haare mit nestern hilft! „aaah“, sagt er, während seine kolleginnen weiter hin-und herrennen, dieses aufseufzen, mit dem dir beim friseur nicht nur die antwort auf eine frage, sondern die lösung aller deiner haarprobleme serviert wird: „sie brauchen einen tangle teezer.“ einen was? wir laufen viele meter regal zurück, und da liegen sie. sie sind alle neonfarben. ich werde sie auch hinter der waschmaschine finden können, ohne dass ich erst eine taschenlampe hinterherwerfen muss. ich verlasse den laden also nicht mit einem gefühlt vererbbaren gegenstand, für den ich das regal extra hätte neu ausleuchten müssen, sondern damit.

 

idyllen

 

eher dankbar grade. total verschnupft (folgen der kita-aushilfe von letzter woche) und mit dauerhusten, aber das alles kommt nicht an gegen die schönheit dieses ortes. bayern hat schon einiges zu bieten. es ist einer der seen aus der fünf-seen-gegend, mit hellgrünem, klarem wasser, ich sitze auf einem kleinen steg an einem tisch in der sonne, gucke ins schilf, man hört ein bisschen wind und ein paar kuhglocken, glaube ich, oder es sind warnglocken für irgendetwas, das ich übersehen habe. meine tante vermietet das obere stockwerk an feriengäste, ein riesiges zimmer mit balkon zum see, ein kleines zimmer mit zwei betten, küche und bad, es gibt wlan, vom frühjahr bis herbst kann man direkt in den see hopsen, jetzt tun das nur noch meine kinder, nicht alle freiwillig. nur als empfehlung, im winter gibt es noch vacancy, für frühling/sommer muss man sich schon beeilen, glaube ich. münchen ist per auto- und s-bahn in einer stunde zu erreichen, aber starnberg, herrsching und andechs sind viel näher.

 

wir essen hier mehr als in berlin, allein die brotauswahl beim bäcker ist vollkommen überraschend (das ist also dieses deutsche brot, von dem immer alle so schwärmen, sagt die italienerin in mir) und es ist nicht nur eines gut und die anderen preiswert, sie schmecken und duften alle anders und sind nach mir unbekannten dingen, menschen und orten aus der gegend benannt. wir könnten nur brote essen, warm mit butter, aber dann müssten wir auf die kartoffeln, kürbisse und steaks vom bauern verzichten. die leute sind wohlhabend, gut gekleidet und sie fahren teure autos (schon wieder'n porsche, sagen die kinder nur noch) und sie sind sehr freundlich. macht einen fertig.

 

frage mich, ob die see-typen eine eigene art sind oder eher eine untergattung der meer- oder bergmenschen. ich bin der meertyp, die see macht mich sofort glücklicher, nicht nur wegen der freiheit der projektionen, glaube ich. es ist ein zutiefst anderer lebensraum, nicht wie der berg aufregend mit einen steigerungen, mehr extremen, höher, luftärmer, steiler und kälter als das platte land, sondern anders auf eine nur vorstellbare, nicht erlebbare weise. (ist hier grad wie smalltalk auf der parkbank an der seepromenade, gell? hach.) weiss noch das gefühl damals über diesem pazifikknick, 3000 meter lebensraum unter dir, nicht lebensfeindlich, nur nicht menschentauglich, was ihm natürlich auch nicht hilft. der see ist die kleine version davon, seine landschaftlichen reize immer nur teil einer jahrhundertealten zivilisatorischen geschichte, der see ist eher zahm, man kann ihn und seine geschichte kennen, und (leise summend ab)

 

gestern eine miniwanderung zur pähler schlucht unternommen, leider sind wir etwas lädiert wg schnuppen und einem genähten fuss beim großen. kann ich bei einer donati-naht die fäden selber ziehen? der chirurg meinte: naja, wenn der faden verschwindet, müssen wir den fuss wieder aufmachen, um den faden zu suchen.

ein richtiger abenteuerweg, ein schmaler unbefestigter pfad, bei dem man über viele übereinandergefallene bäume kletten muss, ein paar mal über glitschige steine und totholz über den kleinen fluss, um dann nach vielleicht einer stunde an einem wasserfall anzukommen, der über 16m vom rand der schlucht nach unten fällt. kinder waren begeistert, hund auch, ich musste erst nach den schnellen reflexen von früher suchen, um so herumhüpfen zu können. es ist nicht ganz gelungen, die jungs haben mir die hand gereicht und mir stöcke gesucht, ich hab nur einmal einen schuh versenkt.

 

morgen oktoberfest, mein erstes seit ich glaube '87.

 

pink-orange-bordeaux, ein zyklus.

auf dem hundespaziergang morgends die zierliche junge frau, hochelegant auf diese schlimm zeitlose weise (beige). dunkelrote fingernägel, perfekt geschminkt, dazu eine kleinmädchenhafte unsicherheit in der körpersprache, schultern eingezogen, stimme piepsig, als wäre sie in einem exclusiven bürohaus geboren und aufgezogen worden, der prenzlauer berg schon das wilde leben.

paar meter weiter der blonde junge mann, haar (er ist der „haar“ und nicht der haare-typ) zurückgekämmt, babourjacke, drunter tweedjackett, usw., glatt wie ein puppenpopo. er steigt aus einem übergroßen erdfarbenen golf, er ist deckungsgleich mit seinem auftritt, keine persönlichkeit will raus, sie wäre eh nur eine art schmutzrand zwischen copy und paste. hoffe, einfach ein fotoshooting übersehen zu haben. schlimm alles.

DSC_0473

heute blick auf die kleidung meiner mitmenschen, weil ich selber ausmisten möchte. die wildgestreifte eher edle wolljacke macht mir immer gute laune, wenn ich sie im schrank hängen sehe, aber für draussen ist sie mir  zu sehr ausrufezeichen, oder soll ich sie doch mal tragen? ach je. nee. oder? ich weiss  inzwischen, in welcher art stimmung meine mama sich die gekauft hat. sie hats richtig gemacht und den kram einer  tochter weitergegeben, ich will aber nicht unbedingt auf schwiegertöchter warten, solang kann ich die motten da eh nicht raushalten. sie ist sehr weich, sonia rykiel.

eine abendgarderobe mit echtem pelzbesatz unten und oben einer seidenblume, es nimmt die frauen an der hand, die ihre pelze an der  garderobe abgeben müssen und zeigt im schlichteren oberteil trotzdem noch ein bisschen mädchentraum.

DSC_0469

gar nicht meins, aber als camouflage geeignet, und als erinnerung an eine ferne, duftende welt andrer leute, vor allem damen, sie gehören in große räume, in denen sie ein bisschen flattern können und nicht auf ein paar auratische eigenschaften reduziert werden (pelz), die alle von der trägerin wegführen, statt sich um sie herum quasi summend zu verdichten, zu einer figur, einer dame.

(wie in zeitschriften die beschreibung der klamotten eines stars etwas doppeldeutiges hat, einerseits fashionkram, du kannst das auch kaufen, andrerseits sortiert die aufzählung die kleidung zurück ins accessoire-hafte, es ist nicht die kleidung.)

wie schwer es ist, pelz und farbe wahrheitsgetreu abzulichten. es ist wie immer alles ganz anders.

DSC_0471

schon schön.

 

 

wie leicht nach son paar lebensjahrzehnten der aufrechte gang fällt, immer nach vorne, immer mittig auf dem seil, kein blick zurück, schwächeln nur bei freunden, guten, echten freunden, ein hoch auf euch, alte wie neue.

kein blick zurück ist natürlich ein superblödsinn, ich glaube, meine hypophyse hat hinten augen, der rückblick läuft immer so mit wie ein flirren, eine unschärfe, und wer weiß schon immer, ob er hin- oder wegläuft.

der große hat die blättchen von meinem familienfesttabak geklaut. geärgert, aber zu faul gewesen, extra loszulaufen. nicht geraucht, erfolgreiche strategie. ich werde nicht meckern, denn er ist verliebt, das merke ich daran, dass er unter seinen füßen immer ein paar millimeter luft hat und alles an ihm der schwerkraft nicht mehr ganz gehorcht, sogar sein jungslächeln ist ein bissken woanders.

ein nicht besonders erwähnenswerter vorteil des nasskalten wetters: weniger stress mit haarentfernung.

grad keine genaue ahnung über blogthemen, ab morgen werde ich relevant und merkbar, momentan nicht mal merkfähig, ich vergesse auch wichtiges und bin wie so ein alter mensch von erinnerungsblitzen geplagt, an glühendheisse strassenzüge in kreuzberg, ich mit einem irren texas-feeling auf dem alten dreigangrad mitten auf der strasse, ewigkeit für einen nachmittag, um eine schöne formulierung aus bachmanns gutem gott in manhattan zu zitieren. mehr ewigkeit braucht kein mensch. das heißt es sind keine blitze, es ist doch eher ein wetterleuchten, alles in allem vielleicht einfach ein zeichen für das unhaufhaltsame näherkommen des großen sommertieres, das kommt ja immer, auch wenn es hier im norden manchmal nur ein arg kurzes leben hat. der sommer beginnt jedes jahr, wie drüben bei glam angemerkt, in der magischen nacht auf seinem balkon, diesmal waren es sogar zwei parties in einer nacht, beide sehr aufregend und fein.

last winter day

die zwillinge vergessen ihren anderthalbstündigen ich-will-aber-keinen-ausflug- streit sofort, als sie am ende der sandkuhle im grunewald den gefrorenen tümpel entdecken, wusch, stürmen sie den hügel herab, hund hinterher.

wir haben keinen schlitten mit, es liegt auch nur noch auf den wegen und im waldschatten schnee, aber die zwillis holen sich große dicke eisbrocken aus dem gewässer und versuchen darauf, die paar verbliebenen schneeflächen runterzukommen, es klappt perfekt, die eisstücke sind überhaupt nicht steuerbar, drehen sich, rutschen unterm hintern weg, zerbrechen, dann muss man neue holen oder auf immer kleineren flächen den hang runterrutschen. es macht ihnen so einen spass, ich muss es nichtmal verbieten vorher. fürs familienleben ist das wichtig, da sie ein schlechtes erlebnis nie vergessen und bei jedem zukünftigen ausflugsplan neu einbringen können (die guten werden pragmatisch erinnert, eis=notschlitten wird bleiben, und märz=südhang schneefrei).

zuhause gibts eis auch noch von oben, versenkt in frischgekochtem heissen kakao mit schlag, und schokokekse. jetzt stille, der große schläft nach dem gerenne, die zwillis spielen irgendwas. ich überlege, ob ich die sechste staffel lynley wirklich noch zuende ansehen  soll, so düster und freudlos, wie sie daherkommt, der mord interessiert nicht wirklich, der symbolische überbau ist mächtiger als der plot, die figurenentwicklung steht der dramaturgie im weg. die autoren lieben ihn sehr, ihren lynley, sie wollen ihn für sich behalten, er wird immer sturer und wortkarger.

das vollkommen neue gefühl, heute genug licht bekommen zu haben, wie der grünmangel in den alten lichtmangel diffundiert. diese winterwaldfarben wie aus den fünfzigern, all das vergangene, das ein stück weiter weg scheint, nur weil man da noch nicht auf der welt war, so dass nichts davon unsere nerven berührt haben kann. das große mischmasch in sepia.  mehrere männer in norwegerpullovern gesehen, ein schöner anblick, und der eine, der nicht jünger war als ich, hatte bestimmt nur wegen der kälte so einen roten kopf, und nicht wegen dem flachmann, den er benutzte.

alltag

jetzt ist sie rum mal wieder, die filmschau. zum ersten mal seit 26 jahren berlin null berlinale, auch weil ich grade glamour nicht sehen kann, er könnte einen meter vor mir vorbeilaufen, ich würde ihn nicht bemerken, glaube ich, es wäre ein mensch in schöner kleidung, die wertschätzungskette, die aus dieser person etwas besonderes macht, verläuft gerade weit hinter dem sichtbaren horizont. dort sind freunde, familie, einkaufen, essen, hund ausführen, lichtmangel, auch bisschen abwechslungsmangel, bücher und wintermüdigkeit. und weil die stadt so wunderbar groß ist, merke ich hier in meinem kleinen viertel nichts von weltereignissen, auch wenn ich jude law sehr gern mal in kameranähe gehabt hätte. ich lebe hier ganz ruhig im kulturellen abseits (als berlinerin heisst das, ich müsste bis zur nächsten kulturmöglichkeit 7min fahrrad bergrunter zur volksbühne in kauf nehmen, wenn ich nicht zu einem kino will, das näher liegt, oder zu einer galerie, die noch näher liegen würde, aber will ich ja nicht, ich bleibe hier oben und gucke vom zweiten stock aus in den grauen himmel), behalte meine millionen schnupfenviren für mich und versuche wie immer und ewig mein leben umzugestalten, am liebsten so, dass alles beim alten bleibt.

 

10-15 cent?

wenn die 10 monatlichen freien nyt-artikel mal wieder durch sind und der monat noch nicht rum ist. genervt, wenn ich den vorteil von zeitungen im netz nicht geniessen darf, das selektive und internationale lesen einzelner artikel.

warum, also ich verstehe das wirklich nicht, das ist doch das naheliegendste, warum gibt es keine möglichkeit, die sahneartikel zu kaufen? die seite 3, oder die theaterkritiken? für angemessene cent-beträge, entweder über flattr oder über kreditkarte oder über weeßdennicke, gerne auch mit daten wie bei itunes. statt dem weiter lesen– link gibt es dann nach dem teaser ein bezahlkästchen, nach 2 sekunden kann ich lesen, wo ich zeit sparen kann. ich mag dafür keine 3 euro ausgeben.

so im lauf eines monats habe ich einen haufen zeitungen im browser, eigentlich alles was geht, keine ganzen kompletten zeitungskörper, ich picke mir mal hier und mal da einen artikel heraus, warum? weil ich es kann. meine netzlektüre folgt mal einem themenbaum, mal dem zufall, einer laune oder den links von anderen. ich möchte in meinem lesestil nicht mehr allzuweit hinter all diese wunderbaren möglichkeiten zurück, ich will nicht den ganzen spiegel kaufen im netz, er ist nicht gut zu lesen, ich kann nicht blättern, wenn alles, dann lieber das echte heft, eine zeitung ist kein album, das im ganzen mehr als die summe der einzelnen songs ist, wo es eine kurve, einen aufbau, einen zusammenhang gibt, eine zeitung ist kein kunstwerk, es ist handwerk, der zusammenhalt ist der veröffentlichungstag, und die ordnung der inhalte. wahrscheinlich gehen genau da die meinungen auseinander und es gibt so einen gedanken wie den aus der bücherwelt, wo die gut verkäuflichen das experimentelle und/oder literarische buch am leben erhalten? aber auch da muss nicht jeder käufer von verloren ein exemplar von liao yiwu mitkaufen. das dürfen zwei verschieden leute machen, und die müssen sich auch nicht kennen, im selben haus leben oder dieselbe kreditkarte benutzen.

ich hab wenig lust dazu, meine bedürfnisse den marktstrategen anzupassen, wenn ich damit auf die ganzen vorteile im netz verzichten muss. umgekehrt wird doch ein schuh draus. und all diese möglichkeiten gehen doch nicht mehr weg, man kann natürlich eine mauer davor setzen, dann bleiben halt die leser weg.

der corriere della sera hat eine originelle mauer, der hält bloss die facebook-leser draussen, ich hoffe, das ist stil und keine baustelle.

überhaupt hätte ich ja früher gerne so ein gemischtes abo gehabt, montags die sz wegen der nyt, dienstag öhm vergessen, wer da was hatte, mittwochs die faz wegen der wissenschaftsbeilage, donnerstags den tagesspiegel, weil der ist eh immer gleich langweilig, und so weiter. das haben doch taz und faz mit ihren wochenendausgaben mal gemacht, lief das nicht auch ganz gut? jetzt ist das selektive lesen möglich, aber ich darf nicht. auf dem rechner würde ich vielleicht einzelne autoren oder themen abonnieren – aber nicht drei komplette zeitungen, nichtmal, wenn es die nyt ist. das traurige gefühl, wenn ich ungelesene zeitungen wegwerfe, lauter artikelwaisen, immerhin das habe ich bei ungelesenen elektrojournalen nicht. kleine unaufgerufene dateien vereint euch! neenee.

hatte aus neugierde mal die faz als pdf, man kriegt dann aber reduktion und muss auf alles verzichen, was das lesen im netz erträglich macht, es ist schwer zu lesen mit maus oder touchpad, es scheinen auch dieselben texte zu sein wie auf faz.net, warum soll man dann in eine pdf kriechen? bestimmt eine übergangslösung, aber der abturnende affekt wird eine weile halten bei mir. die app der berliner zeitung ist angenehm, aber ich kaufe mir keine komplette zeitung im netz, wenn ich es nicht muss (reine rethorik, weil da hab ich ja ein echtes abo, dass ich leider mit dem ipad nicht ins ipad kriege, muss man anrufen mit dem telefon, ja, ich bin faul). die faz plant ein bezahlmodell, hab ich gelesen, mal sehn, bei allen alles oder nichts- modellen bin ich draussen natürlich, aber es geht ja nicht um mich, es geht ja um die zeitung, also der zeitung geht es um die zeitung und nicht um mich als leserin, ich wünsch ihnen da alles alles gute, aber mein budget ist begrenzt. ich liebe die nyt, aber ich kann auch sehr gut auf sie verzichten, bis der monat um ist und ich wieder lesen darf, bis dahin lese ich die washingtonpost und salon, und nochmal, ich würde wirklich gerne für die artikel bezahlen, ich liebe zeitungen sehr.

warum nutzen die verlage nicht alles, was das netz bietet? wahrscheinlich sind mir die wichtigsten juristischen und journalistischen argumente dagegen bloss nicht eingefallen. es muss ja gute gründe geben.

 

auf eine vernissage nicht gegangen, weil mir die webseite nichts gesagt hat über die arbeiten und gar nichts über die künstlerinnen. man sieht nur ein objekt, etwas unerkennbares, könnte etwas gesticktes sein, oder mit gips? konzeptkunst, nicht festlegbar, nicht stillhaltend, bisschen plastisch, bisschen dekorativ, es macht undefinierbare aussagen über sich und das sein in der welt, es ist beige, und sagt nicht mal leise: hier bin ich, ich muss, ich will. das webloghafte dieser kunst, ich sollte das mögen vielleicht. werde hingehen mit den jungs und ihrem monsteranspruch („der hamburger bahnhof, das ist das langweiligste museum der welt, mama, da geh ich NIE wieder hin“). es sind schon wieder ferien, zum donnergrummel.

der nächste beste film kommt bald, mit einiger wahrscheinlichkeit ein lieblingsfilm: moonrise kingdom. ich mag die filme von anderson auch deswegen vollkommen kritiklos, weil ich meinen kindern genau so eine kindheit machen will, es klappt natürlich eher im sprachlichen (mehr nebensätze, mehr überraschendes vokabular, mehr geschichten vor allem, unerklärtes.)

wow. endlich mad men geguckt. reduziert die hausbar. das zeitaroma ist etwas ermüdend, die gegenstände der fünfziger/sechziger finde ich gilb und bedrückend, vor allem, weil die berliner trödelläden so voll davon sind, diese lampen, die aus dem braun tapezierten wohnzimer einer alten frau oder eines alten mannes kommen, dieses unfreie design mit der plüschigkeit der fünfziger, auf dem weg, aber noch in der seltsam-phase. don draper aber ist absolut hinreissend, schön, smart, unglücklich, eine sehr anziehende figur. am allerspannendsten aber finde ich natürlich die frauenbilder – die männer sind genau so geschrieben, wie man sie erwartet, eigentlich nie überraschend, aber die frauen bieten, besonders die figur der peggy olson, noch entwicklungsmöglichkeiten und geben anlass zur hoffnung. ich war überrascht von all den aggressiven und selbstbewussten damen in drapers bett, die ich eher in den späten als in den frühen sechzigern erwartet hätte, aber vielleicht waren die amis da schneller.

man sollte die serie erst nach 17:00 gucken, wenn das trinken in ordnung geht.