vorweihnacht

im kopf kaum nebeneinander von drinnen und draußen, zu finster die nachrichten, zu leicht die flucht. kaum zugang zur religiösen bedeutung, der konsumaspekt ist leichter mitzumachen als das friedensbringende und gnadenspendende der weihnachtzeit, ich hoffe, mir gelingt spätestens im gottesdienst noch ein wechsel hin zum großen & ganzen. dieses jahr noch keinmal das WO gehört, fällt mir jetzt erst auf.

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wie fast jedes jahr verläßt mich der verstand kurz vor weihnachten und ich kaufe allen kindern viel zuviele geschenke, mit muttern durchs kadewe gestromert, als wären wir noch die von ganz früher, reich und sicher eingetütet in möglichkeiten. die frauen in den schlangen an den kassen, alle blond und hochhackig, die männer älter und im hintergrund, nee, war jetzt bisschen übertrieben, das kaufhaus wirkt am samstag vor dem fest trotzdem wie ein 3d-werbefilm aus den goldenen zeiten von irgendwann, mit einem selbstverständlichen und selbstverständlich sichtbaren wohlstand, der mir sonst im alltag nicht begegnet. einen tag vorher wurde das kaufhaus überfallen, mich hätten sie jedenfalls nicht mitgenommen.

wann genau habe ich mich für die ukulele entschieden, die jetzt hier herumliegt?

alles eingepackt, dabei weihnachtslieder, hat jemand eine empfehlung für schöne, nicht von knaben gesungene? ich mag erwachsene stimmen. o come all ye faithful ist mein liebstes weihnachtslied (oh kommt all ihr gläubigen, es wird auch auf latein gesungen, adeste fideles), ich hab nur eine olle version von herrn sinatra, mit einem tick zu viel input.

in der papeterie vom KDW hätt ich aber schon gern mal übernachtet. sinn für luxus als großzügigkeit, als hingabe an die schönheit der welt, nicht nur als dekadenz und überfluss, eine stilistisch sehr feine grenze.

 

Unbenannt

frau ziebarth im tagesspiegel! über herrn schnecks facebook, sehr gefreut. habe auch ein paar mal über sie geschrieben, sie hat gregor den löffel erklärt, ich war mit ihr im bodemuseum, wie mir grad erst wieder eingefallen ist, vor den kindern war ich häufiger auf theaterpremieren und habe frau ziebarth auf ausnahmslos jeder getroffen, sie ist ein theatermensch, ist in jedem theater berlins zuhause. ich kenne sie über meinen vater, der in den sechzigern ein paar jahre im DIW in berlin gearbeitet hat und mit ihr befreundet war. als wir uns zum ersten mal begegneten, war ihre erste frage: was ist dein lieblingsbuch?

 

über bord

die feine geringschätzung einiger, wenn ich von meinen plänen erzähle, ihr erwähnen von dingen, die sie haben, „mein“, erfolge, bücher, gelder, kunden, als wären sie sich nicht sicher und müssten das immer wieder ausprechen, verankern, ihrem leben substanz geben. das flüchtige interesse, der blick, der gleich wieder auf wanderschaft geht, wieder weg will, obwohl ich grade noch im anlauf auf die anekdote bin. alles ist erlaubt. sie fragen nie.

was machst du denn wirklich so von früh bis spät? bis wohin geht deine sicherheit? keine neugierde?

 

 

KW 48 – 50

grade sehr stolz auf die jungs, war 3 wochen hintereinander 11 stunden täglich weg, und sie machen es mit mäßigem maulen mit, „das kochen hat mir gefehlt, wie schön, dass du wieder da bist“, sagen sie, nachdem es eine weile fast nur hamburger und tiefkühlpizzen und schawarma oder stullen gegeben hat. nein, nach dem medienkonsum habe ich nicht gar nicht erst gefragt, hatte aber überall frische passwörter drauf. viel gelobt und einmal laut gebrüllt, hat den druck rausgelassen, bei mir und den kindern. jetzt freies wochenende, abends sehe ich, wie der große fast 10 klimmzüge schafft (ich bin immer noch bei 0,5, aber in diesem jahr beginnen auch meine arme zu altern, ich muss da also ran, demnächst), samstags um zehne schlafen die zwillis noch und der große brummt in der dusche, hund will kuscheln, kaffee im bett, sehr bewußtes wohlbefinden meinerseits.

mich hat die wenige zeit für den haushalt effektiver gemacht, ich schaffe bad und küche vor 8 morgens, also nicht gut, aber in ordnung, nur der schreibtisch quillt über, abends schaffe ich gar nichts mehr, nicht mal gitarre, nur noch ein paar serien. zum glück bin ich auch zum grübeln (zukunft, gegenwart) zu müde. tinnitus jetzt auch auf dem anderen ohr, aber der kommt und geht, ich nehme tabletten dagegen, drückt mir die daumen.

die fortbildung ist überraschend intensiv, sehr viel stoff, der anspruch angenehm hoch, keine unterforderung, ja, ich hatte ein paar vorurteile, dabei weiß ich ja, wie jedes thema sich aufblättern und öffnen kann, wenn man genauer hinschaut. sehr tolle leute kennengelernt, und die dozenten zb im praktikum der letzen anderthalb wochen sind wirklich großartig, fachlich wie menschlich, viel inhalt, viel lachen, viel selber machen, es ist ihnen eine herzensangelegenheit, alles notwendige zu vermitteln, sie haben viel erfahrung im thema, humor und selbstironie im umgang mit sich und uns lernenden. ich wollte trotz erschöpfung gleich weitermachen. empfehlung.

hab das ipad mit goodnotes und tastatur und sonem stift gar nicht immer dabei, riesenspass am schreiben mit der hand, mit dem alten caran d’ache – kuli und einem bleistift für die skizzen und marker für die struktur. es ist die ganze zeit selbstbelohnend, schreibe wieder flüssig und lesbar inzwischen. kugelschreiber leergeschrieben. füllfederhalter ist leider unpraktisch, bin linkshänderin. ein notizbuch mit seitenzahlen und inhaltsverzeichnis gefunden, sehr gute idee, damit entfällt das ewige blättern bei blättern oder anderem. goodnotes ist trotzdem großartig, um pdfs zu kommentieren.

„Hallo, in Ihrem Profil glücklich schauen Sie. Können wir Freunde sein? Bitte antworten!“

 

 

Der Tod ist nicht.

Es ist nicht alles da, vor allem kein Zusammenhang zwischen Körper und Raumzeit. Das, was da ist, könnte überall sein, ich weiß nicht, wo ich bin, das Denken geht an und aus wie ein Warnblinklicht, der Körper ist träge und schutzlos, weil ich kaum Gewalt darüber habe, wie wenig, weiß ich aber nicht, weil ich den Weg zwischen Gedanken und Bewegung nicht mehr finden kann, mein Gehirn schafft grade, ich zu denken, es gibt mich in einem Raum, es dauert ewig, bis ich diesen Raum als von mir unterschiedenes wahrnehmen kann. Mein Arm fühlt sich unförmig an, das merke ich, als ich ihn zu heben versuche, die Hand fällt sofort gefühllos auf meine Seite, fällt sie weit? Sie fällt durch den Weltraum. Es ist dunkel. Das Denken ist mühsam und funktioniert nur in kleinen einzelnen Sekunden, ich erinnere später nur den Unterschied zwischen der Zeit mit Gedanken und der ohne, reine Abwesenheit, schwarz auf eine lichtlose Weise. Ich wollte mich nach einer Weile gegen das Nichts orientieren, ganz simpel, hier bin ich, ich ist etwas, und das ist mir lieber als nichts, obwohl das Nichts einfacher war, keine Energie aufbringen, es überall hinlassen. Die Erfahrungen waren beide elementar, der Wechsel von einer in die andere fing direkt in den Bewegungsnerven an, ich konnte spüren, wie der Plan aus dem Kleinhirn ins Bein rumpelt, Bein hoch, ins Reale, seitwärts, aus dem Bett runter, aua, da knallt der Fuß aufs Parkett.

So funktioniert das Hirn eben, es braucht zum Überleben Luft, Zucker und Wasser, es hat keine Energiespeicher zur Verfügung, ohne Luft überlebt es nur ein paar Minuten, ohne Zucker bleibt noch Zeit für diesen Schwanentanz, bei dem nacheinander die Funktionen des ZNS abgeschaltet werden, damit die Restenergie noch für das vegetative Nervensystem genügt. Das Erlebnis ist ein paar Jahre her, aber ich hab noch immer eine Art von Ehrfurcht vor der klaren Hierarchie zwischen nötig und nicht nötig, wie dann als erster Gedanke, also Gedanke als etwas, das man nicht gleichzeitig tun muss, die Bilder für „Hypoglykämie“ und „Honigtopf, kleiner Schrank, Küche“ aufkommen und die Magie der Grenzerfahrung vorbei ist, während ich meinen Körper in die Küche wuchte, wie beim Sackhüpfen, nur ohne Hüpfen, weil das Hirn nur noch Energie hat für die Hälfte des Körpers.

An dieser Grenze fällt einem vor allem der Unterschied auf: Es gibt nichts zu sagen über das Nichts, während man übers Leben bis runter zu den Nerven andauernd Romane schreiben möchte. Neurotransmitter: Toll! Glutamat, Serotonin, Rezeptoren, Zellwände, ein Kosmos, egal, wo man hinschaut, es ist komplex, es ist kompliziert, es ist ein Wunder. Das Nichts ist einfach nur Nichts. Ich seh das so: Leben ist das, was die Zellen miteinander machen, wenn man sie läßt, Leben ist Stoffwechsel, Tod lohnt die Mühe nicht, er ist das Nichts, es liegen genug Rätsel im Leben, mit dem Tod will ich mich nicht aufhalten, auch die Seele ist nicht mehr als der Wärmeabdruck im Bett, wenn der Liebste schon gegangen ist, etwas hiesiges.

geschrieben für dieses beeindruckende projekt.

winterreise

marco ponce kärgel und manfred maurenbrecher haben die winterreise aufgebrochen und neu hingestellt, mit reduzierter und sehr klarer gitarre, wenn der gitarrenauszug von kärgel, der wohl die hauptenergie in diese cd gesteckt hat, ein windhund wäre*, würd ich sagen: trocken gebaut, man sieht die sehnen und muskelstränge und die ganze schönheit viel besser jetzt, es läuft wie von selber, und maurenbrecher singt bei einigen stücken so, dass man sein herz genau schlagen hören kann, ich hab meins gehört jedenfalls, es hat mich traurig gemacht, wie es sein soll bei dieser musik. ist aber auch mein lieblingsliederzyklus, lieder für dazwischen, wenn die blätter schon unten sind, vorm neuanfang, vor dem nächsten jahr. die beiden haben die winterreise wirklich gemacht. ihre version von „mut“ ist besonders schräg und endlich so laut, wie sie sein sollte, könnte zum hit werden, wenn man morgens um drei doch noch nach hause muss. ein bisschen mitbrüllen. sehr schön.

*bin grad im hundethema, sorry.

 

libre

mein kindle ist verschwunden, seine tasche auch, mein gefühl, dass die unordnung in meiner wohnung langsam flügge wird und auch größere dinge verschwinden läßt, die im alltag wichtiger sind, als die ewigen kleinigkeiten wie ringe, lieblingsstifte, lippenstifte. die dvds waren alle unter [kind]s bett, da fehlen nur noch die hüllen.

ein neues meßgerät kommt auf den markt, eines, bei dem man sich nicht mehr stechen muss und andauernd seinen wert checken kann, wenn man möchte, durch dranhalten eines lesegerätes an einen am obararm festgeklebten sensor, groß wie eine 2€-münze. meine freude darüber ist ziemlich groß, obwohl ich mich an die verhornten kuppen gewöhnt habe und den schmerz gar nicht mehr wahrnehme, ich habe einfach mit keiner so deutlichen verbesserung der therapie mehr gerechnet, ich bin ja krank seit den grauen tagen, an denen blutzuckermessen nur gelegentlich beim arzt machbar war, habe die entwicklung der technologie also am eigenen leib mitgemacht, aber all diese neuerungen, kleinere geräte, batterien länger als einen tag haltbar, vom analogen (mit zeiger), zum digitalen ergebnis, vom fetten 0,5cm-tropfen zu den heutigen systemen, die nur 0,5 mikroliter benötigen, alles erscheint eher kosmetisch im vergleich zu diesem neuen ansatz. also so gefühlsmäßig. zählen gefühle? bei chronischen krankheiten: sehr.

ich hab noch keines, die kassen zahlen die dinger vorerst nicht, aber das wird kommen, bestimmt, das verhindert nur die große konkurrenz der vielen weiteren anbieter, die mit immer neuen eher ähnlichen designs auf den markt kommen, aber eben alle frisches blut benötigen, oder nicht? (um dann doch nur eine meßgenauigkeit von 70% hinzukriegen, letztens selber einen blutzucker von 150 gemessen, beim arzt waren es dann 180, da hätte ich schon korrigieren gewollt, der gesetzgeber gestattet halt eine schwankungsbreite von 30%.) es kann ja gar nicht um den patienten gehen, wenn eine so revolutionäre verbesserung der lebensqualität nicht von den kassen übernommen wird! werden würde! so sind die nicht, die brauchen bestimmt nur noch eine weile –  andrerseits war das auch bei den bisherigen cgm-systemen* so, keine unterstützung von den krankenkassen, nur bei schwangerschaft oder so, bei meinen schwangerschaften gab es die aber eh noch nicht. ich habe in einer kritischen phase mal 1200 euro für so ein ding bezahlt, es liegt jetzt rum, weil die sensoren zu teuer und zu empfindlich sind, sie halten nur ein paar monate und man muss immer 5 auf einmal kaufen, aber jetzt? ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand freiwillig weiter sticht.

*continous glucose monitoring

abott bietet praktisch ein cgm-system für hundertzwanzig euro im monat an, die konkurrenz beginnt bei 240, für die sensoren, also die kleinen dinger, die sich der patient unter die haut stechen muss, damit die gewebsflüssigkeit gelesen werden kann, das sind die verbrauchsartikel dieser messsysteme. bisher musste  der patient dazu noch etliche hundert für die hardware bezahlen, also obendrauf, für die lesegeräte der sensoren. abbott ist auch da revolutionär: das lesegerät bei abbott kostet 70€.

menno, keine mit preisen bestückte übersicht über cgm-systeme gefunen, hier schnell eine liste, es gibt wohl 3 verschiedene, die beiden marktführer sind an eine insulinpumpe gebunden, auf der die werte dann ablesbar sind, sie haben keine eigenständigen lesegeräte und sie sind  natürlich gebunden an eine marke und ein oder zwei modelle der hersteller. im medizinischen ist alles proprietär.

für die animaspumpe (von johnson&johnson, glaube ich) braucht man: ein  sendegerät (das die daten vom sensor in der haut auf die pumpe in der hosentasche schickt) für 400€, sowie die  dexcom-sensoren, halten 7 tage, kosten 80€ pro stück.

für 2 verschiedene pumpen der firma medtronic gibt es ein system, das sendegerät kostet um die 920€, die sensoren gibt es entweder im 10er oder im 5er-pack für 55-61€ das stück, sie halten bis zu 6 tagen. die sehr hilfreiche einführhilfe kostet nochmal 90 euro.

dann gibt es noch ein eigenständiges system, dass ohne insulinpumpe auskommt und auch für die ICTler* infrage kommt, den freestyle navigator, aber das ist der vorläufer des neuen systems und ist nun überflüssig, auch von abbott, auch viel zu teuer.

*intensivierte konventionelle therapie, man spritzt lang- und kurzwirkendes insulin je nach bedarf und benutzt keine insulinpumpe.

was meine freude merklich trübt: diabeteshunde werden, nun ja, sie sind nicht mehr wirklich nötig, sobald abbott einen alarm in sein system einbaut. ich hab das so an mir, dass mein projekte zu spät kommen.

ops. der lustige text über verloren gegangenes ist selber irgendwie verloren gegangen.

 

8/9.11.2014

8.11.14. spaziergang mit einem kind und seinem patenonkel, 8 km entlang der ehemaligen mauer, ich habe ihren feinverlauf inzwischen nicht mehr parat, gerade durch die gebiete, bei denen bis auf die spree alles neu bebaut worden ist. was war da vor dem regierungskram, brache? ich habs vergessen. dem besuch fällt der gegensatz zwischen regierungsgebäuden auf der einen seite und dem neubau des bnd auf der anderen seite auf, die behauptung von transparenz vs der behauptung von kontrolle.

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huch, ist das ein langes bild geworden, gregorzwilling versteht die architektur auch als einladung.

„8/9.11.2014“ weiterlesen

Unbenannt

es ist gut, was du tust, es zahlt sich aus, worauf du verzichtest, deine haut ist nicht zu weich und dein weg ist in ordnung, du brauchst keine erfolge und zählst keine niederlagen, du bist unsichtbar, weil du das willst, deine müdigkeit ist vorübergehend und dein trotz ist nicht lächerlich, du stehst nicht auf verlorenem posten, du bist dir selbst genug, deine kraft ist stetig, du hast alles, was du brauchst.

well.

von rudow an den kudamm

radiointerview zur nacht des mauerfalls, unser netter nachbar hat auch die jungs befragt, über ihr wissen, ihre eindrücke und wahrnehmungen zum thema berliner mauer und ddr. die schulen haben das thema anscheinend nicht aufgegriffen, ein jammer eigentlich, hat man doch diesen teil der geschichte in berlin so klar vor augen wie sonst an wenigen orten. andererseits sind mauerfall und ddr für die jungs fast so weit weg wie für mich in dem alter der 2.wk, über den freilich damals nur innerhalb der schule gesprochen wurde, in mailand gab es in den siebziger und achtzigerjahren keinen historischen faschismus, die waren ja alle im widerstand, sondern nur einen aktuellen, der sich in strassenschlachten austobte, in den jahren ’77 und folgende habe ich auf dem balkon gestanden und dem chaos unten zugeschaut, bis geschossen wurde. ab dann mussten wir drinnenbleiben. mein vater als vertreter des kapitalismus tauchte, wie viele andere in diesen jahren, auf einer „liste“ auf (er war aber weder politiker noch journalist), wir bekamen eine panzertür und durften den schlüsssel nicht mehr verlieren – das interessiert die kinder noch ein bisschen, aber wenn ich auf die zusammenhänge dahinter kommen will, wollen sie gleich hausaufgaben machen.

ich wollte eigentlich meine erinnerungsreste vom mauerfall mal aufschreiben, obwohl die ganz unspektakulär waren. ich weiß ja inzwischen, was das für ein geschenk ist, diese normalität, kein blut, keine toten, anders als  in china, ich bin im sommer ’89 in china und auch in peking gewesen, der tian’anmen war da noch gesperrt, die einheimischen hielten einen halben meter sicherheitsabstand zwischen sich und uns, es war sehr lähmend und bedrückend. im herbst ’89 war noch nichts entschieden, niemand wußte, wie das weitergeht mit der ddr und ihren bürgern, es waren sehr offene zeiten. wenn man heute schabowski zuhört in seinem reden am abend des 9.11., als hätten sie einfach nichts mehr zu verlieren gehabt, nur noch bürokratie, nichtmal wut oder angst, die abgeschnittenen marionetten.

in der nacht zum 10. november lag ich in meiner neuköllner wg mit meinem damaligen freund, dem drucker, im tiefschlaf, wir hatten an dem abend keine nachrichten gehört. nach mitternacht weckte uns rolf, ein mitbewohner, damals schon sehr multimedial und rund um die uhr mit der welt verbunden, und forderte uns auf, mit ihm mitzukommen, die mauer würde nämlich grade aufgehen. jetzt, mitten in der nacht? in neukölln war nichts zu hören, da herrschten stille und dunkelheit. ja, jetzt grade! wir stolperten in die klamotten, halb mißtrauisch, halb aufgeregt, war das nicht albern, jetzt da raus zu gehen, und wohin sollten wir, wo war denn der nächste übergang? es stand ja noch eine mauer um die stadt herum, es gab nur ein paar stellen, wo man durchkonnte (reden für die nachgeborenen). in rudow gab es einen durchlass für den flughafen schönefeld, im süden, von uns aus der nächste, mal schauen, ob da auch die mauer aufgeht, dachten wir so, es gab ja damals in berlin keinen langweiligeren ort als einen grenzübergang zur ddr, als berlinerin hatte ich sie glaube ich mit einem wahrnehmungsloch umgeben, es waren nichtorte wie die gespenstischen u-bahnstationen, durch die die u8 durchrauschte, nur der übergang friedrichstrasse hatte ein gewisses drama, aber der war ja auch für uns westberliner offen. ich hatte keine ahnung, wo noch alles grenzübergänge waren, wozu auch, das war kein notwendiges wissen. rudow gab es aber, es war mit flugticket (malev, über budapest und venedig nach mailand) und transitvisum passierbar, eine lästige schwelle in die ferien, der ort, an dem die zeitplanung durcheinander geraten konnte.

ich hatte damals einen schwarzen käfer cabrio, in dem sind wir dann die sonnenallee runter, zu dritt, eine weitere mitbewohnerin wollte nicht mit*, rosi! die bietet jetzt kuschelparties an, glaube ich. in die vorstadt, bis es nicht mehr weiterging, nicht das man was sehen konnte, der grenzübergang bestand ja nur aus ein paar einstöckigen zementbaracken*, man konnte nicht durchgucken, die ddr lag im dunkeln. es war voll, hunderte von menschen, zu fuß und im trabi, es war unglaublich, die leute bei uns zu sehen, viele waren da wohl schon ein paar stunden unterwegs, um nach westberlin zu kommen, es war vielleicht ein oder zwei uhr morgens*, die mauer war da schon ewig offen, ein paar stunden mindestens, es war mehr ein gefühl, als ob etwas aufhörte, die ddr, der große anfang, die nachwendezeit mit allem anderen begann erst in den tagen danach. große freude, eine gewisse scheu vor den ddr-bürgern, das gefühl, dass wir nur beobachter sind, weil wir immer reisen konnten und keine ahnung hatten, woher diese leute kommen, aus welchen geschichten und aus welcher realität. euphorie, unglauben und tränen. mehr ossis als wessis waren dort, viele autos.

ein mann fragte uns nach dem weg zum kudamm, oh, der ist weit! sagte ich, nein! schrie der mann, ist er nicht! wir haben das dann so gemacht, dass wir ihm vorausgefahren sind zum kudamm, ich glaube, ich bin im trabbi mitgefahren und einer von seinen leuten mit im käfer*, und er hat seinen trabbi vor aufregung erstmal abgewürgt und den gang nicht reinbekommen und witze darüber gemacht, aber das weiß ich schon nicht mehr genau. oder haben wir auto getauscht für die fahrt? nee, unwahrscheinlich. wir haben ihn jedenfalls dahingebracht, er hat sein auto direkt an der wilhelmskirche auf den bürgersteig gestellt, ob das wohl gutgeht, meinte er? ob wir wohl strafzettel kriegen? wir sind im westen! hat er immer wieder gerufen, endlich am kudamm! uns kam der kudamm plötzlich ganz weltläufig vor, obwohl natürlich keiner von uns außer unseren müttern dort freiwillig hinfuhr. dann sind wir noch eine weile am zoo herumgelaufen, das publikum das übliche nächtliche bahnhofsvolk, es waren noch keine massen unterwegs, aber viele kneipen hatten offen, es war hell, ich erinnere mich an viele lichter. um 3 oder vier sind wir schon wieder nach hause gefahren, der freund und ich, der mitbewohner wollte noch party machen, glaub ich.*

* meine ich zu erinnern

 

paar dinge

transit

(wie die mauer für immer stand im westberlin der achtziger. die mauerspaziergänge über den toten potsdamer platz, zum flohmarkt. das lennè-dreieck mit den hütten, wie mein freund m damals mit den anderen in den osten geflüchtet ist, vor den westbullen, und dort höflich zum frühstücken begleitet wurde. wie ich fast jemanden rausgeheiratet hätte, roger hieß er, wenn die mauer nicht vorher gefallen wäre. in westberlin gab es eine kanzlei, die darauf spezialisiert war, es lief unter „fluchthilfe“, die scheidung hätte die brd gesponsert. wie ich mit einer freundin, frau z., mit höschengeld ins bodemuseum gefahren bin, weil sie dort drucke kaufen wollte. wie ich in der galerie weißer elefant a.r. penck kennengelernt habe und wie heiner müller dort aus der wolomkolamsker chaussee vorlas, mein herz ist ein ziegelstein, und dabei ultraleise sprach, fast flüsterte. wie ich auf ein paar parties im ostteil der stadt war, und um 24 uhr zurück musste, als einzige, wie merkwürdig die strassen mit den gelben laternen waren, wie null ahnung ich hatte von der topographie von ostberlin. wie die ostberliner stadtpläne hinter der mauer nur eine graue fläche zeigten. wie ich einmal mit dem käfer nach klein-venedig gefahren bin, zu freunden, und das verboten war, weil man die stadt nicht verlassen durfte. wie mir das umland nicht gefehlt hat in den mauerjahren. wie ich mich verguckt hatte in eine frau, die ich dort kennengelernt hatte, wie ich ihr ananas und zeitschriften mitbrachte und mir doof vorkam dabei. die autozeitungen für die grenzer. der zwangsumtausch.)

 

mäanderie

freier tag. (vorsicht, folgt ein reinster ich- + tmi-text.) ich hätte tun gewollt: einen oder zwei texte fertigschreiben, die ende der woche raus sollen. zuerst versucht, einen aus dem netz gezogenen film mit ein paar minuten gitarre in irgendein programm zu bringen, mit dem ich die frames nacheinander abklappern kann, um ein griffmuster zu verstehen aka abschreiben zu können, mit dem blatt vorm rechner. dabei gemerkt, dass ich das komplette final cut studio noch auf dem rechner habe, ein paar emma-filmchen mit fcs editieren gewollt, aber die modernen formate vom iphone können mit dem alten filmprogramm nicht gelesen werden, das m4p- dingens aus dem netz geht auch nicht auf. in die tiefen von cinema tools abtauchen gewollt, obwohl ich nicht mehr sehr genau weiß, wozu das programm eigentlich gut sein soll. irgendein plugin hindert mich daran, eine geraume weile nach dem plugin („powerplant“) gesucht, ohne zu wissen, ob es fehlt oder zuviel ist, aufgegeben – es gibt powerplants, das glaubt ihr nicht. mit handbrake eine weile lang gar lustig hin-und herformatiert, an die supere quick time pro version erinnert, die auch umformatieren kann, noch viel idiotensicherer, mit .avi (quicktime rechnet einem das um) ging es dann endlich, aber bei der nun miesen auflösung hätte es deutlich mehr vorhandene musikalische fähigkeiten gebraucht. es waren eh sehr, sehr viele frames für den restnachmittag. gleich weiter gesucht nach programmen im netz, die musike direkt auslesen können, ähnlich wie garageband das mit dem e-piano macht, das programm schreibt mit, was to-tal faszinierend ist, wie beim spielen die noten über den bildschirm rauschen, als wäre es nix, aber es macht das natürlich nicht nach gehör, sondern nach midi, das ist geheimnisfrei, eigentlich, fasziniert mich aber trotzdem. gibts bestimmt auch für e-gitarren. was gefunden, es ergibt aber mehrere seiten akkordsalat, das hilft mir nicht, weil der typ aus dem netz keine akkorde spielt, sondern nur so herumpickt. grade eben noch soundtrack pro aufgemacht, liegt auch auf der platte herum, wenn ich könnte, dann würde ich jetzt mich selbst unterlegen, mit schönen flauschigen loops, in soundtrack pro liegt ein irgendwo herausgeschnittenes gitarrenintro drin rum, es heißt „fred“ und kommt mir sehr bekannt vor, es liegt da seit 2005, in einem format, dessen dateiendung mit .step aufhört, da könnte ich jetzt gleich weiter.

ich mag an diesen programmen, die man erst erlernen muss, dass sie durch diese schwelle an den aufwand erinnern, den sie betreiben, die vielen tausend kommandozeilen, bis sie zu einem ergebnis kommen. ibm hat ja einen rechner gebaut, dessen kapazität an ein menschliches gehirn herankommt, aber der braucht ein akw als energiequelle, anders als wir. wobei der heißeste scheiss ja endlich nicht mehr nur die quantität, sondern die funktionsweise des hirns zum vorbild nimmt, ltd. data wartet schon. der digitale aufwand, der zum umrechnen eines bildes nötg ist, den braucht man ja auch nur, um ein bild umzurechnen, sonst ist der zu nix gut, und unsere axone können mehrere zehntausend verbindungen eingehen. muss ich den kids alles zeigen, wenn sie mal nicht wegkönnen.

wie angenehm besänftigend das problemlösen wirkt, mir gleich einen job mit konkreten, lösbaren problemen gewünscht. nachgedacht und gemerkt, dass ich heut keins meiner probleme gelöst habe, aber trotzdem sehr beschäftigt war. versucht, das umformatieren als metapher zu nutzen, ich bin leider nahezu perfekt eingepasst in mein umfeld und bin deshalb meiner größe sozusagen ausgeliefert, wodurch mein verbleiben im mittelmaß besiegelt wird. aber größe ist ja größtenteils antrieb, und den verbrauche ich schon für den alltag. naaa, lieber mich mit einem bisschen alkohol auf eine hinreichende konzentrationstiefe komprimieren. das waren tinnitus-sätze, gleichzeitig schrill und sperrig, mit tinnitus denken ist manchmal, also nur manchmal, wie eine lange spitze eisenstange durch ein sehr enges labyrinth navigieren müssen, ohne anstoßen.

jetzt wirds bald dunkel, und ich muss mit dem hund raus, weil ich ihr blinkerhalsband noch nicht wieder gefunden habe. leichter mißmut, weil ich zuwenig kann für all meine möglichkeiten, und weil ein programm das deutlicher zeigt als ein ungelesenes buch, für das lesenkönnen genügt.

vielleicht ist es auch nur mein sammlergen, und wer löscht schon programme, bloss weil der job vorbei ist? immer mal wieder mit einem kleinen rauschgefühl in der time machine durch die monate zurückgesaust, hin zu dem moment, als die mails noch nicht geschrieben waren und die bilder noch nicht gelöscht, die projekte noch nicht beerdigt. sentimental journeys. ich hätte wenig einzuwenden gegen zeitmaschinen.

puh. zuviel kaffee?